S 1 U 62/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 62/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 715/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Austräger, die die Zeitschrift "V" verteilen, beitragspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung sind.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der u.a. die wöchentlich erscheinende Zeitschrift "V" herausgibt und vertreibt. Der Vertrieb erfolgt auf zwei Wegen: ein Teil der Zeitschriften wird per Post an die Abonnenten versandt, ein anderer Teil wird über die Kirchengemeinden als "Verteilstellen" vertrieben. In diesem Fall holen die Zusteller die Zeitungen bei den Kirchengemeinden ab und werfen sie in die Briefkästen der Abonnenten.

Am 18.10.2010 stürzte die Zustellerin der Zeitschrift "V" Frau X beim Verteilen der Zeitschrift und zog sich dabei eine Verletzung am linken Ellenbogen zu. Der Kläger meldete der Beklagten diesen Unfall, vertrat aber gleichzeitig die Auffassung, seiner Meinung nach bestehe kein Arbeitsverhältnis zu der Verletzten. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag liege nicht vor, die Zustellerin arbeite nicht weisungsgebunden. Sie erhalte pro Quartal eine Rechnung, die sie an den Kläger begleiche. Der eingeräumte Rabatt sei quasi der Verdienst.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Zustellerin auf Anerkennung des Ereignisses vom 18.10.2010 als Arbeitsunfall zunächst mit Bescheid vom 14.06.2011 ab, hiergegen legte die Zustellerin jedoch Widerspruch ein und trug vor, sie habe anlässlich ihrer Beschäftigung von dem Kläger einen "Leitfaden" bekommen. Dort heiße es unter dem Punkt "Unfall" wie folgt: "Als unser Partner oder unsere Partnerin und ehrenamtlicher Mitarbeiter bzw. ehrenamtliche Mitarbeiterin Ihrer Kirchengemeinde sind Sie gegen Unfälle, die Ihnen während Ihrer Tätigkeit für V zustoßen könnten, versichert." Dazu übersandte die Zustellerin der Beklagten einen von dem Chefredakteur der Zeitung "V" herausgegebenen "Leitfaden für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im UK-Zustelldienst".

Der Kläger vertrat der Beklagten gegenüber daraufhin mit Schreiben vom 02.08.2011 die Auffassung, zwischen der Zustellerin Frau X und dem F e.V. habe zu keiner Zeit ein Arbeitsverhältnis bestanden. Frau X habe ihre Leistung ausschließlich in selbstständiger Form erbracht. Schriftliche Unterlagen darüber lägen nicht vor. Frau X habe die Wochenzeitung, die jeweils mittwochs oder donnerstags ausgeliefert worden sei, bis zum Wochenende an die Leser verteilen sollen. Einen exakten Termin für die Auslieferung habe es nicht gegeben. Bei Urlaubs- oder Krankheitssituationen habe es lediglich eine Informationspflicht gegenüber dem Presseverband gegeben. Eine Verpflichtung, einen Urlaubsantrag zu stellen, wie bei einem Arbeitsverhältnis üblich, habe nicht bestanden. Bei der Verteilertätigkeit handele es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit innerhalb der jeweiligen Kirchengemeinde. Der Hinweis auf die Unfallversicherung im Leitfaden beinhalte im Übrigen auch, dass der Kirchengemeinde der Unfall zu melden sei. Der Versicherungsschutz bestehe also über die Kirchengemeinde, nicht über den Ev. Presseverband. Kontroll- oder ggf. Sanktionsmöglichkeiten habe es nicht gegeben, Frau X sei völlig autonom in ihrem Handeln gewesen.

Mit Bescheid vom 14.09.2011 half die Beklagte dem Widerspruch von Frau X ab und erkannte ihren Unfall vom 18.10.2010 als Arbeitsunfall an.

