L 11 KR 523/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 63 KR 207/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 523/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.06.2016 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Auszahlung von nachträglich aus Versorgungsbezügen einbehaltenen Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.

Der am 00.00.1942 geborene Kläger war bis zum 31.12.1991 bei der vormaligen C GmbH versicherungspflichtig beschäftigt und pflichtversichertes Mitglied der Beigeladenen zu 1) (bis zum 30.09.2015: BKK Vor Ort). Nachdem das aus der Beschäftigung erzielte regelmäßige Arbeitsentgelt ab dem 01.01.1992 die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten hatte, bestand die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) auf Grundlage einer freiwilligen Versicherung fort.

Am 28.02.1999 endete das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der C GmbH. Nach Auslaufen des Entgeltbezugs am 31.07.2000 bezog der Kläger bis zum 18.03.2003 Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Für die Dauer des Bezugs von Leistungen nach dem SGB III war der Kläger erneut Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1).

Seit dem 19.03.2003 ist der Kläger in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Die Versicherungspflicht war lediglich in dem Zeitraum vom 01.02.2009 bis zum 15.09.2009 wegen einer vorübergehenden hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit des Klägers ausgeschlossen, während der eine freiwillige Mitgliedschaft bei den Beigeladenen zu 1) bestand.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine überbetriebliche Pensionskasse, die nach Maßgabe ihrer Satzung, der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie der Tarifbedingungen Renten- und Kapitalleistungen an ihre Mitglieder und deren Hinterbliebene leistet. Sie zahlt dem Kläger seit dem 01.08.2000 eine Berufsunfähigkeitsrente, deren Höhe zunächst 768,50 DM (392,92 EUR) brutto monatlich betrug.

Unter dem 13.10.2000 wies die Beklagte den Kläger schriftlich darauf hin, dass sie als Rentenzahlstelle verpflichtet sei, von den betrieblichen Versorgungsbezügen Krankenversicherungsbeiträge einzubehalten, sobald die zuständige Krankenkasse einen Einbehalt anordne. Eine Mitteilung über die Beitragspflicht und -höhe erhalte der Kläger durch seine Krankenkasse. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 13.10.2000 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

In der Folgezeit behielt die Beklagte zunächst Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von dem Versorgungsbezug des Klägers ein und führte diese an die Beigeladene zu 1) ab.

Unter dem 28.11.2001 ließ Letztere dem Kläger eine schriftliche Erklärung mit auszugsweise folgendem Inhalt zukommen:

"( ...) das Arbeitsamt hat uns mittlerweile bestätigt, dass von Ihrem Arbeitslosengeld bereits Höchstbeiträge abgeführt wurden.

Somit sind von Ihnen keine Beiträge aus dem Versorgungsbezug zu zahlen. Wir haben die Babcock Pensionskasse angewiesen, Ihnen bereits einbehaltene Beiträge wieder zu erstatten."

Auf den weiteren Inhalt der schriftlichen Erklärung der Beigeladenen zu 1) wird Bezug genommen.

Die Beklagte erstattete sodann die einbehaltenen Beiträge und kehrte die Versorgungsbezüge fortan ungekürzt an den Kläger aus.

Im Jahr 2010 übertrug die Beklagte ihre Verwaltung an einen externen Dienstleister (N GmbH, G). Dieser stellte nach Prüfung der laufenden Vorgänge fest, dass von den Versorgungsbezügen des Klägers auch nach Ende des Bezugs von Leistungen nach dem SGB III keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Die Beklagte setzte sich daraufhin mit der Beigeladenen zu 1) in Verbindung, die die Beklagte anwies, laufende Beiträge aus der betrieblichen Versorgungsleistung abzuführen und noch nicht verjährte Beiträge für die Zeit ab dem 01.12.2005 einzubehalten (Mitteilungen vom 12.07.2010 und vom 09.08.2010).

Diese Mitteilungen übermittelte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10.08.2010. Gleichzeitig ließ diese ihm eine Aufstellung über die voraussichtliche Dauer der Nachverrechnung von Beiträgen zukommen.

