L 6 U 551/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 3778/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 551/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten richtet sich auch unter Anwendung der RVO nach dem Unternehmen, in dem die gefährdende Tätigkeit zuletzt ausgeübt wurde.

2. Für die Diagnose einer Polyneuropathie ist eine elektrophysiologische Untersuchung unerlässlich.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 4. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind von der Beklagten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellungen der Berufskrankheiten nach den Nummern (Nrn.) 1302, 1310 und 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Er wurde 1968 geboren und absolvierte nach dem Hauptschulabschluss von September 1984 bis Juni 1987 eine Lehre zum Betriebsschlosser bei der S. GmbH, wo er anschließend bis September 2010, mit Ausnahme der Zeit von Juni 1991 bis Anfang Februar 1992, in der er als Drahterodierer bei der D. S. GmbH & Co. KG beschäftigt war, in einem Arbeitsverhältnis als Einrichter in der Felgenfertigung für Personenkraftwagen (Pkw) stand. Ab November 2007 erkrankte er arbeitsunfähig. Nach einer gescheiterten beruflichen Wiedereingliederung im November 2009 und im Folgemonat wurde er freigestellt. Ab Oktober 2010 war er arbeitsuchend und begann im Juli 2011 über die Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung eine kaufmännische Weiterbildung, die er aufgrund progredienter gesundheitlicher Beschwerden im Februar 2012 abbrach. Im Januar 2008 wurde er wegen eines follikulären Schilddrüsenkarzinoms beidseitig in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirugie der H. Klink, G., operiert. Mittlerweile bezieht er von der D. Rentenversicherung B. eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nachdem beim Kläger im Mai 1995 im Blut 225 µg/l Pentachlorphenol (PCP) festgestellt worden war, meldete der Hausarzt des Klägers, Dr. E., diese Erhebung der S. M.-Berufsgenossenschaft, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte). Im Betrieb sei angeblich Schmiermittel benutzt worden, welches PCP und "Digoxin" enthalten habe. Bis auf rezidivierende Atemwegsinfektionen mit Husten und Halsschmerzen sei der Kläger derzeit beschwerdefrei gewesen. Dr. C., Ärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, diagnostizierte im Juli 1995 eine multisensorische neurootologische Funktionsstörung, eine zentrale cerebello-ponto-bulbäre Gleichgewichtsstörung, eine zentrale Reaktionshemmung des optokinetischen Systems und eine supratentorielle Hörbahnverlangsamung. Dr. B., Nervenarzt, diagnostizierte nach der ambulanten Untersuchung des Klägers im August 1995 eine Polyneuropathie, extrapyramidale Schäden sowie eine Leistungs- und Wesensveränderung durch toxische Arbeitsstoffe, vor allem PCP. Priv.-Doz. Dr. B., Arzt für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie, erhob Anfang Juli 1995 im Blut des Klägers 46 µg/l PCP und Anfang November dieses Jahres 15 µg/l. In dem von der Beklagten eingeleiteten Verfahren zur Feststellung einer Berufskrankheit wurden weitere ärztliche Befundberichte, Messberichte des Schadstoffgehaltes in den Arbeitsstoffen und im Blut, Stellungnahmen des Präventionsdienstes zur beruflichen Schadstoffeinwirkung während der Tätigkeit des Klägers in der Felgenfertigung sowie entsprechende Sicherheitsdatenblätter beigezogen. Seine von der Beklagten beabsichtigte gutachterliche Untersuchung konnte nicht durchgeführt werden, weil er sämtliche vorgeschlagenen Gutachter ablehnte. Die Klage beim Sozialgericht U. (SG) im Verfahren S 5 U 685/97, mit der er die Verpflichtung der Beklagten verfolgte, einen bestimmten Gutachter zu hören, wurde mit Urteil vom 5. Dezember 1997 als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete Berufung beim Landessozialgericht B.-W. (LSG) im Verfahren L 10 U 1445/98 nahm er im Dezember 1998 zurück. Die Beklage versagte dem Kläger mit Bescheid vom 10. Juni 1999 die Gewährung von Leistungen, solange er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 1999 zurückgewiesen. Die beim SG deswegen erhobene Klage im Verfahren S 5 U 3014/99 nahm der Kläger im Dezember 2000 zurück. Dr. B. zeigte der A. B.-W., wo der Kläger gegen Krankheit gesetzlich versichert war, im Juli 2011 den Verdacht auf eine Berufskrankheit an. Es sei zu einer schweren Schädigung durch Arbeitsstoffe in der Räderfabrik mit einer Polyneuropathie, einer Myopathie, einem Schilddrüsentumor, einem Leistungsabfall und einer Depressivität gekommen. Die Beschwerden in Form von Kopf- und Gelenkschmerzen sowie einem Tinnitus seien auf Kühlschmiermittel zurückzuführen, welche PCP und Dioxin enthielten. Die Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung leitete den Vorgang an die Beklagte weiter. Daraufhin nahm diese das Verfahren zur Feststellung einer Berufskrankheit beim Kläger wieder auf. Dr. D., Präventionsdienst der Beklagten, fertigte Ende Januar 2012 die Stellungnahme Arbeitsplatzexposition zu den Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302, 1310 und 1317 der Anlage 1 zur BKV anhand der Ausführungen des Klägers von Januar und Februar 1996 sowie einer Erhebung bei der S. GmbH am 19. Januar 2012, bei der er anwesend war, an. Im ersten Ausbildungsjahr habe er in der Lernwerkstatt die verschiedenen Techniken der Metallbearbeitung wie etwa Schweißen, Drehen, Bohren und Fräsen erlernt. Mit dem dort verwendeten Kühlschmierstoff Blasocut 2000 Universal sei er nur wenig in Kontakt gekommen. Ab dem zweiten Ausbildungsjahr habe er verschiedene Abteilungen des Betriebes durchlaufen und Reparaturen an den Maschinen durchgeführt. Darüber hinaus sei er an einer Säge und im Magazin eingesetzt gewesen. Während der Ausbildungszeit seien sporadisch Werkstücke mit 1.1.1-Trichlorethan entfettet worden. Anschließend sei er als Einrichter vorwiegend an der Pkw-Felgenlinie 3 tätig gewesen. Nach dem Aufbau der Pkw-Felgenlinie 4 habe er in diesen Bereich gewechselt. An den Felgenlinien werde das Material von einem Blechcoil ausgehend in verschiedenen Schritten bearbeitet. Aus dem Blechband würden Platinen zugeschnitten und Ringe oder Felgenrohlinge gefertigt. Danach werde in einer automatischen Maschine aus diesen Blechringen das Profil der Felge ausgewalzt oder aufgedrückt. Nur an diesem Gerät sei der wassermischbare Kühlschmierstoff verwendet worden. Durch die Bearbeitung vernebele er und gelange auch in die Umgebung. In den ersten Jahren sei Ratak TN 76 oder Zubora 824 MP eingesetzt worden. Metosol 506 "chlorfrei" sei von Anfang Januar 1989 bis Anfang April 1995 als acht- bis zehnprozentige Emulsion benutzt worden. Schließlich sei festgestellt worden, dass der Kühlschmierstoff zumindest 1994 und im Folgejahr PCP und polychlorierte Dibenzodioxine und -furane enthalten habe. Nach Bekanntwerden sei die Anlage gereinigt und die Emulsion durch Multan 81-3 ersetzt worden. Zum Stabilisieren sei bedarfsweise Multan A 9 und Multan D hinzugefügt worden. Bis 2001 habe die Maschine einen eigenen Kühlschmierstofftank gehabt. Danach sei sie an die Zentralanlage angeschlossen worden. Der Kläger habe an den Maschinen die erforderlichen Werkzeuge eingebaut und sie eingerichtet. Anschließend sei die Produktion der