S 8 U 19/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 19/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 7/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird um die Anerkennung des Ereignisses vom 02.06.2015 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geführt.

Die 1998 geborene Klägerin verkratzte sich beim Sturz aus ihrem Bett am 02.06.2015 um 08:30 Uhr das linke Glas ihrer Brille und es entstanden Kosten in Höhe von 184 Euro. Des Weiteren kam es an den Zähnen 21 und 22 zu Luxationen und Frakturen.

Die Beklagte ermittelte nach Kenntnisnahme des Unfalls durch die Unfallanzeige vom 08.06.2015 den Sachverhalt.

Während einer mehrtägigen Radtour, welche von der Schule aus organisiert wurde, rutschte die Klägerin aus ihrem Bett. Die Gruppe wollte zum Frühstück gehen. Die Klägerin wollte ihren Rucksack holen. Sie blieb leicht mit dem Fuß am Koffer hängen und erschreckte sich etwas. Sie verkrampfte nur leicht und war schnell wieder bei sich. Die Lehrerin setzte die Klägerin in ihr Bett. Die Lehrerin drehte sich kurz weg, um den Rucksack zu schließen. Sodann rutschte die Klägerin vom Bett. Die Klägerin konnte sich nicht daran erinnern, ob ihr kurz vor dem Sturz schwindelig war. Die betreuende Lehrerin fuhr die Klägerin dann mit einem Taxi zum Arzt. Hierbei entstanden Kosten in Höhe von 49,80 Euro.

Mit Schreiben vom 29.06.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass es sich bei dem erlittenen Krampfanfall um eine innere Ursache gehandelt habe. Ein Arbeitsunfall liege daher nicht vor und die Beklagte sei nicht zuständig.

Die Klägerin legte durch ihre Mutter mit Schreiben vom 02.07.2015 Widerspruch ein. Sie hätte kurz vor dem eigentlichen Unfall einen kleinen Krampfanfall gehabt. Dieser sei schon vorüber gewesen und sie sei in einem normalen Zustand gewesen, als es zu dem Sturz gekommen sei und sie sich die Verletzung zugezogen habe. Es werden die Transportkosten von C-Stadt in die Zahnarztpraxis in Höhe von 49,80 Euro geltend gemacht.

Auf weitere Nachfrage der Beklagten gab die Schule der Klägerin an, dass diese nach dem Essen im Wohnbereich auf dem Zimmer ihren Rucksack holen wollte. Dabei habe sich der Unfall ereignet. Von Zeit zu Zeit treten auch im regulären Unterrichtsgeschehen solche Anfälle auf, etwa drei bis vier Mal pro Jahr. Die Klägerin trage regelmäßig ihre Brille.

Mit Bescheid vom 11.11.2015 lehnte die Beklagte einen Versicherungsfall ab. Sie sei in sitzender Position vom Bett gerutscht und sei auf das Gesicht gefallen. Ein Unfall sei ein plötzlich eintretendes, durch äußere Gewalteinwirkung hervorgerufenes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden führe. Abzugrenzen seien Unfälle aus innerer Ursache heraus. Hierbei handele es sich um Unfälle infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen. Ist die innere Ursache allein wesentliche Bedingung des Unfalls, liegt kein Arbeitsunfall vor. Am 02.06.2015 sei es aufgrund einer plötzlichen Kreislaufdysregulation und damit aus innerer Ursache zu einem Abrutschen vom Bett mit anschließendem Sturz auf das Gesicht gekommen. Eine äußere Gewalteinwirkung habe nicht vorgelegen. Betriebliche Faktoren oder besondere, aus der Beschaffenheit der Unterkunft resultierende Risiken, haben am Eintritt des Geschehens ebenfalls nicht mitgewirkt. Kurz vor dem Ereignis am 02.06.2015 sei bei der Klägerin ein Krampfanfall mit kurzzeitiger Bewusstseinsstörung aufgetreten. Der Unfall sei daher allein rechtlich wesentlich durch die innere Ursache und nicht durch die versicherte Tätigkeit bedingt. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen.

