S 5 AL 349/02

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 349/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 656/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a/7 AL 84/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab 28. Februar 2002.

Der Kläger stellte am 29. Dezember 2000 einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe. In dem entsprechenden Antragsformular gab er an, dass er mit seiner Ehefrau zusammenlebe. Als Vermögen seiner Ehefrau führte der Kläger zwei Eigentumswohnungen auf. Die Grundstücksgröße betrage 540 qm. Eine Wohnung mit 100,66 qm bewohne er selbst. Diese Wohnung habe einen Einheitswert von 18.100,00 DM und sei lastenfrei. Eine zweite Wohnung mit 75,08 qm sei vermietet. Die Mieteinnahmen betrügen 825 DM im Monat. Die Wohnung habe einen Einheitswert von 10.700,00 DM. Sie sei mit 41.275,00 DM belastet. Außerdem verfüge er und seine Ehefrau über verschiedene Konten laut beiliegender Kontenaufstellung und über verschiedene Versicherungen laut beiliegender Versicherungsaufstellung. Eine entsprechende Konten- und Versicherungsaufstellung war dem Antrag beigefügt. Der Beklagten lag auch eine Kopie eines Versicherungsscheins über eine Wohngebäude-Versicherung vom 13. Juli 1999 vor, aus dem sich ergibt, dass die Versicherungssumme für das gesamte Haus im Jahr 1914 insgesamt 42.000 Mark betragen hat. Für die aktuelle Versicherung werde ein gleitender Neuwertfaktor von 25,4 zugrundegelegt. Auf der Kopie des Versicherungsscheins hat die Beklagte vermerkt, dass sich der Wert der vermieteten Wohnung aufgrund des Versicherungsscheins mit 222.617,00 DM ergebe. Die Beklagte bewilligte auf diesen Antrag hin Arbeitslosenhilfe ab 28. Februar 2001 für ein Jahr.

Am 1. Februar 2002 beantragte der 1945 geborene Kläger erneut Arbeitslosenhilfe. Er gab an, mit seiner 1950 geborenen Ehefrau zusammenzuleben. Als Vermögen gab er wie im Antrag auf Arbeitslosenhilfe vom 29. Dezember 2000 unverändert die beiden Eigentumswohnungen an. Außerdem verwies er auf eine neue Kontenaufstellung und auf eine neue Versicherungsaufstellung. Aus der beigefügten Kontenaufstellung ergibt sich ein Guthaben auf Giro-, Spar-, Investment-, Fonds- und Bausparkonten zum 31. Dezember 2001 in Höhe von insgesamt 71.788,05 DM (36.704,65 Euro). Aus der beigefügten Versicherungsaufstellung ergibt sich ein Rückkaufwert von privaten Lebens- und Rentenversicherungen des Klägers und seiner Ehefrau zum 31. Dezember 2001 insgesamt in Höhe von 96.949,24 DM (49.569,24 Euro).