Felgen überwacht worden. An ihnen arbeiteten jeweils drei Mitarbeiter, von denen im Wechsel einer die Felgen, die über das Förderband liefen, einer Sichtkontrolle unterziehe. Zu diesem Zeitpunkt seien sie mit einer Emulsion aus Kühlschmierstoffen benetzt und würden mit Handschuhen angefasst. Außerdem würden von den Einrichtern die Werkzeugwechsel vorbereitet. Diese warteten die Anlage, stellten die Blechcoils bereit und stapelten zum Teil auch Bleche. Zum Steuern werde zeitweise in der Schaltwarte gearbeitet, einem kleinen abgetrennten Stand. Die Maschine werde zweimal in der Woche für jeweils zwei bis vier Stunden eingerichtet. Je nach Größe der Serien könne es vorkommen, dass zweimal am Tag ein Werkzeugwechsel notwendig werde oder eine ganze Woche lang überhaupt nicht. Neben den Kühlschmierstoffen sei der Kläger gelegentlich mit dem Hydraulikfluid HLP 46 oder dem verwendeten Divinol Fett N2 in Kontakt gekommen, das als Schmierfett aus einem Fass in die Maschine gepumpt worden sei. Reinigungsarbeiten seien mit dem Lösemittel in der Regel nicht durchgeführt worden. In einem geringen Umfang und nur selten sei Aceton benutzt worden und zwar wenn eine Entfettung bei Klebearbeiten vorgenommen worden sei. Im Nachgang zu der Arbeitsplatzbegehung im Januar 2012 habe der Kläger schriftlich mitgeteilt, die Kleidung sei beim Umrüsten und Reparieren der Maschinen zum Teil durch Metallabrieb oder die Emulsion aus Kühlschmiermitteln verschmutzt worden. Diese sei nicht täglich gewechselt worden. Bei größeren Reparaturen oder den jährlichen Wartungsarbeiten sei die Anlage mit einem Dampfstrahlgerät gereinigt worden. Die Maschine zur Entgratung der Schweißnähte sei regelmäßig mit Fett geschmiert worden. An dieser Stelle sei es öfter zu einer Rauchentwicklung gekommen, weil der Schmierstoff in die Auffangkübel mit den heißen Spänen getropft sei. Ab 1992 sei eine Absauganlage installiert gewesen, welche jedoch nicht effektiv gewesen sei. Schutzanzüge und -brillen seien getragen worden, jedoch keine Atemschutzmasken. Gearbeitet worden sei fast ausschließlich mit Arbeitshandschuhen aus Leder. Sie seien mehrmals am Tag ausgetauscht worden, sobald sie verschmutzt gewesen seien. Flüssigkeiten seien durchgedrungen. Die Handschuhe hätten je nach Tätigkeit den Kühlschmierstoff aufgenommen. Beschädigte Exemplare seien weggeworfen worden, von 1984 bis 1995 die übrigen in einer Reinigungsanlage mit Tetrachlorethen gesäubert worden. Sie hätten anschließend noch etwas danach gerochen, weshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger auf diesem Wege mit geringen Mengen in Hautkontakt gekommen sei. Nur wenn Kleinteile eingebaut worden seien, seien keine Handschuhe getragen worden. Die Felgenlinie befinde sich in einer 65 m langen, 20 m breiten und etwa 15 m hohen Halle mit natürlicher Belüftung. Etwa vierzig Mitarbeiter seien an vergleichbaren Arbeitsplätzen tätig. Der Kläger habe ab November 2007 zwei Jahre seine berufliche Tätigkeit nicht ausgeübt. Entweder sei er arbeitsunfähig erkrankt gewesen oder habe Urlaub gehabt. Ab Anfang November 2009 sei er beruflich wieder eingegliedert worden, zuletzt bis Mitte des Folgemonats mit sechs Stunden täglich. Nach dem sich anschließenden Urlaub sei er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende September 2010 freigestellt worden. Nach ihrer zusammenfassenden Beurteilung kam Dr. D. zu dem Ergebnis, dass während der Ausbildung beim gelegentlichen Reinigen mit 1.1.1-Trichlorethan für etwa eine halbe Stunde im Monat eine Exposition gegenüber einem Halogenkohlenwasserstoff und einem neurotoxischen Lösemittel vorgelegen habe. Die nach dem BK-Report 2/2007 "BK 1317" der D. Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. bestimmte Höhe habe unterhalb des Grenzwertes gelegen. Von 1984 bis 1995 sei von einer minimalen Exposition gegenüber Tetrachlorethen auszugehen, weil die Handschuhe damals mit diesem neurotoxischen Halogenkohlenwasserstoff gereinigt worden seien. Über die Höhe lägen keine Informationen vor. Sie werde allerdings als sehr gering eingeschätzt, weil Tetrachloethen sehr schnell verdampfe und demnach nur noch in Spuren in den Handschuhen enthalten sein könne. Von Januar 1989 bis April 1995 sei der Kühlschmierstoff Metosol 506 verwendet worden, wobei für 1994 und das Folgejahr belegt sei, dass das Konzentrat PCP enthalten habe. Dies sei entsprechend auch von 1989 bis 1993 zu befürchten. Durch die Vernebelung des Kühlschmierstoffes an der Profilieranlage sei mit einer geringfügigen Exposition über die Atemluft und durch den Kontakt mit ihm über die Haut auszugehen. Die Dauer werde auf maximal die Hälfte der Arbeitszeit eingeschätzt, weil an der Anlage auch Bearbeitungsstationen vorhanden gewesen seien, an denen ohne den Kühlschmierstoff gearbeitet worden sei. Über die Expositionshöhe für halogenierte Aryloxide wie PCP und polychlorierte Dibenzodioxine und -furane lägen keine Informationen vor, weil der Kühlschmierstoff nach dem Bekanntwerden der Verunreinigung ausgetauscht worden sei. Bei Untersuchungen des Kühlschmierstoffkonzentrates seien Gehalte von PCP zwischen 9.260 und 16.000 mg/kg gemessen worden. Die Summe an Tetra- bis Octachlordibenzodioxine habe bei etwa 3,2 mg/kg und diejenige der Tetra- bis Octachlordibenzofurane bei etwa 1,5 mg/kg gelegen. Die Gehalte in der Emulsion der Kühlschmierstoffe hätten durch die Verdünnung mit Wasser etwa ein Zehntel der angegebenen Werte erreicht. Hiermit habe die Einsatzkonzentration von 8 bis 10 % erreicht werden sollen. Dr. H., Facharzt für Radiologie, ging nach der Positronenemissionstomographie-Computertomographie (PET-CT) des Zentralnervensystems Mitte Mai 2012 von einer ausgeprägten Stoffwechselinhomogenität aus. Es sei eine Minderung der Stoffwechselaktivität mit regionaler Akzentuierung in einzelnen Bereichen gekommen. Insbesondere die Veränderungen im Temporallappen und Hippocampusgebiet seien vereinbar mit der Gedächtnissituation mit einem erschwerten Erlernen. Die Voruntersuchungen 1997 und im Folgejahr seien mit einer anderen Methodik und anderen Geräten durchgeführt worden. Ein direkter Vergleich sei daher nicht möglich. Eine echte Verlaufsbeurteilung könne nicht vorgenommen werden. Dr. K., Facharzt für Arbeitsmedizin und Innere Medizin, schlug nach seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von April 2012 eine arbeitsmedizinische Begutachtung, einschließlich neurologisch-psychiatrischer und psychologischer Zusatzgutachten, vor. Daraufhin beauftrage die Beklagte Prof. Dr. K., Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums A., mit der Erstattung eines Hauptgutachtens sowie Dr. H., Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums A., und Dr. phil. F., Dipl.