Der Kläger erklärte sich mit dem Einbehalt von Beiträgen nicht einverstanden und hat am 30.05.2012 Klage zum Amtsgericht (AG) P erhoben. Die Beklagte sei nicht berechtigt, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von seinen Versorgungsbezügen einzubehalten und an die Beigeladene zu 1) abzuführen. Er habe von der Beigeladenen zu 1) keinen Beitragsbescheid erhalten. Die Erklärung vom 28.11.2001, wonach wegen der Abführung von Höchstbeiträgen aus den Arbeitslosengeld keine weiteren Beiträge aus dem Versorgungsbezügen zu leisten seien, sei nicht aufgehoben worden. Er hat zudem die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, die bei der Verrechnung von rückständigen Beiträgen mit laufenden Versorgungsbezügen maßgebliche Untergrenze von 50 % der Nettorente sei nicht durchgängig beachtet worden. Schließlich sei zu beachten, dass die Beklagte die Beitragsabführung schuldhaft unterlassen habe. Deren Verschulden stehe einem nachträglichen Einbehalt entgegen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.423,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 27.02.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sei von Gesetzes wegen zur Nacherhebung von Beiträgen verpflichtet, sobald und soweit die zuständige Krankenkasse dieses fordere. Eine eigene Überprüfungsbefugnis stehe ihr nicht zu. Etwaige Einwendungen gegen die Beitragserhebung oder hinsichtlich der Höhe der Beiträge seien gegen die Beigeladene zu 1) zu richten. Hierzu seien dem Kläger die dem Beitragseinbehalt zugrunde liegenden Meldungen übermittelt worden. Dass in der Vergangenheit versehentlich keine Beiträge abgeführt worden seien, stehe einer nachträglichen Beitragserhebung nicht entgegen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Sie sind der Rechtsauffassung der Beklagten beigetreten.

Mit Beschluss vom 12.02.2013 hat das AG den Rechtsstreit an das Sozialgericht (SG) Dortmund verwiesen.

Mit Urteil vom 27.06.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Ob der richtige Rechtsweg beschritten sei, habe das SG nicht zu prüfen, da der Beschluss des AG P vom 12.02.2013 hinsichtlich der Rechtswegbestimmung bindend sei (§ 17b Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)). Die zulässige Leistungsklage sei nicht begründet. Der Kläger könne von der Beklagten nicht beanspruchen, dass diese ihm seine Betriebsrente ungekürzt, also ohne Abzüge von Sozialversicherungsbeiträgen, ausgekehrt. Rechtsgrundlage für den Leistungsanspruch des Klägers sei der Versicherungsvertrag, der auf das Versorgungsversprechen seines früheren Arbeitgebers, ihn bei der Pensionskasse anzumelden, zurückzuführen sei. Hiernach bestehe ein Rechtsanspruch auf die finanzierten Leistungen nach Maßgabe der in der Satzung, dem Geschäftsplan und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehenen Voraussetzungen. Dieser Anspruch werde jedoch im Umfang öffentlich-rechtlicher Beitragspflichten eingeschränkt. Nach dieser Maßgabe habe die Beklagte zu Recht Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (nachträglich) einbehalten. Bei der Betriebsrente des Klägers handele es sich um einen beitragspflichtigen Versorgungsbezug, der bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in voller Höhe der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 229 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. 237 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)) und Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)) unterliege.