Mit Bescheid vom 06.02.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Leistungsabteilung habe über einen Unfall informiert, den eine Zeitungsausträgerin des F e.V. erlitten habe. Hierbei sei festgestellt worden, dass diese Person nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII abhängig Beschäftigte des Vereins sei und somit unter dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz stehe. Gem. § 150 SGB VII habe der Kläger hierfür ebenfalls Beiträge an die Beklagte zu entrichten. Darüber hinaus heißt es in dem Bescheid: "Demnach stellen wir Ihre Beitragspflicht auch für diesen versicherten Personenkreis fest." Der Beklagte wurde in dem Bescheid außerdem gebeten, die Entgelte ab dem Kalenderjahr 2006 bis 2011 nachträglich zu melden, damit eine Beitragsnachberechnung durchgeführt werden könne.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Verteilung der Wochenzeitschrift "V" finde einerseits durch die Post statt (Einzelbezieher), andererseits durch Boten. Diese Boten würden im Regelfall durch die jeweilige Kirchengemeinde eingesetzt und auf jeden Fall über die Kirchengemeinde abgesichert. Die Anzahl der Boten sowie die Namen seien dem Kläger bis auf Ausnahmen nicht bekannt. Es werde weiter davon ausgegangen, dass es sich dabei nicht um eine abhängige Beschäftigung handele.

Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin einen Fragenkatalog, aufgrund dessen der Kläger der Beklagten unter anderem mitteilte, im April 2012 würden 14.346 Exemplare der Wochenzeitung "V" einmal pro Woche verteilt. Der Versand der Zeitungen erfolge an ca. 520 Verteilstellen (regelmäßig Kirchengemeinden; darin enthalten seien aber auch Krankenhäuser und Justizvollzugsanstalten, die Exemplare ohne Berechnung erhielten). Die Verteilstellen/Kirchengemeinden organisierten die Verteilung der Zeitung durch ehrenamtliche Austräger eigenständig und eigenverantwortlich. Auf die Zuweisung der Bezirke habe der Kläger keinen Einfluss und erhalte auch keine Kenntnis darüber. Aus diesen Gründen sei dem Kläger nicht bekannt, wie hoch die Zahl der Austräger der Zeitungen sei und welchem Austräger welcher Bezirk zugeteilt sei. Die Kirchengemeinden erhielten pro Zeitschrift "V" pro Monat einen Gemeinderabatt in Höhe von 1,15 EUR. Wie die Gemeinden diesen Rabatt einsetzten, sei ihnen überlassen und dem Kläger unbekannt. Die Abonnenten bezahlten die Abonnements durch Kassieren an der Haustür, durch Lastschrift oder durch Überweisung bzw. Dauerauftrag an die Gemeinden. Ansprechpartner seien die Kirchengemeinde und ihnen würden Kündigungen von dem Kläger mitgeteilt, und neue Abonnenten, d.h. Zu- und Abgänge, mitgeteilt. Es gebe bei dem Kläger keine Kundenlisten. Der Kläger habe nur Kenntnis über die an die Kirchengemeinden zu lieferende Stückzahl der Zeitungen. Ansprechpartner des Klägers seien die Kirchengemeinden. Wer die Zeitungen austrage, sei nicht bekannt. Die Verteilstelle sei dafür zuständig, die pünktliche und regelmäßige Zustellung der Zeitung an die Kunden zu gewährleisten. Wenn dies nicht sichergestellt sei, gebe es für die Verteilstelle die Möglichkeit, Kunden auf Postbezug umstellen zu lassen, welche dann direkt durch den Kläger beliefert würden.