Mit Schreiben vom 02.12.2015 legte die Klägerin Widerspruch ein. Der Unfall bestehe durch den Kontakt zwischen dem Fußboden und dem Kopf bzw. Gesicht der Klägerin. Es sei nicht ersichtlich, dass die Ursache die Erkrankung der Klägerin gewesen sei. Beim Holen des Rucksackes habe es sich nicht um eine private Verrichtung gehandelt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2016 wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch zurück, da kein Versicherungsfall im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII vorliegt. Durch das Aufschlagen auf den Boden liege zwar ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vor. Jedoch seien die Schäden in Form der beschädigten Zähne und der defekten Brille nicht infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten. Die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses müsse die Einwirkung verursacht haben und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheits(erst)schaden sowohl objektiv als auch rechtlich wesentlich verursacht haben. Auf der ersten Stufe müsse eine versicherte Verrichtung, die eine erforderliche Bedingung des Erfolgs gewesen sei, vorliegen und darüber hinaus in einer besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie müsse Wirkursache des Erfolges gewesen sein, müsse ihn tatsächlich mitbewirkt haben und dürfe nicht nur eine (bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare) zufällige Randbedingung gewesen sein. Stehe die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen auf der ersten Stufe fest, müsse auf der zweiten Stufe die Wirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufen festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache habe die Rechtsprechung herausgearbeitet, dass sozialrechtlich allein relevant sei, ob das Unfallereignis wesentlich gewesen sei. Ob es eine konkurrierende Ursache gewesen sei, sei unerheblich. Eine Ursache sei nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte gewesen sei. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gebe es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache sei, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhanges sei eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Diese liege vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spreche und ernste Zweifel ausscheiden. Die reine Möglichkeit genüge nicht.

Es gebe keine Erkenntnisse darüber, wie und warum die auf dem Bett zum Rücken der Betreuerin sitzende Klägerin umgefallen bzw. gestürzt sei. Selbst wenn nicht feststehe, dass Ursache hierfür die Erkrankung der Klägerin gewesen sei, so spiele dies keine Rolle. Denn im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität könne nicht nachgewiesen werden, dass eine konkrete versicherte Verrichtung im Unfallzeitpunkt zumindest wesentlich mitursächlich für den Sturz vom Bett gewesen sei. Dabei sei unerheblich, ob eine innere Ursache nachgewiesen werden könne oder nicht. Jedenfalls lasse sich nicht mit der für die haftungsbegründende Kausalität erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die zur Zeit des Unfalls konkret verrichtete Tätigkeit, das bloße abwartende Sitzen auf dem Bett, ohne Hinzutreten eines weiteren betriebsbezogenen Umstandes wesentlich ursächlich oder mitursächlich für den Sturz auf das Gesicht gewesen sei. Das vorherige Sitzen auf dem Bett sei aufgrund eines zuvor erlittenen Krampfanfalls erfolgt und nicht wegen betrieblicher Umstände. Damit bleibe als plausible Erklärungsmöglichkeit des Sturzes allein ein plötzlicher Bewusstseinsverlust der Klägerin und jedenfalls kein nachweisbar der versicherten Tätigkeit zuzurechnendes Geschehen. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit treffen denjenigen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten wolle.

Die Klägerin hat am 29.02.2016 Klage beim Sozialgericht Fulda erhoben.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Ereignis vom 02.06.2015 als Arbeitsunfall bzw. Schulunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII anzuerkennen sei. Die gesamte Situation basiere auf einem schulisch veranlassten Hintergrund. Der Krampfanfall sei seit einer Minute abgeschlossen gewesen, bevor die Klägerin vom Bett gerutscht sei. Der Sturz stehe in keinem Zusammenhang mit dem Leiden der Klägerin. Er hätte sich somit ohne weiteres auch im eigenen Wohnbereich mit einer im Umfang mit Krampfanfällen erfahrenen Person ereignen können. Die schulische Situation sei im Sinne einer wesentlichen Bedingung ursächlich für den Vorfall gewesen.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 02.06.2015 als Arbeitsunfall bzw. Schulunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf den angegriffenen Verwaltungsakt. Das Abrutschen aus dem Bett in der Übernachtungsstätte sei nicht infolge der versicherten Tätigkeit erfolgt und sei ihr insoweit nicht zuzurechnen. Es reiche nicht aus, dass sich der Vorfall während einer schulischen Veranstaltung ereignet habe. Soweit die Klägerin ausführt, dass der Sturz vom Bett zum einen in keinerlei Zusammenhang mit dem vorbestehenden Leiden der Klägerin stehe und zum anderen sich auch im eigenen Wohnbereich hätte ereignen können, werde bestätigt, dass sich bei dem streitgegenständlichen Sturz gerade keine besondere Gefahr des schulischen Verantwortungsbereiches verwirklicht habe. Sofern der Sturz tatsächlich nicht mit der Grunderkrankung im Zusammenhang stehe, handele es sich um einen einfachen Sturz aus dem Bett, welcher im häuslichen Bereich in gleicher Weise zu jedem anderen Zeitpunkt hätte geschehen können. Eine besondere Gefahr der schulischen Veranstaltung habe sich nicht verwirklicht.

Die Kammer hat im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht Berichte der die Klägerin behandelnden Ärzte angefordert und zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht.

