L 14 AL 175/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 41 AL 93/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 175/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. August 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung eines Gründungszuschusses (GZ) für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zum Februar 2013 mit einem Geschäftspartner in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit dem Geschäftszweck der Supportdienstleistung für Telefon- und Mailarbeiten, die Online-Verkäufer in den Bereichen Kundenberatung, Reklamationen, Informationen zum Versand etc., speziell für die Kfz-Branche, unterstützen sollte.

Der 1988 geborene Kläger ist ausgebildeter Kfz-Servicemechaniker. Von 2007 bis Oktober 2012 war er überwiegend als kaufmännischer Mitarbeiter bei verschiedenen Arbeitgebern tätig und mit dem Vertrieb von Kfz-Teilen und -Zubehör beschäftigt. Aufgrund der Insolvenz seines letzten Arbeitgebers meldete sich der Kläger zum 11. Oktober 2012 arbeitslos und erhielt von der Beklagten Arbeitslosengeld I (Alg).

Am 16. Januar 2013 reichte der Kläger bei der Beklagten den Antragsvordruck auf Gewährung eines GZ zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ab dem 15. Februar 2013 als Supportservice-Dienstleister für Online-Shoper ein. Sein Unternehmen solle zusammen mit seinem ehemaligen Kollegen S G als "S BGbR" gegründet werden. Der Kläger legte die befürwortende Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 19. Dezember 2012 sowie eine eigene Stellungnahme vom 15. Januar 2013 vor, dass die Einkünfte aus der geplanten selbstständigen Tätigkeit nicht von Beginn an zur Sicherung seines Lebensunterhalts ausreichen könnten, sondern dies erst gegen Ende der ersten sechs Monate zu erwarten sei. In den ersten beiden Quartalen sei er damit beschäftigt, Online-Händler zu akquirieren, den Internetauftritt aufzubauen und an der Marketing- und Kommunikationsstrategie zu arbeiten. Er rechne mit Umsätzen in Höhe von 4.080,00 EUR, denen betriebliche Kosten von mehr als 1.200,00 EUR gegenüber stünden, während seine Lebenshaltungskosten bei knapp 3.775,00 EUR pro Quartal lägen. Ab dem dritten Quartal rechne er mit Deckung der Lebenshaltungskosten. Die Motivation für seine selbstständige Tätigkeit sei in erster Linie das Beenden der Arbeitslosigkeit nach Insolvenz des Arbeitgebers. Als Kfz-Servicemechaniker sei er die letzten fünf Jahre im kaufmännischen Bereich in der Kfz-Branche tätig gewesen, davon zwei Jahre als Abteilungsleiter. Er bringe Erfahrungen im Bereich Internetverkauf mit, da er bei seinem früheren Arbeitgeber zusammen mit seinem Partner S G für die Internetplattformen (z.B. eBay und Amazon) zuständig gewesen sei. Herr G habe eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker und jahrelange Erfahrungen als Verkäufer im Kfz-Bereich. Von der Agentur für Arbeit habe er keine passenden Stellenangebote erhalten.

Laut einem Vermerk der Arbeitsvermittlerin der Beklagten vom 23. November 2012 wurde dem Kläger in einem Beratungsgespräch der Vermittlungsvorrang (§ 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)) erläutert. Der Kläger strebe jedoch ausschließlich eine selbstständige Tätigkeit an, die Vorbereitungen liefen bereits mit zwei weiteren Partnern, ein Businessplans werde erstellt, die Suche nach möglichen Auftraggebern laufe. Ein Antragsformular für einen GZ sei auf Bitten des Klägers ausgehändigt worden. Aufgrund der zu erwartenden Ablehnung des GZ und des noch offenen Beginntermins für die selbstständige Tätigkeit sei der Kläger auf das Erfordernis der aktiven Stellensuche und Vermittlung hingewiesen und ihm seien die Medien der Stellenangebotssuche erläutert worden. Das Profil für die Zielgruppe Kaufmann Einzelhandel (Kraftfahrzeuge/Teile/Zubehör, PKW vorhanden, Führerschein Fahrerlaubnis B PKW/Kleinbusse, Ausbildung zum Kfz-Servicemechaniker mit Abschluss) sei erstellt worden. Es sei das Bemühen um eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Verkäufer im Kfz-Bereich vereinbart worden.

