L 13 AL 3808/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 3747/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3808/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erteilt ein Bezieher von Arbeitslosenhilfe der Post einen Lagerungsauftrag, demzufolge Postsendungen für die Dauer längerfristiger Abwesenheit ( längstens bis zu zwei Monaten ) nicht zugestellt oder ausgehändigt werden, sondern am Zustellstützpunkt außerhalb der Postfiliale verbleiben, kann der Arbeitslose beruflichen Eingliederungsvorschlägen des Arbeitsamtes nicht mehr zeit- und ortsnah Folge leisten, sodass er keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe mehr hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosenhilfe (Alhi) vom 10. Juni bis 2. August 1999 und die Pflicht zur Erstattung von DM 1.310,05.

Der 1968 geborene Kläger, der über einen Berufsabschluss als Trockenbaumonteur verfügt, stand zuletzt bis Mai 1992 in einer Beschäftigung. Anschließend bezog er Arbeitslosengeld, für die Dauer einer Bildungsmaßnahme Unterhaltsgeld und seit 21. November 1996 im wesentlichen durchgängig Alhi. Der wöchentliche Leistungssatz betrug seit Anfang 1999 (letzter den Bewilligungsabschnitt vom 21. November 1998 bis 20. November 1999 erfassender Bescheid vom 3. Dezember 1998 und Anpassungsbescheid vom 5. Januar 1999) bei einem Bemessungsentgelt von DM 720 sowie Leistungsgruppe A/1 DM 262,01; hiervon wurden DM 55,16 zugunsten eines unterhaltsberechtigten Kindes abgezweigt.

Nachdem der Kläger einer Aufforderung des Arbeitsamts F. (ArbA), sich am 14. Juli 1999 zu melden, sowie einem weiteren Meldetermin nicht nachgekommen war, hob das ArbA durch Bescheid vom 22. Juli 1999 die Bewilligungsentscheidung ab 15. Juli 1999 für die Dauer von (mindestens) sechs Wochen auf. Mit seinem Widerspruchsschreiben (Eingang 13. August 1999) machte der Kläger geltend, seine Post sei "versehentlich gelagert" worden; er fügte eine Bestätigung der Deutschen Post AG F. vom 10. August 1999 bei, die Briefsendungen seien vom 09. Juni bis 09. August 1999 beim Zustellstützpunkt gelagert und nach Ablauf der Lagerfrist an die Ausgabefiliale weitergegeben worden. Am 20. August 1999 erläuterte der Aussteller der Bestätigung telefonisch gegenüber dem ArbA, der Kläger habe einen Postlagerungsauftrag eingerichtet, was den Zugriff auf die Postsendungen nach einer Ankündigungszeit von einem Tag ermögliche. Zur Begründung des zurückweisenden Widerspruchsbescheids vom 27. August 1999 wurde dargelegt, es müsse zu Lasten des Klägers gehen, wenn dieser vom Inhalt von Meldeaufforderungen wegen des Postlagerungsauftrages nicht habe Kenntnis nehmen können. Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg (S 7 AL 2623/99) trug der Kläger im wesentlichen vor, er habe tatsächlich wegen Schwierigkeiten mit seinem im selben Haus wohnenden Bruder am 9. Juni 1999 beim Postamt G. einen Postlagerungsauftrag erteilt. Während dessen Laufzeit habe es freilich aufgrund von Umbauarbeiten bei den Postdienststellen Pannen gegeben, so dass ihm bei seinen nahezu täglichen Nachfragen nie Posteingänge ausgehändigt worden seien. Die Deutsche Post AG erläuterte auf Anfrage des Sozialgerichts mit Schreiben vom 17. Dezember 1999, bei einem Lagerungsauftrag sei eine tägliche Abholung nicht vorgesehen; vielmehr hätte eine Zustellung "postlagernd" beantragt werden müssen. Günstig wäre im vorliegenden Fall freilich ein Postfach gewesen. Der Kläger machte geltend, hierüber sei er nicht beraten worden. Die Beklagte anerkannte einen Fall besonderer Härte und verkürzte die Säumniszeit (Ausführungsbescheid vom 15. März 2000) auf drei Wochen vom 15. Juli bis 4. August 1999. Die im übrigen fortgeführte Klage wies das Sozialgericht durch Urteil vom 29. Juni 2000 ab. Der Kläger habe sich nicht entsprechend sachkundig gemacht, welche Zustellform die unverzügliche Kenntnis von Meldeaufforderungen garantiere. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Während dieses Klageverfahrens hatte das ArbA durch Schriftsatz vom 26. Mai 2000 auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht und den Kläger dazu angehört, dass die Einrichtung des Postlagerungsauftrags am 9. Juni 1999 den Wegfall der Erreichbarkeit ab dem folgenden Tag herbeigeführt habe. Der Kläger äußerte sich mit Schreiben vom 28. Juni 2000, bei falscher Beratung seitens der Post könne ihm grobe Fahrlässigkeit nicht vorgehalten werden. Immerhin sei im selben Zusammenhang die Säumniszeit von sechs auf drei Wochen verkürzt worden. Durch Bescheid vom 22. September 2000 hob das ArbA die Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 10. Juni bis 2. August 1999 (Tag vor erneuter Arbeitslosmeldung) auf. Der Kläger sei wegen des Postlagerungsauftrags nicht erreichbar gewesen. Der bis 14. Juli 1999 gezahlte Betrag von DM 1.310,05 sei zu erstatten. Mit dem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, hätte er wirklich einen Postlagerungsauftrag erteilen wollen, hätte er nicht täglich nach Post gefragt; er sei mangelhaft oder falsch beraten worden. Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 15. November 2000. Wesentlich sei die Verletzung der im Merkblatt für Arbeitslose dargelegten Pflicht, jederzeit unter der Wohnanschrift persönlich erreichbar zu sein und dort von Briefsendungen täglich persönlich und ohne Verzögerungen Kenntnis nehmen zu können.

