S 11 AL 122/00

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 122/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 1318/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 31/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 21.12.1999 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, eine neue Überprüfungsentscheidung bezüglich des Bescheides vom 18.12.1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts in Ansehung des ab 1.1.1998 gültigen Dritten Buches Sozialgesetzbuch zu treffen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Höhe und die Dauer der Arbeitslosengeldzahlung ab 18.11.1997.

Der 1950 geborene Kläger war vom 1.10.1991 bis 31.12.1994 als Verkaufsleiter und zuletzt Geschäftsführer der Firma B. Import und Export GmbH in B-Stadt gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von (durchschnittlich) 8.395,85 DM versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

Auf den Arbeitslosengeldantrag vom 23.1.1996 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld für 572 Tage in Höhe von 564,- DM wöchentlich auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 1.870,- DM und Leistungsgruppe A/0. Das Arbeitslosengeld wurde bis 23.4.1996 gezahlt. Danach nahm der Kläger eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Ab 22.5.1996 war der Kläger in der JVA Kassel inhaftiert, ab 11.11.1997 bestand Freigängerstatus.

Auf die erneute Arbeitslosmeldung am 18.11.1997 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.1997 ab 18.11.1997 Arbeitslosengeld in Höhe von 300,60 DM wöchentlich auf der Grundlage eines wöchentlichen Arbeitsentgelts von gerundet 830,- DM und Leistungsgruppe A/0 für 668 Tage. Hinsichtlich der Bemessung nahm sie eine fiktive Einstufung nach § 112 Abs. 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vor entsprechend des Groß- und Außenhandelstarifvertrages für das Land Hessen, Gehaltsgruppe IV (Kaufmann), entsprechend eines Bruttomonatslohnes von 3.528,- DM zuzüglich 52,- DM vermögenswirksame Leistung.

Mit Schreiben vom 28.10.1998 stellte der Kläger einen Antrag auf Überprüfung des ab 18.11.1997 bewilligten Arbeitslosengeldes.

Mit Bescheid vom 11.11.1998 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Kläger habe auf Grund der versicherungspflichtigen Tätigkeit vom 22.5.1996 bis 11.11.1997 eine neue Anwartschaftszeit erworben. Er sei als Gefangener beitragspflichtig gewesen. Entsprechend § 112 Abs. 5 Nr. 10 und § 112 Abs. 7 AFG sei eine fiktive Einstufung bei der Leistungsbemessung vorgenommen worden. Der Kläger sei laut Arbeitsvermittlung als Handelskaufmann vermittelbar. Es sei der Tarifvertrag für den Groß- und Außenhandel in Hessen, Gehaltsgruppe IV, bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich angewandt worden, woraus sich ein monatliches Bruttoentgelt von 3.528,- DM zuzüglich 52,- DM vermögenswirksame Leistung ergebe. Hieraus errechne sich ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 830,- DM. Dieses sei der Arbeitslosengeldbemessung ab 18.11.1997 zu Grunde gelegt worden.

Den Widerspruch vom 17.11.1998, mit dem der Kläger geltend machte, nach seinem beruflichen Werdegang sei eine Einstufung als Betriebsleiter und Verkaufsleiter mit mindestens 6.000,- DM brutto zutreffend, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.1.1999 als unbegründet zurück.

Mit Bescheid vom 25.11.1998 erfolgte im Rahmen der Dynamisierung eine Anhebung des Bemessungsentgelts ab 18.11.1998 auf wöchentlich gerundet 840,- DM, so dass der wöchentliche Leistungssatz nunmehr 305,13 DM wöchentlich betrug. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers vom 8.12.1998 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.1.1999 zurückgewiesen.

Im Mai 1999 erfolgte der Umzug des Klägers in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsamtes Lüneburg und der Kläger erhielt ab 9.5.1999 Arbeitslosengeld von dort.

Mit Schreiben vom 5.10.1999 legte der Kläger erneut Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.12.1997 ein und bat, "in der Angelegenheit in den alten Stand versetzt zu werden", da ihm neue Erkenntnisse vorliegen würden. Es gebe eine 3-jährige Bestandsschutzregelung. Ihm müsse seit dem 18.11.1997 Arbeitslosengeld in der Höhe wie ab 23.1.1996 gezahlt werden. Es sei auch die Frage zu stellen, wo der damals vorhandene Restanspruch geblieben sei.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.1999 als unzulässig zurück. Dazu führte sie aus, die Widerspruchsfrist sei eindeutig versäumt.

