S 44 KR 1902/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
44
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 44 KR 1902/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 675/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 62/18 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Leistungen eines Heilmittelerbringers, die ohne Zulassung der Betriebsstätte erbracht wurden, sind nicht zu vergüten.

2. Wendet sich ein Heilmittelerbringer mit Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Zulassung seiner Betriebsstätte, so kann die Krankenkasse mit Eintritt der Bestandskraft der Widerrufsentscheidung die von ihr für Zeiträume nach der Widerrufsentscheidung an den Heilmittelerbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs von diesem zurückfordern.
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.405,87 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 9.405,87 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin die Vergütung von Leistungen der Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie, welche die Beklagte nach dem 12.10.2010 gegenüber Versicherten der Klägerin erbracht und im Jahre 2011 gegenüber der Klägerin abgerechnet hat, erstatten muss.

Die Beklagte ist ausgebildete Logopädin. Mit Zulassungsbescheid vom 01.08.2008 hatte die Klägerin der Beklagten ab dem 01.10.2008 die Zulassung zur Abgabe von Leistungen der Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie erteilt.

Aufgrund einer Besichtigung der Praxisräume am 21.09.2010 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten festgestellt, dass die Praxisräume nicht mehr den Zulassungsvoraussetzungen gemäß den Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes zur einheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen entsprächen und den Zulassungsbescheid vom 01.08.2008 mit Wirkung zum 12.10.2010 widerrufen.

Der Widerspruch der Beklagten gegen den Widerrufsbescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2010 zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Sozialgericht München erhobene Klage vom 14.12.2010 wurde erst- und zweitinstanzlich abgewiesen. Die gegen das zweitinstanzliche Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) wurde am 09.12.2013 verworfen (Az. B 1 KR 91/13 B).

In dem Zeitraum vom 12.10.2010 bis 31.12.2011 (und darüber hinaus) versorgte die Beklagte auf kassenärztliche Verordnung Versicherte der Klägerin mit Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie.

Seit Zulassungsbeginn am 01.10.2008 bis zum Widerruf der Zulassung rechnete die Beklagte mit der Klägerin - zwischen den Beteiligten unstreitig - Leistungen in Höhe von 26.471,41 Euro ab. Die Klägerin beglich die entsprechenden Leistungen bis auf drei einbehaltene Rechnungen aus 2010 in Höhe von insgesamt 2.873,31 Euro.

Nach dem Widerruf der Zulassung stellte die Beklagte der Klägerin nach deren - unstreitig gestellten - Angaben insgesamt 27.080,41 Euro in Rechnung. Diese Leistungen hat die Klägerin - ebenfalls unstreitig - aufgrund der aufschiebenden Wirkung der gegen den Widerrufsbescheid anhängigen Rechtsbehelfe in Höhe von 21.183,12 Euro beglichen, d.h. Rechnungen in Höhe von 5.897,29 Euro wurden nicht mehr zur Auszahlung gebracht.

Mit Schreiben vom 12.02.2014 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Aufstellung der Vergütungen für Heilmittelleistungen, die die Beklagte seit dem Widerruf der Zulassung erbracht und mit der Klägerin abgerechnet hatte und forderte die Rückzahlung der erbrachten Vergütung in Höhe von 18.309,81 Euro sowie eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,00 Euro. Die Beklagte habe seit dem bestandkräftigen Widerruf der Zulassung für die Behandlung von Versicherten keine Zulassung nach § 124 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Durch ihre schriftliche Anerkennung des Rahmenvertrages habe sich die Beklagte verpflichtet, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln für eine gewissenhafte Durchführung des Vertrages Sorge zu tragen. Gegen diese Verpflichtung habe sie schwerwiegend verstoßen.

Nachdem die Beklagte auf das Rückzahlungsverlangen nicht reagierte, erneuerte die Klägerin ihre Forderung mit Schreiben vom 15.12.2015 und forderte die Beklagte auf, den Betrag in Höhe von 23.309,81 Euro spätestens bis zum 22.12.2015 zu überweisen oder bis dahin schriftlich auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Sie wies darauf hin, dass nach Verstreichen der Frist weitere Schritte eingeleitet werden müssten.