Die Kammer hat durch die Beauftragung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG Beweis über die Ursache des Sturzes der Klägerin erhoben. Dr. D. kommt in seinem neurologischen Gutachten vom 30.12.2016 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin infolge wiederholter Schlaganfälle an einer ausgedehnten Gehirnschädigung leidet, die ganz besonders die linke Hirnhälfte betreffen. Die wichtigste Folge der Schlaganfälle sei eine spastische Lähmung der rechtsseitigen Extremitäten und eine Sprachstörung. Des Weiteren habe sich eine symptomatisches fokales Anfallsleiden mit tonisch-klonischen motorischen Anfällen der rechtsseitigen Extremitäten entwickelt, die bisher noch nie generalisierten und die wahrscheinlich in aller Regel ohne relevante Bewusstseinsstörung abliefen. Ursache der Schlaganfälle sei eine seltene Gefäßerkrankung die zum Verschluss der großen hirnversorgenden Gefäße führe (Moya-Moya-Syndrom).

Als Folge des Unfallereignisses vom 02.06.2015 sei es zu keinen weiteren Schädigungen auf neurologischem Fachgebiet gekommen. Die Verletzungsfolgen wären gegebenenfalls zahnärztlich zu beurteilen.

Das Unfallereignis sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit alleinige Ursache der vorliegenden Gesundheitsstörungen auf zahnärztlichem Gebiet.

Da der genaue Unfallablauf nicht beobachtet worden sei, sei spekulativ, welche Faktoren genau zum Sturz beigetragen haben. Da die Klägerin aufgrund der Schlaganfallfolgen eine offensichtliche schwere motorische Behinderung habe, habe diese mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Sturz beigetragen. Ein epileptisches Anfallsgeschehen sei wesentlich unwahrscheinlicher, wenn auch nicht ganz auszuschließen.

Die Mutter der Klägerin hat angegeben, dass niemand das unmittelbare Ereignis gesehen habe. Sie selbst könne sich das herunterrutschen auch nicht erklären, da die Klägerin ansonsten stabil sitze, selbst wenn sie krampfe. Sie könne es sich nur so vorstellen, dass die Klägerin auf der Bettkante gesessen habe, möglicherweise nicht stabil genug, und dann nach vorne gerutscht sei.

Das Ereignis sei schlecht dokumentiert. Es handele um einen fokalen Anfall, den die Betreuerin Frau E. gut gekannt habe, da diese Anfälle mehrmals in der Woche in der Schule aufgetreten seien. Sie habe das Ereignis nicht beunruhigend gefunden und auch nicht mit einem Unfall gerechnet. Diese Anfälle liefen immer in derselben Weise ab. Zunächst komme es zu einem kurzen Zucken des rechten Arms, der sich dann in einer verkrampften Beugestellung halte, ohne dass es zu weiteren motorischen Entäußerungen komme. Die Beugestellung bleibe meist nur ein oder zwei Sekunden bestehen. Wenn die Anfälle länger dauerten, komme es im Anschluss an die verkrampfte Beugestellung zu klonischen Zuckungen des rechten Arms. Diese hielten etwas länger an. Insgesamt dauere ein Anfallsereignis bislang nicht länger als eine Minute. Es sei daher von einem typischen motorischen tonisch-klonischen Anfallsablauf auszugehen, der sich auf die rechtsseitigen Extremitäten beschränke. Ein Betroffensein des rechten Beins falle möglicherweise nicht jedes Mal auf. Nach der Beschreibung der Mutter komme es am Bein ebenfalls zu einer tonischen Beugung, weniger zu Muskelzuckungen.

Zu einem Verlust des Gleichgewichts mit Sturz komme es nur dann, wenn die Klägerin stehe oder gehe und der Anfall sich aufs Bein ausbreite. In diesem Falle wäre wegen des Kontrollverlustes über das rechte Bein eher mit einem Sturz auf die rechte Seite zu rechnen. Dass die Klägerin durch einen Anfall aus dem Sitzen stürze, sei bisher nicht dokumentiert und werde auch von der Mutter verneint. Zu einer Bewusstseinstrübung oder einer Bewusstlosigkeit komme es nach Angaben der Mutter und der Schön-Klinik nicht. Dem widerspreche lediglich die Beschreibung der ersten Anfallsereignisse durch die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Bad Hersfeld in dem Bericht vom 30.04.2012, wo von einem Bewusstseinsverlust die Rede sei, aber nicht von Hinstürzen. Es sei unter Berücksichtigung der weiteren Berichte davon auszugehen, dass die Anfälle ohne Bewusstseinsverlust abliefen.

Ob der Anfall aber tatsächlich so wie üblich oder anders abgelaufen sei, insbesondere ob der Anfall am 02.06.2015 mit Beteiligung des Beins abgelaufen sei oder nicht, bleibe Spekulation. Ein anfallsbedingter Sturz wäre aufgrund des bisherigen Anfallsgeschehens nur durch Beteiligung des Beins erklärbar, wenn er sich gleichzeitig im Stehen oder gehen ereignet hätte.

