L 8 AL 1667/19 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AL 868/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1667/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.05.2019 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung des Streitwertes durch das Sozialgericht Stuttgart (SG) für eine erstinstanzlich erhobene Untätigkeitsklage vom 21.02.2019 (S 16 AL 868/19).

Die Klägerin wurde von der Beklagten mit Leistungsbescheid und Vollstreckungsmahnung vom 30.01.2015 zu einer Winterbeschäftigungs-Umlage einschließlich Mahngebühren in Höhe von insgesamt 5.334,89 EUR herangezogen, die von der Klägerin gelistet wurde.

Nachdem das SG (u.a.) den Grundlagenbescheid vom 04.11.2014 mit Urteil vom 15.02.2018 (S 6 AL 837/15) aufgehoben hat, beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.04.2018 bei der Beklagten die Rückerstattung der Umlage in Höhe von 5.334,89 EUR, vorsorglich Bescheidung gemäß § 44 SGB X bzw. § 48 SGB X, da durch die Aufhebung des Grundlagenbescheides die Rechtsgrundlage für die Erhebung der Umlage entfallen sei.

Nachdem eine Reaktion der Beklagten nicht erfolgte, erhob die Klägerin am 21.02.2019 beim SG Klage wegen Untätigkeit, mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ihren Antrag vom 19.04.2018 zu verbescheiden und den Bescheid vom 30.01.2015 zurückzunehmen.

Die Beklagte teilte daraufhin mit Schriftsatz vom 11.03.2019 mit, der Überprüfungsantrag sei mit Bescheid vom 28.02.2019 beschieden worden. Die Beklagte legte den Bescheid vom 28.02.2019 vor, mit dem der Leistungsbescheid vom 30.01.2015 aufgehoben wurde.

Am 19.03.2019 erklärte die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt und beantragte, den Streitwert auf 5.334,89 EUR festzusetzen. Es sei zu berücksichtigen, dass von der Beklagten der Betrag von 5.334,89 EUR unstreitig an sie zu erstatten sei. Die Untätigkeitsklage habe ausschließlich die Aufhebung des Leistungsbescheides und die Rückzahlung des zu Unrecht vereinnahmten Betrages zum Ziel gehabt. Dies sei ihr ausschließliches wirtschaftliches Interesse bezogen auf die Untätigkeitsklage, die als Klage gegen den Leistungsbescheid zu werten sei. Der Streitwert sei aus der aus dem Antrag für sie bei objektiver Beurteilung ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Grund für einen reduzierten Streitwert bei der Untätigkeitsklage mag der Anspruch sein, dass die Behörde überhaupt entscheidet. Soweit unstreitig sei, dass die Behörde den Bescheid aufzuheben habe, sei ihr wirtschaftliches Interesse mit der Klage auf Aufhebung des Leistungsbescheides kongruent. Die Klägerin berief sich auf einen Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.02.2012 - L 24 Ka 22/11 B -.

Die Beklagte trat dem Antrag, den Streitwert auf 5.334,89 EUR festzusetzen, entgegen. Bei Untätigkeitsklagen seien 10 bis 25 % des vollen Streitwertes anzusetzen. Mahngebühren seien nicht als Nebenforderung in die Berechnung des Streitwertes einzubeziehen.

Mit Beschluss vom 07.05.2019 setzte das SG den Streitwert auf endgültig 1.334,00 EUR fest. Bei Untätigkeitsklagen sei der Hauptsache-Streitwert zu bestimmen und sodann mit einem Anteil von 10 bis 25 % anzusetzen. Danach sei der Streitwert auf 1.334 EUR festzusetzen.

Gegen den der Klägerin am 10.05.2019 zugestellten Beschluss richtet sich die von der Klägerin am 16.05.2019 beim SG eingelegte Beschwerde, die vom SG dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt worden ist. Sie hat zu Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen. Ergänzend hat sie vorgetragen, beim Streitwert der Hauptsache wäre unter Ziff. 9.2 des Streitwertkataloges für die Sozialgerichtsbarkeit 4. Auflage 2012 beim Streitwert der Hauptsache der dreifache Jahresbetrag der Umlage diskussionswürdig. Sie, die Klägerin, habe bei jedem Widerspruch gegen jeden Leistungsbescheid die Berechtigung einer Beitragspflicht in Abrede gestellt.