Mit der am 30.12.2015 am Sozialgericht München erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren als Teilklage fristwahrend weiter. Ausgehend von einer regelmäßigen vierjährigen Verjährung im Krankenversicherungsrecht ab Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs würden zur Wahrung der Verjährungsfrist klageweise zunächst nur die Leistungen geltend gemacht, welche im Jahr 2011 der Klägerin zu Unrecht vergütet worden seien. Hierbei handele es sich um abgerechnete Leistungen in Höhe von 9.405,87 Euro. Die Beklagte besitze für die Abgabe und die Abrechnung von sprachtherapeutischen Leistungen keine Zulassung. Da die Zulassungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Leistungsabgabe von der Beklagten nicht erfüllt gewesen seien, habe auch kein Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen bestanden. Die von der Klägerin zurückgeforderten Beträge beinhalteten Leistungen, die die Beklagte während des laufenden Klageverfahrens über den Widerruf der Zulassung abgerechnet habe. Dies habe sie nur wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage tun können. Diese aufschiebende Wirkung sei jedoch mit Bestandskraft des klageabweisenden Urteils rückwirkend entfallen. Die Zahlungen seien damit ohne Rechtsgrund erfolgt und von der Beklagten zu erstatten.

Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 30.12.2015,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.405,87 Euro nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 16.03.2016,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte habe die für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung inne und besitze auch die zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigende Erlaubnis. Ebenfalls sei unstreitig, dass die Beklagte die für die Versorgung der Versicherten der Klägerin getroffene Vereinbarung anerkannt habe. Allein streitig sei, ob die Beklagte über eine Praxisausstattung verfügte und verfüge, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleiste. Auf diese Voraussetzung stelle die Klägerin weiterhin ab und diese Voraussetzung werde von der Beklagten auch erfüllt. Die Beklagte sei allein in ihrer Praxis tätig. Sie halte zwei Therapieräume von jeweils mehr als 12 qm vor. Dass dies ausreichend sein dürfe, ergebe sich sowohl aus den Zulassungsempfehlungen des GKV Spitzenverbandes als auch aus den Vorgaben der Vergangenheit. Hier sei ursprünglich nicht einmal eine Flächenvorgabe angefügt gewesen. Da für die Zulassung der Beklagten zur Versorgung der Versicherten der Klägerin bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 124 Abs. 2SGB V kein Ermessensspielraum bestehe, sei eine Zulassung somit zu erteilen. Hierzu bedürfe es nicht einmal eines gesonderten Verwaltungsaktes. Nach dem Hinweis des Gerichts vom 04.04.2016 auf die Bestandskraft des Widerrufs der Zulassung macht der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 08.06.2016 geltend, richtig sei zwar, dass der Widerruf der Zulassung durch Verwerfen der Nichtzulassungsbeschwerde nunmehr bestandskräftig sei. Dies mache den Widerrufsbescheid jedoch nicht richtiger. Jedenfalls habe die Klägerin, soweit sie Rückforderungsansprüche stelle, pflichtgemäßes Ermessen auszuüben. Dabei habe sie auch zu prüfen, ob möglicherweise die für die Rückforderung gebotene Rechtsgrundlage fehle. Dieses Ermessen habe die Klägerin augenscheinlich nicht ausgeübt.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 03.08.2016 erwidert, die Rückforderung der während der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Widerrufsbescheid geleisteten Beträge sei ohne jede Ermessensausübung zulässig. Darüber hinaus bestünde auch keine Veranlassung, auf die bestehende Rückforderung zu verzichten. Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 SGB IV lägen erkennbar nicht vor, insbesondere liege auch kein Stundungs- bzw. Erlassantrag der Beklagten vor.

Die Parteien haben sich in dem am 07.12.2016 am Sozialgericht durchgeführten Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mit der Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt. Der Beklagtenvertreter hat die im Jahr 2011 von der Klägerin an die Beklagte gezahlten und mit der Teilklage zurückgeforderten Leistungsvergütungen der Höhe nach nochmals unstreitig gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten bzw. sich mit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der im Jahr 2011 zu Unrecht für Leistungen der Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie abgerechneten und bezahlten Vergütungen in Höhe von 9.405,87 Euro.

1. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig. Mit der allgemeinen Leistungsklage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat. Voraussetzung für die Zulässigkeit der echten Leistungsklage ist damit ein zwischen den Beteiligten bestehendes Gleichordnungsverhältnis, das eine (einseitig) hoheitliche Regelung der handelnden Behörde durch Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten - und damit eine Klage nach § 54 Abs. 4 SGG - ausschließt (vgl. BSGE 66, 159, 161). Seit der zum 01.01.2000 in Kraft getretenen Fassung von § 69 SGB V (i.d.F. des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626) sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu sämtlichen Leistungserbringern, wie Krankenhäuser, Vertragsärzten, Apotheken und allen sonstigen nichtärztlichen Leistungserbringern, ausschließlich sozialversicherungsrechtlicher Natur und damit dem öffentlichen Recht zugeordnet (vgl. BSGE 89, 24, 30 f.) Die Vergütungsansprüche zwischen Heilmittelerbringern und den Krankenkassen sind durch öffentlich-rechtliche Rahmen- bzw. Einzelverträge nach § 125 Abs. 2 SGB V ausgestaltet. Dementsprechend ist für Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen gegen Leistungserbringer aus rechtsgrundlos erfolgten Vergütungszahlungen der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einschlägig (vgl. nur BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr. 5, Rn. 10 m.w.N.). Die klagende Krankenkasse hat daher die Rückforderung bereits ausgezahlter Vergütungen an die beklagte Leistungserbringerin zutreffend nicht durch Verwaltungsakt, sondern im Wege der Gleichordnung durch allgemeine Leistungsklage geltend gemacht, weil sie und die Beklagte in einem Gleichordnungsverhältnis zueinander stehen (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.2016, Az. B 3 KR 23/15 R, Juris-Rn. 14).

2. Der Klägerin steht ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe des unstreitig im Jahr 2011 insgesamt für seit dem Widerruf der Zulassung erbrachte Leistungen vergüteten Betrags zu. Dieser aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht worden sind (vgl. BSGE 101, 33 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 9, Rn. 17). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat die seit dem 12.10.2010 von der Beklagten für die Versicherten der Klägerin erbrachten logopädischen Leistungen vergütet, obwohl die Beklagte nach diesem Datum keinen hierauf bezogenen vertraglichen Vergütungsanspruch hatte. Die Beklagte verfügte seit dem 12.10.2010 nicht mehr über die notwendige Zulassung für die Betriebsstätte ihrer Praxis, um dort Versicherte zu behandeln. Daher konnte im streitigen Zeitraum vom 12.10.2010 bis 31.12.2011 ein Vergütungsanspruch der Beklagten für diese Leistungen nicht entstehen (3.). Die Beklagte hat auch keinen Anspruch auf Wertersatz (4.).

3. Zahlungsansprüche der Beklagten gegen die Klägerin wegen erbrachter stimm-, sprach- und sprechtherapeutischer Leistungen können sich nur aus der Zulassungsentscheidung zur Erbringung dieser Leistungen an Versicherte (§ 124 SGB V) i.V.m. dem anerkannten Versorgungsvertrag auf Verbandsebene ergeben, welcher die Einzelheiten der Leistungserbringung und der Vergütung regelt (§ 125 Abs. 2 SGB V). Zur Meidung von Wiederholungen wird insoweit Bezug genommen auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 20.04.2016 (a.a.O., Juris-Rn. 16 ff.), welches im Rahmen des Erörterungstermins vor dem Sozialgericht am 07.12.2016 mit den Beteiligten besprochen wurde und welchem sich das Gericht nach eigener Prüfung vollumfänglich anschließt. Die Beklagte hat im Rahmen des Zulassungsverfahrens nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 SGB V die Regelungen des Rahmenvertrages über die Durchführung der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie (RV-S) vom 07.05.1992 (in der Fassung vom 17.12.2009, gültig ab 01.01.2010) anerkannt. Anspruchsgrundlage für Vergütungsansprüche kann demnach nur der von ihr anerkannte Verbandsvertrag sein (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.2016, a.a.O.,.Juris- Rn. 21).