Für Versorgungsempfänger, die - wie der Kläger - in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert seien, seien Beiträge im Wege des Zahlstellen-Meldeverfahrens zu leisten. Dabei habe der Versorgungsträger als Zahlstelle bei der erstmaligen Bewilligung von Versorgungsbezügen die zuständige Krankenkasse des Versorgungsempfängers zu ermitteln und dieser Beginn, Höhe, Veränderungen und Ende der Versorgungsbezüge im Wege automatisierter Datenübertragung mitzuteilen (§ 202 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB V). Nach Eingang der Meldung habe die Krankenkasse der Zahlstelle und den Bezieher der Versorgungsbezüge unverzüglich über die Beitragspflicht des Versorgungsempfängers, deren Umfang und den Beitragssatz zu informieren. Die Zahlstelle habe die Beiträge aus dem Versorgungsbezug entsprechend dieser Meldung einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse (Einzugsstelle) weiterzuleiten (§ 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dabei sei eine Aufrechnung bis zu einer Untergrenze von 50% der laufenden Versorgungsbezüge mit Beitragsrückständen zulässig. Nach dieser Konzeption treffe die Zahlstelle die Pflicht zur Beitragsentrichtung und den Versicherten die Beitragslast im Sinne des wirtschaftlichen Einstehens hierfür. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nachgekommen. Die Kammer könne offen lassen, ob Einwendungen gegen die Beitragspflicht überhaupt im Verhältnis zur Zahlstelle geltend gemacht werden könnten oder lediglich gegenüber der Krankenkasse als Einzugsstelle. Vorliegend seien keine durchgreifenden Einwendungen gegen die Beitragseinbehaltung gegeben. Zunächst fehle es an keinem die Beitragspflicht und-Höhe gegenüber dem Kläger feststellenden Bescheid. Vielmehr seien die Meldungen der Beklagten vom 12.07.2010 bzw. vom 09.08.2010 über die Beitragspflicht, deren Umfang und den Beitragssatz (§ 202 Abs. 1 Satz 4 SGB V) ausreichend. Diese seien dem Kläger im Dezember 2010 zugeleitet worden.

Ebenso wenig begründe die Mitteilung der Beigeladenen zu 1) vom 28.11.2001 einen schützenswerten Vertrauenstatbestand des Klägers. Die Beigeladene zu 1) habe die damals verneinte Beitragspflicht an einen Bezug von Arbeitslosengeld und die bereits geleisteten Höchstbeiträge geknüpft. Eine weitergehende Erklärung zur Beitragspflicht sei dem Schreiben nicht zu entnehmen.

Die Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) habe die Beklagte beachtet. Schließlich sei weder ersichtlich, dass bei der Verrechnung von Beitragsrückständen mit laufenden Betriebsrenten die gesetzliche Untergrenze von 50% unbeachtet geblieben sei (§ 51 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)), noch stehe ein etwaiges Verschulden der Beklagten bei der Beitragsentrichtung der gesetzlich angeordneten Nacherhebung entgegen. Anhaltspunkte für eine Verwirkung (Rechtsgedanke des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) seien nicht ersichtlich. Auf den weiteren Inhalt der Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das ihm am 04.07.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.07.2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Er nimmt Bezug auf seinen Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und betont seine Ansicht, wonach vor nachträglicher Abführung von Beiträgen der "Bescheid vom 28.11.2001" habe aufgehoben werden müssen. Ohne dessen Abänderung seien laufende Beiträge nicht fällig geworden und - für die Vergangenheit - verjährt. Dass ein schutzwürdiges Vertrauen zu seinen Gunsten nicht erwachsen sei, könne er nicht nachvollziehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.06.2016 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3.423,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge. Sie erachten das angefochtene Urteil für zutreffend und treten der Rechtsauffassung der Beklagten bei.

Der Senat hat die Beteiligten schriftlich darauf hingewiesen, dass erwogen werde, die Berufung des Klägers im Verfahren nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Einwände gegen die in Aussicht gestellte Entscheidungsform haben die Beteiligten nicht erhoben.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat kann die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung (vgl. hierzu etwa Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 30.07.2009 - B 13 R 187/09 B -) hat der Senat berücksichtigt, dass die im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen auf Grundlage höchstrichterlicher Rechtsprechung beantwortet werden können und eine weitere Sachaufklärung durch das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nicht notwendig ist. Die Beteiligten sind zu dieser Entscheidungsform gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGG).

II. Die am 12.07.2016 innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils bei dem LSG Nordrhein-Westfalen schriftlich eingelegte Berufung des Klägers ist ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, Abs. 3; 64 Abs. 1, Abs. 2; 63 SGG).

III. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten die Auszahlung seiner Versorgungsbezüge in nicht um Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung geminderter Höhe nicht beanspruchen. Zur Begründung nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug, denen er sich nach eingehender Prüfung anschließt und die er sich zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG). Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung.

