S 23 U 69/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 69/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 129/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 11/18 R
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der BK-Verordnung (BKV) streitig.

Der 1959 geborene Kläger erlernte von 1976 bis 1978 den Metzgerberuf. Nach dem Wehrdienst arbeitete er von 1980 bis 1981 in einem Sägewerk, danach bis 1982 bei der Firma C. in C-Stadt in der Metallbearbeitung als Maschinenbediener und anschließend bis 1983 als Verkaufsfahrer für D. Nach einer ca. einjährigen Arbeitslosigkeit arbeitete er von 1984 bis 1986 für das Zeitarbeitsunternehmen E. Während dieser Zeit war er für 14 Monate bei der Firma F. in der Gummifertigung und für drei Monate bei der Firma G. im Bereich Recycling von Industriekatalysatoren sowie bei H. als Testfahrer beschäftigt. In den Jahren 1987, 1988 war er als Bauhelfer und Lkw-Fahrer und in den Folgejahren bis 1997 im Werksschutzdienst tätig. Seit 1998 ist der Kläger bei der Firma I. im Postdienst eingesetzt.

Im Oktober 2001 wurde bei dem Kläger ein Harnblasentumor diagnostiziert und von der behandelnden Klinik der Beklagten der Verdacht auf Vorliegen einer BK gemeldet.

Die Firma C. teilte am 19. Dezember 2002 mit, der Kläger sei vom 27. Juli 1981 bis 28. Februar 1982 in der Automobil-Kolbenfertigungsreihe beschäftigt gewesen. Er habe Kolbenrohlinge in eine Bearbeitungsmaschine eingespannt und bearbeitet. Dabei sei er mit wasserlöslichen Bohrölemulsionen in Kontakt gekommen. Die für die Firma C. zuständige Edel- und Unedelmetall-BG teilte hierzu am 16. April 2003 mit, die Firma C. habe von der Firma J. Kühlschmierstoffe bezogen, es sei wahrscheinlich das Produkt "J. AS 220" eingesetzt worden. Falls Kühlschmierstoffe aromatische Amine enthalten hätten, seien diese ungefährlich, da beim üblichen Umgang aromatische Amine nicht freigesetzt werden könnten (so die Ausführungen in Mehrtens-Perlebach, Vorkommen und Gefahrenquellen für BK-Ziffer 1301).

Die BG-Chemie gab Auskunft über die Beschäftigung des Klägers bei der Firma F. Gummiwarenfabrik GmbH und führte unter dem 15. Juli 2003 aus, der Mitgliedsbetrieb habe seit 1993/1994 seine Produktion eingestellt. Es gäbe keine Ansprechpartner, die Auskunft zu den dortigen Arbeitsplätzen geben könnten. Deshalb sei der Kläger zu den Verhältnissen an seinem Arbeitsplatz befragt worden. Bei der Firma F. seien Gummiteile für die Automobilindustrie, wie z.B. Schläuche und Gummimanschetten, hergestellt worden. Der Kläger habe in einer ca. 70 x 25 x 6 m großen Halle, in der 1 bis 14 Einspritzpressen gestanden hätten, gearbeitet. Er habe den Plastifizierschnecken die Gummimischung, die in Form von 1 bis 1,50 m langen Bändern angeliefert worden sei, von Hand zuführen müssen. Außerdem habe er die fertig vulkanisierten Teile der Form entnommen und auf einen Wagen oder in eine Gitterbox gelegt. Danach habe er die Formhälften mit einem Trennmittel für den nächsten Arbeitstakt eingesprüht. Um welches Trennmittel es sich dabei gehandelt habe, habe der Kläger nicht mehr sagen können. Er habe bei seiner Tätigkeit als Hitzeschutz Baumwollhandschuhe getragen. Eine Absaugung habe es nicht gegeben. Bei der Betrachtung der Exposition des Klägers gegenüber Stoffen, die Blasenkrebs auslösen könnten, müssten Alterungsmittel in Form von Phenyl-1-Naphthylamin bzw. Phenyl-2-Naphthylamin, wie sie in der Gummiindustrie verwendet worden seien, diskutiert werden. Diese enthielten in der Regel 2-Naphthylamin als Verunreinigung, welches im Merkblatt des BMA zur BK-Nr. 1301 als Auslöser für Harnwegskrebs genannt werde. Mangels konkreter Erkenntnisse im Einzelfall wurde die Exposition des Klägers von der BG Chemie auf der Basis eines Rundschreibens der BGChemie "Blasenkrebs durch aromatische Amine in der Gummiindustrie, Hinweise zur Ermittlung der Exposition" vom 19. Januar 2001 abgeschätzt. Die Tätigkeit des Klägers wurde dem im Rundschreiben definierten Arbeitsbereich 1 zugeordnet, welcher Tätigkeiten an Einspritzpressen einbezieht. Für die 14 Monate nach 1980 wurde bei einer im Rundschreiben genannten Tagesdosis von 11,5 ng für 2-Naphthylamin eine kumulative Dosis zwischen 2760 und 3220 ng errechnet.