Mit der am 14. Dezember 2000 zum Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Ihn treffe jedenfalls kein grobes Verschulden. Im übrigen habe das ArbA im Bescheid vom 22. September 2000 nicht die einjährige Handlungsfrist gewahrt, nachdem ihm die Auskunft der Post über den Postlagerungsauftrag bereits im August 1999 bekannt geworden sei. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Handlungsfrist sei nicht verstrichen gewesen, nachdem im August 1999 längst nicht alle maßgeblichen Tatsachen bekannt gewesen seien. Im übrigen hätte sich aufdrängen müssen, dass der Postlagerungsauftrag keine persönliche Erreichbarkeit mehr garantiere. Auch sei die Säumniszeit dem Grunde nach berechtigt gewesen. Durch Urteil vom 26. Juli 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bezüglich der Handlungsfrist sei hinreichende Klärung frühestens im Dezember 1999 geschaffen worden. Grobe Fahrlässigkeit des Klägers sei zu bejahen. Briefpost müsse direkt zur bekannten Wohnanschrift ausgeliefert werden können. Dies sei aus dem Merkblatt für Arbeitslose und den Hinweisen zum Lagerungsauftrag erkennbar. Schließlich hätte nach mehreren vergeblichen Anfragen auffallen müssen, dass keine Postsendungen vorlagen.

Gegen das am 6. August 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. September 2001 schriftlich beim Sozialgericht Berufung eingelegt. Er verbleibt dabei, es habe offensichtlich ein Missverständnis vorgelegen, indem ihm ein Postlagerungsauftrag empfohlen worden sei. Er sei davon ausgegangen, dass er seine Post jederzeit würde abholen können. Mithin sei er um seine tägliche Erreichbarkeit und Verfügbarkeit bemüht gewesen. Bezüglich der Einhaltung der Handlungsfrist sei darauf zu verweisen, dass bereits im August 1999 von einem Postlagerungsauftrag die Rede gewesen sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juli 2001 und den Bescheid vom 22. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, der Kläger müsse sich entgegenhalten lassen, unbesehen den Postlagerungsauftrag als die Erreichbarkeit gefährdende Zustellform eingerichtet zu haben. Auch die Handlungsfrist sei gewahrt. Der Sachverhalt habe abschließend geklärt und der Kläger angehört werden müssen. Die Frist habe frühestens im Dezember 1999 begonnen.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten (zuzüglich des Verfahrens S 7 AL 2623/99) und der Leistungsakten des ArbA Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden des ArbA die Bewilligungsentscheidung über Alhi (Bescheide vom 3. Dezember 1998 und 5. Januar 1999) zu Recht wegen Wegfalls der Erreichbarkeit ab 10. Juni 1999 aufgehoben und den bis 14. Juli 1999 noch geleisteten Betrag von DM 1.310,05 zur Erstattung gefordert hat.