Wenn ein Anfall im Sitzen passiere, sei die Klägerin bei der Verkrampfung der rechtsseitigen Extremitäten nie vom Stuhl gefallen. Es sei daher unklar, weshalb sie bei dem Unfall vom 02.06.2015 vom Stuhl gefallen sei. In der Untersuchungssituation habe sich eine Situation ergeben, bei der plausibel wäre, dass die Klägerin, wenn sie das Gleichgewicht verlieren würde, eher nach links vorne auf das Gesicht fallen würde, nämlich als sie beim Anziehen der Schuhe auf der Kante der Liege gesessen habe.

Wenn man den Sturz mit dem Anfall erklären wollen würde, würde man wegen des Kontrollverlustes der rechtsseitigen Extremitäten eher einen Sturz nach rechts erwarten. Die Verletzung der Zähne sei in der Mitte, Schwerpunkt Zähne 21 und 22, also die linken Frontzähne, jedenfalls nicht speziell die auf der rechten Seite.

Nicht ganz sicher zu klären sei, ob Schreck tatsächlich die Anfälle auslöse oder ob die den Anfall einleitende Zuckung aussehe wie eine Schreck, so dass die das Ereignis beobachtende Person ein Schreckerlebnis in den Anfall hineinlese, das tatsächlich nicht vorliege.

Alles in allem sei also die Frage, ob es sich um einen Sturz aus innerer Ursache oder um ein epileptisches Anfallsereignis handele, aufgrund der schlechten Unfalldokumentation gutachterlich weder in die eine noch in die andere Richtung eindeutig positiv zu belegen. Die Tatsache, dass das Mädchen bislang bei epileptischen Anfällen nur stürze, wenn sich diese im Stehen oder Gehen ereigneten, dass sie sich bislang nur einmal dabei verletzt habe (Gehirnerschütterung 03/2015) und die Tatsache, dass sie nach vorne gefallen sei und nicht auf die rechte Seite, lassen die Wahrscheinlichkeit deutlich in Richtung eines Unfalles ausschlagen.

Selbst wenn man als Sturzursache ein epileptisches Anfallsgeschehen annehmen würde, müsste man diskutieren, ob ein solches für die Klägerin eigentlich untypisches Anfallsgeschehen durch eine Schrecksituation ausgelöst worden sei, die ihre Ursache in einer gewissen Hektik gehabt habe. Die Klägerin sei in Eile gewesen, da sie etwas vergessen habe und in ihrem Zimmer unter Zeitdruck danach gesucht habe. Wenn ein solcher Ablauf ursächlich für einen epileptischen Anfall gewesen wäre, der aufgrund des psychischen Stresses anders als sonst verlaufen wäre, wäre auch für diese Szenario zu diskutieren, ob nicht ein Versicherungsfall für die gesetzliche Unfallversicherung vorliegen würde, da die Hektik ihre Ursache in der Schulveranstaltung gehabt habe.

Die Beklagte weist darauf hin, dass der Unfall aus innerer Ursache geschehen sei, nämlich aufgrund der schweren motorischen Behinderungen der Klägerin. Es lasse sich nicht feststellen, aufgrund welcher Gegebenheiten der Sturz aus dem Bett bzw. das Abrutschen vom Bett erfolgt sei und damit, ob sich ein Risiko verwirklicht habe, dass in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung für den Schulbesuch falle. Demgegenüber stehe fest, dass der Hergang sich im als eigenwirtschaftlich anzusehenden Bereich, dem Übernachtungszimmer der Schülerin für den Ausflug ereignet habe. Eine Einwirkung bei der Entstehung der Verletzung, die als "besondere betriebliche Gefahr" angesehen werden könne, sei nicht ersichtlich. Derartige Überlegungen seien bisher auch nicht vorgetragen worden. Es seien auch andere Ereignisse bekannt geworden, bei denen Stürze der Klägerin ohne äußere Einwirkung bzw. nach einem vermeintlichen Krampf vorgefallen seien. Ein Arbeitsunfall könne nicht anerkannt werden.

Ergänzend befragt führt der Sachverständige unter dem 17.04.2017 aus, dass bei der Klägerin kein Schluss auf die Ursache des Sturzes gezogen werden könne, auch nicht auf das Vorliegen einer Bewusstseinstrübung. Bei der Klägerin seien epileptische Anfälle in den letzten Jahren nie mit einer Bewusstseinstrübung abgelaufen, auch nicht mit schweren Stürzen. Die Klägerin habe sich selbst dann nicht verletzt, wenn sie einen fokalen epileptischen Anfall im Stehen oder Gehen erlitten habe. Der epileptische Anfall habe bisher nicht dazu geführt, dass die Haltereflexe komplett versagt hätten. Allein aus der Tatsache des Sturzes könne weder auf die auslösende Ursache noch auf eine Bewusstseinstrübung geschlossen werden.

Die Kammer hat Fotos vom Bett der Klägerin Zuhause und in der Jugendherberge angefordert (Blatt 183 f., 191 ff. der Gerichtsakte).