Zur Firma G. Katalysatorenfertigung teilte die BG-Chemie unter dem 28. Oktober 2003 mit, der Akte des seit dem 30. September 1988 gelöschten Mitgliedsbetriebes sei zu entnehmen, dass sich der Betrieb mit der Herstellung von Katalysatoren für Abluftreinigung und Energierückgewinnung beschäftigt habe. Hierzu seien Edelmetalle und metallische Trägermaterialien eingesetzt worden. Die Akte enthalte keine Hinweise auf mögliche Gefahrstoffexpositionen. Beim Demontieren und Reinigen von Filtern könne es kurzzeitig zur Staubexpositionen gekommen sein. Diese Tätigkeiten seien in nicht all zu kurzen Abständen durchgeführt worden. Aufgrund des Produktionsverfahrens sei der Einsatz von aromatischen Aminen ausgeschlossen.

Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. Dr. K., Institut für Arbeits-Physiologie an der Universität Dortmund, am 14. Januar 2004 ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Er gelangte zu der Beurteilung, eine Exposition des Klägers bei der Firma F. gegenüber 2 Naphthylamin in Höhe einer kumulativen Gesamtdosis von der Größenordnung von 3.000 ng sei nicht ausreichend, um eine Harnblasenkrebserkrankung zu verursachen. Eine diskutierte Schwellendosis für eine BK-Anerkennung nach Ziffer 1301 liege um einen Faktor von 3.000 bis 4.000 über diesem Bereich. Sehr wahrscheinlich sei demgegenüber eine Genese aufgrund des Rauchverhaltens des Klägers mit einer Tagesmenge von 12 bis 15 Zigaretten. Gegenüber diesem Sachverhalt träten mögliche berufliche Kausalitäten zurück.

Mit Bescheid vom 21. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Entschädigungsleistungen wegen der Harnblasenerkrankung könnten nicht erbracht werden, da eine BK nach § 9 SGB VII i.V.m. Nr. 1301 der Anlage zur BKV bzw. als Erkrankung nach § 9 Abs. 2 SGB VII nicht vorliege.