-Psychologe, Klinische Neuropsychologie der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums A., mit der Erstattung von Zusatzgutachten. Nach der Begutachtung des Klägers, einschließlich elektropyhsiologischer, neurootologischer und elektroenzephalographischer Untersuchungen, am 6. und 7. Mai 2013 führte Dr. H. aus, die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302, 1310 und 1317 der Anlage 1 zur BKV lägen nicht vor. Durch die erhobene Diagnostik habe sich der Verdacht auf eine toxisch bedingte Enzephalopathie nicht sichern lassen. Der chronische Spannungskopfschmerz und der Schwindel seien unspezifisch und nicht durch die angeschuldigten Agentien verursacht. Bei der neurologischen Untersuchung hätten sich außer Residuen eines Syndroms im Segment S1 der linken Seite keine spezifischen Ausfälle nachweisen lassen. Das S1-Syndrom habe sich durch einen Ausfall des Achillessehnenreflexes der linken Seite, eine leichte Fußsenkerparese und eine segmentale Hypästhesie gezeigt. Ursache sei der vorbestehende Bandscheibenvorfall. Ein Zusammenhang zur möglichen Schadstoffexposition bestehe nicht. Andere Aspekte der neurologischen Untersuchung, welche in der Einschätzung unsicher blieben, seien zum Teil durch Aggravation bedingt gewesen. Hierzu zählten die wechselnde Angabe des Vibrationsempfindens, eine auf den ersten Blick ausgeprägte Rumpfataxie, die jedoch unter Ablenkung sistiert habe, und wechselnde, inkonsistente Zeigeversuche. Beim Finger-Nase-Versuch habe der Kläger Unsicherheiten gezeigt, demgegenüber einen sehr guten Finger-Finger-Versuch demonstriert. Die Vielzahl der Zusatzuntersuchungen habe bestätigt, dass ein Großteil der Beschwerden keine fassbare organische Ursache habe. Die beklagte Sensibilitätsstörung der Beine habe kein Korrelat in der elektrophysiologischen Diagnostik gehabt. Eine relevante Schädigung der sensiblen Leitungsbahnen, die Konsequenzen für die Gehfähigkeit haben könnten, sei damit weitgehend auszuschließen. Insbesondere sei eine sensible Ataxie, etwa auf dem Boden einer Polyneuropathie, nicht zu belegen. Eine peripher oder zentral vestibuläre Störung sei auf der Grundlage der Zusatzdiagnostik mit einer normalen Videookulographie und der klinischen Untersuchung nicht zu diagnostizieren. Das Elektroenzephalogramm sei normal gewesen, wenngleich es sich hierbei um einen unsensitiven Marker für höhere Hirnleistungen handele. Die vom Kläger mitgebrachte kraniale Bildgebung von Mai 2012 mittels einer Magnetresonanztomographie habe keine relevanten Auffälligkeiten verdeutlicht, insbesondere keine relevante zerebrale oder zerebelläre Atrophie. Pathognomonische Auffälligkeiten wie eine olivopontozerebelläre Atrophie für eine Multisystematrophie hätten sich nicht gefunden. Auch nach der Aktenlage hätten sich keine Hinweise auf eine Enzephalopathie im Sinne von Rhytmusverlangsamungen oder triphasische Wellen ergeben. Eine früher als möglich pathologisch diskutierte intermittierende Betaaktivität sei bei einem normalen Bergereffekt am ehesten als Normvariante zu werten, insbesondere weil der aktuell mittels des Elektroenzephalogrammes erhobene Befund mit einem intermittierenden Betaanteil den Vorbefunden entspreche. Eine frühere Lumbalpunktion mit Demenzmarkern habe in einer Untersuchung im Universitätsklinikum U. bis auf eine leichtgradige Schrankenfunktionsstörung keine relevanten Auffälligkeiten gezeigt. Insbesondere die Demenzmarker seien im Normbereich gewesen. Einzig diskrepant zu seinen Erhebungen sei eine in den Vorbefunden beschriebene sensible Polyneuropathie auf der Grundlage einer Erniedrigung der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit von Januar 1996. Rückblickend erscheine der Befund grenzwertig gewesen zu sein. Als Beschwerdesymptomatik auf neurologischem Gebiet verbleibe der Kopfschmerz, der am ehesten einem chronischen Spanungskopfschmerz entspreche. Er trete an mehr als fünfzehn Tagen im Monat auf, sei bifrontal lokalisiert, werde durch körperliche Aktivität eher besser und weise keine Charakteristika von Kopfschmerzen aus dem trigeminoautonomen oder migranösen Formenkreis auf. Typischerweise empfinde ihn der Kläger eher als dumpf drückend. Brennende Missempfindungen seien bei der chronischen Verlaufsform nicht selten. Die Kopfschmerzsymptomatik sei anamnestisch nicht an den Aufenthalt am Arbeitsplatz gebunden und habe nach dem Ende der Exposition zugenommen, weshalb am ehesten von einem nicht durch ein Lösemittel oder PCP induzierten Kopfschmerz auszugehen sei. Dr. F. ging nach seiner ambulanten Untersuchung am 7. Mai 2013 und nach der Aktenlage davon aus, dass die aktuell festgestellten und zum Teil massiven Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsdefizite Folge der gesundheitlichen Komplikationen der letzten Jahre seien und keine direkte Auswirkung der neurotoxischen Belastung durch PCP darstellten. Prof. Dr. K. kam als Hauptgutachter, einschließlich der eigenen ambulanten Untersuchung am 6. Mai 2012, Anfang März 2013 zu dem Ergebnis, es könne weder eine Polyneuropathie noch eine Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische diagnostiziert werden. Eine Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe oder halogenierte Alkyl-, Ary- oder Alkylaryloxide liege ebenfalls nicht vor. Der Kläger sei zwar gegenüber diversen Gefahrstoffen wie Tetrachlorethen oder 1994 und im Folgejahr PCP und polychlorierten Dibenzodioxinen und -furanen wenigstens zeitweise exponiert gewesen, welche sowohl über die Atemwege als auch die Haut haben aufgenommen werden können. Anamnestisch und aufgrund der Untersuchungsergebnisse habe jedoch keine Krankheitsfolge nachgewiesen werden können, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Expositionen zurückzuführen sei. Gegen eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV spreche die eher geringe Expositionshöhe. Zudem verdampfe Tetrachlorethen sehr schnell, weshalb in den gereinigten Handschuhen lediglich Spuren enthalten gewesen sein könnten. Entsprechend habe der Kläger keine akuten Rauschzustände am Arbeitsplatz beschrieben, welche auf sehr hohe Dosen im Sinne einer akuten Intoxikation schließen ließen. Er habe zudem eine Besserung der Symptomatik während der arbeitsfreien Zeit verneint. Die von Dr. H. erhobenen Befunde seien ebenfalls gegen eine Spätfolge in Form einer strumpfförmigen Polyneuropathie anzuführen. In der elektrophysiologischen Diagnostik seien keine relevanten Schädigungen der sensiblen Leitungsbahnen erhoben worden. Eine sensible Ataxie habe sich nicht gefunden. In Bezug auf die Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302 und 1310 der Anlage 1 zur BKV habe der Kläger keine typische Symptomatik mit Beschwerden während der Exposition oder Langzeitfolgen berichtet. Es seien weder akute Schleimhautreizungen noch Hautreaktionen aufgetreten. Mittels der laborchemischen Untersuchungen seien keine Lebertoxizität oder eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion nachgewiesen worden, wie sie durch Halogenkohlenwasserstoffe verursacht werden könnten. Somit sei trotz der 1995 mit 225 µg/l bei einem Normbereich von (10 µg/l einmalig nachgewiesenen inneren Belastung mit PCP im Serum und anschließend abfallenden Werten innerhalb weniger Wochen eine Krankheitsfolge aufgrund einer akuten Intoxikation auszuschließen. Langzeitfolgen des zentralen und peripheren Nervensystems seien aufgrund der erhobenen Befunde auszuschließen. Die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302, 1310 und 1317 der Anlage 1 zur BKV lägen damit nicht vor. Damit konfrontiert führte Dr. W., Staatliche Gewerbeärztin beim R. S., in ihrer Stellungnahme von Mai 2014 aus, eine Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV beim Kläger könne nicht abschließend beurteilt werden. Die Frage der Kausalität