L 8 AL 2194/19 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 AL 870/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2194/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 04.06.2019 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung des Streitwertes durch das Sozialgericht Stuttgart (SG) für eine erstinstanzlich erhobene Untätigkeitsklage vom 21.02.2019 (S 21 AL 870/19).

Die Klägerin wurde von der Beklagten mit Leistungsbescheid und Vollstreckungsmahnung vom 27.04.2016 zu einer Winterbeschäftigungs-Umlage einschließlich Säumniszuschlag und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 4.092,87 EUR herangezogen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein (Schriftsatz vom 17.05.2016).

Das SG hob mit Urteil vom 15.02.2018 (S 6 AL 837/15) den Grundlagenbescheid vom 04.11.2014 auf.

Nachdem die Beklage über den Widerspruch der Klägerin nicht entschieden hat, erhob die Klägerin am 21.02.2019 beim SG Klage wegen Untätigkeit, mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch vom 17.05.2016 zu entscheiden.

Die Beklagte teilte daraufhin mit Schriftsatz vom 12.03.2019 mit, dem Widerspruch der Klägerin (u.a. vom 27.04.2016) sei mit Bescheid vom 28.02.2019 abgeholfen worden.

Am 01.04.2019 erklärte die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt und beantragte, den Streitwert auf 4.092,87 EUR festzusetzen. Die Beklagte habe nicht 3 Monate, sondern 33 Monate für die Widerspruchsentscheidung benötigt, was bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen sei. Nach Aufhebung des Grundlagenbescheides sei die Beklagte unstreitig verpflichtet gewesen, den Leistungsbescheid aufzuheben. Die Untätigkeitsklage habe ausschließlich die Aufhebung des Leistungsbescheides zum Ziel gehabt. Ein Aufhebungsanspruch habe offensichtlich bestanden. Dies sei ihr wirtschaftliches Interesse, weshalb die Untätigkeitsklage vom wirtschaftlichen Interesse vorliegend eine Leistungsklage gleichzustellen sei. Der Streitwert sei aus der aus dem Antrag für sie bei objektiver Beurteilung ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Grund für einen reduzierten Streitwert bei der Untätigkeitsklage mag der Anspruch sein, dass die Behörde überhaupt entscheidet. Soweit unstreitig sei, dass die Behörde den Bescheid aufzuheben habe, sei ihr wirtschaftliches Interesse mit der Anfechtungsklage kongruent. Die Klägerin berief sich auf einen Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.02.2012 - L 24 Ka 22/11 B -.

Die Beklagte trat dem Antrag, den Streitwert auf 4.092,87 EUR festzusetzen, entgegen. Mit einer Streitwertfestsetzung auf ein Viertel der Hauptforderung bestehe Einverständnis. Darauf hingewiesen werde, dass Mahngebühren als Nebenforderung nicht in die Berechnung des Streitwertes einzubeziehen seien.

Mit Beschluss vom 04.06.2019 setzte das SG den Streitwert auf endgültig 1.018,47 EUR fest. Bei Untätigkeitsklagen sei der Hauptsache-Streitwert zu bestimmen und sodann mit einem Anteil von 10 bis 25 % anzusetzen. Mahngebühren in Höhe von 19,00 EUR seien nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen. Danach sei der Streitwert auf 1.018,47 EUR festzusetzen.

Gegen den der Klägerin am 07.06.2019 zugestellten Beschluss richtet sich die von der Klägerin am 27.06.2019 beim SG eingelegte Beschwerde, die vom SG dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt worden ist. Sie hat zu Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen und dieses vertieft.

Die Klägerin beantragt, den Beschluss des SG vom 04.06.2019 abzuändern und den Streitwert auf 4.092,87 EUR festzusetzen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

I.

Der Senat entscheidet über die Streitwertbeschwerde der Klägerin gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) durch den Berichterstatter, da die angegriffene Streitwertfestsetzung durch die Kammervorsitzende des SG als Einzelrichterentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 GKG anzusehen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2018 - L 7 BA 1871/18 B -, juris).