Hiergegen erhob der Kläger am 30. September 2004 Klage zum Sozialgericht Frankfurt, welche das Aktenzeichen S 8 U 2165/04 erhielt. Das Gericht holte von Priv.-Doz. Dr. L., Kommissarischer Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen, ein Gutachten vom 8. August 2005 ein. Gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger angegeben, ab seinem 16. Lebensjahr habe er bis 1979 3 bis 4 Zigaretten täglich geraucht, bis 1980 fünf Zigaretten und danach bis 2001 maximal 12 Zigaretten täglich, ab 2001 seien es acht Zigaretten am Tag gewesen. Priv.- Doz. Dr. L. hat die Firma C. nach dem damals verwandten Kühlschmierstoff befragt und die Auskunft erhalten, es sei der wassermischbare Kühlschmierstoff J. AS 220-B verwandt worden. Die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter wurden von der Firma C. übersandt. Des Weiteren ließ sich Priv.-Doz. Dr. L. von dem leitenden Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) der BG-Chemie, Dr. M., die verfügbaren Ordner bezüglich der Firma F. aushändigen. In seinem Gutachten hat der Sachverständige ausgeführt, der Kühlschmierstoff J. AS 220-B sei ein Mineralölraffinat mit einem Aromatengehalt von 5 %, dem Emulgatoren, organische Stickstoffverbindungen, langkettige Alkohole und Wasser beigemischt seien. Es sei biozidfrei, ohne Chlor, Schwefel und Phosphor. Es sei nicht nitrosierbar und entspreche somit der TRGS 611. Die nicht vorhandene Nitrosierbarkeit gewährleiste, dass zum einen keine möglicherweise krebserzeugenden Nitrosamine entstünden. Für das Krankheitsbild des Klägers sei zu berücksichtigen, dass aromatische Amine beim üblichen Gebrauch, entsprechend der Expertise des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD), nicht vorhanden seien. Somit sei anlässlich des Arbeitsverhältnisses bei der Firma C. nicht von einer Exposition gegenüber den kanzerogenen aromatischen Aminen auszugehen. Die Firma F. betreffend hätten die Betriebsakten des TAD für den vorliegenden Fall keine verwertbaren Informationen bezüglich Erkrankungen an Harnblasenkarzinomen oder arbeitshygienischen Maßnahmen bezüglich aromatischer Amine enthalten. 1971 sei eine Messung durchgeführt worden, die jedoch überwiegend Feinstaub, Quarz, quarzhaltigen Feinstaub, Mineralöl-Aerosole und Mineralöldämpfe und Aerosole betroffen habe. Des Weiteren seien am Kammerofen und am Temperschrank insbesondere Nitrosamine gemessen worden. Im Jahr 1987 seien Messungen Nitrosamine, Formaldehyd und andere Aldehyde betreffend durchgeführt worden. Außerdem habe eine Feinstaubmessung, eine Quarzmessung und eine Messung von Nickel und seinen Verbindungen stattgefunden, auch Zinkoxid und Blei seien kontrolliert worden. Somit könne auch nach Beiziehung der verfügbaren Unterlagen der nicht mehr bestehenden Firma F. nicht festgestellt werden, in welcher luftgetragenen Konzentration möglicherweise aromatische Amine am Arbeitsplatz des Klägers vorgelegen hätten. Deshalb sei als Grundlage der Zusammenhangsbeurteilung die vom TAB durchgeführte Berechnung für den Arbeitsbereich des Klägers heranzuziehen. Danach sei eine kumulative Dosis durch die Verwendung von Trennmitteln und die Tätigkeit an einer sog. Einspritzpresse mit maximal 3.220 ng Beta-Naphthylamin berechnet worden. Das bei dem Kläger festgestellte Harnblasenkarzinom könne durch aromatische Amine ursächlich entstehen. Bei dem Kläger liege aber auch ein außerberuflicher, konkurrierender Faktor in Form des Zigarettenrauchens vor. Auch im Zigarettenrauch sei 2-Naphthylamin enthalten. Eine Zigarette enthalte 1,7 ng 2-Naphthylamin. Für den Zeitraum 1975 bis 1979 errechne sich durch den Rauchkonsum bei drei Zigaretten täglich eine kumulative Dosis von 189.653,7 ng 2-Naphthylamin und bei einer Annahme von vier Zigaretten täglich eine Gesamt-Dosis von 192.135,7 ng 2-Naphthylamin. Demgegenüber sei die beruflich ermittelte Dosis von maximal 3.220 ng 2-Naphthylamin deutlich niedriger und liege bei etwa 1/60 der durch Zigarettenrauch inhalierten Dosis. Es sei deshalb evident, dass die beruflich erworbene, kumulative Dosis des 2-Naphthylamins gegenüber der außerberuflichen kumulativen Dosis durch das Zigarettenrauchen eindeutig mit einem nahezu 60stel nachrangig zu betrachten sei. Somit sei beim Abwägen der Ursachen davon auszugehen, dass dem beruflichen Faktor keine wesentliche Teilursächlichkeit zukomme. Der Erkrankungszeitpunkt für das Harnblasenkarzinom des Klägers liege mit 41 Jahren unter der im Allgemeinen anzunehmenden Altersstruktur. Epidemiologische Studien bestätigten, dass bei einem Rauchkonsum von 1 bis 14 Zigaretten pro Tag mit einem mehr als zweifach häufigeren Auftreten der Harnblasenkarzinome gegenüber den Nichtrauchern zu rechnen sei. Im Falle des Klägers könne eine sog. Vorverlagerung des Erkrankungszeitpunktes nicht aufgrund der niedrigen kumulativen Dosis am Arbeitsplatz mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden. Eine Gefährdung durch 2 Naphthylamin durch das Rauchen habe bereits vor der Aufnahme der gefährdenden Tätigkeit bei Firma F. bestanden. Zusammenfassend könne die haftungsausfüllende Kausalität für das Vorliegen einer BK der Nr. 1301 der BKV nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

Mit Urteil vom 7. März 2006 wies das Gericht die Klage daraufhin ab. Hiergegen legte der Kläger Berufung zum Hessischen Landessozialgericht (LSG) ein, welche unter dem Aktenzeichen L 3 U 85/06 geführt wurde.

Auf Antrag des Klägers holte das LSG ein arbeitsmedizinisches Fachgutachten bei Prof. Dr. O. ein. Auf Anregung des Sachverständigen wurden dabei weitere Ermittlungen zur Verwendung von Mineralölen bei den Firmen F., C. und G. sowie zu der Art der bei der Firma G. verwendeten Edelmetalle und metallischen Trägermaterialien aufgenommen.