Mit Bescheid vom 21.12.1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Schreiben vom 5.10.1999 stelle einen erneuten Überprüfungsantrag hinsichtlich der Leistungshöhe und der Anspruchsdauer dar. Dem Antrag könne jedoch nicht entsprochen werden. Die vom Kläger genannte Bestandsschutzregelung betreffe eine Sondervorschrift bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes gemäß § 133 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Das SGB III sei erst am 1.1.1998 in Kraft getreten, so dass für die Arbeitslosengeldbemessung ab 18.11.1997 noch die Vorschrift des § 112 AFG anwendbar gewesen sei. Auf die frühere Überprüfungsentscheidung werde Bezug genommen. Bezüglich der Anspruchsdauer sei festzustellen, dass sich durch die beitragspflichtige Beschäftigung vom 1.6.1996 bis 10.11.1997 (462 Tage) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 156 Tage ergeben habe. Nach § 106 Abs. 3 Satz 2 AFG verlängere sich die Dauer des Anspruchs um die Dauer des nach § 125 Abs. 1 AFG erloschenen Anspruchs, wenn nach der Entstehung des erloschenen Anspruchs noch nicht sieben Jahre verstrichen seien. Sie verlängere sich längstens bis zu der dem Lebensalter des Arbeitslosen zugeordneten Höchstdauer. Per 30.4.1996 habe noch ein Restanspruch von 487 Tagen bestanden. Im November 1997 habe der Kläger noch nicht das 52. Lebensjahr vollendet, so dass die Höchstanspruchsdauer damals 572 Tage betragen habe. Der Restanspruch aus 1996 sei also damals berücksichtigt worden.

Die am 28.1.2000 beim Sozialgericht Kassel eingegangene Klage richtet sich gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.12.1999.

Der den Kläger zunächst vertretende Rechtsanwalt C. hat das Mandat niedergelegt.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Entscheidung der Beklagten zur Arbeitslosengeldhöhe ab 18.11.1997, so wie sie erneut im Bescheid vom 21.12.1999 ihren Ausdruck gefunden habe, sei unzutreffend. Er habe am 18.11.1997 noch einen Restanspruch auf den Höchstsatz des Arbeitslosengeldes von 487 Tagen gehabt. Die fiktive Einstufung sei eindeutig falsch gewesen. Hätte er während der Inhaftierung keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, was möglich gewesen wäre, so hätte ihm nach Ende der Haftzeit das höhere Arbeitslosengeld zugestanden. Man habe ihn damals über die Konsequenzen einer Tätigkeit während der Haftzeit nicht aufgeklärt. Er begründe seine Klage damit, dass der Gesetzgeber eine sogenannte Bestandsschutzregelung geschaffen habe, die ganz eindeutig feststelle, dass ein Arbeitsloser, der in den letzten drei Jahren vor erneuter Anspruchsentstehung Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen habe, mindestens Anspruch auf die Höhe des Arbeitslosengeldes habe, die der früheren Leistungsbemessung zu Grunde gelegen habe. Hinzu komme noch, dass der Gesetzgeber die Bundesanstalt anweise, die fiktiven Bemessungen von Arbeitslosengeld zu unterlassen, da sich zu viele Fehler eingestellt hätten. Auch das sei in seinem Fall ganz eindeutig geschehen, da er als Handelskaufmann eingestuft worden sei, eine Arbeit, die er in seinem Leben bisher nicht ausgeübt habe. In allen Gesprächen und Broschüren des Arbeitsamtes sei er sehr genau auf seine Pflichten hingewiesen worden. Die Rechte würden dagegen nur gern sehr beiläufig erwähnt und vor allem zu 95% nur auf Nachfrage. Nachfragen könne man natürlich nicht, wenn man es nicht wisse. Er sehe seinen Fall so, dass er mit der Bewilligung von Arbeitslosengeld auf der Grundlage von ca. 3.500,- DM brutto doppelt bestraft worden sei. Er sei bereits bei seiner Antragstellung im November 1997 auf die Neuregelung des SGB III hingewiesen worden, jedoch per Merkblatt insbesondere auf seine Pflichten. Auf die neue Bestandsschutzregelung sei er nicht hingewiesen worden. Er habe seinen Antrag einfach zu früh gestellt. Hierauf hätte ihn das Arbeitsamt jedoch hinweisen müssen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.12.1999 und den Bescheid vom 21.12.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 18.11.1997 Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.870,- DM für 572 Tage zu gewähren,
hilfsweise
die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die vom Kläger angesprochene Bestandsschutzregelung sei im SGB III enthalten, welches zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht in Kraft gewesen sei. Abzustellen sei somit noch auf das Arbeitsförderungsgesetz. In diesem Zusammenhang sei noch auf den Bescheid vom 21.12.1999 zu verweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, soweit deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht erhobene Klage ist zulässig und auch im Wesentlichen begründet. Im Ergebnis war die Beklagte zu einer Neubescheidung des Arbeitslosengeldantrags des Klägers zu verurteilen.