Mit Bescheid vom 26. Februar 2013 lehnte die Beklagte die Gewährung eines GZ ab. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 93 Abs. 2 SGB III erfüllt, dies begründe jedoch keinen Rechtsanspruch auf die Förderung, da es sich beim GZ um eine Ermessensleistung handele. Die Interessensabwägung sei nicht zu Gunsten des Klägers ausgefallen. Insbesondere sei bei der Prüfung, ob ein GZ als eine Leistung der aktiven Arbeitsmarktförderung (§ 3 Abs. 5 SGB III) zu gewähren sei, der Vorrang der Arbeitsvermittlung nach § 4 SGB III zu berücksichtigen. Der für den Kläger fachlich und persönlich in Betracht kommende Arbeitsmarkt zeige ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Allein über die Jobbörse seien mehr als 80 offene Stellen gefunden worden. Es bestehe daher ein Vermittlungsvorrang nach § 4 Abs. 2 SGB III, sodass der GZ nicht zu gewähren sei. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, seinem Geschäftspartner, Herrn S G, sei der GZ gewährt worden, obgleich das Angebot an offenen Arbeitsstellen in ihren Bereichen annähernd gleich sein, Herr G über dieselben Voraussetzungen verfüge und sie beide gleichzeitig die Anträge auf GZ eingereicht hätten. Ihnen beiden erscheine der Weg in die Selbstständigkeit als die einzig plausible Möglichkeit, die Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Angesichts des vorgelegten tragfähigen Geschäftskonzeptes unter persönlicher Stellungnahme durch einen bei der K Bank gelisteten Gründercoach fühle er sich in seiner Entscheidung zur Selbstständigkeit noch weiter bestärkt. Der Kläger hat eine Ablichtung des Herrn G erteilten Bewilligungsbescheids der Agentur für Arbeit Berlin Mitte vom 21. Februar 2013 vorgelegt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2013 unter Verweis auf die gesetzlichen Grundlagen und die erforderliche Ermessensausübung, die insbesondere auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit berücksichtigen müsse, als unbegründet zurück. Die Vermittlung in Arbeit habe grundsätzlich Vorrang vor der Gewährung von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, zu denen der GZ gehöre (§§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 SGB III). Die Vermittlungsbemühungen hätten sich beim Kläger in erster Linie auf Tätigkeiten als Kaufmann Einzelhandel (Kraftfahrzeug/Teile/Zubehör) gerichtet. In diesem Bereich seien mehrere zu besetzende Arbeitsstellen gemeldet gewesen. Darüber hinaus würden Stellenbörsen, wie z.B. meinestadt.de, weitere Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen. Die Arbeitslosigkeit hätte deshalb auch ohne die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beendet werden können. Die bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung erforderliche individuelle Betrachtungsweise verbiete Vergleiche mit ähnlich gelagerten Fällen, wie im Fall des Geschäftspartners Herrn G. Das persönliche Interesse des Klägers an einer Förderung müsse hinter den Interessen der Versichertengemeinschaft an einer zweckentsprechenden, bedarfsorientierten und sparsamen Verwendung der Beiträge zurückstehen.