Zur Verwendung von Mineralölen bei der Firma F. führte der TAD der BG-Chemie aus, laut Messbericht vom 11. Oktober 1991 seien bei der Firma F. in der Mischerei und der Endbearbeitung auch messbare Konzentrationen von Mineralöldämpfen festgestellt worden. Mineralöl sei üblicherweise ein Bestandteil von Gummimischungen. Als Produkt aus Rohöl könnten Mineralöle polyzyklische Verbindungen enthalten. Unter diese Verbindungsklasse falle von den im Merkblatt zur BK 1301 genannten aromatischen Aminen nur das 2-Naphthylamin. Nach BGIA-Ringbuchanhang 9101/2, 5. Anstrich seien an zehn Rohölproben Untersuchungen auf 2-Naphthylamin bei einer Nachweisgrenze von 1 ppm negativ verlaufen. Es könne deshalb ausgeschlossen werden, dass der Kläger infolge von Kontakt mit Mineralölen gegenüber 2-Naphthylamin exponiert gewesen sei.

Zur Firma G. wurde angegeben, in der Fertigung seien lockere Gebilde von Stahlspänen galvanisch mit Edelmetallen (Platin/Palladium) beschichtet und dann in einem Ofen eingebrannt worden. Eine staubförmige Exposition sei bei diesem Vorgang in wässrigen Systemen auszuschließen.

Die BG Metall-Nord-Süd gab nach Befragen einer Sicherheitsfachkraft der Firma C. an, in der Kolbenbearbeitung sei damals der Kühlschmierstoff J. SG/4 verwandt worden. Die Anwendungskonzentration habe maximal 5 % betragen, dem Konzentrat seien 95 % Wasser zugegeben worden. Die Firma J. teilte in einem Schreiben vom 6. Februar 2009 mit, J. SG/4 sei erstmals im Oktober 1992 produziert worden, aromatische Amine, krebserzeugende Schwermetalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder sonstige krebserzeugende Stoffe seien darin nicht enthalten.