Soweit sich die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.12.1999 richtet, war die Klage abzuweisen, weil die Beklagte mit diesem Bescheid den Widerspruch des Klägers vom 5.10.1999 gegen den Bescheid vom 18.12.1997 wegen eindeutiger Fristversäumung richtigerweise als unzulässig zurückgewiesen hat. Denn der Kläger hat die gemäß § 84 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgeschriebene Monatsfrist zur Einlegung des Widerspruchs mit dem am 5.10.1999 erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.12.1997 eindeutig nicht eingehalten.

Die Klage ist jedoch begründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung der Beklagten vom 21.12.1999 richtet. Richtigerweise hat die Beklagte dabei den verfristeten Widerspruch des Klägers vom 5.10.1999 gegen den Bescheid vom 18.12.1997 als Überprüfungsantrag hinsichtlich der Entscheidung vom 18.12.1997 gewertet. Der Bescheid vom 21.12.1999 ist gemäß § 96 SGG nach Auffassung der Kammer auch Gegenstand des ursprünglich gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.12.1999 gerichteten Klageverfahrens geworden. Er ist damit einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich, hält dieser jedoch nicht stand.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X).

Zu Unrecht hat die Beklagte in der Überprüfungsentscheidung vom 21.12.1999 an der Entscheidung vom 18.12.1997 festgehalten. Zwar hat die Beklagte über den am 18.11.1997 vom Kläger gestellten Leistungsantrag im Bescheid vom 18.12.1997 eine Entscheidung auf der Grundlage der Bestimmungen des damals geltenden Arbeitsförderungsgesetzes getroffen. Dabei hat die Beklagte aus ihrer damaligen Sicht zunächst richtigerweise festgestellt, dass der Kläger auf Grund der während der Haft ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung im Zeitraum vom 1.6.1996 bis 10.11.1997 einen neuen Arbeitslosengeldanspruch erworben hatte. Denn der Kläger hatte mit dieser mehr als 360 Kalendertage dauernden beitragspflichtigen Beschäftigung innerhalb der 3-jährigen Rahmenfrist vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit ab 18.11.1997 gemäß § 104 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eine neue Anwartschaftszeit erfüllt. Der ab 23.1.1996 bestehende und nach Ende der Zahlung am 23.4.1996 noch mit einer Restanspruchsdauer von 487 Tagen bestehende ursprüngliche Arbeitslosengeldanspruch war daher gemäß § 125 Abs. 1 AFG erloschen. Denn mit der Entstehung eines neuen Anspruchs erlischt der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ausgehend von diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte sodann in Anwendung der Bemessungsvorschriften des § 112 Abs. 5 Nr. 10 i.V.m. § 112 Abs. 7 AFG eine sogenannte fiktive Bemessung bei der Höhe des ab 18.11.1997 zu gewährenden Arbeitslosengeldes vorgenommen. Für den Kläger bedeutete dies allerdings eine erhebliche finanzielle Einbuße. Denn das ihm vor Entstehung des neuen Arbeitslosengeldanspruchs gezahlte Arbeitslosengeld war Anfang 1996 nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.870,- DM auf der Grundlage des zuletzt im Dezember 1994 verdienten Bruttoarbeitsentgelts von 8.395,85 DM errechnet worden, während die Leistungsbemessung ab 18.11.1997 sich lediglich an einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 830,- DM orientierte entsprechend des von der Beklagten fiktiv zu Grunde gelegten Bruttomonatslohnes von insgesamt 3.580,- DM aus einer Tätigkeit als Kaufmann. Der ab 18.11.1997 gezahlte wöchentliche Leistungssatz lag mit rund 300, DM ganz erheblich unter der ursprünglichen Bewilligungshöhe von 564,- DM wöchentlich.