sei offen. Im Gutachten von Prof. Dr. K. sei der Einfluss der Dioxine nicht diskutiert worden. Die Betrachtung des Krankheitsbildes unter diesem Aspekt sei nicht erfolgt. Prof. Dr. K. ergänzte im Juni 2014, aus der von Dr. D. ermittelten Arbeitsplatzexposition sei deutlich abzuleiten, wie gering der Anteil an Dibenzodioxinen und -furanen im Vergleich mit der Verunreinigung mit PCP gewesen sei, welche dann überhaupt zur beruflichen inneren Belastung habe beitragen können. Allein aufgrund der relativ kurzen Dauer der Expositionsmöglichkeit und der dann vorherrschenden geringen Expositionshöhe sei bei zusätzlich untypischem Verlauf ein kausaler Zusammenhang der beruflichen Exposition und der vom Kläger geschilderten Symptomatik nicht wahrscheinlich. Dieser sei zwar 2008 an einem Schilddrüsenkarzinom erkrankt. Nach der Übersichtsarbeit von Lyn aus dem Jahr 2009 könne aktuell keine Vorhersage des Effektes von Chemikalien, die Schilddrüsendisruptoren darstellten, auf einzelne Menschen gemacht werden. Folglich sei auch das Schilddrüsenkarzinom nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Exposition zurückzuführen. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 7. August 2014 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 1302, 1310 und 1317 der Anlage 1 zur BKV beim Kläger ab, weil das festgestellte Erkrankungsbild nicht ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2014 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 26. November 2014 Klage beim Sozialgericht U. (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er an einer Vielzahl an neurologischen Erkrankungen leide, unter anderem an Gleichgewichts- und gravierenden Gedächtnisstörungen, Tinnitus, Kopfschmerzen, Glieder- und Gelenkschmerzens sowie Abgeschlagenheit. Er stürze häufig, was durch den beruflichen Kontakt mit chemischen Substanzen ausgelöst worden sei. Sonstige Ursachen für die neurologischen Erkrankungen seien nicht ersichtlich. Der Zusammenhang der Tätigkeit bei der S. GmbH mit seinen Erkrankungen ergäbe sich auch aus den Befundberichten von Dr. B., welcher Schädigungsfolgen aufgrund der beruflichen Tätigkeit festgestellt habe. Das SG hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 4. Januar 2018 abgewiesen. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges zwischen der beruflichen Exposition gegenüber verschiedenen Stoffen und den bestehenden Gesundheitsbeschwerden sei nicht gegeben. Gegen die seiner Bevollmächtigten am 12. Januar 2018 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 12. Februar 2018 Berufung beim Landessozialgericht B.-W. (LSG) eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Der Kläger ist in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG am 14. September 2018 gehört worden. Im Kanalnetz auf dem Werksgelände der S. GmbH seien Ablagerungen mit überhöhten Werten für Dioxine und PCP entdeckt worden. Ein bei der Umformung von Metallen verwendetes Kühlschmiermittel habe Letzteres enthalten, dessen Herstellung und Vertrieb in der Bundesrepublik D. seit 1985 verboten gewesen sei. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Dr. K., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Auf ihren medizinischen Fachgebieten habe sie eine toxische Enzephalopathie und Polyneuropathie, den Zustand nach operativer minimalintensiver Entlastung einer Wurzelkompressionssymptomatik im Segment L5/S1 sowie einen Tinnitus aurium diagnostiziert. Diese Gesundheitsstörungen seien eindeutig durch die beruflichen Einwirkungen ausgelöst worden, denen der Kläger über etwa zwei Jahrzehnte hinweg ausgesetzt gewesen sei. Bei der Kausalitätsbewertung stehe die berufsbedingte Einwirkung toxischer Belastungen im Vordergrund. Von einer nicht versicherten Mitursache könne nicht ausgegangen werden, wobei letztendlich der ursächliche Zusammenhang zwischen der berufsbedingten Exposition gegenüber einer Vielzahl von Xenobiotika nicht geklärt sei. Die Voraussetzungen der Berufskrankheiten nach Nr. 1310 der Anlage 1 zur BKV, also Schäden durch PCP, Dioxine und Furane, sowie Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV, mithin eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische, seien erfüllt. Ihre Begutachtung beruhe neben der Aktenlage auf einer ambulanten neurologisch-psychiatrischen Untersuchung im Februar 2019, der Auswertung eines Schmerz- und Tinnitusfragebogens sowie der Durchführung von psychometrischen Tests in Form eines verbalen Lern- und Merkfähigkeits-, eines Zahlenverbindungs- und des Regensburger Wortflüssigkeitstests. Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die Sachverständige Dr. K. bestätige seine Auffassung. Seine behandelnden Ärzte Dr. B., Dr. S., Dr. K. und Dr. D. gingen ebenfalls von einer Intoxikation aus. Hervorzuheben sei, dass bei seiner Ehefrau 1995 ebenfalls eine Messung von PCP im Blut erfolgt sei. Bei ihr sei der Grenzwert nicht überschritten gewesen. Gummihandschuhe habe er nur beim Aufhängen der Felgen an das Förderband getragen und nicht beim Bedienen der Felgenlinie. Bis zu 900 ng Dioxin seien in der drei Kilometer entfernten Kläranlage gefunden worden, woran das Kanalnetz auf dem Werksgelände der S. GmbH angeschlossen sei. Im November 1997 seien bei ihm erhöhte Leberwerte gemessen worden. Den Eignungstest bei der Bundeswehr für die Fallschirmjäger habe er ohne Probleme bestanden. Als Judoka sei er kurz vor dem schwarzen Gürtel gestanden. Er habe Würfe auf einem Bein fast in Zeitlupe und mit geschlossenen Augen sicher durchführen können. Bereits Mitte der 1990er-Jahre habe er den Sport nicht mehr ausüben können. Mittlerweile sei er auf einen Rollator angewiesen. Das Gutachten von Prof. Dr. K. könne nicht herangezogen werden, weil zwischen der von ihm durchgeführten ambulanten Untersuchung und der Abfassung der Expertise ein zu langer Zeitraum vergangen sei. Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts U. vom 4. Januar 2018 und den Bescheid vom 7. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2014 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, bei ihm die Berufskrankheiten nach den Nummern 1302, 1310 und 1317 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Sie trägt, im Wesentlichen gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. T., Direktor der Neurologischen Klinik der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B., von August 2019, vor, sein Begehren sei nicht begründet. Die Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. seien nicht nachvollziehbar, weil sie keine eigene elektrophysiologische oder -neurographische Untersuchungen durchgeführt habe. Zudem überschreite sie ihre fachliche Kompetenz, wenn sie sich konkret mit toxischen Grenzwerten beschäftige. Nahezu grotesk werde es, wenn als Beleg für eine toxische Belastung Berichte aus der regionalen Presse zitiert würden. Anders als Dr. K. hätten Prof. Dr. H. und Dr. F. eine differenzierte Befunderhebung vorgenommen und differentialdiagnostisch mögliche Ursachen für die subjektive Beschwerdesymptomatik des Klägers durchgeführt. Im Gegensatz zur differenzierten neuropsychologischen Befunderhebung von Dr. F. habe Dr. K. lediglich orientierende Screeningtestverfahren ohne eine entsprechende Symptomvalidierung eingesetzt und die