Rechtsgrundlage für die Teilaufhebung der Bewilligungsbescheide ist § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Abs. 1 Satz 1). Dies hat - rückwirkend - ab dem Zeitpunkt dieser Änderung zu erfolgen, soweit unter anderem (Abs. 1 Satz 2 Nr. 4) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Insoweit ist entgegen § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ("soll") nach § 330 Abs. 3 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) auch in atypischen Fällen keine Ermessensausübung geboten.

Die Bewilligungsentscheidung über Alhi ist aus den im folgenden darzulegen Gründen mit dem Tag nach der Einrichtung des Lagerungsauftrags am 9. Juni 1999 wegen einer Änderung der Verhältnisse, die den Anspruch bis zu einem gegenteiligen Akt - hier frühestens die Meldung beim ArbA am 3. August 1999 - hat entfallen lassen, rechtswidrig geworden. Die Verfügbarkeit im Sinne von § 119 SGB III war weggefallen. Ebenso war der Kläger grob fahrlässig dahingehend, dass eine wesentliche Voraussetzung des Anspruchs nicht mehr erfüllt war.

Gemäß § 198 Satz 1, 2 in Verbindung mit § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die arbeitslos sind. Zur Arbeitslosigkeit gehört die Beschäftigungssuche (vg1. § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Eine Beschäftigung sucht, wer den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Dazu gehört, wer arbeitsfähig ist (Abs. 2). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser, der Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (Abs. 3 Nr. 3). Letzterer Tatbestand ist in der aufgrund §§ 152 Nr. 2, 376 Abs. 1 Satz 1 SGB III vom Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit erlassenen Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997, ANBA 1997 Seite 1685 dahingehend konkretisiert worden, dass (dort § 1 Abs. 1 Nr. 1) der Arbeitslose in der Lage sein muss, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen. Der Arbeitslose hat deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann (Abs. 1 Satz 2).

Es kann dahinstehen, ob eine Behandlung der Sendungen als "postlagernd" (vgl. hierzu Kennzahl 154 Abs. 1 bis 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG) oder die Einrichtung eines Postfachs den Anforderungen von § 1 der Erreichbarkeits-Anordnung genügt. Unabdingbar ist, dass dem Arbeitsamt die Anschrift der tatsächlich bewohnten Wohnung bekannt ist und mit dieser Anschrift adressierte Sendungen den Arbeitslosen dort erreichen; dieser muss in der Lage sein, an jedem Werktag nach Eingang der Briefpost an dieser bekannten Anschrift von etwaigen Mitteilungen Kenntnis nehmen zu können. Demgemäß ist die Verfügbarkeit bei Stellung eines Nachsendungsantrags nach Umzug selbst dann entfallen, wenn Mitteilungen noch am selben Tag zugehen (vgl. eingehend, auch zur Ermächtigungskonformität der zitierten Regelungen Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-4300 § 119 Nr. 3 und 4). Den Anforderungen könnte - jedenfalls in Absprache mit dem Arbeitsamt - eine Behandlung als "postlagernd" möglicherweise dann genügen, wenn tägliche Nachfrage nachgewiesen ist (vgl. auch zum Postfach Senatsbeschluß vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4200/02 ER-B - nicht veröffentlicht). Der Kläger hat aber einen "Lagerungsauftrag" erteilt (vgl. im einzelnen Auskunft vom 17. Dezember 1999 im Verfahren S 7 AL 2623/99 mit Anlage), Kennzahl 154 Abs. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG), also einen Auftrag dahingehend gewählt, dass Postsendungen für die Dauer längerfristiger Abwesenheit - längstens bis zu zwei Monaten - nicht zugestellt oder ausgehändigt werden, sondern am Zustellstützpunkt außerhalb der Postfiliale verbleiben, sofern nicht der Auftrag als ganzer vorzeitig gekündigt wird. Aus diesem Grund hat der Kläger, der den Auftrag auch nicht widerrufen hat, zwei Monate lang überhaupt keine Postsendung erhalten können. Die zu Beginn des Verfahrens gegebenen Erklärungen, es habe sich um ein Versehen im Einzelfall oder aufgrund besonderer Umstände (Umbauarbeiten) gehandelt, sind danach widerlegt; vielmehr ist der Auftrag zutreffend behandelt worden. Der Kläger war während der streitigen Zeit postalisch nicht erreichbar.