Mit seiner beim Sozialgericht Potsdam (SG) am 10. April 2013 eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Der von der Beklagten behauptete Vermittlungsvorrang bestehe nicht. Die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit sei vielmehr gleichrangig, da dadurch ebenfalls das gesetzgeberische Ziel der Beendigung von Arbeitslosigkeit erreicht werde und manchmal sogar neue Stellen geschaffen würden. Auch sei die Ermessensentscheidung der Beklagten fehlerhaft. Bei dem Gespräch am 22. November 2012 habe er noch nicht gewusst, ob er tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen wolle, sondern sich hierfür erst Mitte Dezember nach mehreren erfolglosen Bewerbungen zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit entschieden. Auf einen Vermittlungsvorrang sei er damals nicht hingewiesen worden. Er habe auch nicht geäußert, dass er ausschließlich eine selbstständige Tätigkeit anstrebe. Von der Beklagten habe er nur vier Vermittlungsvorschläge erhalten, davon eine von dem Arbeitgeber, der ihn gerade erst gekündigt gehabt habe. Eine Arbeitsvermittlung in nennenswertem Umfang sei tatsächlich nicht durchgeführt worden. Es sei auch nicht erkennbar, dass überhaupt eine erfolgreiche Vermittlung möglich gewesen wäre. Die im Verwaltungsvorgang enthaltene Übersicht offener Stellen gebe nicht die Situation bei Antragstellung wieder. Zudem habe er keine Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann abgeschlossen und verfüge allein im Verkauf von Autoteilen über Berufserfahrung. Auch deshalb sei nicht erkennbar, welche der dort aufgelisteten Stellen überhaupt in Betracht gekommen wären. Es frage sich auch, warum dann überhaupt ein Aktivierungsprofil festgelegt worden sei. Gerügt werde auch, dass die ihm damals unterbreiteten Angebote nicht vorgelegt worden seien. Es sei rein zufällig, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte über seinen Antrag entschieden habe, so dass die später recherchierten Stellenangeboten keine Beweiskraft für offene Stellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung zukomme. Der Kläger hat drei Bewerbungsschreiben eingereicht, auf die Bezug genommen wird. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass eine nachträgliche Auflistung bzw. ein Ausdruck der damaligen Zeit vom gemeldeten Stellen nicht möglich sei, da diese bei Besetzung oder anderweitiger Erledigung aus der Jobbörse gelöscht würden. Bereits im Beratungsgespräch vom 22. November 2012 sei der Kläger auf den Vermittlungsvorrang hingewiesen worden. Generell werde in Vorbereitung auf ein Beratungsgespräch oder im Beisein des Kunden von der Arbeitsvermittlung der regionale Arbeitsmarkt geprüft, wenn das Beratungsangebot ‚Existenzgründung‘ erkennbar sei. Zudem handele es sich hier nicht um einen saisonal stark schwankenden Tätigkeitsbereich und der Zeitraum zwischen Ende Oktober und den dokumentierten Stellenangeboten sei nicht so lang, dass davon ausgegangen werden könne, dass sich der Arbeitsmarkt wesentlich geändert habe. Die Beklagte hat Ausdrucke eines Suchlaufs vom 12. Februar 2013 betreffend die zum Zeitpunkt der Entscheidung vorhandenen Stellenangebote sowie ihres Beratungsvermerks vom 22. November 2012 vorgelegt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. August 2016 hat das SG die Arbeitsvermittlerin der Agentur für Arbeit Potsdam, Frau M W, als Zeugin zum Inhalt des Beratungsgesprächs vom 22. November 2012 mit dem Kläger vernommen. Bezüglich des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf die Niederschrift vom 24. August 2016 verwiesen.