In seinem Gutachten vom 17. November 2009 hat der Sachverständige Prof. Dr. O. ausgeführt, zur Abschätzung der quantitativen Exposition des Klägers gegenüber 2 Naphthylamin sei sein Arbeitsplatz bei der Firma F. dem Arbeitsbereich 1 zugeordnet worden, für welchen die Exposition nach 1980 mit 11,5 ng pro Tag errechnet worden sei. Anlass für die Zuordnung sei offensichtlich, dass Tätigkeiten an Einspritzpressen ausdrücklich zu denen des Arbeitsplatzbereiches 1 gezählt werden. Der Kläger habe jedoch nicht an Einspritzpressen, die in der Halle zu 1 bis 14 Exemplaren gestanden hätten, gearbeitet. Vielmehr habe er Gummimischung den sogenannten Plastifizierschnecken von Hand zuführen und die fertig vulkanisierten Teile der Form entnehmen und auf einen Wagen oder eine Gitterbox legen müssen. Seine Tätigkeit sei demnach viel eher dem Arbeitsbereich 2 zuzuordnen, einem Bereich in welchem große Teile bzw. Teile mit einer Oberfläche von etwa 1 m2 vulkanisiert werden, wie z.B. Autoreifen. Die Schläuche und Gummimanschetten, die bei der Gummiwarenfabrik F. hergestellt worden seien, dürften größenordnungsmäßig den Autoreifen entsprechen. Nach dem technischen Report 9.100 "Aromatische Amine" (BGIA, 2008) ergebe sich dann eine fünffach höhere kumulative Exposition. Aber auch diese könne aus arbeitsmedizinischer Sicht noch nicht mit Sicherheit als ausreichend für die Verursachung eines Harnblasenkarzinoms angesehen werden. Es stelle sich die Frage, wie plausibel die angestellten Modellrechnungen und ihre Anwendung im vorliegenden Fall seien. Die Unsicherheit der Anwendung derartiger Schätzwerte im Einzelfall sei groß, so dass der Schätzwert kein Vertrauen mehr verdiene. Er gelange zu dem Ergebnis, dass die reale Exposition des Klägers gegenüber 2-Naphthylamin während der 12 bis 14 Monate seiner Tätigkeit bei der Firma F. nicht bekannt sei, nicht ermittelt werden konnte und über die existierenden Modellrechnungen nicht vertrauenswürdig abgeschätzt werden könne. Es sei nicht einmal sichergestellt, dass die Firma Y. hinsichtlich ihrer Rezepturen und Produktionsverfahren den Werken der Gummiindustrie zugeordnet werden könne, für welche die Modellrechnungen angestellt worden seien. Zur Frage, welche Antioxidantien bei der Firma eingesetzt worden seien und in welchem Umfang, lägen keine Ermittlungsergebnisse vor. Im vorliegenden Fall könne der aus der Modellrechnung abgeleitete Schätzwert aber auch nach dem epidemiologischen Kenntnisstand nicht als Kriterium für die Anerkennung einer BK herangezogen werden. Denn auch das Verbot der Verwendung von 2 Naphthylamin in der Gummiindustrie habe das erhöhte Risiko für Harnblasenkrebs nicht vollständig ausschalten können. Dies habe eine Studie an über 11.000 Arbeitern der Gummiindustrie ergeben. Nach Golka et al. (2004) könne das weiterhin bestehende Risiko von komplexen Gemischen ausgehen, welche polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten, oder von Nitrosaminen. Die vorliegenden epidemiologischen Befunde sprächen dagegen, dass allein die aromatischen Amine für das erhöhte Harnblasenkrebsrisiko verantwortlich seien. Dass polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe Harnblasenkrebs erzeugten, sei nicht mehr in Zweifel zu ziehen. Auch Nitrosamine als Arbeitsplatzkanzerogene hätten an Arbeitsplätzen der Gummiindustrie nachgewiesen werden können. Der Nachweis des N-Nitroso-di-nbutylamins als luftgängiger Schadstoff bei der Firma F. mit messbaren Konzentrationen von 0,1 bis 0,2 ng/m3 sei dokumentiert. Bei dieser Luftkonzentration könne die krebserzeugende Verbindung täglich nur in einer Menge inhalativ aufgenommen werden, die um Größenordnungen unterhalb der im Tierexperiment wirksamen Dosen liege. Selbst wenn man unterstelle, dass ein Mehrfaches dieser Dosis auf dem Hautwege aufgenommen worden sei, könne die Exposition gegenüber N-Nitroso-di-n-butylamin nur als eine Teilursache der Krebserkrankung angesehen werden, deren Bedeutung hinter der des inhalativen Zigarettenrauchens deutlich zurückstehe. Für eine Exposition gegenüber Nitrosaminen bei der Firma C. existierten keine hinreichenden Belege. Der eingesetzte Kühlschmierstoff der Firma J. habe nativ keine nitrosierbaren Amine enthalten. Zum Harnblasenkrebsrisiko bei der Exposition gegenüber Kühlschmierstoffen lägen nur spärliche Daten vor. Allerdings sei ein steigender Gehalt an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen abhängig von der Dauer des Gebrauchs der Kühlschmiermittel nachgewiesen. Ob diese als ursächlich anzusehen seien für das erhöhte Harnblasenkrebsrisiko nach einer Expositionszeit von 20 Jahren sei nicht geklärt. Wegen der gering bemessenen Konzentrationen im Falle des Klägers und namentlich wegen der kurzen Beschäftigungsdauer bei der Firma C. könne eine wesentliche Exposition gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen in dieser Zeit nicht als belegt angesehen werden. Es kämen aber auch die bei der Firma F. analytisch nachgewiesenen Mineralöldämpfe sowie die Vulkanisationsdämpfe als PAH-haltige Gemische in Betracht. Im Falle des Klägers gelangte er zu dem Ergebnis, eine überzeugende Erklärung für die Erkrankung an Harnblasenkrebs in dem sehr frühen Alter und ohne familiäre Belastung könne aus der Betrachtung der ermittelten beruflichen Exposition nicht gefunden werden. Zwar sei eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen und auch gegenüber Nitrosaminen belegt, höchstwahrscheinlich habe auch eine Exposition gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bestanden. Es komme jedoch aufgrund erwiesener hinreichender Höhe weder eine dieser Expositionen als wesentliche Teilursache in Betracht, noch gelte dies für ihre Kombination. Es sei auch nicht wissenschaftlich zu begründen, dass das durch Zigarettenrauchen bedingte Risiko durch die Gesamtheit der beruflichen Expositionen entscheidend gesteigert worden sei. Abgesehen von der Möglichkeit, dass die wesentliche Ursache der Erkrankung bisher übersehen worden sei bzw. nicht habe aufgefunden werden können, bestehe die Möglichkeit einer gravierenden Fehleinschätzung für die Einwirkung von 2-Naphthylamin während der 12 bis 14 Monate der Beschäftigung bei der Firma F. Versicherungsrechtlich könne aber aufgrund dieser Möglichkeit die Anerkennung einer BK nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV nicht empfohlen werden, es sei eine überwiegende Wahrscheinlichkeit zu belegen. Diese sei wissenschaftlich auf der Grundlage der bisher vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht ableitbar.