Die Beklagte stellt heraus, dass es sich bei beiden Betten jeweils um vergleichsweise niedrige Betten handelt. Es sei ausgeschlossen, dass eine besondere schulisch bzw. betrieblich bedingte Gefahrenlage für die Entstehung der Verletzungen der Klägerin wesentlich ursächlich gewesen sei.

Die Annahme des Sachverständigen, dass sich in den letzten Jahren keine schweren Stürze im Zusammenhang mit anlagebedingten Erkrankung der Klägerin ereignet hätten und sie sich selbst dann nicht verletzt habe, wenn sie Anfälle im Gehen oder Stehen habe, treffe so nicht zu. Am 09.09.2013 sei die Klägerin ohne äußere Einwirkung während des Aufstehens von einer Sitzbank im Pausenhof der schulischen Einrichtung gestürzt und habe sich eine Schädelprellung, eine Schürfwunde an der Hand und einen Brillenschaden zugezogen. Auch am 20.03.2015 sei die Klägerin ohne äußere Einwirkung oder Fremdeinwirkung im Flur der Schule gestürzt und sei wegen einer Gehirnerschütterung behandelt worden.

Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 04.12.2017 wird Bezug genommen, insbesondere auf das Ergebnis der Zeugenvernehmung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 39). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 11.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass das Ereignis vom 29.02.2016 als Arbeitsunfall bzw. Schulunfall anerkannt wird.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort "infolge" drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden – weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist.

Die Klägerin gehört nach § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII zum versicherten Personenkreis. Die Durchführung der von der Schule organisierten mehrtägigen Radtour gehört zum versicherten Bereich.

Ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis liegt durch das Rutschen aus dem Bett in Form des Aufpralls auf dem Boden vor. Urteil des Landessozialgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06. Mai 2014, Az. L 15 U 563/12, Rn. 32, juris:

"Dem braucht der Senat indessen – an diesem Punkt der Kausalitätsprüfung – nicht weiter nachzugehen. Dadurch, dass der Kläger auf den Fliesenboden des Bahnsteigs prallte, wurde seine körperliche Unversehrtheit verletzt. Das von außen auf den Körper einwirkende Ereignis liegt nicht nur bei einem ungewöhnlichen Geschehen, z. B. Zusammenstoß mit einer anderen Person oder einem Gegenstand, sondern auch bei einem alltäglichen Vorgang, wie etwa beim Stolpern über die eigenen Füße oder beim Aufschlagen auf den Boden vor, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (BSG, Urteil vom 17.02.2009 a. a. O.)."

Das von außen auf den Körper einwirkende Ereignis liegt also durch den Aufprall des Körpers der Klägerin auf den Boden vor. Dies hat die Beklagte auch so in ihrem Widerspruchsbescheid ausgeführt.

Zur Überzeugung der Kammer liegt jedoch dennoch hierfür kein Versicherungsschutz vor. Aus dem jurisPK, § 2 SGB VII lassen sich folgende Grundsätze zu Schulunfällen aufstellen:

Versicherungsschutz besteht grundsätzlich während des Besuchs der Schule bzw. während der Teilnahme an den benannten Maßnahmen (Rn. 170). Die Verrichtung muss im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule geschehen (Rn. 170). Außerhalb des Verantwortungsbereichs besteht in der Regel auch dann kein Versicherungsschutz, wenn diese wesentlich durch den Schulbesuch bedingt ist (Rn. 170). Zum organisatorischen Verantwortungsbereich zählen insbesondere auch Klassenausflüge und Klassenreisen (Rn. 171). Der Versicherungsschutz auf Klassenfahrten umfasst jedoch nicht jedwede Betätigung während der gesamten Dauer der Klassenfahrt, sondern ähnlich den Dienst- oder Geschäftsreisen ist unter Beachtung der Besonderheiten für Klassenfahrten zu entscheiden, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls im sachlichen Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit als Schüler steht (Rn. 171). Nicht versichert sind daher Verrichtungen, bei denen sich der Schüler rein persönlichen Tätigkeiten widmet wie Essen, Trinken und Schlafen oder einem privaten Spaziergang (Rn. 171).

Wird einem Schüler unmittelbar vor Beginn des Unterrichts schwindelig und begibt er sich deshalb in den Waschraum der Toilette, um sich zu erfrischen, steht er im Waschraum der Toilette unter Versicherungsschutz (Rn. 174). Auch ein Unfallereignis ist zu bejahen, wenn der Versicherte durch einen Sturz auf ein Waschbecken prallt und sich dadurch u.a. eine Platzwunde zuzieht (Rn. 174). Wird der Sturz aber durch eine innere Ursache wie einen Kreislaufkollaps ausgelöst, fehlt es an der für die Annahme eines Arbeitsunfalles erforderlichen "Unfallkausalität", wenn sich keine Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit auf die körperinneren Vorgänge feststellen lassen (Rn. 174 m.w.N.).

Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 22.10.2015, Az. L 10 U 2863, Rn. 27 ff.:

"Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist erforderlich (hierzu und zum Nachfolgenden BSG Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 5/04 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 4 m.w.N.), dass das Verhalten des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a SGB VII sind kraft Gesetzes versichert Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen. Dabei zählen zu den allgemeinbildenden Schulen insbesondere Schulen der allgemeinen Schulpflicht, einschließlich der Sonderschulen für Behinderte. Bei der vom Beigeladenen besuchten Heimsonderschule handelt es sich damit um eine allgemeinbildende Schule in diesem Sinn.

Wenn auch die genannte Regelung nach ihrer Formulierung auf die Versicherung von Personen (hier: Schüler) abstellt, so ist jedoch gleichwohl auch die sog. ‚Schüler-Unfallversicherung‘ tätigkeitsbezogen. Versichert ist die Tätigkeit, die mit diesem Versicherungstatbestand in einem rechtlich wesentlichen sog. sachlichen Zusammenhang steht. Ein sachlicher Zusammenhang ist bezogen auf die in Rede stehende Regelung daher in erster Linie bei Betätigungen während der Unterrichtsteilnahme eines Schülers gegeben, allerdings darüber hinaus auch in den dazwischen liegenden Pausen und bei Betätigungen im Rahmen von Schulveranstaltungen und den genannten Betreuungsmaßnahmen. Dabei ist der Schutzbereich der Schüler-Unfallversicherung enger als der Versicherungsschutz von Beschäftigten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, weil er – wie sich aus dem Wortlaut der Regelung (‚während‘) und der Entstehungsgeschichte ergibt – auf den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule beschränkt ist.

Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs besteht in der Regel auch bei Verrichtungen, die durch den Schulbesuch wesentlich bedingt sind und ihm deshalb an sich nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zuzuordnen wären, kein Versicherungsschutz (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], u.a. Urteil vom 26.10.2004, B 2 U 41/03 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 7 m.w.N.). So verneinte das BSG Versicherungsschutz für einen Schüler, der sich nach dem regulären Schulunterricht ohne schulbedingten Grund in seinem Klassenzimmer aufhielt und sich bei dem erfolglosen Versuch, einen anderen Schüler am Betreten des Klassenzimmers zu hindern, verletzte. Keine Bedeutung maß es dabei dem Umstand zu, dass das Internat, in dem dieser Schüler lebte und wohnte, im selben Gebäude untergebracht war. Denn die gesetzliche Unfallversicherung bezieht sich kraft Gesetzes auf den Besuch der allgemeinbildenden Schule, der ein Internat nicht gleichzusetzen ist (Urteil vom 27.11.1980, 8a RU 84/79 in SozR 2200 § 548 Nr 53). In Bezug auf internatsmäßig untergebrachte Schüler hat das BSG in seinem Urteil vom 24.01.1990 (2 RU 22/89, zitiert nach juris) darüber hinaus ausgeführt, dass sich deren Versicherungsschutz – ebenso wie bei Externen – regelmäßig auf solche Verrichtungen beschränkt, die mit dem Besuch der allgemein- bzw. berufsbildenden Schule in einem inneren Zusammenhang stehen und hiervon grundsätzlich der – den häuslichen Bereich ersetzende – Aufenthalt im Internat zu trennen ist. Entsprechend hat es den Versicherungsschutz des Internatsschülers verneint, der an einem schulfreien Feiertag mit weiteren im Internat verbliebenen Mitschülern einen (freiwilligen) Ganztagesausflug ins Hallenbad unternahm und dort bei der Benutzung einer Wasserrutsche verletzt wurde. Es hat dabei auch das Vorliegen besonderer Umstände, die im Einzelfall eine Zurechnung der internatsmäßigen Unterbringung zum organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule ermöglichen, verneint, weil im konkreten Fall hierdurch keine relevanten besonderen Gefahrenmomente geschaffen wurden, die den Versicherungsschutz über den dargelegten Umfang hinaus hätten erweitern können. Den Schwimmbadbesuch hat das BSG daher als rein persönliche, von der versicherten Tätigkeit nicht mehr beeinflusste Betätigung angesehen.