Der Kläger hat im Termin ergänzend erklärt, er habe erst nach mehrwöchiger Arbeitslosigkeit einen Termin zum Erstgespräch bei der Beklagten erhalten und sei damals einer Vermittlung in eine nicht selbstständige Beschäftigung gegenüber offen gewesen. Erst nach den erfolglosen Bewerbungen habe er tatsächlich den Entschluss gefasst, die selbstständige Tätigkeit in Angriff zu nehmen. Rückblickend habe sich diese Entscheidung als richtig erwiesen, weil er in seiner Selbstständigkeit erfolgreich sei. Eine Einstellung von nicht fachspezifischen Kaufleuten wäre in seiner Branche nicht erfolgt und er sehe auch nicht die Möglichkeit, als Gardinenverkäufer oder Ähnliches erfolgreiche Bewerbungen zu starten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. August 2016 abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung des GZ. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen unstreitig erfüllt, jedoch stehe die Gewährung des GZ gemäß § 93 SGB III im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Der Hauptantrag habe bereits deshalb keinen Erfolg, weil hierfür eine Ermessensreduzierung auf Null Voraussetzung wäre, Anhaltspunkte hierfür seien nicht ersichtlich. Weder habe sich die Beklagte gegenüber dem Kläger etwa durch eine mündliche Zusage oder durch eine Eingliederungsvereinbarung auf eine zukünftige Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers gebunden. Im Gegenteil habe die einvernehmlich abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung vom 22. November 2012 gerade das Ziel gehabt, den Kläger in eine abhängige Beschäftigung als Kaufmann Einzelhandel zu vermitteln. Die Klage habe auch nicht mit dem Hilfsantrag Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Neubescheidung, weil die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung das ihr nach § 93 Abs. 1 SGB III zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt habe. Der Vermittlungsvorrang (§ 4 Abs. 2 SGB III), der auch für die Gewährung eines GZ gelte, sei ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Ausübung des Ermessens, denn er berücksichtige eine gesetzliche Vorgabe. Es sei daher ermessensgerecht, wenn die Beklagte darauf abstelle, ob eine möglichst nachhaltige Integration realistisch sei. Dies sei der Fall gewesen, denn in dem für den Kläger fachlich und persönlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt seien mehr als 80 offene Stellen gemeldet gewesen, so dass davon auszugehen gewesen sei, dass der Kläger in absehbarer Zeit in eine ihm zumutbare versicherungspflichtige Beschäftigung als Einzelhandelskaufmann vermittelt worden wäre. Die Beklagte habe den für den Kläger in Betracht kommenden regionalen Stellenmarkt auch (noch) ausreichend dokumentiert. Zwar sei eine belastbare negative Vermittlungsprognose in der Regel erst zu treffen, wenn bereits eine gewisse Zeit vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden hätten. Erkläre aber der Arbeitslose bereits bei der Arbeitslosmeldung und anschließend wiederholt, er wolle sich mit der Gewährung eines GZ in naher Zukunft selbstständig machen, dürften die Dokumentationspflichten der Beklagten nicht überspannt werden. Der Kläger sei ausweislich des Ergebnisses der Beweisaufnahme bereits im Erstgespräch vom 22. November 2012 zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit entschlossen gewesen. Insbesondere sei ihm bereits bei diesem Gespräch das Antragsformular für den GZ ausgereicht worden, wie zudem der entsprechende Ausdruck auf dem später eingereichten Antrag zeige. Im übrigen habe der jetzige Geschäftspartner des Klägers bereits am 6. November 2012 einen GZ beantragt. Die daraufhin nur eingeschränkte Vermittlungstätigkeit der Beklagten sei daher gerechtfertigt. Der Kläger könne der von der Beklagten damals getroffenen Prognose erfolgreicher Vermittlung auch nicht entgegenhalten, dass er über keine Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann verfüge. Dies führe gemäß § 140 Abs. 5 SGB III nicht zur Unzumutbarkeit einer Beschäftigung. Die Chancen des Klägers seien auch aufgrund der vorhandenen Berufserfahrung im kaufmännischen Bereich zutreffend als positiv eingeschätzt worden. Angesichts der Vielzahl offener Stellen sei die Prognose auch dann noch tragfähig begründet, wenn in Einzelfällen eine erfolgreiche Vermittelbarkeit nicht nahe liege und die besten Eingliederungschancen sicherlich im vereinbarten Beruf eines Einzelhandelskaufmanns für Kfz-Teile und -Zubehör gegeben seien.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23. September 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Oktober 2016 Berufung bei Landessozialgericht erhoben und sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt. Die Beklagte habe nicht den Nachweis ausreichender offener, für ihn passender Stellenangebote erbracht. Stellenangebote seien ausschließlich im Bereich des Einzelhandels als Kaufmann gesucht worden ohne Unterscheidung danach, ob Fachverkäufer gesucht worden seien. Die überwiegenden Arbeitsplatzangebote für Fachverkäufer (z.B. Gardinen, Mobilfunkbereich, Zigarettenverkauf, Energieversorgung, Schmuck) seien für ihn weder geeignet noch zumutbar gewesen. Bei den insgesamt 80 vermeintlich offenen Stellen seien lediglich vier Stellen erkennbar, in die er hätte vermittelt werden können. Es sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen gewesen, dass er eine Anstellung erhalten hätte, hierfür sei der Umfang der offenen Stellen zu gering gewesen, auch habe er sich bereits auf offene, für ihn in Betracht kommende Stellen ohne Erfolg beworben. Eine den Anforderungen genügende Ermessensabwägung hätte vorausgesetzt, die von ihm vorgenommenen Versuche, in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen, zu berücksichtigen. Bei Erstellung des Aktivierungsprofils habe die Beklagte auch nicht berücksichtigt, dass er keine Ausbildung zum Kaufmann habe, sondern zum Kfz-Servicemechaniker. Auch sei die Beklagte nach dem Vermerk vom 23. November 2011 bereits in der Meinung gefestigt gewesen, eine Förderung aufgrund des Vermittlungsvorrangs nicht in Aussicht zu stellen. Es habe bereits am 22. November 2012 festgestanden, dass er keinen GZ erhalten werde, bevor er überhaupt den Antrag eingereicht habe. Hierfür spreche auch, dass erst unmittelbar vor Bescheidung des Antrags eine Suche nach passenden Stellenangeboten veranlasst worden sei.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. August 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zu gewähren,