Hiervon hatte er auch aufgrund grober Fahrlässigkeit Unkenntnis. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X setzt eine Sorgfaltspflichtsverletzung hohen Ausmaßes voraus. Ganz naheliegende Überlegungen müssen nicht angestellt worden sein (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff unter Berücksichtigung der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit und des Einsichtsvermögens des Betroffenen, vgl. insbesondere BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Der Kläger hat offensichtlich sein Anliegen, eingehende Post täglich abholen zu wollen und zu können, nicht mit einem Mindestmaß von Deutlichkeit vorgetragen; die tägliche Erreichbarkeit als zentrale Verpflichtung des Arbeitslosen ist in allen Fassungen des jeweils bei der Antragstellung unterschriftlich bestätigt ausgehändigten und zur Kenntnis zu nehmenden "Merkblatts für Arbeitslose" deutlich genannt. Hätte er sich hierum bemüht, wäre mit Sicherheit die naheliegende richtige Zustellform "postlagernd" gewählt worden. Dass dies nicht geschehen ist, hätte sich auch bei einigermaßen sorgfältiger Lektüre des Formulars der Post (vorgelegt mit der Auskunft vom 17. Dezember 1999) erschließen lassen. Hierin ist vermerkt, die Sendungen müssten spätestens drei Tage nach Ablauf der Lagerzeit von zwei Monaten beim zuständigen Zustellstützpunkt - nicht jedoch bei der Postfiliale - abgeholt werden. Das Antwortschreiben auf den Auftrag enthält die Bestätigung, es werde entsprochen, Briefsendungen "während der Dauer Ihrer Abwesenheit lagern zu lassen". Weiter hätte sich der Kläger, nachdem über mehrere Tage Posteingänge nicht mehr zu verzeichnen waren, um konkrete Aufklärung bemühen müssen. Mit Sicherheit wäre dann ermittelt worden, dass der "Lagerungsauftrag" die ungeeignete Form darstellte, sich den aktuellen Zugang zu den Sendungen zu sichern. Die durch ein hohes Maß an Interesselosigkeit gekennzeichnete Gleichgültigkeit, sich nicht einigermaßen eindeutig über die gewünschte Zustellform zu artikulieren und beraten zu lassen, vermag der Kläger nicht abzuwälzen.

Entgegen der Meinung des Klägers ist auch die einjährige Handlungsfrist nach § 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X als erfüllt anzusehen. Die kursorischen Mitteilungen der Deutschen Post AG über einen "Postlagerungsauftrag" während des Widerspruchsverfahrens über die Säumniszeit (zuletzt Telefonat vom 20. August 1999), die im wesentlichen auf die Ermittlung des Postzugangs im Rahmen der Säumniszeitprüfung hinzielten, waren nicht geeignet, die Frage der Erreichbarkeit insgesamt und insbesondere der subjektiven Voraussetzungen für die hier angefochtene Aufhebungsentscheidung tragfähig zu prüfen. Hierzu bedurfte es der - vom Sozialgericht eingeleiteten - Ermittlungen, die im Schreiben der Deutschen Post AG vom 17. Dezember 1999 ihren Ausdruck gefunden haben. Frühestens dann war sichere und vollständige Kenntnis der Tatsachen ermöglicht, welche die Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigten (vgl. insbesondere BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 27). Ob es dann, wie in der zitierten Entscheidung dargelegt und von der Beklagten in Bezug genommen, auch noch auf die Einleitung des Anhörungsverfahrens ankommt, ist hier nicht zu entscheiden, nachdem das ArbA innerhalb Jahresfrist gehandelt hat.

Der gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 zu erstattende Betrag von DM 1.310,05 (35 Kalendertage zu DM 37,43) - jetzt EUR 669,82 - ist richtig berechnet. Über die Modalitäten der Erstattung ist hier nicht zu befinden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Rechtskraft
Aus
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