Nach § 6 Abs. 1 dieses Rahmenvertrages sind die Leistungen, die nach diesem Vertrag erbracht werden können, in der Anlage 1 c der Rahmenempfehlungen nach § 125 Abs. 1 SGB V beschrieben. Zur Durchführung dieser Behandlungen sind "die Zugelassenen" im Rahmen ihrer fachlichen Eignung berechtigt und verpflichtet.

Diese Bestimmung stellt eine Regelung "über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln" im Sinne des § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB V dar, die von den Vertragspartnern vereinbart werden kann (BSG, Urteil vom 20.04.2016, Juris-Rn. 23).

Die Beklagte hatte aufgrund der Regelung des § 6 Abs. 1 des Verbandsvertrags keinen Anspruch auf Vergütung der mit der Klägerin in 2011 abgerechneten Behandlungen. Nach dieser Vorschrift durften Behandlungen nur von den gemäß § 124 SGB V zugelassenen Leistungserbringern erfolgen. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung des § 124 Abs.1 SGB V.

Die Zulassung nach § 124 Abs. 5 SGB V erfolgt durch Verwaltungsakt (§ 31 SGB X, näher BSGE 77, 108, 110). Zudem setzt § 124 Abs. 2 Satz 2 SGB V für jeden Heilmittelbereich eine eigenständige Zulassung entsprechend den jeweiligen berufsrechtlichen Anforderungen, den berufspraktischen Erfahrungen und der jeweils erforderlichen sachlichen Ausstattung der Betriebsstätte voraus (vgl. BSG SozR 4-2500 § 124 Nr. 1 Rn. 8).

Hier ist die mit Bescheid vom 01.08.2008 der Beklagten zur sprachtherapeutischen Behandlung der Versicherten der Klägerin betriebsbezogen (vgl. BSGE 77, 108, 111 f = SozR 3-2500 § 126 Nr. 1 S 4 f) erteilte Zulassung mit Wirkung zum 12.10.2010 bestandskräftig widerrufen worden, d.h. die Beklagte hat im streitigen Zeitraum in den Räumlichkeiten ihrer Betriebsstätte Leistungen an Versicherte der Klägerin ohne die hierfür erforderliche Zulassung nach § 125 Abs. 5 SGB V erbracht. Aufgrund der - auch für das Gericht bindenden - Bestandskraft der Widerrufsentscheidung war deren Rechtmäßigkeit hier nicht erneut zu prüfen.

Auch ein Anspruch der Beklagten auf rückwirkende Neu-Zulassung zur Abgabe von Heilmitteln kommt entgegen der seitens des Bevollmächtigten der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung nicht in Betracht, weil die Zulassungsentscheidung konstitutiven Charakter hat und daher Rechtswirkungen nur für die Zeit ab Zugang der Zulassungsentscheidung entfaltet (BSG, Urteil vom 20.04.2016, a.a.O., Juris-Rn. 29).

4. Der damit dem Grunde nach bestehende öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Klägerin erfasst den vollen Betrag der mit der Teilklage geltend gemachten, an die Beklagte im Jahr 2011 rechtsgrundlos gezahlten Vergütung.

Im Gleichordnungsverhältnis (vgl. oben 1.) hatte die Klägerin entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch kein Ermessen auszuüben. § 50 Abs. 2 SGB X findet hier bereits mangels einer Verwaltungstätigkeit der Klägerin im Über-Unterordnungsverhältnis i.S.d. § 1 SGB X keine Anwendung. Die Nichtanwendbarkeit des § 50 SGB X ergibt sich im Übrigen auch aus § 69 Abs. 1 SGB V, wonach die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Leistungserbringer abschließend im 4. Kapitel des SGB V und ergänzend im BGB geregelt sind.