hilfsweise,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. August 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Begründung ihrer Bescheide und die Ausführungen im angefochtenen Urteil und hält ihre Ermessensentscheidung für zutreffend. Der Kläger sei nur für kurze Zeit gemeldet gewesen (Arbeitslosigkeit vom 01. November 2012 bis zum 14. Februar 2013) und habe bereits bei der ersten Beratung am 22. November 2012 erklärt, eine selbstständige Tätigkeit anzustreben, deren Vorbereitungen bereits laufen würden. Eine belastbare negative Vermittlungsprognose sei nicht erkennbar gewesen und hätte auch erst getroffen werden dürfen, wenn eine gewisse Zeit lang vergeblich Vermittlungsbemühungen stattgefunden hätten. Mit der Eingliederungsvereinbarung habe sie dem Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung auf dem lokalen ersten Arbeitsmarkt als Kaufmann-Einzelhandel (Kraftfahrzeuge/ Teile/Zubehör) zugestimmt. Vermittlungshindernisse seien nicht zu erkennen, vielmehr hätten nach dem Suchlauf vom 12. Februar 2013 gute Vermittlungschancen bestanden.

Die Berichterstatterin hat im Erörterungstermin vom 24. Juli 2019 den Geschäftspartner des Klägers, Herrn S G, als Zeugen vernommen. Bezüglich des Inhalts der Zeugenaussage wird auf die Niederschrift vom 24. Juli 2019 verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit Entscheidung der Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung (§§ 155 Abs. 4, 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers, über die die Berichterstatterin im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheidet (§ 155 Abs. 4, § 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet.

Streitgegenstand ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Haupt- und Hilfsantrag sein geltend gemachter Anspruch auf die Gewährung des GZ bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen GZ-Antrag. Die insoweit als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bzw. Anfechtungs- und Bescheidungsklage erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines GZ und auch nicht auf Neubescheidung seines GZ-Antrags. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2013 erweist sich als rechtmäßig.

Nach § 93 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen GZ erhalten. Ein GZ kann nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht, der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und seine Kenntnisse und Fähigkeit zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt. Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB III ist zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen.

Der Kläger hatte einen Anspruch auf Alg i.S. eines Zahlungsanspruchs und verfügte damit über einen Restanspruch auf Alg von mehr als 150 Tagen. Der Kläger hatte auch die Tragfähigkeit der Existenzgründung durch die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle nachgewiesen und seine Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit dargelegt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung des GZ nach § 93 SGB III sind daher unstreitig erfüllt.

Jedoch steht die vom Kläger begehrte Gewährung des GZ gemäß § 93 SGB III im Ermessen der Beklagten. Das Gericht kann die Entscheidung der Beklagten daher nur daraufhin überprüfen, ob die Beklagte ihr Ermessen entsprechend den Vorgaben von § 39 Abs. 1 S. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) rechtmäßig ausgeübt hat oder ob ein Ermessensfehler im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 2 SGG vorliegt und der Kläger hierdurch beschwert ist. Das Gericht hat jedoch keine eigenen Ermessens- und Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl, § 54 Rdnr. 28).

Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass der Hauptantrag bereits deshalb keinen Erfolg hat, weil hierfür eine Ermessensreduzierung auf Null Voraussetzung wäre, für deren Vorliegen Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind. Die Beklagte hat dem Kläger weder mündlich zugesagt, den GZ für die geplante Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zu gewähren, noch war die mit dem Kläger am 22. November 2012 geschlossene Eingliederungsvereinbarung auf ein solches Ziel gerichtet; deren Inhalt zielte vielmehr auf die Vermittlung des Klägers in eine abhängige Beschäftigung als Kaufmann Einzelhandel ab.