1. Der Kläger ist in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert und bezieht gesetzliche Rente. Für solche Versicherte sind Zahlstellen zusätzlicher Versorgungsbezüge - hier die Beklagte als Zahlstelle der Betriebsrente (§ 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) - gesetzlich verpflichtet, Beiträge aus den Versorgungsbezügen einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen (§ 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Für den - hier im streitigen Zeitraum vorliegenden - Fall eines unterbliebenen Einbehalts von Beiträgen verweist § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V auf § 250 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Hiernach können rückständige Beiträge aus den laufend zu zahlenden Versorgungsbezügen einbehalten werden. Auf ein Verschulden des Versicherten oder der Zahlstelle kommt es insoweit nicht an. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, den nachträglichen Beitragseinbehalt davon abhängig zu machen, dass dieser Einbehalt ohne Verschulden der Zahlstelle unterblieben ist. Es handelt sich um spezielles Verrechnungsrecht der Zahlstelle (vgl. BSG, Urteil vom 23.03.2012 - 12 RK 50/92 -; Peters in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 256 Rn. 30). Einer Überforderung des Versorgungsbeziehers wird gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. SGB V durch eine entsprechende Anwendung des § 51 Abs. 2 SGB I entgegengewirkt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.03.2004 - L 13 RA 3690/93 -; Peters, a.a.O., § 256 Rn. 31). Dass diese Grenzen nicht eingehalten wurden, hat der Kläger weder konkret dargelegt noch ist dies für den Senat ersichtlich.

2. Der Einbehalt der Beiträge ist auch weder verjährt (hierzu a)), noch verwirkt (hierzu b)).

a) Für Beitragsansprüche nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V und nach § 60 Abs. 1 SGB XI gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (BSG, Urteil vom 23.05.1989 - 12 RK 66/87 -). Hiernach verjähren - vorbehaltlich des hier mangels vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung nicht in Betracht kommenden § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV - Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die Beigeladene zu 1) und die Beklagte haben nach dieser Maßgabe zutreffend berücksichtigt, dass die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Zeitraum bis zum 30.11.2005 verjährt sind.

b) Die Beitragsnacherhebung ist auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB auch im Sozialverwaltungsrecht anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 29.01.1997 - 5 RJ 52/94 -; BSG, Urteil vom 31.03.2017 - B 12 R 6/14 R -). Die Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte die Ausübung eines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen" Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und er tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) sowie sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein zumutbarer Nachteil entstehen würde (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26.01.1972 - 2 BvR 255/67; BSG, Urteil vom 31.03.2017 - B 12 R 6/14 R -; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.11.2017 - L 1 R 484/15 -).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. So behauptet der Kläger schon nicht, sich (finanziell) darauf eingerichtet zu haben, keine Beiträge aus der Versorgungsleistung zahlen zu müssen. Hinzu kommt, dass der Kläger trotz des an ihn gerichteten Schreibens der Beigeladenen zu 1) vom 28.11.2001 nicht darauf vertrauen konnte, keine Beiträge aus dem Versorgungsbezug mehr entrichten zu müssen. Das Gegenteil drängt sich nach dem Inhalt der Erklärung auf. Dem Schreiben ist ohne weiteres zu entnehmen, dass der Kläger als grundsätzlich versicherungspflichtige Person Beiträge aus den Versorgungsleistungen zu leisten hat. Dieses galt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Schreibens nur für den Fall und solange nicht, als er Arbeitslosengeld bezog und bereits Höchstbeiträge geleistet hat. Dass diese Voraussetzungen mit dem Wegfall des Leistungsanspruchs und dem Bezug einer Altersrente ab dem 19.03.2003 nicht mehr vorlagen, musste sich dem Kläger aufdrängen.

Selbst wenn der Senat mit dem Kläger davon ausgeht, dass es sich bei der Erklärung der Beigeladenen zu 1) vom 28.11.2001 um einen Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) handelt, bedurfte es vor der umstrittenen Nacherhebung von Beiträgen keiner Aufhebung dieser Entscheidung. Nach dem für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB) beschränkte sich der Regelungsumfang dieser Entscheidung - wie vorstehend dargelegt - allein auf die (verneinte) Beitragspflicht für die Dauer des Bezugs von Leistungen nach dem SGB III.

Die Kostenentscheidung folgt §§ 183, 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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