Der Anspruch ist der Höhe nach auch nicht beschränkt durch eine etwaige Anwendung der Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen (§§ 812 ff BGB i.V.m. § 69 Satz 3 SGB V). Denn der Anwendungsbereich dieser Vorschriften ist dann nicht eröffnet, wenn - wie vorliegend -dadurch gesetzliche und (normen-)vertragliche Regelungen, die das Leistungs- und Leistungserbringungsverhalten in der GKV steuern, drohen unterlaufen zu werden. Mit den mit dem Recht der GKV befassten Senate des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.2016, a.a.O., Juris-Rn. 34 mit Hinweis auf BSG 1. Senat, Urteil vom 28.09.2010 - BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr. 6, Rn. 32; BSG 3. Senat, Urteil vom 17.3.2005 - BSGE 94, 213 Rn. 26 = SozR 4-5570 § 30 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.; BSG 6. Senat, Urteil vom 4.5.1994 - BSGE 74, 154, 158 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 6 S 35 f m.w.N.) ist von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen, dass Leistungserbringer auch bereicherungsrechtlich die Abgeltung von Leistungen, die unter Verstoß gegen Vorschriften, die bestimmte formale oder inhaltliche Voraussetzungen aufstellen, selbst dann nicht beanspruchen können, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden sind und für den Versicherten geeignet und nützlich sind. Nur soweit Vorschriften reine Ordnungsfunktion haben, kann danach etwas anderes gelten (vgl. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 7 Rn. 29 m.w.N.).

Die - vorliegend für den bestandskräftigen Widerruf der Zulassung der Beklagten ausschlaggebende - ortsbezogene Praxisausstattung zur zweckmäßigen und wirtschaftlichen Leistungserbringung im Heilmittelerbringerrecht, welche die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten einschließt, hat nach der zutreffenden Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.04.2016, a.a.O.) nicht lediglich Ordnungsfunktion. Sie ist vielmehr von solcher Bedeutung, dass das Gesetz in § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. Abs. 6 Satz 1 SGB V ihre Erfüllung als materiellen Zulassungsgrund bzw. ihre Nichterfüllung als eigenständigen Widerrufsgrund bei der Erlaubnis zur Erbringung stimm-, sprach- und sprechtherapeutischer Leistungen aufgestellt hat. Nur so kann sich die Leistungserbringung für Heilmittelerbringer unter Beachtung der geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollziehen. Die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze zu Gunsten des Leistungserbringers würde hier das deutlich im Gesetz zum Ausdruck kommende Erfordernis einer Praxisausstattung als Garant einer geeigneten Leistungserbringung unterlaufen. Es bestünde die Gefahr, dass die Qualitätssicherung und das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 2 Abs. 1 und 4, § 12 Abs. 1 und § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V) bei der Behandlung der Versicherten nicht gewährleistet wären (BSG, Urteil vom 20.04.2016, a.a.O., Juris-Rn. 33).

Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Einwand der Erfüllung einer Nichtschuld (§ 814 BGB) oder auf das Vorliegen von Umständen für ein treuwidriges Verhalten (§ 242 BGB) der Klägerin berufen. Die Klägerin hatte vielmehr wegen der gegen die Entscheidung über den Widerruf der Zulassung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens gesetzlich angeordneten aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 86a Abs. 1 SGG) vom (vorläufigen) Fortbestand der Zulassung und damit vom Bestehen eines vertraglichen Vergütungsanspruches auszugehen. Dies war der anwaltlich vertretenen Beklagten auch bekannt. Erst nach Bestandskraft der Widerrufsentscheidung konnte und musste die Klägerin die wegen des rechtskräftig bestätigten Wegfalls der Zulassung zum 12.10.2010 zu Unrecht erbrachten Leistungen im Wege der Geltendmachung ihres öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zurückfordern.

5. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Auch insoweit schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung den zutreffenden Ausführungen des BSG in seiner Entscheidung vom 20.04.2016 (a.a.O, Juris-Rn. 35 f.) an, auf welche zur Meidung von Wiederholungen hier nochmals Bezug genommen wird.

6. Der Zinsanspruch folgt aus § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 291 BGB. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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