Mit Bescheid vom 6. März 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bezug von Arbeitslosenhilfe ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Sein gemeinsames Vermögen mit der Ehegattin in Höhe von 122.573,70 Euro übersteige der Freibetrag für den Kläger in Höhe von 29.120,00 Euro und den Freibetrag für seine Ehegattin von 26.520,00 Euro. Es liege vielmehr ein verwertbares Vermögen in Höhe von 66.933,70 Euro vor.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 25. März 2002 Widerspruch ein. Er machte geltend, dass zwei Lebensversicherungsverträge mit einem Rückkaufswert von 18.418,89 Euro und 896,79 Euro aus einer unverfallbaren Betriebsrentenanwartschaft aus beendetem Arbeitsverhältnis resultierten, dass das Vermögen zur Alterssicherung benötigt würde, weil die zu erwartende Rente laut Rentenauskunft sehr niedrig sei, dass ein Darlehen zur Finanzierung des Kauf der vermieteten Wohnung in Höhe von 119.310,46 DM offen stünde, dass die Rückzahlung eines Darlehens zur Renovierung der vermieteten Wohnung in Höhe von 48.879,16 DM bedient werden müsse, dass verschiedene Kosten für die Renovierung anfallen würden und dass bestimmte Konten sicherungsabgetreten seien. Dies gelte für ein Konto bei der Sparkasse AX-Stadt mit einem Wert von 825,38 Euro, ein Konto beim C. mit einem Wert von 408,61 Euro, ein Konto bei der E-Bank mit einem Wert von 3.215,15 Euro und ein D-Bausparkonto mit einem Wert von 20.229,84 Euro. Als Anlagen wurden unter anderem ein Darlehensvertrag mit der F-Bank vom 28. Oktober 1998 mit einem Darlehen über 140.000,00 DM zur Finanzierung der Eigentumswohnung Nr. 2 in der A-Straße in A-Stadt sowie ein weiterer Darlehensvertrag vom 19. März 1999 mit der F-Bank zur Finanzierung von "Modernisierungen" beigefügt. Aus dem Darlehensvertrag vom 19. März 1999 ergibt sich eine Sicherungsabtretung eines Teilbetrages in Höhe von 14.000,00 DM aus einem D-Bausparvertrag. Außerdem war ein Schreiben der F-Bank vom 22. Februar 2001 beigefügt, in dem die F-Bank Frau G., der Ehefrau des Klägers, bestätigt, dass das Darlehen in Höhe von 50.000,00 DM für die Modernisierung der Eigentumswohnung Nr. 2 gewährt wurde. Für diese Bescheinigung sei das Girokonto mit 10 DM belastet worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger und seine Ehefrau verfügten über ein Vermögen von 122.822,70 Euro. Abzüglich eines Freibetrag in Höhe von 55.640,00 Euro verbleibe ein verwertbares Vermögen. Dabei sei die vermietete Wohnung mit einem Verkehrswert von 113.822,26 Euro anzusetzen. Nach dem Abzug aktueller Verbindlichkeiten in Höhe von 61.002,47 Euro zur Finanzierung des Wohnungskaufs sowie eines Anteils des Darlehens für die Hausrenovierung in Höhe von 10.699,11 Euro sowie anteiliger Kosten für die Hausrenovierung in Höhe von 3.778,63 Euro verbleibe ein Wert der Wohnung in Höhe von 38.342,05 Euro. Außerdem verfügten die Eheleute über Lebens- und Rentenversicherung im Wert von 49.569,36 Euro und über Sparguthaben in Höhe von 34.662,29 Euro. Insgesamt betrage das Vermögen 122.573,70 Euro. Abzüglich der Freibeträge in Höhe von 55.640 (520 Euro pro Lebensjahr des Klägers und seiner Ehefrau) verbleibe ein anrechenbares Vermögen in Höhe von 66,933,70 Euro. Der Kläger sei nicht bedürftig und habe deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Soweit der Kläger vortrage, dass das vorhandene Vermögen der Alterssicherung diene, werde darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Freibetrag von 520 Euro ausreichend ist. Ein Teil des Vermögens des Klägers befinde sich auf Sparbüchern, auf die jederzeit zurückgegriffen werden könne. Es könne keine Ausnahme von der Verwertung gemacht werden, weil dieses Vermögen nicht einer angemessenen Alterssicherung diene. Die Bildung von Sparrücklagen für absehbare Renovierungsarbeiten könne ohne genaue Disposition nicht berücksichtigt werden.

Am 19. Juni 2002 wurde Klage erhoben. Mit der Klage wird über die im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Argumente hinaus geltend gemacht, dass die Gesamtkosten für die vermietete Wohnung deren Verkaufserlös übersteigen würden.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2002 zu verpflichten, dem Kläger ab 28. Februar 2002 Arbeitslosenhilfe in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhoben.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2002, mit dem sie die Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab 28. Februar 2002 abgelehnt hat, ist rechtmäßig. Der Kläger hatte ab 28. Februar 2002 keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe mehr.

Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe setzt nach § 190 Absatz 1 Nr. 5 SGB III Bedürftigkeit voraus. Nach § 193 Absatz 1 SGB III ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht. Nach § 193 Absatz 2 SGB III ist ein Arbeitsloser nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht getrennt lebenden Ehegatten die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt ist. Dies ist hier der Fall. Der Kläger ist in Hinblick auf sein eigenes Vermögen und in Hinblick auf das Vermögens seiner Ehefrau nicht bedürftig. Dies ergibt sich aus der Anwendung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002, die den in § 193 SGB III enthaltenen Begriff der Bedürftigkeit konkretisiert.

Auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab 28. Februar 2002 ist die Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 und nicht mehr die Arbeitslosenhilfe-Verordnung 1974 anwendbar. § 4 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 sieht zwar die Anwendbarkeit der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 1974 vor, wenn zwischen dem 1. Oktober und dem 31. Dezember 2001 die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe vorgelegen haben und die Bewilligung noch läuft. Hier hat der Kläger zwar zwischen dem 1. Oktober und dem 31. Dezember 2001 die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Der entsprechende Bewilligungsabschnitt endete aber am 27. Februar 2002. Für den hier mit Antrag vom 1. Februar 2002 geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab 28. Februar 2002 gilt mithin nicht mehr die Arbeitslosenhilfe-Verordnung 1974, sondern bereits die neue Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002.

Nach § 1 Absatz 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 ist das gesamten verwertbaren Vermögens, das den Freibetrag übersteigt, zu berücksichtigen. Nach § 1 Absatz 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung beträgt der Freibetrag 520 Euro pro Person und Lebensjahr. Da der 1945 geborene Kläger im Februar 2002 56 Jahre und seine 1950 geborenen Ehefrau im Februar 2002 51 Jahre alt waren, ergibt sich insgesamt ein Freibetrag von 55.640 Euro für den Kläger und seine Ehefrau.

Das beim Kläger und seiner Ehefrau vorhandene verwertbare Vermögen überstieg diesen Freibetrag.