Ausgehend von der Leistungsbeantragung des Klägers am 18.11.1997 und der damals gültigen Gesetzeslage nach dem Arbeitsförderungsgesetz ist die Entscheidung der Beklagten vom 18.12.1997 zunächst nicht zu beanstanden.

Der Überprüfungsantrag des Klägers im Hinblick auf die Entscheidung vom 18.12.1997 ist nach Auffassung der Kammer jedoch vor dem Hintergrund des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anders zu bewerten. Denn der Kläger hätte im Falle einer Antragstellung ab 1.1.1998 die ab diesem Zeitpunkt in Kraft getretene Regelung des § 133 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für sich in Anspruch nehmen können mit der Folge, dass trotz des in 1997 neu entstandenen Arbeitslosengeldanspruchs die ursprüngliche Arbeitslosengeldhöhe des erloschenen Anspruchs maßgeblich bleibt. So bestimmt § 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 1.1.1998 gültigen Fassung, dass Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt ist, nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden ist, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs (bereits) Arbeitslosengeld bezogen hat. Unabhängig von der Frage der Gültigkeit dieser Norm im Falle des Klägers lässt sich der Fall des Klägers unter diese vom Gesetzgeber getroffene "Bestandsschutzregelung" subsumieren. Denn der Kläger hatte innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des neuen Anspruchs, d.h. in 1996, Arbeitslosengeld bezogen. Bei Anwendung der Vorschrift des § 133 Abs. 1 SGB III wäre daher das wesentlich höhere Bemessungsentgelt aus 1996 zu berücksichtigen gewesen.

Allerdings ist die Vorschrift des § 133 Abs. 1 SGB III eindeutig erst am 1.1.1998 im Rahmen des als Artikel 1 des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungsreformgesetz) vom 24.3.1997 (BGBI. l, S. 594) verkündeten Dritten Buches Sozialgesetzbuch in Kraft getreten. Zum Zeitpunkt der Leistungsbeantragung durch den Kläger bei der Beklagten am 18.11.1997 galt diese Vorschrift also nicht.

Die Kammer stimmt allerdings der Auffassung des Klägers zu, wonach es die Beklagte versäumt hat, den Kläger dahingehend zu beraten, seinen Arbeitslosengeldanspruch erst in 1998 zu stellen, um unter Ausnutzung der dann geltenden Sonderregelung des § 133 Abs. 1 SGB III die erhebliche finanzielle Einbuße durch Antragstellung noch in 1997 vor dem Hintergrund der insoweit wesentlich ungünstigeren Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes zu vermeiden. Die Kammer sieht diesbezüglich die Voraussetzungen des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als gegeben an. Soweit der Kläger geltend macht, die mangelhafte Beratung des Arbeitsamtes Kassel habe dazu geführt, dass der Kläger nicht auf die ab 1.1.1998 geltende und für ihn weitaus günstigere Regelung des SGB III mit der Maßgabe hingewiesen wurde, erst 1998 einen neuen Leistungsantrag zu stellen, so ist dem zu folgen. So hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für Fälle, in denen ein Sozialleistungsträger die ihm obliegende Pflicht zur Auskunft und Beratung gemäß §§ 14 und 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB l) sowie zu einer dem konkreten Anlass entsprechenden verständnisvollen Förderung verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt, den sogenannten Herstellungsanspruch entwickelt. Eine solche Pflichtverletzung des Arbeitsamtes ist nach Auffassung der Kammer vorliegend zu bejahen. So hat der Kläger darauf hingewiesen, dass ihn die Beklagte zwar ausführlich über seine Pflichten aufgeklärt hat, die sich aus dem ab 1.1.1998 geltenden SGB III ergeben. Eine Aufklärung dahingehend, dass bei einer Antragstellung ab 1998 die Regelung des § 133 Abs. 1 SGB III einschlägig wird, ist jedoch nicht erfolgt. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte, bei der in 1997 ein Leistungsantrag gestellt wird, diesen Antrag auch auf der Grundlage des 1997 geltenden Rechts zu entscheiden hat. Da die für den Kläger weitaus günstigere Regelung des § 133 Abs. 1 SGB III ausgehend von dessen Antragstellung Mitte November 1997 innerhalb von sechs Wochen in Kraft trat und da davon auszugehen ist, dass die Beklagte Kenntnis von den Neuregelungen des SGB III hatte, da sie andererseits den Kläger auch ausführlich über seine Pflichten entsprechend dem ab 1.1.1998 gültigen Arbeitsförderungsrecht informierte, hätte die Beklagte den Kläger auch über die günstigere Gestaltungsmöglichkeit bei der Antragstellung aufklären müssen. Auch das BSG hat wiederholt entschieden, dass Leistungsträger verpflichtet sind, einen Antragsteller auf die günstigsten Gestaltungsmöglichkeiten bei der Antragstellung hinzuweisen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12, 16; Urteil v. 25.1.96, 7 RAr 60/94). So liegt nach Auffassung der Kammer der Fall beim Kläger. Angesichts der ganz erheblichen Unterschiede bei den Bemessungsentgelten des zuletzt in 1996 bezogenen Arbeitslosengeldes und des ab November 1997 vor dem Hintergrund der AFG-Regelungen zustehenden Arbeitslosengeldes hätte die Beklagte den Kläger dahingehend beraten müssen, eine Antragstellung erst 1998 vorzunehmen. Allerdings ist dann die Leistungsgewährung vom 18.11.1997 bis 31.12.1997 nicht möglich. Die Beklagte hat daher zwar eine Neubescheidung ab 1.1.1998 unter Berücksichtigung der Regelung des SGB III vorzunehmen, die tatsächlich erfolgte Leistungsbewilligung vom 18.11.1997 bis 31.12.1997 ist dabei auf die Neubewilligung anzurechnen.