Soweit die Beklagte im vorliegenden Fall den Versicherungsschutz des Beigeladenen gleichermaßen mit der Begründung verneinte, der Beigeladene habe mit dem Inhalieren ein rein persönliches Bedürfnis befriedigt, weil diese gesundheitsfördernde Maßnahme auf die Besserung seiner Erkrankung zielte, ist zwar zutreffend, dass die unfallbringende Verrichtung ebenso wie Essen, Trinken und Schlafen eine überwiegend persönlichen Bedürfnissen dienende Tätigkeit darstellt, die grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt und ausnahmslos, wie das BSG in seiner Entscheidung vom 05.10.1995 (2 RU 44/94 in SozR 3-2200 § 539 Nr. 34) deutlich gemacht hat. Denn unter Heranziehung der zur Frage des Versicherungsschutzes auf Dienst- und Geschäftsreisen entwickelten Grundsätze, hat es ausgeführt, dass betriebsbedingte Umstände bei der Befriedigung des Schlafbedürfnisses durchaus im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen können. Erforderlich ist dabei allerdings eine über eine bloße raum-zeitliche Verursachung hinausgehende Gefährdung durch die Erwerbstätigkeit/Schulausbildung. Dementsprechend könne – so das BSG (a.a.O.) – ein Schüler bei einer Klassenfahrt während der Nachtruhe nicht schlechthin als unversichert erachtet werden, auch wenn er beispielsweise durch einen nächtlichen Brand in der Jugendherberge (vgl. BSG SozR Nr. 3 zu § 548 RVO) zu Schaden kommt oder während eines Schulausflugs im Schlaf aus dem oberen Bett eines Stockbettes stürzt. Anknüpfend hieran hat das BSG in seiner Entscheidung vom 26.10.2004 (a.a.O.) ausgeführt, dass neben den auch bei Dienstreisen von erwachsenen Beschäftigten zu berücksichtigenden besonderen Gefahren z.B. der Unterkunft im Rahmen der Schüler-Unfallversicherung gerade auch die Gefahren zu berücksichtigen sind, die sich aus unzureichender Beaufsichtigung oder dem typischen Gruppenverhalten von Schülern oder Jugendlichen ergeben."

Das Bundessozialgericht stellt in seinem Urteil vom 05. Oktober 1995, Az. 2 RU 44/94, Rn. 15, folgende Grundsätze auf:

"Zu den vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfassten Veranstaltungen gehört auch - wie hier - die unter schulischer Aufsicht durchgeführte Klassenfahrt nach Münster (BSG SozR Nr 3 zu § 548 RVO sowie Urteil vom 31. März 1976 - 2 RU 287/73 - = USK 7629; Brackmann aaO S 483n mwN). Der Versicherungsschutz bestand indes nicht, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, schlechthin während der gesamten Dauer der Klassenfahrt für jedwede Betätigung der Reiseteilnehmer. Entsprechend der Rechtsprechung des Senats zur Frage des Versicherungsschutzes auf Dienst- oder Geschäftsreisen, die unter Beachtung einiger Besonderheiten auch für Klassenreisen der in § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst b RVO angeführten Personen heranzuziehen ist (BSG SozR Nr 3 zu § 548), ist der Versicherungsschutz jedenfalls dann zu verneinen, wenn sich die betreffende Person rein persönlichen, von der versicherten Tätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widmet (BSG Urteil vom 25. Januar 1977 - 2 RU 50/76 - = HVGBG Rdschr VB 171/81). Ausgenommen vom Versicherungsschutz bleiben außerhalb der eigentlichen Gemeinschaftsveranstaltungen wie Stadtbesichtigungen, gemeinsamer Sport oder Spiele auch bei der hier vorliegenden Fallgestaltung grundsätzlich überwiegend persönlichen Bedürfnissen dienende Verrichtungen wie Essen, Trinken und Schlafen. Betriebsbedingte (hier durch die Klassenfahrt bedingte) Umstände bei der Befriedigung des Schlafbedürfnisses können aber auch durchaus im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Das erfordert allerdings eine über eine bloß raum-zeitliche Verursachung hinausgehende Gefährdung durch die Erwerbstätigkeit/Schulausbildung (s Österr. OGH SSV nF Bd 5 Nr 13). Dementsprechend widerspräche es auch einer lebensnahen Betrachtungsweise, den Schüler bei einer Klassenfahrt während der Nachtruhe schlechthin als unversichert zu erachten, auch wenn er beispielsweise durch einen nächtlichen Brand in der Jugendherberge zu Schaden kommt (s BSG SozR Nr 3 zu § 548 RVO) oder während eines Schulausflugs im Schlaf aus dem oberen Bett eines Stockbettes stürzt (Österr. OGH aaO). Auch in diesen Fällen ist darauf abzustellen, ob ein wesentlicher innerer Zusammenhang mit der Klassenfahrt bestand oder ob – auf den vorliegenden Fall bezogen – das Verhalten der beteiligten Schüler in einem solchen Zusammenhang mit der Klassenfahrt stand (s BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 22)."