Die - vom SG dem Landessozialgericht vorgelegte - Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt. Dabei ist nicht auf die streitige Höhe des Streitwertes abzustellen, sondern auf die sich daraus ergebende Höhendifferenz der Gerichts- und Anwaltsgebühren (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2018 - L 7 BA 1871/18 B -, juris, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Bei einem Streitwert von 1.018,47 EUR beträgt die (einfache) Gebühr nach § 13 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) 115,00 Euro zuzüglich einer (einfache) Gerichtsgebühr gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 Gerichtskostengesetz (GKG) in Höhe von 71,00 EUR (insgesamt 186,00 EUR). Bei einem Streitwert von 4.092,87 EUR - wie von der Klägerin begehrt - betrüge die Gebühr nach 303,00 EUR nach dem RVG zuzüglich einer (einfache) Gerichtsgebühr in Höhe von 146,00 EUR nach dem GKG (insgesamt 449,00 EUR). Die Differenz beträgt 263,00 EUR weshalb der Differenzbetrag von insgesamt 200,00 Euro übertroffen ist. Die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Da die Klägerin nicht in der Eigenschaft einer der in § 183 SGG genannten Personen (Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfängern, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) den Rechtsstreit geführt hat, sind nach § 197a Abs. Satz 1 SGG Gerichtskosten nach den Vorschriften des GKG zu erheben. In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).

Vorliegend richtet sich die Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG. § 52 Abs. 3 GKG ist nicht einschlägig, weil die Untätigkeitsklage nicht eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt betraf, sondern nur die Frage der Verpflichtung der Beklagten zur Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin vom 17.05.2016 (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2018, a.a.O.).

Bei Untätigkeitsklagen kann nach allgemeiner Auffassung nicht vom vollen Streitwert der Hauptsache ausgegangen werden, wie die Klägerin anstrebt. Denn die Untätigkeitsklage nach § 88 SGG ist auf die - bloße - Verurteilung der Behörde zur Bescheidung des Antrags oder des Widerspruches gerichtet, nicht aber - wie in Hauptsachverfahren - auf Erlass eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten begünstigenden Inhalt bzw. auf Aufhebung eines angefochtenen Verwaltungsaktes (vgl. Schmidt in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 88 Rdn. 9, 9b m.w.N.). Bei Untätigkeitsklagen ist deshalb für den Streitwert unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der Verzögerung von 10% bis 25 % des Streitwertes der Hauptsache auszugehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.06.2019 - L 13 AL 1668/19 B -, nicht veröffentlicht; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01.06.2017 - L 5 KR 101/17 B -, m.w.N.; Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 5. Auflage 2017, A. I. 5.1; a.A. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 01.06.2017 - L 5 KR 101/17 B -, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2018, a.a.O.). Das Beschwerdevorbringen der Klägerin rechtfertigt nicht, hiervon abzuweichen. Auf den Erfolg in der Sache kommt es bei einer Untätigkeitsklage nicht an und bedarf bei der Entscheidung über eine Untätigkeitsklage keiner Prüfung. Die Untätigkeitsklage richtet sich auf Erlass einer offenen Hauptsachentscheidung (Antrag, Widerspruch) durch die Behörde, wobei - erst - bei der Hauptsachentscheidung der volle Streitwert maßgebend ist. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, die Beklagte habe 33 Monate für die Widerspruchsentscheidung benötigt, ist darauf hinzuweisen, dass erst nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils des SG vom 15.02.2018 - S 6 AL 837/15 - dem Widerspruch Erfolgsaussicht beizumessen war. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, von einem Streitwert von 10% bis 25 % des Streitwertes der Hauptsache abzuweichen.

Gemessen hieran hat das SG im angefochtenen Beschluss ausgehend vom vollen Streitwert der Hauptsache in Höhe von 4.073,87 EUR seiner Streitfestsetzung den oberen Ermessensrahmen von 25 % zu Grunde gelegt und hieraus den Streitwert mit 1.018,47 EUR zutreffend festgesetzt. Durch die Ausschöpfung des Ermessensrahmens ist den von der Klägerin geltend gemachten Umständen, insbesondere auch der wirtschaftlichen Bedeutung der Verzögerung, ausreichend Rechnung getragen. Dass das SG Mahngebühren nicht Streitwert erhöhend berücksichtigt hat, ist nicht zu beanstanden und wird von der Klägerin auch nicht gerügt.

Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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