Keineswegs kann der Kläger verlangen, bereits ab 18.11.1997 in Anwendung der Regelung des § 133 Abs. 1 SGB III Arbeitslosengeld nach dem früheren Bemessungsentgelt aus 1996 zu erhalten. Denn eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt vor dem 1.1.1998 kommt dem SGB III nicht zu. Der Kläger kann daher im Ergebnis auch nur verlangen, so gestellt zu werden, als habe er seinen Leistungsantrag nicht am 18.11.1997, sondern erst am 1.1.1998 gestellt mit der Maßgabe, dass für 1997 keinerlei Leistungsanspruch mehr besteht.

Wenn auch der Kläger bei einer Antragstellung ab 1.1.1998 im Rahmen der Regelung des § 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III wesentlich besser gestellt wird, so ist jedoch zu beachten, dass die damals gültige Fassung des § 133 Satz 2 des Absatzes 1 eine Leistungsbegrenzung vorsah, die zwar ab 1.8.1999 aufgehoben wurde (BGBI. l, S. 1648), für den Fall des Klägers gemäß § 434 Abs. 1 SGB III jedoch auch danach noch anwendbar ist. Denn sein Arbeitslosengeldanspruch ist vor dem 1.8.1999 entstanden. § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III enthielt eine Leistungsbegrenzung dahingehend, dass das Arbeitslosengeld nicht höher sein durfte als das Leistungsentgelt, das ohne Anwendung von Satz 1 Gültigkeit hat. Das Arbeitslosengeld, welches der Kläger in 1996 erhalten hatte und welches rund 2.444,- DM monatlich ausmachte, würde in der Höhe durch das Leistungsentgelt ohne Anwendung des Satzes 1 begrenzt. Über die insoweit anwendbare Vorschrift des § 135 Nr. 3 SGB III ist dann für die Frage des Leistungsentgelts wiederum das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat, maßgeblich. Hier kommt also wieder das von der Beklagten in 1997 zu Grunde gelegte fiktive Bemessungsentgelt zum Tragen. Dies allerdings nur im Umfang des sogenannten Leistungsentgelts, welches gemäß § 136 Abs. 1 SGB III das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt ist. Ausgehend von dem von der Beklagten im Rahmen der fiktiven Bemessung zu Grunde gelegten Gesamtbruttomonatslohn von 3.580,- DM beträgt das sogenannte Leistungsentgelt rund 2.200,- DM. Dieses Leistungsentgelt begrenzt also den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld nach § 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III.

Ausgehend von einem Leistungsanspruch des Klägers erst ab 1.1.1998 ändert sich allerdings an der Anspruchsdauer, die die Beklagte im Bescheid vom 18.12.1997 festgestellt hat, nichts. Die von der Beklagten hierzu gemachten Ausführungen im Überprüfungsbescheid vom 21.12.1999 haben auch unter Berücksichtigung der Regelungen des SGB III in § 127 Abs. 2 und Abs. 4 ihre Gültigkeit nicht verloren. Die von der Beklagten zutreffend errechnete Anspruchshöchstdauer von 572 Tagen gilt dann ab 1.1.1998.

Nach alledem war die Beklagte, wie ausgeurteilt, zur Neubescheidung zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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