Es besteht entsprechend dem Hilfsantrag auch kein Anspruch auf Neubescheidung, weil die Beklagte das ihr nach § 93 Abs. 1 SGB III zustehende Ermessen rechtmäßig, d.h. entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessen (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB I, § 54 Abs. 2 S. 2 SGG) ausgeübt hat. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Ermessensbetätigung erkannt und Ermessen auch ausgeübt, wobei weder eine Ermessensüberschreitung, ein Ermessensmissbrauch noch ein Abwägungsfehler ersichtlich sind. Der Vermittlungsvorrang ist ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Ausübung des Ermessens, denn er berücksichtigt die in § 4 Abs. 2 SGB III normierte gesetzliche Vorgabe. Insoweit kann zunächst auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Beklagte war sich bewusst, dass die Bewilligung des GZ in ihrem Ermessen stand. Sie hat ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt. Sie hat Sinn und Zielrichtung der Vorschrift des § 93 SGB III und die Qualität des GZ als einer Leistung der aktiven Arbeitsmarktförderung nach § 3 Abs. 5 SGB III und den in diesem Bereich zu beachtenden Vorrang der Vermittlung in Beschäftigung (§ 4 Abs. 2 SGB III) optisch von der zunächst erfolgten Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 SGB III abgehoben. Es kann daher eine Vermischung von diesen nicht im Ermessen stehenden Fördervoraussetzungen mit Ermessensgesichtspunkten ausgeschlossen werden.

Die Ermessenserwägung der Beklagten, der GZ könne nur dann gewährt werden, wenn die Vermittlung in Beschäftigung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung eines Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt führen würde (vgl. § 4 Abs. 2 SGB III), ist nicht zu beanstanden. Denn die Prognose, dass ein Arbeitsloser auch ohne Förderung der Selbstständigkeit bei Inanspruchnahme der Vermittlungsbemühungen der Beklagten und eigener Anstrengung in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, verfolgt einen legitimen, der Teleologie des § 93 SGB III entsprechenden Zweck. Die Annahme der Beklagten, der Kläger, der trotz seiner Ausbildung als Kfz-Servicemechaniker zuvor jahrelang eine kaufmännische Tätigkeit ausgeübt hatte, könne angesichts der Lage auf dem für ihn in Betracht kommenden regionalen Stellenmarkt bald in eine Tätigkeit als Kaufmann Einzelhandel entweder im Bereich Kfz/Teile/Zubehör, aber auch in anderen Bereichen des Einzelhandels in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden, ist nicht zu beanstanden. Der am 12. Februar 2013 durchgeführte Suchlauf hat achtzig Stellenangebote für kaufmännische Tätigkeiten im Einzelhandel ergeben. Der Einwand des Klägers, von den achtzig Stellen hätten nur vier Angebote den Kfz-Bereich betroffen, wovon eins auch noch von seinem früheren Arbeitgeber gestammt hätte, trifft zwar zu. Dass der Suchlauf nicht allein auf eine Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann im Bereich des Vertriebs von Kfz-Teilen oder Autozubehör beschränkt wurde, sondern alle Tätigkeiten als Einzelhandelskaufmann erfasst hat, ist jedoch im Bereich der von der Beklagten anzustellenden Prognose nicht zu beanstanden, zumal das konkrete Bewerberprofil und auch die vom Kläger hervorgehobene Spezialisierung berücksichtigt wurde. In die Suchkriterien wurden die Begriffe Kaufmann-Einzelhandel (Kraftfahrzeuge/Teile/Zubehör) aufgenommen. Selbst wenn die Beschäftigungsaussichten in der speziellen Branche ‚Handel mit Kfz-Teilen und Zubehör‘ ausweislich der wenigen Stellenangebote aus der Kfz-Branche nicht allzu gut gewesen sein mögen, leuchtet nicht ein, weshalb ein auf Internet-Dienstleistungen spezialisierter kaufmännischer Mitarbeiter nicht auch im Internet-Vertrieb bzw. in der Kundenberatung und -unterstützung in anderen Waren-/Produktbereichen eingesetzt werden könnte. Im Hinblick auf die jahrelange Beschäftigung im Internet-Handel wäre es dem Kläger auch möglich und zumutbar gewesen, sich auf Stellen im Vertrieb von Mobilfunkartikeln zu bewerben. Auch gab es Angebote, die lediglich mit ‚Kaufmann Einzelhandel‘ tituliert waren, woraus geschlossen werden kann, dass bei der vorhandenen kaufmännischen Erfahrung die Einarbeitung in die spezielle Warenkenntnis als gut realisierbar anzusehen ist. Die Stellenangebote für Kaufleute waren für den Kläger auch angesichts seines jungen Lebensalters von Mitte zwanzig durchaus zumutbar, d.h. nicht unter seiner Qualifikation. Eine passgenaue Vermittlung ist schwer möglich und von der Beklagten nicht zu verlangen.