Die Klägerin beantragt, den Beschluss des SG vom 07.05.2019 abzuändern und den Streitwert auf 5.334,89 EUR festzusetzen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Begründung unter Bezug auf Rechtsprechung und Literatur ausgeführt, bei Untätigkeitsklagen könne nach allgemeiner Auffassung nicht vom vollen Streitwert ausgegangen werden, sondern seien 10 bis 25 % des vollen Streitwertes festzusetzen. Mahngebühren wirkten sich nicht streitwerterhöhend aus.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Streitwertbeschwerde der Klägerin gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) durch den Berichterstatter, da die angegriffene Streitwertfestsetzung durch die Kammervorsitzende des SG als Einzelrichterentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 GKG anzusehen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2018 - L 7 BA 1871/18 B -, juris).

Die - vom SG dem Landessozialgericht vorgelegte - Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt. Dabei ist nicht auf die streitige Höhe des Streitwertes abzustellen, sondern auf die sich daraus ergebende Höhendifferenz der Gerichts- und Anwaltsgebühren (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2018 - L 7 BA 1871/18 B -, juris, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Bei einem Streitwert von 1.334 EUR beträgt die (einfache) Gebühr nach § 13 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) 115,00 Euro; bei einem Streitwert von 5.334,89 EUR - wie von der Klägerin begehrt - betrüge diese Gebühr 354,00 EUR (vgl. Anlage 2 zum RVG), so dass die Differenz 239,00 Euro beträgt, weshalb der Differenzbetrag von insgesamt 200,00 Euro bereits dann übertroffen, wenn nur eine einfache Gebühr nach § 13 RVG zugrunde gelegt wird. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Da die Klägerin nicht in der Eigenschaft einer der in § 183 SGG genannten Personen (Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfängern, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) den Rechtsstreit geführt hat, sind nach § 197a Abs. Satz 1 SGG Gerichtskosten nach den Vorschriften des GKG zu erheben. In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).

Vorliegend richtet sich die Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG. § 52 Abs. 3 GKG ist nicht einschlägig, weil die Untätigkeitsklage nicht eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt betraf, sondern nur die Frage der Verpflichtung der Beklagten zur Entscheidung über den Antrag der Klägerin gemäß § 44 SGB X (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2018, a.a.O.).

Bei Untätigkeitsklagen kann nach allgemeiner Auffassung nicht vom vollen Streitwert der Hauptsache ausgegangen werden, wie die Klägerin anstrebt. Denn die Untätigkeitsklage nach § 88 SGG ist auf die - bloße - Verurteilung der Behörde zur Bescheidung des Antrags oder des Widerspruches gerichtet, nicht aber - wie in Hauptsachverfahren - auf Erlass eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten begünstigenden Inhalt bzw. auf Aufhebung eines angefochtenen belastenden Verwaltungsaktes (vgl. Schmidt in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 88 Rdn. 9, 9b m.w.N.). Bei Untätigkeitsklagen ist deshalb für den Streitwert unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der Verzögerung von 10% bis 25 % des Streitwertes der Hauptsache auszugehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.06.2019 - L 13 AL 1668/19 B -, nicht veröffentlicht; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01.06.2017 - L 5 KR 101/17 B -, m.w.N.; Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 5. Auflage 2017, A. I. 5.1; a.A. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 01.06.2017 - L 5 KR 101/17 B -, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2018, a.a.O.). Das Beschwerdevorbringen der Klägerin rechtfertigt nicht, hiervon abzuweichen. Auf den Erfolg in der Sache kommt es bei einer Untätigkeitsklage nicht an und bedarf bei der Entscheidung über eine Untätigkeitsklage keiner Prüfung. Die Untätigkeitsklage richtet sich auf Erlass einer offenen Hauptsachentscheidung (Antrag, Widerspruch) durch die Behörde, wobei - erst - bei der Hauptsachentscheidung der volle Streitwert maßgebend ist. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, von einem Streitwert von 10% bis 25 % des Streitwertes der Hauptsache abzuweichen.

Gemessen hieran hat das SG im angefochtenen Beschluss ausgehend vom vollen Streitwert der Hauptsache in Höhe von 5.334,89 EUR seiner Streitfestsetzung den oberen Ermessensrahmen von 25 % zu Grunde gelegt und hieraus den Streitwert mit 1.334 EUR zutreffend festgesetzt. Durch die Ausschöpfung des Ermessensrahmens ist den von der Klägerin geltend gemachten Umständen, insbesondere auch der wirtschaftlichen Bedeutung der Verzögerung, ausreichend Rechnung getragen. Den Streitwert der Hauptsache dreifach festzusetzen, besteht kein Anlass. Ziff. 9.2. des Streitwertkataloges für die Sozialgerichtsbarkeit 4. Auflage 2012 zur Bestimmung des Streitwertes für Klagen des Arbeitgebers gegen die Feststellung der Versicherungspflicht durch die Einzugsstelle bei noch bestehendem Beschäftigungsverhältnis, worauf sich die Klägerin beruft, ist auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar und damit nicht zu diskutieren.

Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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