erhobenen Befunde nicht kritisch gewürdigt. Für ihre Beurteilung des peripheren Nervensystems fehle eine neurophysiologische Befunderhebung vollkommen, welche allein geeignet sei, insbesondere die von ihr angenommene Polyneuropathie zu untermauern. Unzureichend sei zudem, dass sie sich entgegen der entsprechenden Leitlinien zur Begutachtung allein auf die subjektive Schilderung des Klägers und ihren klinischen Untersuchungsbefund stütze. Die geschilderten Sensibilitätsstörungen seien hinsichtlich ihrer Verteilung nicht kritisch überprüft worden. Weiter fehle eine neurophysiologische Objektivierung. Gleiches gelte für die subjektiv demonstrierten ataktischen Störungen. Eine hirnorganische Beeinträchtigung lasse sich aus dem erhobenen psychischen Befund, der keinerlei Angabe zur Psychomotorik, zum Antrieb und zur Stimmungslage enthalten, nicht ansatzweise entnehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten (4 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 i. V. m. § 105 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Halbsatz 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 4. Januar 2018, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 22, Rz. 13 m. w. N.) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 7. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2014 (§ 95 SGG) die Verpflichtung der Beklagten zu den Feststellungen der Listen-Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302, 1310 und 1317 der Anlage 1 zur BKV verfolgte, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf diese Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 29. August 2019 stattfand.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die behördlichen Feststellungen der Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302, 1310 und 1317 der Anlage 1 zur BKV. Die in Bezug darauf angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Beklage ist passivlegitimiert, also richtige Anspruchsgegnerin. Die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten richtet sich, wenn die gefährdende Tätigkeit für mehrere Unternehmen ausgeübt wurde, für die verschiedene Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig sind, nach dem Unternehmen, in dem die gefährdende Tätigkeit zuletzt ausgeübt wurde, was sich mittlerweile aus § 134 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ergibt, als ungeschriebener allgemeiner Rechtssatz aber bereits für Versicherungsfälle vor seinem Inkrafttreten galt (Bayerisches LSG, Urteil vom 25. November 2015 - L 2 U 526/11 -, juris, Rz. 37; Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: Mai 2017, § 134 SGB VII, Rz. 1). Die Beklagte ist jedenfalls für die S. GmbH, bei welcher der Kläger als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) zuletzt im Dezember 2009 im Rahmen einer beruflichen Wiedereingliederung tätig war, verbandszuständig (vgl. § 3 Abs. 1 ihrer Satzung). Allein auf Einwirkungen aufgrund dieses Beschäftigungsverhältnisses, das mit der Lehre im September 1984 begann und lediglich von Juni 1991 bis Februar 1992 durch die Arbeit als Drahterodierer bei der D. S. GmbH & Co. KG unterbrochen war, führt der Kläger seine Krankheiten zurück.

Sein Anspruch richtet sich, ausgenommen hinsichtlich des erst 2008 diagnostizierten Schilddrüsenkarzinoms, noch nach den gemäß Art. 35 Ziff. 1, Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes (UVEG; BGBl I 1996, S. 1254) am 1. Januar 1997 außer Kraft getretenen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich der geltend gemachte Versicherungsfall nicht nach dem 31. Dezember 1996 (Art. 36 UVEG) ereignete (§ 212 SGB VII). Seine Mitte der 1990er-Jahre aufgetrenenen Erkrankungen führt der Kläger vor allen Dingen auf PCP zurück, welches bei ihm von Dr. E. im Mai 1995 im Blut mit 225 µg/l festgestellt wurde. Dr. C. diagnostizierte etwa zwei Monate später eine multisensorische neurootologische Funktionsstörung, eine zentrale cerebello-ponto-bulbäre Gleichgewichtsstörung, eine zentrale Reaktionshemmung des optokinetischen Systems und eine supratentorielle Hörbahnverlangsamung sowie Dr. B. im August dieses Jahres eine Polyneuropathie, extrapyramidale Schäden und eine Leistungs- und Wesensveränderung durch toxische Arbeitsstoffe, vor allem PCP. Nach § 547 RVO gewährt die Trägerin der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere eine Verletztenrente. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 33/07 R -, BSGE 103, 54 (55)). Solche sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleiden. Zu den Berufskrankheiten gehören nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe", nach Nr. 1310 der Anlage 1 zur BKV "Erkrankungen durch Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide" und nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische".

Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper führten (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursachten (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4111 Nr. 3, Rz. 14 m. w. N.). "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange der anderen Ursache keine überragende Bedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 8/06 R -, juris, Rz. 20).

Nach den zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes und als Interpretationshilfe (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2018 - B 2 U 5/16 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 29, Rz. 17 m. w. N.) heranzuziehenden Merkblättern (Bekanntmachungen des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung [BMA] vom 29. März 1985, BArbBl. 6/1985 (Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV) und vom 10. Juli 1979, BArbBl. 7/8/1979 (Nr. 1310 der Anlage 1 zur BKV)) entsprechen der Heterogenität der Halogenkohlenwasserstoffe unterschiedliche akute oder/und chronische Krankheitsbilder. Die Gesundheitsgefährdung wird auch bei diesen Stoffen wesentlich durch deren jeweilige Toxizität sowie Intensität und Dauer der Exposition bestimmt. Dabei sind speziell Flüchtigkeit, Lipoidlöslichkeit, Resorption, Verteilung, Metabolismus und Elimination von Bedeutung. Halogenierte Kohlenwasserstoffe wirken durch lokalen Kontakt oder nach erfolgter Resorption unterschiedlich stark gesundheitsschädigend. Insbesondere werden durch eine Reihe von ihnen das Zentralnervensystem sowie die Leber und Niere betroffen. Die halogenierten organischen Sauerstoffverbindungen Alkyl-, Aryl- und Alkylaryloxide führen bei lokaler Einwirkung zu mehr oder weniger starken Reizerscheinungen an der Haut oder den Schleimhäuten. Die Aufnahme erfolgt auch über die Atemwege. Nach Aufnahme in den Organismus kann es zu Stoffwechselstörungen sowie zu Leber- und Nierenschädigungen kommen. Betroffen sein können auch die Lungen und Bronchien sowie das Zentralnervensystem. Das Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV wurde im März 2005 überarbeitet (BArbBl. 3/2005, S. 49). Organische Lösungsmittel werden danach aufgrund ihrer Flüchtigkeit vorwiegend über die Lungen eingeatmet, zum Teil auch durch die Haut resorbiert. Nach der Aufnahme verteilen sie sich im ganzen Organismus, insbesondere im Nervensystem. Anschließend werden sie zum Teil unverändert wieder abgeatmet und teilweise metabolisiert über die Nieren ausgeschieden.

Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte der Kläger von September 1984 bis Juni 1987 bei der S. GmbH eine Ausbildung als Betriebsschlosser, wo er anschließend bis September 2010, mit Ausnahme der Zeit von Juni 1991 bis Anfang Februar 1992, in der er als Drahterodierer bei der D. S. GmbH & Co. KG beschäftigt war, in einem Arbeitsverhältnis als Einrichter in der Felgenfertigung für Personenkraftwagen (Pkw) stand. Ab November 2007 war er arbeitsunfähig erkrankt. Nach einer gescheiterten beruflichen Wiedereingliederung im November 2009 und im Folgemonat wurde er freigestellt. Diesen Werdegang entnimmt der Senat den Erhebungen im Verwaltungsverfahren.

Aufgrund der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition von Dr. D. von Januar 2012, welche sich auf die Angaben des Klägers selbst und eine Erhebung bei der S. GmbH in diesem Monat, bei welcher er anwesend war, stützt, steht für den Senat fest, dass er im ersten Ausbildungsjahr in der Lernwerkstatt die verschiedenen Techniken der Metallbearbeitung wie etwa Schweißen, Drehen, Bohren und Fräsen erlernte. Mit dem dort verwendeten Kühlschmierstoff Blasocut 2000 Universal kam er nur wenig in Kontakt. Ab dem zweiten Ausbildungsjahr durchlief er verschiedene Abteilungen des Betriebes und führte Reparaturen an den Maschinen durch. Darüber hinaus wurde er an einer Säge und im Magazin eingesetzt. Während der Ausbildungszeit wurden sporadisch Werkstücke mit 1.1.1-Trichlorethan entfettet. Anschließend war er als Einrichter vorwiegend an der Pkw-Felgenlinie 3 tätig. Nach dem Aufbau der Pkw-Felgenlinie 4 wechselte er in diesen Bereich. Die Felgenlinien befanden sich in einer 65 m langen, 20 m breiten und etwa 15 m hohen Halle mit natürlicher Belüftung. Etwa vierzig Mitarbeiter waren an vergleichbaren Arbeitsplätzen tätig. An den Felgenlinien wurde das Material von einem Blechcoil ausgehend in verschiedenen Schritten bearbeitet. Aus dem Blechband wurden Platinen zugeschnitten und Ringe oder Felgenrohlinge gefertigt. Danach wurde in einer automatischen Maschine aus diesen Blechringen das Profil der Felge ausgewalzt oder aufgedrückt. Nur an diesem Gerät wurde der wassermischbare Kühlschmierstoff verwendet. Durch die Bearbeitung vernebelte er und gelangte auch in die Umgebung. In den ersten Jahren wurde Ratak TN 76 oder Zubora 824 MP eingesetzt. Metosol 506 "chlorfrei" wurde von Anfang Januar 1989 bis Anfang April 1995 als acht- bis zehnprozentige Emulsion benutzt. Der Kühlschmierstoff enthielt 1994 und im Folgejahr PCP und polychlorierte Dibenzodioxine und -furane. Anschließend wurde die Anlage gereinigt und die Emulsion durch Multan 81-3 ersetzt. Zum Stabilisieren wurde bedarfsweise Multan A 9 und Multan D hinzugefügt. Bis 2001 hatte die Maschine einen eigenen Kühlschmierstofftank. Erst danach wurde sie an die Zentralanlage angeschlossen. Der Kläger baute an den Maschinen die erforderlichen Werkzeuge ein und richtete sie ein. Anschließend wurde die Produktion der Felgen überwacht. An ihnen arbeiteten jeweils drei Mitarbeiter, von denen im Wechsel einer die Felgen, die über das Förderband liefen, einer Sichtkontrolle unterzog. Zu diesem Zeitpunkt wurden sie mit einer Emulsion aus Kühlschmierstoffen benetzt und mit Handschuhen angefasst. Außerdem wurden von den Einrichtern die Werkzeugwechsel vorbereitet. Diese warteten die Anlage, stellten die Blechcoils bereit und stapelten zum Teil auch Bleche. Zum Steuern wurde zeitweise in der Schaltwarte gearbeitet, einem kleinen abgetrennten Stand. Die Maschine wurde zweimal in der Woche für jeweils zwei bis vier Stunden eingerichtet. Je nach Größe der Serien kam es vor, dass zweimal am Tag ein Werkzeugwechsel notwendig wurde oder eine ganze Woche lang überhaupt nicht. Neben den Kühlschmierstoffen kam der Kläger gelegentlich mit dem Hydraulikfluid HLP 46 oder dem verwendeten Divinol Fett N2 in Kontakt, das als Schmierfett aus einem Fass in die Maschine gepumpt wurde. Reinigungsarbeiten wurden mit dem Lösemittel nicht regelhaft durchgeführt. In einem geringen Umfang und nur selten wurde Aceton bei der Entfettung im Rahmen von Klebearbeiten eingesetzt. Die Kleidung wurde beim Umrüsten und Reparieren der Maschinen zum Teil durch Metallabrieb oder die Emulsion aus Kühlschmiermitteln verschmutzt. Diese wurde nicht täglich gewechselt. Bei größeren Reparaturen oder den jährlichen Wartungsarbeiten wurde die Anlage mit einem Dampfstrahlgerät gereinigt. Die Maschine zur Entgratung der Schweißnähte wurde regelmäßig mit Fett geschmiert. An dieser Stelle kam es öfter zu einer Rauchentwicklung, weil der Schmierstoff in die Auffangkübel mit den heißen Spänen tropfte. 1992 wurde eine Absauganlage installiert. Schutzanzüge und -brillen wurden getragen, jedoch keine Atemschutzmasken. Gearbeitet wurde fast ausschließlich mit Arbeitshandschuhen aus Leder. Gummihandschuhe wurden nur beim Aufhängen der Felgen an das Förderband getragen. Die Lederhandschuhe wurden mehrmals am Tag ausgetauscht, sobald sie verschmutzt waren. Flüssigkeiten drangen durch. Die Handschuhe nahmen je nach Tätigkeit den Kühlschmierstoff auf. Beschädigte Exemplare wurden entsorgt, von 1984 bis 1995 die übrigen in einer Reinigungsanlage mit Tetrachlorethen gesäubert. Sie rochen anschließend noch danach. Nur beim Einbau von Kleinteilen wurden keine Handschuhe getragen. Dr. D. kam für den Senat zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass der Kläger während der Ausbildung beim gelegentlichen Reinigen mit 1.1.1-Trichlorethan für etwa eine halbe Stunde im Monat gegenüber einem Halogenkohlenwasserstoff und einem neurotoxischen Lösungsmittel exponiert war. Die nach dem BK-Report 2/2007 "BK 1317" der D. Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. (im Internet unter xx) schlüssig bestimmte Höhe lag unterhalb des Grenzwertes. Von 1984 bis 1995 bestand eine minimale Exposition gegenüber Tetrachlorethen, weil die Handschuhe damals mit diesem neurotoxischen Halogenkohlenwasserstoff gereinigt wurden. Die Höhe, über die keine konkreten Informationen vorliegen, war ersichtlich gering, weil Tetrachloethen sehr schnell verdampft und demnach nur noch in Spuren in den Handschuhen enthalten sein konnte. Von Januar 1989 bis April 1995 wurde der Kühlschmierstoff Metosol 506 verwendet, wobei für 1994 und das Folgejahr belegt ist, dass das Konzentrat PCP enthielt. Von 1989 bis 1993 ist dies möglich, allerdings nicht erwiesen. Wegen der Vernebelung des Kühlschmierstoffes an der Profilieranlage ist allenfalls eine geringfügige Exposition über die Atemluft und durch den Kontakt mit ihm über die Haut plausibel. Die Dauer beträgt maximal die Hälfte der Arbeitszeit, da an der Anlage auch Bearbeitungsstationen vorhanden waren, an denen ohne den Kühlschmierstoff gearbeitet wurde. Die Expositionshöhe für halogenierte Aryloxide wie PCP und polychlorierte Dibenzodioxine und -furane steht nicht fest, da der Kühlschmierstoff nach dem Bekanntwerden der Verunreinigung ausgetauscht wurde und sie nachträglich nicht zu ermitteln ist. Bei Untersuchungen des Kühlschmierstoffkonzentrates wurden Gehalte von PCP zwischen 9.260 und 16.000 mg/kg gemessen. Die Summe an Tetra- bis Octachlordibenzodioxine lag bei etwa 3,2 mg/kg und diejenige der Tetra- bis Octachlordibenzofurane bei etwa 1,5 mg/kg. Die Gehalte in der Emulsion der Kühlschmierstoffe erreichten durch die Verdünnung mit Wasser etwa ein Zehntel der angegebenen Werte. Hiermit sollte die Einsatzkonzentration von 8 bis 10 % erzielt werden. Im Falle des Klägers ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass diese erwiesenen beruflich bedingten Einwirkungen zu seinen Erkrankungen führten, was der Senat den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. K., einschließlich der Zusatzgutachten von Dr. H. und Dr. F., entnimmt, welche im Wege des Urkundenbeweises verwertet wurden (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung - ZPO). Die Expertise von Prof. Dr. K. konnte herangezogen werden, auch wenn zwischen seinen ambulanten Erhebungen und ihrer Abfassung annähernd zehn Monate vergangen sind. Nach dieser Zeit ist anders als möglicherweise bei einer Exploration im Rahmen einer psychiatrischen Begutachtung (vgl. Urteil des Senats vom 27. März 2014 - L 6 U 4001/13 -, juris, Rz. 50) immer noch gewährleistet, dass sich der Gutachter an die Untersuchungsperson erinnert. Zudem zog er die zwischenzeitlich erstellten Zusatzgutachten von Dr. H. und Dr. F. mit ein, wobei insbesondere das Erstere umfassende elektropyhsiologische, neurootologische und elektroenzephalographische Daten enthielt, auf die er zurückgriff. Anders als nach Auffassung einzelner behandelnder Ärzte ist nach der überzeugenden Darlegung von Prof. Dr. K. erwiesenermaßen weder eine Polyneuropathie noch eine Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische eingetreten. Eine Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe oder halogenierte Alkyl-, Ary- oder Alkylaryloxide liegt ebenfalls nicht vor. Der Kläger war zwar gegenüber verschiedenen Gefahrstoffen wie Tetrachlorethen oder 1994 und im Folgejahr PCP und polychlorierten Dibenzodioxinen und -furanen wenigstens zeitweise exponiert, welche sowohl über die Atemwege als auch die Haut aufgenommen wurden. Anamnestisch und aufgrund der Untersuchungsergebnisse konnte jedoch keine Krankheitsfolge nachgewiesen werden, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Expositionen zurückzuführen ist. Aus der von Dr. D. ermittelten Arbeitsplatzexposition ist abzuleiten, wie gering der Anteil an Dibenzodioxinen und -furanen im Vergleich mit der Verunreinigung mit PCP war, welche dann überhaupt zur beruflichen inneren Belastung beitragen konnte. Allein aufgrund der relativ kurzen Dauer der Expositionsmöglichkeit und der dann vorherrschenden geringen Expositionshöhe ist bei zusätzlich untypischem Verlauf ein kausaler Zusammenhang der beruflichen Exposition und der vom Kläger geschilderten Symptomatik nicht wahrscheinlich. Gegen eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV spricht ebenfalls die eher geringe Expositionshöhe. Zudem verdampft Tetrachlorethen sehr schnell, weshalb in den gereinigten Handschuhen lediglich Spuren enthalten gewesen sein können. Entsprechend beschrieb der Kläger keine akuten Rauschzustände am Arbeitsplatz, welche auf sehr hohe Dosen im Sinne einer akuten Intoxikation hindeuteten. Der Kläger verneinte zudem eine Besserung der Symptomatik während der arbeitsfreien Zeit. Die von Dr. H. erhobenen Befunde sind ebenfalls gegen eine Spätfolge in Form einer strumpfförmigen Polyneuropathie anzuführen. Bei der elektrophysiologischen Diagnostik wurden keine relevanten Schädigungen der sensiblen Leitungsbahnen festgestellt. Eine sensible Ataxie fand sich nicht. In Bezug auf die Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302 und 1310 der Anlage 1 zur BKV berichtete der Kläger keine typische Symptomatik mit Beschwerden während der Exposition oder Langzeitfolgen. Es traten weder akute Schleimhautreizungen noch Hautreaktionen auf. Mittels der laborchemischen Untersuchungen wurden zwar zeitweise erhöhte Leberwerte, aber keine Lebertoxizität oder eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion nachgewiesen, wie sie durch Halogenkohlenwasserstoffe verursacht werden können. Somit ist trotz der 1995 mit 225 µg/l bei einem Normbereich von (10 µg/l einmalig nachgewiesenen inneren Belastung mit PCP im Serum und anschließend abfallenden Werten innerhalb weniger Wochen eine Krankheitsfolge aufgrund einer akuten Intoxikation auszuschließen. Langzeitfolgen des zentralen und peripheren Nervensystems sind aufgrund der erhobenen Befunde nicht eingetreten. Insbesondere Dr. H. stellte darüber hinaus überzeugend heraus, dass sich der Verdacht auf eine toxisch bedingte Enzephalopathie durch die erhobene Diagnostik nicht sichern ließ. Der chronische Spannungskopfschmerz und der Schwindel waren unspezifisch und wurden nicht durch die angeschuldigten körperfremden Substanzen verursacht. Bei der neurologischen Untersuchung ließen sich außer Residuen eines Syndroms im Segment S1 der linken Seite keine spezifischen Ausfälle nachweisen. Das S1-Syndrom zeigte sich durch einen Ausfall des Achillessehnenreflexes der linken Seite, eine leichte Fußsenkerparese und eine segmentale Hypästhesie. Ursache war der vorbestehende Bandscheibenvorfall. Ein Zusammenhang zur möglichen Schadstoffexposition besteht nicht. Andere Aspekte der neurologischen Untersuchung, welche in der Einschätzung unsicher blieben, waren zumindest von Verdeutlichungstendenzen geprägt. Hierzu zählen die wechselnde Angabe des Vibrationsempfindens, eine auf den ersten Blick ausgeprägte Rumpfataxie, die jedoch unter Ablenkung sistierte, und wechselnde, inkonsistente Zeigeversuche. Beim Finger-Nase-Versuch demonstrierte der Kläger Unsicherheiten, demgegenüber war der Finger-Finger-Versuch ohne Probleme möglich. Die Vielzahl der Zusatzuntersuchungen bestätigte, dass ein Großteil der Beschwerden keine fassbare organische Ursache hatte. Die beklagte Sensibilitätsstörung der Beine hatte kein Korrelat in der elektrophysiologischen Diagnostik. Eine relevante Schädigung der sensiblen Leitungsbahnen, die Konsequenzen für die Gehfähigkeit haben können, ist damit weitgehend ausgeschlossen. Insbesondere ist eine sensible Ataxie, etwa auf dem Boden einer Polyneuropathie, nicht belegt. Eine periphere oder zentrale vestibuläre Störung ist auf der Grundlage der Zusatzdiagnostik mit einer normalen Videookulographie und der klinischen Untersuchung nicht zu diagnostizieren. Das Elektroenzephalogramm war normal, wenngleich es sich hierbei um einen unsensitiven Marker für höhere Hirnleistungen handelt. Die vom Kläger mitgebrachte kraniale Bildgebung von Mai 2012 mittels einer Magnetresonanztomographie zeigte keine relevanten Auffälligkeiten, insbesondere keine relevante zerebrale oder zerebelläre Atrophie. Pathognomonische Auffälligkeiten wie eine olivopontozerebelläre Atrophie für eine Multisystematrophie fanden sich nicht. Auch nach der Aktenlage ergaben sich keine Hinweise auf eine Enzephalopathie im Sinne von Rhytmusverlangsamungen oder triphasischen Wellen. Eine früher als möglich pathologisch diskutierte intermittierende Betaaktivität ist bei einem normalen Bergereffekt am ehesten als Normvariante zu werten, insbesondere da der aktuell mittels des Elektroenzephalogrammes erhobene Befund mit einem intermittierenden Betaanteil den Vorbefunden entsprach. Eine frühere Lumbalpunktion mit Demenzmarkern zeigte in einer Untersuchung im Universitätsklinikum U. bis auf eine leichtgradige Schrankenfunktionsstörung keine relevanten Auffälligkeiten. Insbesondere die Demenzmarker waren im Normbereich. Einzig diskrepant zu den Erhebungen von Dr. H. war eine in den Vorbefunden beschriebene sensible Polyneuropathie auf der Grundlage einer Erniedrigung der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit im Januar 1996. Rückblickend war der Befund indes schlüssig grenzwertig. Als Beschwerdesymptomatik auf neurologischem Gebiet verbleibt der Kopfschmerz, der am ehesten einem chronischen Spanungskopfschmerz entspricht. Er trat an mehr als fünfzehn Tagen im Monat auf, wurde bifrontal lokalisiert, durch körperliche Aktivität eher besser und wies keine Charakteristika von Kopfschmerzen aus dem trigeminoautonomen oder migranösen Formenkreis auf. Typischerweise empfand ihn der Kläger eher als dumpf drückend. Brennende Missempfindungen sind bei der chronischen Verlaufsform nicht selten. Die Kopfschmerzsymptomatik war anamnestisch nicht an den Aufenthalt am Arbeitsplatz gebunden und nahm nach dem Ende der Exposition sogar zu, weshalb am ehesten von einem nicht durch ein Lösemittel oder PCP induzierten Kopfschmerz auszugehen ist. Die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten nach den Nrn. 1302, 1310 und 1317 der Anlage 1 zur BKV liegen damit selbst unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren aufrecht erhaltenen Einwände des Klägers nicht vor. Die von ihm angeführten Ansichten seiner behandelnden Ärzte bestätigten sich durch die gezielten Begutachtungen nicht. Soweit dies die Sachverständige Dr. K. für die Berufskrankheiten nach Nrn. 1310 und 1317 der Anlage 1 zur BKV aus medizinischer Sicht ebenfalls anders einschätzte, folgt ihr der Senat nicht. Sie selbst räumte ein, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der berufsbedingten Exposition gegenüber einer Vielzahl an körperfremden Substanzen nicht geklärt ist. Zudem wendet die Beklagte unter Bezugnahme auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen von Prof. Dr. T. von August 2019, welche rechtlich als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen zu werten sind (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - B 5 R 45/16 B -, juris, Rz. 19), mit Recht ein, dass die Ausführungen von Dr. K. auch deswegen nicht überzeugen, da sie nicht nur keine elektroneurographische Untersuchung durchführte, sondern insbesondere in Bezug auf die Polyneuropathie keine elektrophysiologische, welche für die Diagnostik unerlässlich ist (vgl. Heuß et al., Diagnostik bei Polyneuropathien, 2019, in: D. Gesellschaft für Neurologie e. V., Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, im Internet unter xxx). Demgegenüber nahm insbesondere Prof. Dr. H. eine differenzierte Befunderhebung vor. Dr. K. setzte lediglich orientierende Screeningtestverfahren ohne eine entsprechende Symptomvalidierung ein und würdigte die erhobenen Befunde nicht kritisch. Für ihre Beurteilung des peripheren Nervensystems fehlt eine neurophysiologische Befunderhebung, welche allein geeignet ist, insbesondere die von ihr angenommene Polyneuropathie zu untermauern. Unzureichend ist jedenfalls, dass sie sich allein auf die subjektive Schilderung des Klägers und ihren klinischen Untersuchungsbefund stützt. Die beschriebenen Sensibilitätsstörungen hinterfragte sie hinsichtlich ihrer Verteilung nicht kritisch. Weiter fehlt eine neurophysiologische Objektivierung. Gleiches gilt für die vom Kläger demonstrierten ataktischen Störungen. Eine hirnorganische Beeinträchtigung ist dem erhobenen psychischen Befund, der keinerlei Angabe zur Psychomotorik, zum Antrieb und zur Stimmungslage enthält, nicht zu entnehmen. In Bezug auf das Schilddrüsenkarzinom, welches Anfang 2008 festgestellt wurde, und sich der Anspruch auf Feststellung der Berufskrankheiten damit nach § 9 Abs. 1 SGB VII beurteilt, wonach im Wesentlichen die gleichen Maßstäbe wie nach den zuvor geltenden Regelungen der RVO Anwendung finden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 22, Rz. 14 zur Wie-Berufskrankheit), ist der Ursachenzusammenhang ebenfalls nicht hinreichend wahrscheinlich. Prof. Dr. K. führte auch insoweit überzeugend aus, dass nach der Übersichtsarbeit von Lyn aus dem Jahr 2009 bislang keine Vorhersage des Effektes von Chemikalien, die Schilddrüsendisruptoren darstellen, auf einzelne Menschen gemacht werden kann. Folglich ist auch das Schilddrüsenkarzinom nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Exposition zurückzuführen Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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