Bei Würdigung der bekannt gewordenen Umstände geht das Gericht davon aus, dass der Kläger jedoch bald nach seiner Arbeitslosmeldung am 11. Oktober 2012 den Entschluss gefasst hat, sich gemeinsam mit dem Zeugen S G selbstständig zu machen. Insbesondere lässt sich seine Bereitschaft, in nichtselbstständige Arbeit vermittelt zu werden, im Sinne seiner subjektiven Verfügbarkeit, nicht allein aus der bestandskräftigen Bewilligung von Alg schließen. Die durch Bestandskraft des Bewilligungsbescheids eingetretene Bindungswirkung erstreckt sich lediglich auf den festgestellten Restanspruch auf Alg. Die Erklärung im Alg-Antrag, er sei bereit gewesen, jede Beschäftigung anzunehmen und auszuüben, ist nicht so zu verstehen, dass der Kläger ab Eintritt seiner Arbeitslosigkeit am 11. Oktober 2012 auch bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit (noch) bereit war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben. Der Kläger gibt zwar an, er hätte das Ziel der Selbstständigkeit zurückgestellt, wenn sich eine zumutbare, versicherungspflichtige Anschlussbeschäftigung ergeben hätte. Er interpretiert die Frage der Zumutbarkeit aber dergestalt, dass für ihn aufgrund seiner Ausbildung und seiner bisherigen beruflichen Laufbahn einzig eine Tätigkeit im Kfz-Geschäft in Betracht gekommen wäre. Dass der Kläger anscheinend sehr frühzeitig zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit entschlossen war, zeigt auch die zeitlich kurze Abfolge der Ereignisse. Die Arbeitslosigkeit trat ein am 11. Oktober 2012, dem Kläger wurde bereits beim Erstgespräch mit der Arbeitsvermittlung am 22. November 2012, also schon einen guten Monat nach Eintritt der Arbeitslosigkeit, das Formular für den Antrag auf GZ ausgehändigt, was nur auf entsprechende Bitte des Kunden geschieht. Das Gespräch über die geplante Unternehmensgründung mit dem Unternehmensberater B muss ausweislich des Schreibens vom 19. Dezember 2013 betreffend die Beurteilung der Tragfähigkeit der Existenzgründung spätestens Anfang Dezember 2013 stattgefunden haben, zuvor wurde der Businessplan erstellt, was auch einige Zeit in Anspruch genommen hat, der vom Kläger vorgelegte Lebenslauf datiert vom 21. Oktober 2012, also unmittelbar nach Eintritt der Arbeitslosigkeit. Der Zeitraum zwischen der Antragstellung auf Alg und der wohl endgültigen Entscheidung des Klägers zur Selbstständigkeit, die jedenfalls bereits im Gespräch vom 22. November 2012 dokumentiert ist, war insofern zu kurz bemessen, um eindeutig und abschließend festzustellen, dass eine Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung in eine Beschäftigung nicht möglich gewesen wäre.

Dies belegt schließlich auch der von der vom SG als Zeugin vernommenen Arbeitsvermittlerin M W aufgenommene Verbis-Vermerk, in dem die geplante Existenzgründung bereits thematisiert wurde. Wenn auch der Kläger die Richtigkeit der Angabe, er strebe ausschließlich eine selbständige Tätigkeit an, bestreitet, lässt sich dieser Widerspruch zum Vermerk nicht mehr klären. Auch wenn die Ergebnisse des früheren Suchlaufs anlässlich der persönlichen Vorsprache am 22. November 2012 leider nicht mehr dokumentiert sind, sondern nur diejenigen kurz vor Bescheiderstellung vom 12. Februar 2013, hat die Zeugin W angegeben, bereits im Erstgespräch einen Suchlauf durchgeführt zu haben. Der Zeitabstand zwischen dem ersten und dem zweiten Suchlauf (rund achtzig Tage) ist auch nicht so erheblich, dass sich der für den Kläger in Betracht kommende Arbeitsmarkt völlig anders repräsentiert haben könnte. Möglicherweise sind einige Stellenangebote weggefallen, aber auch neue ähnliche Angebote dazugekommen. Der Kläger konnte seinerseits über die wenigen noch vorhandenen Bewerbungen, die er zur Akte gereicht hat, weitergehende Bemühungen, eine Arbeitsstelle zu finden, etwa durch Zugriff auf sein Bewerberprofil in der Jobbörse, nicht nachweisen, weil sein Computer kaputtgegangen sei und er den diesbezüglichen Schriftverkehr nicht extern gespeichert habe. Auch die Vernehmung des Geschäftspartners S G als Zeugen im Berufungsverfahren brachten keine weitergehenden Erkenntnisse zu den Bewerbungsbemühungen des Klägers und zum Zeitpunkt der Entschlussfassung zur Selbstständigkeit. Der mangelnde Nachweis der behaupteten erfolglosen Bemühungen geht zu Lasten des Klägers. Dass es bei diesem Erstgespräch im wesentlichen um die Selbstständigkeit ging, zeigt auch, dass die Zeugin W dem Kläger bereits an diesem Tag die Unterlagen betreffend den GZ ausgereicht und diesen Tag als Antragsdatum in das Antragsformular aufgenommen hat. Dies lässt darauf schließen, dass das Thema Selbstständigkeit beherrschend im Raum stand. Insgesamt spricht einiges dafür, dass es dem Kläger trotz der von ihm erklärten Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme entscheidend darum ging, formal die Voraussetzungen für die Bewilligung von Alg und die anschließende Gewährung eines GZ zu schaffen.

Die Beklagte hat sich schließlich im Widerspruchsbescheid vom 20. März 2013 auch mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Geschäftspartner des Klägers, der Zeuge S G, bei vergleichbarem Sachverhalt von der Arbeitsagentur Berlin-Mitte aufgrund eines bereits am 06.11.2012 gestellten Antrags den GZ erhalten hat. Dies mag seinen Grund darin gehabt haben, dass die dortige Sachbearbeitung den Vermittlungsvorrang sehr schnell verneint hat. Es ist aber nicht bekannt, wie viele Stellenangebote zuvor dem Zeugen gemacht worden waren und in welchem Umfang er sich selbst beworben hatte. Allerdings teilt das Gericht die Auffassung der Beklagten, der Umstand einer geplanten Gesellschaft zwischen zwei Antragstellern könne in der Ermessensausübung keine Rolle spielen, in dieser Eindeutigkeit nicht. Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in Form einer GbR mit einem aus gemeinsamer beruflicher Tätigkeit gut bekannten Kollegen derselben Fachrichtung bietet durch die Doppelung des Wissens, der jeweiligen Ausbildung und Berufserfahrung und des einsetzbaren Kapitals weniger wirtschaftliche Risiken als eine allein aufgenommene selbstständige Tätigkeit. Insoweit hat sich die Beklagte lediglich mit der formelhaften Wendung der erforderlichen individuellen Betrachtungsweise eines jeden Lebenslaufes, die Vergleiche mit vermeintlich ähnlich gelagerten Fällen verbiete, begnügt. Gleichwohl dürfte auch in Fallkonstellationen, in denen ein Gesellschafter für die Unternehmensgründung einen GZ bewilligt bekommen hat und der andere nicht, unter Gleichbehandlungserwägungen (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) keine Ermessenseinschränkung dergestalt bestehen, dass dem abgelehnten Gesellschafter der GZ selbst bei Fehlen der Voraussetzungen für dessen Bewilligung auch zu gewähren sei. Es gilt hier der Grundsatz, dass kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht (vgl. ebenso, allerdings nicht entscheidungstragend LSG Hamburg, Urteil vom 14. Juni 2017, L 2 AL 34/16, juris, Rn. 20). Die Entscheidung der Beklagten, die Gewährung des GZ an den Zeugen G bei vergleichbarem Sachverhalt als nachrangig anzusehen, kann daher nicht als Ermessensfehlgebrauch angesehen werden. Bei mehreren Ermessensgesichtspunkten obliegt der Behörde die Entscheidung, auf welchen sie vorrangig abstellt. Weitere Umstände, die in das Ermessen hätten einbezogen werden müssen, etwa persönliche oder gesundheitliche Hindernisse, die einer Vermittlung in Arbeit entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Für das Gericht ist die Prognose erfolgreicher Vermittlung in Beschäftigung als Teil der Ermessensentscheidung der Beklagten ohnehin nur eingeschränkt überprüfbar. Das Gericht darf - selbst wenn es die Gewährung des GZ im Einzelfall für wünschenswert hielten - sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Beklagten setzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Revisionszulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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