Mit Beschluss vom 27. Juni 2011 wies das LSG daraufhin die Berufung des Klägers zurück. Am 12. August 2011 beantragte der Kläger sodann bei der Beklagten die Überprüfung der Ablehnung der BK gemäß § 44 SGB X. Zur Begründung ließ er vortragen, dass das LSG zu Unrecht kein arbeitstechnisches Sachverständigengutachten eingeholt habe. Es gebe nach wie vor Ermittlungslücken. Es habe eine tatsächliche Exposition gegenüber aromatischen Aminen gegeben, wobei es eine Mindestdosis für das Auftreten von Blasenkrebs nicht gebe. Der Einwand des Rauchens sei laienhaft, es bestehe eine wechselseitige Verstärkung in den Auswirkungen. es sei auch nicht berücksichtigt, dass bestimmte Schadstoffe erst im Körper selbst aromatische Amine bilden würden.

Mit Bescheid vom 22. November 2011 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 21. April 2004 gemäß § 44 SGB X ab. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des Bescheids. In den Gutachten und Gerichtsverfahren habe bereits eine ausführliche Diskussion der arbeitsmedizinischern Beurteilung stattgefunden.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 22. Dezember 2011 Widerspruch ein, welchen er damit begründen ließ, dass der berufliche Kontakt des Klägers mit gefährdenden Stoffen zeitlich und sachlich mit der vorzeitigen Erkrankung an Harnblasenkrebs zusammen passe. Es müsse daher ein arbeitstechnisches Sachverständigengutachten eingeholt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 23. April 2012 Klage zum Sozialgericht Frankfurt. Zur Begründung ließ er vortragen, dass die Beklagte die Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung verletze, wonach auch eine wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung ausreiche. Dies sei im Fall des Klägers gegeben. Bei der streitgegenständlichen Listen-BK gebe es zudem keinen Dosisgrenzwert.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2012 zu verurteilen, den Bescheid vom 21. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. September 2004 aufzuheben und bei dem Kläger das Vorliegen einer BK 1301 anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags verwies die Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides.

Mit Verfügung vom 10. Oktober 2012 wies das Gericht die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid hin. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte aus dem ursprünglichen Verfahren S 8 U 2165/04 des Sozialgerichts Frankfurt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das Gericht konnte auch gemäß § 105 SGG den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten gehört wurden.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Nach Abs. 3 der Vorschrift entscheidet dabei über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde.

Gegenstand der vorliegenden Klage ist somit nur der auf den § 44er-Antrag des Klägers ergangene Bescheid der Beklagten vom 22. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2012. Der mit dem Antrag nach § 44 SGB X angegriffene Bescheid vom 21. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. September 2004 bleibt bestandskräftig, solange die Beklagte ihn nicht nach § 44 SGB X abändert oder aufhebt. Das Gericht selbst ist nicht befugt, diesen ursprünglichen Bescheid aufzuheben, da die Bestandskraft insoweit entgegensteht. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 3 SGB X, wonach die zuständige Behörde über eine eventuelle Rücknahme entscheidet. Das Gericht könnte demnach lediglich die Beklagte verpflichten, den ursprünglichen Bescheid aufzuheben oder abzuändern, so dass es sich vorliegend um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage handelt. Der Klageantrag war dementsprechend sachdienlich zu fassen.

Die Beklagte hat jedoch zu Recht den Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 SGB X zurückgewiesen.

Der Kläger begehrt vorliegend die Anerkennung der BK 1301 durch die Beklagte. Sein Vortrag im Antrags-, Widerspruchs- und Klageverfahren bezeiht sich dabei auf darauf, dass die BK Dosisgrenzwerte nicht habe und in der gesetzlichen Unfallversicherung auch eine Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingungen genüge. Im damaligen Verfahren hätte deshalb ein arbeitstechnischen Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, weil immer noch Ermittlungslücken bestünden.

Mit dieser Argumentation haben sich jedoch im ursprünglichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht nur die verschiedenen Gutachter, sondern auch das Hessische LSG in seinem Beschluss vom 27. Juni 2011 (L 3 U 85/06) ausführlich auseinandergesetzt. Der jetzige Vortrag des Klägers bringt insoweit keine neuen Erkenntnisse oder Tatsachen.