Der Kläger bzw. seine Ehefrau verfügen über eine vermietete Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 222.617,00 DM (113.822,26 Euro). Dieser Verkehrswert errechnet sich aus dem Versicherungsschein der am 13. Juli 1999 abgeschlossenen Wohngebäude-Versicherung. Vom Verkehrswert der Wohnung sind die laut Angaben des Klägers noch offenen Verbindlichkeiten in Höhe 119.310,46 DM (61.002,47 Euro) abzuziehen, die aus einem am 28. Oktober 1998 zur Finanzierung des Wohnungskaufs mit der F-Bank abgeschlossenen Darlehensvertrag über 140.000,00 DM resultieren. Abgezogen werden können auch noch offenen Verbindlichkeiten, die sich aus einem weiteren am 19. März 1999 mit der F-Bank zur Finanzierung von Modernisierungsmaßnahmen abgeschlossenen Darlehensvertrag über 50.000,00 DM ergeben. Nicht nur die Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Vermögensgegenstandes sind zu berücksichtigen sind, sondern auch die Verbindlichkeiten, die zur Werterhaltung des Vermögensgegenstandes notwendig sind. Laut Angaben des Klägers war aus dem zur Modernisierung aufgenommenen Darlehen insgesamt noch ein Betrag von 48.879,16 DM offen. Da der Darlehensvertrag als Zweckbestimmung nur "Modernisierung" angibt, kann nur der Anteil des Darlehens, der auf die vermietete Wohnung entfällt, zum Abzug gebracht werden. Dieser Anteil ergibt sich aus dem Verhältnis der Wohnungsgrößen der selbstgenutzten Eigentumswohnung und der vermieteten Eigentumswohnung und wurde von der Beklagten zutreffend mit 20.926,00 DM (10.6899,11 Euro) berechnet. Ein höherer Anteil ist auch nicht aufgrund der nachträglich ausgestellte Bescheinigung der F-Bank vom 22. Februar 2001 zu berücksichtigen. Auszugehen ist vielmehr von der ursprünglichen, im Vertrag selbst niedergelegten Zweckbestimmung. Diese ist aber nicht auf die vermietete Wohnung beschränkt. Daher kann nur der auf die vermietete Wohnung entfallende Anteil berücksichtigt werden. Insgesamt hatte die vermietete Wohnung nach Abzug der anrechenbaren Verbindlichkeiten einen Wert von 82.380,89 DM (42120,68 Euro). Die Verwertung dieses Vermögens war dem Kläger auch zumutbar, insbesondere ist der Verkauf der Wohnung mit einem Verkehrswert von 222.617,00 DM unter Ablösung der auf sie entfallenden Verbindlichkeiten in Höhe von 140236,46 DM keineswegs unwirtschaftlich. Sollten die vom Kläger und seiner Ehefrau vorgenommenen Investitionen in die Wohnung deren Verkehrswert übersteigen, liegt im Vorfeld ein unwirtschaftliches Verhalten vor, dass der aktuellen Verwertbarkeit der Wohnung im Sinne der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 nicht entgegensteht.

Darüber hinaus verfügten der Kläger und seine Ehefrau laut ihren eigenen Angaben über ein Sparvermögen von insgesamt 67.793,55 DM (34.622,29 Euro). Berücksichtigt man, dass ein Teil des Guthabens des D-Bausparvertrages in Höhe von 14.000,00 DM (7158,09 Euro) an die F-Bank sicherungsabgetreten ist, verbleibt ein verwertbares Vermögen von 53793,55 DM (27.504,21 Euro). Weitere Sicherungsabtretungen ergeben sich aus den vorliegenden Darlehensverträgen nicht. Von dem verbleibenden Betrag sind über den vom Gesetz vorgesehenen Freibetrag hinaus keine weiteren Abzüge in Hinblick auf eine Alterssicherung zu machen, weil das Sparvermögen nicht entsprechend für eine Alterssicherung festgelegt ist. Die Voraussetzungen von § 1 Absatz 3 Nr. 3 und 4 Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 liegen nicht vor. Der Kläger und seine Ehefrau können vielmehr über das nicht für die Alterssicherung zweckgebundene Sparvermögen mit Ausnahme des Teils, der nachgewiesenermaßen sicherungsabgetreten ist, jederzeit frei verfügen, so dass das entsprechende Vermögen zu berücksichtigen ist.

Mithin übersteigt der Wert der vermieteten Immobilie in Höhe von 42120,68 Euro sowie der Wert des frei verfügbaren Sparvermögens in Höhe von 27.504,21 Euro zusammen den dem Kläger und seiner Ehefrau zustehenden Freibetrag von 55.640 Euro deutlich. Deshalb kann auch dahinstehen, inwieweit das vom Kläger angegebene Vermögen in Form von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen mit einem Rückkaufswert von 96.949,24 DM (49.569,24 Euro) im einzelnen als verfügbares Vermögens heranzuziehen ist. Der Kläger ist in jedem Fall nicht bedürftig und hat deshalb ab 28. Februar 2002 keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.

Die Klage war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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