Die Klägerin steht zwar grundsätzlich auf der Klassenfahrt in Form einer mehrtägigen Radtour der G-AG als Schülerin unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Aber nicht jede Tätigkeit auf dieser Fahrt ist vom Versicherungsschutz umfasst. Wenn es sich um rein persönliche, von der versicherten Tätigkeit nicht mehr beeinflussbare Belange handelt, liegt kein Versicherungsschutz vor. Allein vom Ablauf her handelt es sich aber schon nicht um eine vom Versicherungsschutz umfasste Tätigkeit. Sowohl das Fertigmachen im Zimmer als auch das Holen des Rucksacks bzw. des Schals sind rein private Tätigkeiten. Das Setzen auf das Bett um sich von dem Krampfanfall bzw. dem Verkrampfen zu erholen ist ebenfalls eine rein private Tätigkeit der Gesundheitsfürsorge. Essen, Trinken und Schlafen sind vom Versicherungsschutz ausgenommen, da es sich um eine den persönlichen Bedürfnissen dienende Tätigkeit handelt. Betriebsbedingte Umstände, die zur Herstellung eines inneren Zusammenhanges dienen könnten, kann die Kammer nicht erkennen und sind auch nicht vorgetragen. Allein die Abwesenheit von Zuhause und der gewohnten Umgebung führt nicht zur Annahme besonderer betriebsbedingter Umstände, auch nicht in Kenntnis der Behinderung der Klägerin. Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorhandensein der Wand des Nachttisches und der Wand neben dem Bett der Klägerin.

Nimmt die Kammer Bezug auf die eingereichten Fotos (Blatt 183 f., 191 ff. der Gerichtsakte), kann keine besondere Gefahr erkannt werden. Denn die Betten sind beide etwa gleich niedrig. Insofern ist der Sturz auch nicht durch eine andere Höhe oder gar durch ein Stockbett verursacht worden.

Die Angaben der Zeugin bestätigen dies. Denn die Zeugin hat die Klägerin sicher auf das Bett gesetzt. Dies korrespondiert mit den Angaben der Mutter der Klägerin, die von einem sicheren Sitz ihrer Tochter spricht. Insofern hat die Zeugin ausweislich ihrer Vernehmung auch auf einen sicheren Sitz der Klägerin geachtet, also nicht nur knapp an der Kante sitzend.

Eine besondere Gefahr ergibt sich auch nicht aus den beengteren räumlichen Verhältnissen in der Jugendherberge als zu Hause. Zudem ist die Klägerin ja auch nicht wegen der an der Wand stehenden Taschen oder Koffer "erschrocken", sondern fest und sicher auf dem Bett sitzend vom Bett gerutscht.

Der Nachttisch könnte zwar eine Abweichung von den Verhältnissen zu Hause darstellen. Aber die Zeugin hat glaubhaft und glaubwürdig dargestellt, dass die Klägerin nicht auf den Nachttisch gefallen ist. Vielmehr sei die Klägerin in Richtung Wand gefallen, auf ihre rechte Seite, ohne den Nachttisch zu berühren.

Sowohl nach den Angaben der Betreuerin im Verwaltungsverfahren als auch nach den Einschätzungen von Dr. D. ist die Klägerin wohl nicht infolge eines Krampfanfalles vom Bett gerutscht. Dieser schien vorüber zu sein – wenn überhaupt einer stattgefunden hat. Denn die Zeugin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass sie sich erschrocken hat und deswegen instabil geworden sei bzw. sich verkrampft habe. Allerdings lässt sich mit der für den Vollbeweis erforderlichen Gewissheit nicht sagen, warum die Klägerin vom Bett gerutscht ist. Dies ist unter Berücksichtigung der Annahme eines Unfallereignisses durch den Aufprall auf den Boden auch nicht entscheidend. Jedoch fehlt es wie oben ausgeführt bei dem Geschehen an der Realisierung einer dem Schutzzweck der Schülerversicherung entsprechenden Gefahr.

Die Kammer sieht auch keine Verletzung von Aufsichtspflichten, da die Klägerin quasi neben ihrer Betreuerin sitzend von Bett gerutscht ist, welche als persönliche Assistenz vom Landkreis Fulda finanziert und gestellt wird. Diese ist auch vertraut im Umgang mit der Klägerin gewesen.

Zur Überzeugung der Kammer kann nicht nachgewiesen werden, dass eine konkrete versicherte Verrichtung im Unfallzeitpunkt zumindest wesentlich mitursächlich für den Sturz vom Bett gewesen ist. Es lässt sich nicht mit der für die haftungsbegründende Kausalität erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die zur Zeit des Unfalls konkret verrichtete Tätigkeit, das bloße abwartende Sitzen auf dem Bett, ohne Hinzutreten eines weiteren betriebsbezogenen Umstandes wesentlich ursächlich oder mitursächlich für den Sturz auf das Gesicht gewesen ist. Das vorherige Sitzen auf dem Bett ist aufgrund eines zuvor erlittenen Krampfanfalls bzw. einer Verkrampfung erfolgt und nicht wegen betrieblicher Umstände.

Im Übrigen nimmt die Kammer Bezug auf den Widerspruchsbescheid vom 02.02.2016, § 136 Abs. 3 SGG.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für die Klägerin gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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