Die Beklagte richtete daraufhin eine weitere Anfrage an die Ev.-ref. Kirchengemeinde I, die dem Kläger mit Schreiben vom 29.05.2012 mitteilte, die Vertreterin der Wochenzeitschrift "V" arbeite eigenverantwortlich mit dem Presseverband zusammen, sodass zu den meisten Fragen keine Auskunft erteilt werden könne. Es habe vor einigen Jahren eine Werbeaktion für die Zeitschrift "V" stattgefunden, die die Ev.-ref. Kirchengemeinde I durch Auslage von Werbematerial unterstützt habe. Die dadurch neu gewonnenen Abonnenten hätten sich direkt beim Presseverband gemeldet und seien der Verteilerin von dort mitgeteilt worden. In anderen Kirchengemeinden werde dies ggf. anders gehandhabt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2012 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.02.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und den Zeitungsausträgern festgestellt. Die maßgeblichen Kriterien sprächen alle für ein Beschäftigungsverhältnis. Gegen eine selbständige Tätigkeit spreche, dass zwischen dem Kläger und den Zustellern ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Die Zusteller seien in das Unternehmen des Klägers eingegliedert, d.h. in die Arbeitsorganisation des Klägers eingeordnet und auf das Material des Klägers angewiesen, denn ohne die Wochenzeitschrift "V" und die Zustellbezirke könnten die Austräger ihre Arbeit nicht verrichten. Sie seien deshalb in die Struktur, Organisation und Logistik eingebunden. Zudem seien die Zusteller den Weisungen des Klägers unterworfen. Die Weisungsbefugnis, die der Arbeitgeber in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis habe, erstrecke sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung. Dagegen sei jemand selbstständig tätig, wer über die eigene Arbeitskraft bzw. Arbeitsort und Arbeitszeit im Wesentlichen frei verfügen könne. Diese Merkmale lägen hier nicht vor. Denn der Kläger gebe den Zustellern vor, in welchem Bezirk sie an wen und wann die Zeitungen liefern müssten (vgl. Leitfaden zur Verteilung "V"). Insofern bestehe eine enge Bindung an den Ort der Arbeitsleistung. Zwar seien die Austräger hinsichtlich Zeit und Dauer der Arbeitsleistung freier als (klassische) abhängig Beschäftigte, in dem der Arbeitgeber die (Kern)Arbeitszeit einseitig festlege und die Arbeitsleistung einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden verlange. Dennoch gebe der Kläger den Austrägern vor, dass die Zeitschrift möglichst bis Donnerstag verteilt sein müsse. Außerdem seien die Zusteller keinem Unternehmerrisiko ausgesetzt. Denn ein Unternehmerrisiko gehe nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur derjenige ein, der eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit Verlustgefahr einsetze. Dies sei bei dieser Zustellertätigkeit aber nicht der Fall. Die Zusteller könnten nicht durch verstärkten eigenen Arbeitseinsatz, vermehrte Verwendung von Hilfskräften oder sachlichen Mitteln, höheren Werbeaufwand das wirtschaftliche Ergebnis ihrer Tätigkeit uneingeschränkt steigern und entsprechende Risiken auf sich nehmen. Zudem bestimmten die Austräger nicht selbst ihre Vergütung. Vielmehr entlohne der Kläger die Austräger geringfügig, sodass dies für das Eingehen eines echten unternehmerischen Wagnisses kaum geeignet scheine. Schließlich werde die Zustellertätigkeit typischerweise in einem Beschäftigungsverhältnis und nicht im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt, wie schon das Reichsversicherungsamt entschieden habe. Dieses habe Zeitungsausträger als unselbständig angesehen, wenn der Verlag ihnen den zu liefernden Bezirk und den Bezieherkreis zuweise, direkt oder indirekt Weisungen über die Zeit der Zustellung erteile, die Austräger das Abonnentenentgelt als Boten des Verlags einzögen und der Verlag das Verlustrisiko trage. Kein Zeichen einer selbstständigen Tätigkeit liege vor, wenn sich das Entgelt nach den verteilten Exemplaren berechne, die Austräger neue Bezieher gegen Provision werben könnten und Hilfskräfte beschäftigen dürften. Im Rahmen der Gesamtabwägung überwögen die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen.

Hiergegen hat der Kläger am 18.10.2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, in dem Bescheid vom 06.02.2012 fehle jedwede Begründung für die Auffassung der Beklagten. Der Bescheid lasse sich auch an Unbestimmtheit kaum überbieten. Soweit in dem Bescheid ausgeführt worden sei, es werde "die Beitragspflicht auch für diesen versicherten Personenkreis festgestellt", sei nicht klar, welcher "versicherte Personenkreis" überhaupt gemeint sei. Der Bürger, hier der Kläger, müsse wissen, welchen Regelungsinhalt der Verwaltungsakt habe. Das könne man bei dem hier streitigen Verwaltungsakt der Beklagten vom 06.02.2012 auch nicht annähernd feststellen. Der Bescheid sei auch nicht auslegungsfähig. Auch unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2012 werde der Umfang des Verwaltungshandelns nicht klarer. Darüber hinaus liege kein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis vor. Die Zusteller stünden nicht einem "persönlichen Abhängigkeitsverhältnis" zum Kläger. Die Zusteller seien nicht in die Organisation und Struktur des Klägers eingegliedert. Die Beklagte scheine dies allein aus dem Umstand schließen zu wollen, dass die Zusteller die von dem Kläger hergestellte Zeitschrift verteilten, also das "Leistungssubstrat" von dem Kläger komme. Dieser Umstand sei aber nicht geeignet, ein (sozialversicherungspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis zu begründen. Auch ein Selbstständiger könne an einem von einem anderen hergestellten Leistungssubstrat selbstständig tätig werden. Die Zusteller seien auch nicht den Weisungen des Klägers unterworfen. Die Bezirke ergäben sich aus den einzelnen Kirchengemeinden. Dass Zeitungen nur an Abonnenten ausgeliefert würden, verstehe sich von selbst. Zeitungsausträger könnten nach der Rechtsprechung abhängig Beschäftigte sein oder nicht abhängig Beschäftigte. Das Bild der Rechtsprechung sei insoweit "vielschichtig". Dem gegenüber tue die Beklagte so, als seien Zeitungszusteller stets und ausnahmslos Arbeitnehmer bzw. abhängig Beschäftigte. Das sei falsch. Die Beklagte subsumiere nur Allgemeinplätze unter die gesetzliche Vorschrift und befasse sich nicht mit dem konkreten Sachverhalt, obwohl die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Die Beklagte berücksichtige auch nicht, dass das Austragen von Zeitungen eine einfache Tätigkeit sei, die von vornherein nur geringe Gestaltungsmöglichkeiten zulasse. Außerdem habe die Beklagte nur eine einzige Kirchengemeinde befragt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist bei ihrer Auffassung geblieben, die angefochtene Verwaltungsentscheidung entspreche der Sach- und Rechtslage und sei nicht zu beanstanden. Der Bescheid sei hinreichend bestimmt und begründet. Die Zeitungsausträger des Klägers seien abhängig Beschäftigte. Denn der Kläger gebe ihnen den Austragungsort und den Austragungszeitraum und die Gebühren vor (vgl. Leitfaden zur Verteilung "V"). Darüber hinaus sei die Behauptung des Klägers, die Zusteller seien selbstständig tätig, nicht haltbar, da der Kläger im Leitfaden für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im UK-Zustelldienst die dem widersprechende Ansicht vertrete, die Zeitungsausträger seien versichert. Nicht ein Merkmal spreche für eine selbstständige Tätigkeit.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des ehemaligen kaufmännischen Verlagsleiters des Klägers, Herrn N G Q, sowie durch die Vernehmung des ehemaligen Chefredakteurs der Zeitschrift "V" und geschäftsführenden Direktors des F e.V. Herrn X1 S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.11.2013 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akte der Deutschen Rentenversicherung sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2012 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.

Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass die Formulierung in dem Bescheid vom 06.02.2012 etwas unglücklich ist, soweit dort festgestellt worden ist, es werde "die Beitragspflicht auch für diesen versicherten Personenkreis festgestellt". Es ist jedoch unschädlich, dass der Regelungsgehalt des Verfügungssatzes erst durch Auslegung ermittelt werden muss, wobei die Auslegung auch anhand der Begründung des Verwaltungsaktes einschließlich ihm beigefügter Anlagen erfolgen kann (vgl. Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 33 RdNr. 9 m.w.N.). Die Auslegung des Bescheides vom 06.02.2012 ergibt, dass die Beklagte damit das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und den Austrägern der Zeitschrift "V" feststellen wollte. Die Beklagte hat in dem Bescheid zunächst festgestellt, eine bestimmte Austrägerin der Zeitschrift "V" sei nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII abhängig Beschäftigte des Klägers und anschließend, dass die Beitragspflicht auch "für diesen versicherten Personenkreis" festgestellt werde, was sich nach Auffassung der Kammer nur auf den Personenkreis der Austräger der Zeitschrift "V" beziehen kann. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass nach § 95 SGG Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Die Beklagte hat zumindest in dem Widerspruchsbescheid vom 19.09.2012 ausdrücklich ausgeführt, sie habe in dem angefochtenen Bescheid zu Recht das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und den Zeitungsausträgern festgestellt. Darüber hinaus hat der Kläger sowohl im Widerspruchs- als auch im Klageverfahren deutlich gemacht hat, dass er durchaus weiß, worum es in diesem Verfahren geht (vgl. z.B. die Klagebegründung: "Die Parteien streiten über den sozialrechtlichen Status von Zeitungsausträgern und die Beitragspflicht für diesen Personenkreis in der gesetzlichen Unfallversicherung.") Schließlich reicht es auch aus, dass die Beklagte die Zeitungsausträger nicht namentlich bezeichnet hat, sondern die Versicherungspflicht "der Zeitungsausträger" festgestellt hat. So hat es die Rechtsprechung z.B. als ausreichend angesehen, wenn in einem Bescheid die Versicherungspflicht "der für die Klägerin tätigen Prospektverteiler" festgestellt worden ist (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15.03.2003 - L 6 U 218/02 - ).

Es liegt auch kein Begründungsmangel im Sinne des § 35 SGB X vor, da zumindest der Widerspruchsbescheid vom 19.09.2012 ausreichend begründet worden ist.

Die Beklagte hat auch zu Recht das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und den Zeitungsausträgern und die Beitragspflicht des Klägers festgestellt.

Der Kläger ist für die Austräger der Zeitschrift "V" gem. § 150 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) beitragspflichtig. Nach dieser Vorschrift sind die Unternehmer beitragspflichtig, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Zu den "Versicherten" zählen vor allem "Beschäftigte", die gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes unfallversichert sind. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV), der gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB VII auch für die (gesetzliche) Unfallversicherung gilt, ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Der Begriff "Anhaltspunkt" verdeutlicht, dass aus dem Vorhandensein oder Fehlen eines Anhaltspunktes nicht zwingend eine bestimmte Wertung abgeleitet werden kann, sondern allenfalls ein Hinweis, ein Indiz (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.07.2006 - L 17 U 64/05 - ). Eine Beschäftigung liegt immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis gegeben sein, wenn eine Person sich in ein fremdes Unternehmen eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmens insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet. Dabei kommt es auf die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse an (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - m.w.N.). Unerheblich ist die rechtliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses sowie die Bezeichnung durch die Beteiligten; insbesondere ist kein Vertrag erforderlich (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 SGB VII Anm. 6.2).

Dies zugrundegelegt, waren die Austräger der Zeitschrift "V" abhängig beschäftigt. Die Zustelltätigkeit war dadurch geprägt, dass die Austräger die Zeitungen "V" einmal wöchentlich bis spätestens Samstag verteilen sollten. Insoweit oblag dem Kläger auch ein Weisungsrecht. Der Zeuge Q, der ehemalige kaufmännische Verlagsleiter des Klägers, hat insoweit bei seiner Vernehmung bekundet, wenn es Probleme mit der pünktlichen Zustellung gegeben hätte, hätten er oder eine Mitarbeiterin wahrscheinlich bei dem Gemeindepfarrer angerufen und diesen gebeten, mit dem Boten zu sprechen, dass es so nicht geht. Das Weisungsrecht ergab bzw. ergibt sich auch aus dem von dem Kläger verfassten "Leitfaden für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im UK-Zustelldienst", der an die Austräger verteilt wurde, mit der Bitte, sich bei der "Arbeit an diesem Leitfaden zu orientieren", und der daher als Anleitung für die Ausübung der Zustelltätigkeit zu verstehen ist. Auch wenn dieser "Leitfaden" nach den Angaben des Zeugen S bereits 1996 entwickelt wurde und anschließend über die Kirchengemeinden an die Austräger der Zeitschrift "V" verteilt wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser "Leitfaden" jetzt keine Gültigkeit mehr hat. Der "Leitfaden" wurde von dem Kläger nie zurückgenommen und es gibt - wie auch der Fall der am 08.10.2010 verletzten Austrägerin der Zeitschrift "V" Frau X zeigt - Zeitungsausträger, die auch fünfzehn Jahre nach der Ausgabe noch im Besitz des "Leitfadens" waren. Den Zustellern war auch bekannt, an welche Abonnenten sie die Zeitschrift verteilen sollten, sodass der zeitliche und örtliche Rahmen der Zustelltätigkeit vorgegeben war. Dies reicht bereits aus, um von einer Eingliederung der Zeitungsausträger in die Arbeitsorganisation des Klägers ausgehen zu können (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.04.2014 - L 1 KR 62/09 - ). Die Austräger sind zudem auf das Material und Personal des Klägers angewiesen, denn ohne die zu verteilenden Zeitschriften und eine Adressliste der Abonnenten hätten die Zusteller ihre Arbeit nicht verrichten können (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.07.2006 - L 17 U 64/05 - ). Die den Zeitungsauträgern verbleibenden Aktionsmöglichkeiten bewegen sich in dem vorgegeben Organisationsrahmen, sodass nach der Gesamtbetrachtung eine, wenn auch lockere, betriebliche Einbindung vorliegt, zumal bei einfachen, nur zeitweise zu erbringenden Tätigkeiten die typische Ausübung des Direktionsrechts, wie z.B. Arbeitszeitgestaltung, Urlaubsgewährung, etc. nicht in voller Ausprägung zu erwarten ist (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.2003 - L 7 U 5158/99 -). In Hinblick auf die zu verrichtende einfache, keine besondere Fachkenntnisse voraussetzende Tätigkeit der Zustellung von Zeitschriften sind die Freiräume der Zusteller von geringem Gewicht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO).

Schließlich sprechen auch weitere Kriterien, wie zum Beispiel ein fehlendes Unternehmerrisiko, für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Kammer stellt fest, dass sie der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2012 folgt und sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 136 Abs. 3 SGG).

Gegen eine abhängige Beschäftigung spricht schließlich auch nicht, dass die Austräger der Zeitschrift "V" nur für eine geringe Vergütung tätig waren, bzw. für ihre Tätigkeit teilweise gar kein Entgelt erhalten haben oder dieses abgelehnt haben (vgl. dazu auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO, in dem Austräger eines kirchlichen Gemeindeblattes ebenfalls teilweise unentgeltlich tätig waren). Entgeltlichkeit gehört nicht zum Begriff der Beschäftigung (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht Bd. I, § 7 SGB IV Rdnr. 67 unter Hinweis auf BSG SozR 2200, § 539 Nr. 68). Der Zweck der Arbeit muss nicht erwerbswirtschaftlich, sondern kann auch rein ideeller Art sein (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV RdNr. 26 m.w.N.).

Die Tätigkeit der Austräger der Zeitschrift "V" ist nach dem Gesamtbild somit als abhängige Beschäftigung anzusehen. Dieses Ergebnis stimmt überein mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, in der die Tätigkeit von Zeitungsausträgern bisher ausnahmslos als abhängige Beschäftigung qualifiziert worden ist (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.04.2014 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 15.02.1989 - 12 RK 34/87; BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 2 RU 80/78 - ; BSG, Urteil vom 19.01.1968 - 3 RK 101/64 - ; Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 30.01.2008 - L 1 R 150/06 - ; Landessozialgericht NRW, Urteil vom 26.07.2006 - L 17 U 64/05 - unter Hinweis auf Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.04.2006 - L 1 KR 124/05 - ; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.2003 - L 7 U 5158/99 - ; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29.06.1995 - L 10 U 1763/94 - ; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1993 - L 10 U 717/92 - ; Bayerisches LSG, Urteil vom 16.07.1969 - L 4 KR 5/68 - ; BSG, Urteil vom 16.02.1961 - 3 RK 34/60 in SozR Nr. 1 zu § 1228 RVO; BSG, Urteil vom 16.02.1961 - 3 RK 70/58 - in SozR Nr. 4 zu § 368 RVO; BSG, Urteil vom 26.02.1960 - 3 RK 41/57 - in SozR Nr. 16 zu § 165 RVO - ; Hessisches LSG, Urteil vom 11.03.1959 - L 6 KR 24/58; Bayerisches LSG, Urteil vom 16.01.1957 - KR 25/54 in Breithaupt 1957, 558 ff. - ).

Bei der Tätigkeit der Zeitungsausträger hat es sich dementsprechend auch nicht um eine "ehrenamtliche Tätigkeit" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII gehandelt. Ehrenamtlich tätig sein kann nur eine Person, die ein ihr übertragenes Amt ausübt ohne bei dieser Tätigkeit in einem Beschäftigungsverhältnis zu stehen (vgl. Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung SGB VII, § 2 RdNr. 358). Da die Austräger der Zeitschrift "V" - wie dargelegt - in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, kommt eine ehrenamtliche Tätigkeit schon aus diesem Grund nicht in Betracht.

Nach Auffassung der Kammer kann schließlich auch kein Zweifel daran bestehen, dass die Zeitungsausträger für den Kläger und nicht für die Kirchengemeinden tätig geworden sind. Die Austräger verteilen ausschließlich Produkte des Klägers, nämlich die Zeitschrift "V", sodass die Tätigkeit der Austräger unmittelbar dem Kläger zum Vorteil gereicht. Die Kirchengemeinden dienen - wie auch z.B. Krankenhäuser und Justizvollzugsanstalten - lediglich als Verteilstellen bzw. Abholstellen für die Zeitschrift "V", ein relevantes Interesse der Kirchengemeinden an der Tätigkeit der Austräger ist ansonsten nicht ersichtlich. Ein derartiges relevantes Interesse ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass den Kirchengemeinden ein relativ geringer "Gemeinderabatt" eingeräumt wurde, den die Kirchengemeinden nach den Angaben des Zeugen Q sogar teilweise voll oder zum Teil an die Austräger als deren "Verdienst" weiter gegeben haben. Dass die Kirchengemeinden kein besonderes Interesse an der Tätigkeit der Austräger der Zeitschrift "V" hatten und haben, wird auch aus der Aussage des Zeugen Q deutlich, wonach sich in den letzten Jahren Gemeinden geweigert haben, die Zeitschrift "V" durch Boten austragen zu lassen, u.a. mit der Begründung, es sei zu viel Arbeit, die Zeitschriften abzurechnen, sodass es nach den Angaben des Zeugen Q mittlerweile zahlreiche Kirchengemeinden gibt, in denen die Zeitschrift "V" nur noch über den Postvertrieb zugestellt wird. Schließlich spricht auch die Tatsache, dass der "Leitfaden" vom Kläger verfasst wurde, dass die Austräger sich nach diesem "Leitfaden" bei Problemen, wie zum Beispiel beim Verlust oder der Beschädigung von Zeitungspaketen, an den Kläger wenden sollten, und dass die Austräger ihre jährlichen Weihnachtsgeschenke als Dank für ihre Tätigkeit von dem Kläger und nicht von den Gemeinden bekommen haben, dafür, dass die Austräger für den Kläger und nicht für die Gemeinden tätig waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte geboten hat, war ein Streitwert von 5.000,00 EUR festzusetzen (vgl. § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG).
Rechtskraft
Aus
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