Das LSG (a.a.O.) führt in diesem Zusammenhang u.a. aus:

"Das Vorliegen dieser BK bei dem Kläger kann jedoch nicht festgestellt werden, auch bei Unterstellung, dass der Kläger gegenüber aromatischen Aminen exponiert war.

Während seiner Tätigkeit bei der Firma C. hatte der Kläger Umgang mit Kühlschmierstoffen der Firma J. Nach der ersten Auskunft der Firma C. vom 19. Dezember 2002 und gegenüber dem Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. L. handelte es sich dabei um das Produkt "J. AS 220-B". Dass bei dem Umgang mit Kühlschmierstoffen aromatische Amine freigesetzt wurden, ist nicht bewiesen. Von einer solchen Exposition beim Umgang mit Kühlschmierstoffen kann sowohl nach Ansicht des Priv.-Doz. Dr. L. als auch nach Ansicht des Prof. Dr. O. nicht ausgegangen werden. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass die bei der Firma F. gemessenen Mineralöldämpfe aromatische Amine enthalten haben. Denn nach Auskunft des TAD der BG Chemie sind Untersuchungen von Rohölproben auf 2-Naphthylamin negativ verlaufen.

Das zu den aromatischen Aminen zählende 2-Naphthylamin wurde in früheren Jahrzehnten vor allem in der Gummiindustrie als Alterungsschutzmittel eingesetzt. Der Kläger hatte während seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma F. Umgang mit Gummimischungen in Form von 1 bis 1,5 m langen Bändern, aus denen in Formen durch Vulkanisation Gummiteile für die Automobilindustrie hergestellt wurden. Zwischen den einzelnen Vulkanisationsvorgängen sprühte der Kläger die Formhälften mit einem Trennmittel ein. Aus welchen Stoffen dieses Trennmittel bestand und in welchem Umfang es von dem Kläger eingesetzt wurde, konnte und kann nicht mehr festgestellt werden. Mangels konkreter Erkenntnisse im vorliegenden Einzelfall kann die mögliche Exposition des Klägers gegenüber 2 Naphthylamin als Alterungsschutzmittel (Antioxidationsmittel) nur anhand der in der Gummiindustrie gewonnen Erkenntnisse (vgl. Rundschreiben der BK-Chemie vom 19. Januar 2001: "Blasenkrebs durch aromatische Amine in der Gummiindustrie, Hinweise zur Ermittlungen der Exposition", Verwaltungsakte S. 96 ff.) geschätzt werden. Entsprechend diesen Hinweisen zur Expositionsermittlung ist die Beschäftigungszeit eines Versicherten, sofern während dieser Zeit Alterungsschutzmittel verwendet wurden, nach seiner jeweiligen Tätigkeit vier verschiedenen und in den Hinweisen beschriebenen Arbeitsbereichen zuzuordnen. Zum Arbeitsbereich 1 gehören Tätigkeiten an den Walzwerken nach einem Kneter, an Walzwerken zum Vorwärmen, an Extrudern, Kalander, an jeder Art von Durchlauf-Vulkanisation (Heißluft, Salzbad, Mikrowellen), an Einspritzpressen und der Gleichen sowie alle Tätigkeiten im Labor. Dem Arbeitsbereich 2 werden Bereiche zugeordnet, in denen große Teile bzw. Teile mit großer Oberfläche (Größenordnung 1 m²) vulkanisiert werden, wie Autoreifen, Kesselvulkanisation von Krümmern, Etagenpressen.

Sowohl der TAD der BG-Chemie als auch der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. L. haben die Tätigkeit des Klägers dem Arbeitsbereich 1 zugeordnet. Für eine Tätigkeit nach 1980 wird diesem Bereich eine Tagesdosis von 11,5 ng 2 Naphthylamin zu Grunde gelegt. Danach errechneten der TAD der BG-Chemie und der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. L. für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma F. eine kumulative Dosis von maximal 3.220 ng 2-Naphthylamin. Der Sachverständige Prof. Dr. O. ordnete die Tätigkeit dem Arbeitsbereich 2 zu, für den bei einer Tätigkeit nach 1980 eine Tagesdosis von 46 ng 2-Naphthylamin zu Grunde gelegt wird. Prof. Dr. O. errechnete aufgrund dessen eine 5-fach höhere Exposition. In diesem Fall wäre von einer Dosis von maximal 16.100 ng 2 Naphthylamin (= 3.220 x 5) auszugehen. Jedoch ist weder Priv.-Doz. Dr. L. noch Prof. Dr. O. zu dem Ergebnis gelangt, dass die jeweils unterstellte berufliche Exposition gegenüber 2-Naphthylamin als wesentliche Teilursache für die Harnblasenkrebserkrankung des Klägers zu bewerten ist, weil dieser berufliche Risikofaktor bei Abwägung gegenüber dem außerberuflichen Risikofaktor – dem Rauchverhalten des Klägers – deutlich zurücktritt. Wird nur das Rauchverhalten des Klägers in dem Zeitraum von 1975 bis 1979 berücksichtigt und lediglich ein Rauchkonsum von 3 Zigaretten täglich zu Grunde gelegt, errechnet sich eine kumulative Dosis von 189.653,7 ng 2-Naphthylamin. Diese Dosis ist um das 60-fache höher als die von Priv.-Doz. Dr. L. zu Grunde gelegte berufliche Dosis (189.653,7: 3.220 = 58,898) und 11-mal höher als die Dosis, die Prof. Dr. O. angenommen hat (189.653,7: 16.100 = 11,779). Demzufolge ist in jedem Fall die außerberufliche Exposition gegenüber 2-Naphthylamin aus dem Zigarettenrauch um ein Vielfaches höher als die Belastung aus der beruflichen Exposition.

Der Senat folgt der überzeugenden Beurteilung der Sachverständigen. Zwar sieht der Tatbestand der BK-Nr. 1301 keinen konkreten Belastungsgrenzwert für aromatische Amine vor, auch kann eine Mindestexpositionsmenge für eine Dosis-Wirkungs-Beziehung nicht gefordert werden, weil es diesbezüglich keinen Konsens gibt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. September 2010 L 14 U 2869/09 – und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2011 L 31 U 339/08, jeweils in juris). Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede geringe Exposition als wesentlicher Verursachungsfaktor anzuerkennen ist, auch wenn außerberufliche Risiken vorliegen (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg aaO). Vielmehr sind, wie es seitens der Sachverständigen erfolgt ist, die beruflichen und außerberuflichen Faktoren gegeneinander abzuwägen. Sind die außerberuflichen Einwirkungen – wie hier aufgrund des Rauchverhaltens – um ein Vielfaches höher als die beruflichen und lässt sich wissenschaftlich nicht begründen, dass das durch den Zigarettenrauch bedingte Risiko durch die berufliche Exposition nicht entscheidend gesteigert worden ist, so Prof. Dr. O., kann der berufliche Faktor nicht als wesentliche Teilursache und folglich die berufliche Tätigkeit nicht als hinreichend wahrscheinliche Verursachung der Erkrankung festgestellt werden. Auch bei Anwendung der sog. Krasney´schen Formel wäre die berufliche Exposition als rechtlich nicht wesentlich zu beurteilen, weil sie in keinem Fall neben der außerberuflichen Bedingung an dem Gesundheitsschaden mit mehr als 10 v.H. beteiligt ist.

Da folglich dem beruflichen Faktor keine wesentliche Teilursächlichkeit zukommt, kann das Vorliegen einer BK im Sinne der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV bei dem Kläger nicht festgestellt werden."

Diesen schlüssigen Ausführungen schließt die Kammer sich wie auch im Übrigen der Entscheidung des LSG, auf die insoweit verwiesen wird, vollumfänglich an. Die vom Kläger im Rahmen seines jetzigen Antrags nach § 44 SGB X vorgetragenen Argumente wurden umfänglich bereits im ursprünglichen Verfahren behandelt und bewertet. Sämtliche Gutachter sind unter Abwägung der beruflichen und außerberuflichen Faktoren zu dem Ergebnis gekommen, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer BK 1301 bei dem Kläger nicht besteht. Die Begründungen hierzu durch Priv.-Doz. Dr. L. und auch Prof. Dr. O. sind schlüssig und überzeugend.

Der Kläger hat darüber hinaus auch weder im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X bei der Beklagten noch im gerichtlichen Verfahren neuen Tatsachen und Gesichtspunkte vorgetragen oder neue Beweismittel benannt, die für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnten. Die Beklagte war deshalb auch nicht veranlasst, ihre durch rechtskräftiges Urteil bestätigte Entscheidung erneut unter dem Gesichtspunkt einer Unrichtigkeit in Frage zu stellen. Auch das Gericht hat aus diesem Grund keinen Anlass gesehen, erneute Ermittlungen durchzuführen (zum Ermittlungsumfang bei einem Antrag nach § 44 SGB X vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1981, 9 RV 29/80).

Der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2012 erweist sich damit als rechtmäßig, so dass die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved