L 8 U 51/16

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 20 U 9/13 (SG Lübeck)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 U 51/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Schweißhundeführer, der im Anschluss an eine Gesellschaftsjagd die Nachsuche durchführt, kann als Wie-Beschäftigter versichert sein.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 22. März 2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird dazu verurteilt, festzustellen, dass das Ereignis vom 6. November 2010 ein Arbeitsunfall gewesen ist. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei einem am 6. November 2010 erlittenen Unfall insbesondere als Wie-Beschäftigter versichert gewesen ist.

Der 1950 geborene Kläger war Jäger und besaß eine Jagderlaubnis als Jagdhelfer. Entsprechend der Erlaubnis vom 16. März 2010 gestattete ihm der Eigenbetrieb Kreisforsten H L (im Weiteren: Eigenbetrieb) im kreiseigenen Jagdbezirk S Zuschlag der Kreisrevierförsterei B nach Weisung des zuständigen Forstbeamten jagdliche Hilfstätigkeiten (z.B. Unterhaltung der jagdlichen Einrichtungen, Bergen und Versorgen von Wild, Vorbereitung von Gesellschaftsjagden, u.ä.) auszuüben und sich am Abschuss des weiblichen Schalenwildes zu beteiligen. Für diese Jagderlaubnis hatte er an den Eigenbetrieb Kreisforsten H L einen Entgelt von 200,00 EUR zu entrichten.

Am 6. November 2010 veranstaltete der Eigenbetrieb eine Drückjagd im Revier R. An der Gesellschaftsjagd, die unter der Aufsicht des Forstamtsrats O durchgeführt wurde, nahmen neben zahlenden Jagdgästen weitere Personen teil, die Aufgaben als Treiber, Ansteller oder Nachsucheführer auszuführen hatten. U.a. hatte auch der Kläger eine Einladung zu der Jagd erhalten. Er war als Nachsucheführer mit seinem Jagdhund zur Jagd hinzugebeten worden. Ein Entgelt für die Teilnahme hatte er nicht zu entrichten. Das eigentliche Jagdgeschehen verfolgte er von einem Ansitz aus. Er beobachtete ein Stück Rotwild. Einen Schuss gab er nicht ab.

Im Anschluss an das eigentliche Jagdgeschehen wurden nach 13:00 Uhr, während insbesondere die zahlenden Jagdgäste den Mittagsimbiss einnahmen, die Nachsucheführer für die Nachsuche eingeteilt. Der Kläger führte mit seinem Hund zunächst zwei Nachsuchen durch. Gegen 15:00 Uhr sollte er eine weitere, dritte Nachsuche nach einer kranken Sau durchführen. Dabei trat er in hängigem Gelände auf ein unter Laub verborgenes, hangabwärts gelegenes Rundholz, rutschte ab und stürzte. Er zog sich erhebliche Verletzungen am rechten Fuß/Bein (u.a. einen Beinbruch) zu.

Am 5. Januar 2011 zeigte der Eigenbetrieb der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Schleswig-Holstein und Hamburg als Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Weiteren nur noch: die Beklagte) den Unfall an und bat um Prüfung, ob ein Arbeitsunfall vorliege. Er teilte der Beklagten u.a. mit, dass der Kläger bei den vom ihm veranstalteten Drückjagden seit drei Jahren Nachsuchen durchführe. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 1 ff. der Leistungsakte Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 9. März 2011 lehnte die Beklagte die Entschädigung des am 6. November 2010 erlittenen Unfalls ab, weil es sich nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe. Unternehmer von Jagden sowie deren mitarbeitende Familienangehörige gehörten zum Kreis der versicherten Personen. Personen, die aufgrund einer vom Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis jagten (Jagdgäste), seien dagegen versicherungsfrei. Grundlage der Tätigkeit des Klägers am Unfalltag sei das private Interesse an der Jagd gewesen. Dabei sei nicht entscheidend, ob während der Betätigung auch einige dem Jagdunternehmer dienende Tätigkeiten verrichtet worden seien. Die unfallbringende Tätigkeit habe dem typischen Bereich angehört, in dem Jagdgäste üblicherweise tätig würden und für die die jagdrechtliche Erlaubnis erteilt werde. Auch Tätigkeiten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Jagdausübung stünden (Hege- und Pflegemaßnahmen im Revier) seien der versicherungsfreien Tätigkeit des Jagdgastes zuzurechnen und begründeten keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid (Bl. 10 f. der Leistungsakte) Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 4. April 2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass er zu keinem Zeitpunkt Jagdgast beim Eigenbetrieb gewesen sei. Alle Tätigkeiten, die sich inhaltlich aus der Jagderlaubnis als Jagdhelfer ergäben, wie auch die Erlaubnis zum Abschuss des weiblichen Schalenwildes, seien zu keinem Zeitpunkt eigenmächtig oder selbständig auszuführen, sondern sie seien immer nach Anweisung durch den Eigenbetrieb zu tätigen. Der Unfall sei nicht während, sondern nach der am 6. November 2010 durchgeführten Gesellschaftsjagd erfolgt. Nachsuchen fänden grundsätzlich nur nach Beendigung der Jagd statt. Das Erlösen einer krankgeschossenen Sau während der Nachsuche habe mit dem Nachgehen der Jagd im eigentlichen Sinne nichts zu tun, sondern entspreche dem Tierschutz und den Pflichten eines Jagdhelfers.

Im Rahmen der weiteren Ermittlungen wandte sich die Beklage mit Fragen zum Sachverhalt an den Eigenbetrieb. Dieser erklärte mit Schreiben vom 1. Oktober 2012, dass der Kläger sich an der Jagd am 6. November 2010 zunächst als Jagdgast beteiligt habe, dann im Anschluss an die Jagd als Nachsucheführer. Nach der Nachsuche sei keine weitere Jagdausübung vorgesehen gewesen. Der Kläger habe eine Einladung zur Jagd besessen. Teilnehmerlisten lägen ihm – dem Eigenbetrieb – aber nicht mehr vor. Der Kläger sei mit eigener Waffe und eigenem Jagdhund beteiligt gewesen. Für die Jagderlaubnis für das Revier S Z zahle der Kläger 200,00 EUR pro Jahr. Die besagte Jagd habe im Revier R stattgefunden; der Kläger habe die Nachsuche unentgeltlich durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 44 der Leistungsakte Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger dem versicherten Personenkreis nicht angehöre. Er sei weder als Unternehmer von Jagden nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) noch als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) versichert. Treiber mit Hund ohne eigene Jagdausübung gliederten sich üblicherweise in das Jagdunternehmen ein und seien dann arbeitnehmerähnlich tätig. Schweißhundeführer würden dagegen bei der Nachsuche in der Regel eigenverantwortlich – unabhängig von Weisungen – tätig und stellten ihr besonderes Fachwissen dem Jagdunternehmer zur Verfügung, wodurch die Tätigkeit ein unternehmerähnliches Gepräge erhalte. Weil die Nachsuchetätigkeit zudem unfallversicherungsrechtlich dem Bereich der aktiven und damit typischen Jagdausübung zuzuordnen sei, sei die Tätigkeit insgesamt nicht als arbeitnehmerähnlich die qualifizieren, so dass auch ein Versicherungsschutz als Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 SGB VII ausscheide.

Gegen den Bescheid vom 9. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2012 hat der Kläger am 17. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben.

Zur Begründung der Klage hat er geltend gemacht, dass er bereits nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. d SGB VII versichert sei, weil der Eigenbetrieb der Sicherung, Überwachung und Förderung der Landwirtschaft diene und er dort unentgeltlich tätig gewesen sei. Jedenfalls sei er aber als Wie-Beschäftigter versichert gewesen, weil er eine arbeitnehmerähnliche, insbesondere weisungsgebundene Tätigkeit ausgeübt habe. Er habe die Tätigkeit als Schweißhundeführer erst nach Beendigung der Jagd ausgeübt; dafür seien ihm seine Arbeitszeit, sein Arbeitsgebiet und seine Aufgaben vorgegeben worden. Er habe nicht die Möglichkeit gehabt, diese Tätigkeit abzulehnen; eine Entscheidungsgewalt über seine Einsätze habe ihm nicht zugestanden. Deshalb komme es auch nicht darauf an, ob er an der Drückjagd zuvor zunächst als Jagdgast teilgenommen habe oder nicht. Vielmehr sei sein Fall zu unterscheiden von demjenigen, in dem ein Jagdgast, der ein Stück Wild zuvor selbst angeschossen habe, seine eigene Verpflichtung zur Nachsuche erfülle; nur in diesem Falle unterliege die Nachsuche nicht dem Versicherungsschutz.

Er hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 9. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Unfall vom 6. November 2010 als versicherten Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre Bescheide Bezug genommen. Ergänzend hat sie darauf hingewiesen, dass der Kläger vom Eigenbetrieb eine Jagderlaubnis gegen ein Entgelt von 200,00 EUR erhalten habe und daher nicht verpflichtet, sondern berechtigt gewesen sei, die Nachsuche durchzuführen. Es habe daher sehr wohl die Möglichkeit bestanden, die Nachsuche abzulehnen.

Mit Urteil vom 22. März 2016 hat das Sozialgericht Lübeck die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger keinen Arbeitsunfall erlitten habe, weil sich der Unfall nicht im Rahmen einer versicherten Tätigkeit ereignet habe. Der Kläger sei nicht Beschäftigter i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gewesen. Er sei nicht durch Arbeitsvertrag beim Eigenbetrieb angestellt gewesen und habe sowohl das Ob als auch das Wie der Nachsuche selbst bestimmt. Auch die ihm von den Kreisforsten erteilte Jagderlaubnis begründe kein Beschäftigungsverhältnis. Versicherungsschutz habe im Übrigen weder nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a Alt. 1 SGB VII (als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer) noch nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII (als ehrenamtlich Tätiger für Körperschaften des öffentlichen Rechts) bestanden, weil bei der hier in Rede stehenden Tätigkeit die Jagdausübung im Vordergrund gestanden habe. Auch eine Wie-Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII habe nicht vorgelegen, weil der Kläger seine Arbeitskraft nicht wie in einem Beschäftigungsverhältnis zur Verfügung gestellt habe. Dass er vor der Jagd unentgeltlich geholfen habe, insbesondere durch Einweisung der zahlenden Jagdgäste in zugewiesene Parkplätze und Anstellen der Jagdgäste (Führen der Jagdgäste zu den vom Jagdleiter vorgegebenen Plätzen), stehe in keinem rechtlich und tatsächlich wesentlichen Zusammenhang zur späteren Nachsuche. Ein Nichthelfen hätte nicht dazu geführt, dass der Kläger bezogen auf die spätere Nachsuche Rechtspflichten verletzt hätte oder dass die Nachsuche tatsächlich nicht durchführbar gewesen wäre. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe (Bl. 48 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Gegen das ihm am 27. Juli 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 29. August 2016 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Er sei jedenfalls als Wie-Beschäftigter i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII versichert gewesen. Das Sozialgericht habe bei seiner Beurteilung der Wie-Beschäftigung verkannt, dass die zum Unfall führende Tätigkeit unabhängig von seinen sonstigen Betätigungen im Jagdrevier beurteilt werden müsse. Es könne daher insbesondere nicht darauf ankommen, ob er vor der durchgeführten Nachsuche auch an der Drückjagd teilgenommen habe. Maßgeblich sei allein, dass er auch Weisung des Jagdleiters zur Nachsuche herangezogen worden sei und dass diese Tätigkeit – schon weil sie nicht auf eigenes krankgeschossenes Wild erfolgt sei – nicht als Jagdausübung im eigentlichen Sinne sondern als notwendige Folgetätigkeit zu qualifizieren sei. Insgesamt habe er eine dem Jagdausübungsberechtigten dienende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert ausgeübt, die ein beschäftigungsähnliches Gepräge gehabt habe; dass nicht alle Merkmale des Beschäftigungsbegriffs erfüllt seien, sei dem Tatbestand des § 2 Abs. 2 SGB VII immanent. Deshalb komme es auch nicht entscheidend darauf an, dass er die Verfügungsgewalt über seinen Hund und dessen konkreten Einsatz behalten habe. Er sei weisungsgebunden tätig geworden und habe für die Entgegennahme von Weisungen in telefonischem Kontakt mit dem Jagdleiter gestanden. Wenn man ihn nicht als Wie-Beschäftigten einstufen wollte, habe jedenfalls Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII bestanden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 22. März 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 9. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass das Ereignis vom 6. November 2010 ein versicherter Arbeitsunfall gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt auch sein bisheriges Vorbringen Bezug. Ergänzend führt er aus, dass bei der vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung auf die konkrete Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt abzustellen sei. Tätigkeiten, die der Kläger vor und während der Jagd ausgeübt habe, seien für die Einzelfallbetrachtung nicht relevant. Die Nachsuche erfolge durch Nachsucheführer mit dafür ausgebildeten Schweißhunden. Der Nachsucheführer entscheide, wie die Nachsuche durchgeführt werde. Die Tätigkeit zeichne sich typischerweise aus durch Spezialisierung auf reine Nachsuche, Durchführung der Nachsuche mit speziell ausgebildeten Jagdhunden, Entgeltlosigkeit, nicht geschuldeten Erfolg, Ausübung für mehrere Jagdpächter, regelmäßige Durchführung, Tätigkeit auf Abruf ohne Werbung, Nachsuche zusammen mit dem Jagdpächter und Bestimmung von Zeit, Ort und Ablauf der Nachsuche in Absprache mit dem Jagdpächter. Die Notwendigkeit einer Absprache sei indes nicht gleichzusetzen mit einer bestehenden Weisungsbefugnis des Jagdpächters. Es sei nach dem Gesamtgepräge vielmehr von einem Auftragsverhältnis mit Werkvertragscharakter auszugehen. Der Kläger sei vor diesem Hintergrund auch nach Lage des konkreten Falls als unternehmerähnlich und nicht als beschäftigtenähnlich einzustufen.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 12. und 27. September 2016 einer Entscheidung durch den Berichterstatter zugestimmt.

Der Berichterstatter hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2019 befragt und den Forstamtsrat N O im Termin vom 5. August 2019 als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Befragung und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften (Bl. 141 ff. und 154 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Dem Gericht haben die Leistungsakten der Beklagten vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakte sowie auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 5. August 2019 zur Akte gereichte Jagdnutzungsvorschrift für den Eigenbetrieb Kreisforsten H L vom 20. Dezember 2006 (im Weiteren: Jagdnutzungsvorschrift) wird wegen des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Berichterstatter entscheidet über die Berufung gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anstelle des Senats, weil die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 12. und 27. September 2016 ihr Einverständnis zu dieser Verfahrensweise erteilt haben.

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil die Klage keine Geld-, Dienst- oder Sachleistungen oder einen unmittelbar darauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Es geht vielmehr um die vorgreifliche Feststellung eines Versicherungsfalls.

Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 9. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2012 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger. Er hat Anspruch auf die Feststellung, dass das Ereignis vom 6. November 2010 ein Arbeitsunfall gewesen ist, wobei ihm ein Wahlrecht zusteht zwischen der gerichtlichen Feststellung (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 SGG) und der Feststellung durch den zuständigen Unfallversicherungsträger (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 – B 2 U 17/10 RBSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, juris Rn. 12).

Das Ereignis vom 6. November 2010 ist zur Überzeugung des erkennenden Gerichts ein Arbeitsunfall gewesen. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Betroffenen zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (dazu nur BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 8/06 R – juris Rn. 10; vgl. auch G. Wagner in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 24). Dabei müssen die Verrichtung, die Einwirkung und der Gesundheitserstschaden vom Richter mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises festgestellt sein, während für die Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer – im unfallversicherungsrechtlichen Sinne wesentlichen – Verursachung ausreichend ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 44, juris Rn. 25 ff.). Daran gemessen sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls gegeben.

Der Kläger trat während der von ihm im Anschluss an die vom Eigenbetrieb veranstaltete Drückjagd in hängigem Gelände durchgeführten Nachsuche auf ein unter Laub verborgenes, hangabwärts gelegenes Rundholz, rutschte ab, stürzte und erlitt u.a. einen Bruch des rechten Beines. Danach stehen zur Überzeugung des Gerichts Verrichtung, Einwirkung und Gesundheitserstschaden fest. Auch die erforderlichen Kausalzusammenhänge (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität) sind nach dem Überzeugungsmaßstab hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben. Es ist auch nichts ersichtlich, was es rechtfertigen würde, den Zusammenhang zwischen Verrichtung und Einwirkung nach wertenden Gesichtspunkten im Sinne der Theorie von der wesentlichen Bedingung in Frage zu stellen. Insbesondere ist der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht, zumindest nicht erheblich alkoholisiert gewesen. Dies alles ist zwischen den Beteiligten letztlich unstreitig.

Allein streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die zum Unfall führende Verrichtung in einem inneren Zusammenhang zu einer versicherten Tätigkeit gestanden hat. Dieser innere Zusammenhang ist nach Überzeugung des erkennenden Gerichts gegeben.

Zwar stand der Kläger – insoweit wird gemäß §§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten sowie gemäß § 153 Abs. 2 SGG ergänzend auf das angegriffene Urteil Bezug genommen – weder als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, noch als Lohnunternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a SGB VII) unter Versicherungsschutz. Für die Annahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. d SGB VII oder des § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII fehlt es zumindest an der Wahrnehmung eines Amtes, das üblicherweise kraft Tradition oder aus der Natur der Sache heraus nicht von gewerblichen Arbeitnehmern wahrgenommen wird (dazu Bieresborn, in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 134, 219 m.w.N.).

Der Kläger war jedoch als Wie-Beschäftigter versichert, als er während der Nachsuche stürzte und sich dabei verletzte. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind auch Personen versichert, die wie Versicherte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (Beschäftigte) tätig werden. Danach ist jede Verrichtung versichert, die einer Ausübung einer Beschäftigung vergleichbar ist (BSG, Urteile vom 31. Mai 2005 – B 2 U 35/04 RSozR 4-2700 § 2 Nr 5, juris Rn. 16 und vom 15. Juni 2010 – B 2 U 12/09 R – SozR 4-2700 § 2 Nr 15, juris Rn. 22). § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erfasst tatbestandlich Tätigkeiten, die ihrer Art nach zwar nicht sämtliche Merkmale der Ausübung einer Beschäftigung i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer solchen ähneln. Es muss zudem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet werden, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte und regelmäßig verrichtet wird, die in einem fremden Unternehmen dafür eingestellt sind (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 27. März 2012 – B 2 U 5/11 R – juris Rn. 56 m.w.N.; zum Ganzen Bieresborn in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 379 ff.). Diese Voraussetzungen, die unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls nach wertenden Kriterien festzustellen sind, liegen nach Überzeugung des Gerichts hier vor.

Es handelte sich bei der vom Kläger durchgeführten Nachsuche zunächst um eine im Interesse des Eigenbetriebs und damit eines fremden Unternehmens liegende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert. Dabei berücksichtigt das Gericht wesentlich die glaubhafte Aussage des Zeugen O , wonach er die Drückjagd als Gesellschaftsjagd mit zahlenden Jagdgästen, deren Durchführung wiederum im Interesse des Eigenbetriebs an der Erwirtschaftung finanziellen Ertrags gelegen hat (vgl. Ziff. 105 Abs. 3 Jagdnutzungsvorschrift), nicht ohne die erforderliche Anzahl an Nachsucheführern mit Hunden hätte durchführen können und dürfen. Dies entspricht der Regelung der Ziff. 213 der Jagdnutzungsvorschrift, wonach – der gesetzlichen Verpflichtung aus § 23 Abs. 1 Landesjagdgesetz [LJagdG]) Rechnung tragend – die Nachsuche gewissenhaft durchzuführen und nötigenfalls so lange fortzuführen ist, bis das Wild zur Strecke gebracht ist, oder Gewissheit besteht, dass es gefehlt worden ist oder nach den besonderen Umständen nicht zur Strecke gebracht werden kann. Folgerichtig hat der Zeuge O glaubhaft ausgeführt, auf Personen wie den Kläger als Nachsucheführer angewiesen zu sein, um die ihm im Rahmen der Organisation von Gesellschaftsjagden obliegenden Aufgaben überhaupt erfüllen zu können. Eine Tätigkeit in fremdem Interesse und mit wirtschaftlichem Wert für den Unternehmer dürfte damit auch zwischen den Beteiligten letztlich außer Frage stehen.

Die Tätigkeit ist ihrer Art nach auch grundsätzlich geeignet, von dafür eingestellten abhängig beschäftigten Personen ausgeübt zu werden und wurde auch vom Kläger in der konkreten Situation beschäftigtenähnlich ausgeübt. Beschäftigtenähnlichkeit liegt vor, wenn die ausgeübte Tätigkeit ihrer Art nach eher den für ein Beschäftigungsverhältnis streitenden Kriterien entspricht als den für eine selbständige Tätigkeit oder eine Sonderbeziehung (z.B. im Rahmen familienhafter Mithilfe oder von Freundschaftsdiensten) streitenden Kriterien. Mit Abstrichen – weil die Wie-Beschäftigung gerade kein Beschäftigungsverhältnis voraussetzt – kann dabei als Beurteilungsmaßstab auf § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) und die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 31. Mai 2005 – B 2 U 35/04 RSozR 4-2700 § 2 Nr 5, juris Rn. 15, 17). Die erforderliche Abgrenzung erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats im Einzelnen nach Kriterien, die im Senatsurteil vom 20. März 2013 – L 8 U 27/11 – juris Rn. 30 wie folgt niedergelegt sind:

"Für die Abgrenzung zwischen einer Tätigkeit als arbeitnehmerähnlicher Wie-Beschäftigter und einer unternehmerähnlichen Tätigkeit ist von der Abgrenzung zwischen Beschäftigten und Unternehmern auszugehen, wobei jedoch gewisse Abstriche zu machen sind, weil nur eine arbeitnehmerähnliche und eine unternehmerähnliche Tätigkeit gegenüberzustellen sind (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2012 – L 3 U 223/09, recherchiert bei juris, Rn. 25, auch zum Folgenden). Dabei setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Unternehmen ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich gekennzeichnet durch das eigene Unternehmerrisiko, also das Tätigwerden auf eigene Rechnung, ein Entgelt, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgeblich ist stets das Gesamtbild (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2012 – L 2 U 223/09, a.a.O.). Für die Beurteilung der Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII ist auch von Bedeutung, wer sich an der Hilfeleistung beteiligt. Wenn der Verletzte nicht allein tätig wird, sondern zusammen mit demjenigen, dem die Hilfe geleistet wird, oder mit anderen Personen, kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass es um die Erbringung eines Arbeitserfolges und damit um ein eigenwirtschaftliches Interesse geht, weil der Tätigwerdende bei einer solchen Sachlage nicht selbst für einen solchen geradestehen kann. In derartigen Fällen ist zumeist von einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen, weil bei entgeltlicher Betätigung mit Rechtsbindungswillen ein Dienstvertrag vorliegen würde. Anders ist es aber, wenn der Verunglückte die Hilfeleistung allein verrichtet und zwar insbesondere, wenn er über besondere fachbezogene Fähigkeiten verfügt. Bei einer Zusammenarbeit mit anderen kann eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit allerdings zu verneinen sein, wenn der Tätige und Verletzte die Leitung inne hat und federführend mitarbeitet und deshalb bei Gesamtwürdigung aller Umstände des Sachverhaltes wie ein Werkunternehmer oder eine Person, die einen Auftrag mit Werkvertragscharakter ausführt, tätig wird. Andererseits schließt das Fehlen konkreter Weisungen, etwa in Bezug auf die Arbeitszeit, die Wertung als arbeitnehmerähnlich nicht aus (zum Vorgehenden: vgl. Keller, Arbeitnehmerähnliche oder unternehmerähnliche Tätigkeit, NZS 2001, 188, 193). Dabei kann die Benutzung eigenen Werkzeugs – worauf die Beklagte sich beruft – ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sein (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2012 – L 2 U 223/09, a.a.O., Rn. 28). Daraus kann aber nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass jemand tatsächlich als Selbstständiger handelt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 6/06 R, recherchiert bei juris, Rn. 23)."

Daran gemessen ist hier von einer beschäftigtenähnlichen und nicht von einer unternehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen. Dafür streitet zunächst wesentlich der Umstand, dass der Kläger in den Ablauf der vom Eigenbetrieb veranstalteten Gesellschaftsjagd und damit (kurzfristig) ähnlich wie in einem Betrieb mit bestimmten ihm übertragenden Aufgaben (gerade im Bereich der im Anschluss an die Jagd erfolgten Nachsuche) eingegliedert gewesen ist und dabei an Weisungen des Unternehmers gebunden war. Der Zeuge O hat den Kläger bei seiner klassifizierenden Einteilung der an der Gesellschaftsjagd beteiligten Personen wörtlich als "Funktioner" bezeichnet, also als Person, der bei der Durchführung der Jagd unter seiner Leitung eine bestimmte Funktion zukomme. Diese Funktion, wegen derer der Kläger überhaupt an der Jagd teilnahm, war die Durchführung möglicher Nachsuchen nach von Dritten (insbesondere den zahlenden Jagdgästen) krankgeschossenem Wild. Diese dann tatsächlich erfolgten Nachsuchen wurden vom Zeugen O beaufsichtigt; der Zeuge O hat die Nachsucheführer selbst angewiesen. Er bestimmte nach seiner – des Zeugen O – glaubhaften Aussage, welcher Nachsucheführer welche Nachsuche durchführt, wann eine Nachsuche abzubrechen ist und ob nach einer erfolglosen Nachsuche eine weitere Nachsuche durch einen anderen Nachsucheführer erfolgen sollte. Um diese Aufgabe zu erfüllen und die einzelnen Nachsucheführer zu koordinieren, stand er mit den Nachsucheführern und speziell auch mit dem Kläger während der Nachsuche in (mobil)telefonischem Kontakt.

An der Beschäftigtenähnlichkeit ändert es auch nichts, dass der Kläger die einzelnen ihm übertragenen Nachsuchen vor Ort dann im Wesentlichen eigenverantwortlich durchführte. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass es dem Wesen der Nachsuche entspricht, dass der Hund Tempo und Richtung vorgibt. Andererseits ist wesentlich zu beachten, dass bei qualifizierten Tätigkeiten auch im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen typischerweise keine engmaschige Eingliederung des Beschäftigten dergestalt vorliegt, dass der Vorgesetzte jeden Arbeitsschritt anweist und überwacht. So wird regelmäßig bspw. auch der Handwerksgeselle bei einer Montage vor Ort ohne Anleitung durch den Meister selbständig entscheiden, wie ein in Auftrag gegebenes kleineres Gewerk technisch umzusetzen ist. Dass es sich bei der Nachsuche um eine Tätigkeit handelt, die ein entsprechendes Qualifikations-, zumindest aber ein entsprechendes Erfahrungsniveau erfordert, hat der Zeuge O in der mündlichen Verhandlung überzeugend dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er u.a. ausgeführt hat, jüngeren Schweißhundeführern zunächst einmal gar nichts zu glauben und bei Meldung eines Fehlschusses im Zweifel noch eine weitere Nachsuche durch ein erfahrenes Gespann anordnen. Gerade dies spricht nach Überzeugung des Gerichts nochmals dafür, dass der Kläger als Schweißhundeführer unter den besonderen Bedingungen der vorliegend in Rede stehenden Gesellschaftsjagd in die betrieblichen Abläufe des Unternehmens wie ein Beschäftigter eingegliedert gewesen ist.

Demgegenüber kommt anderen Indizien eher untergeordnete Bedeutung zu. So spricht die Tatsache, dass der Kläger die Nachsuche mit eigenen Hund und eigener Waffe durchführte, zunächst zwar tendenziell gegen die Annahme einer beschäftigtenähnlichen Tätigkeit; denn regelmäßig werden Beschäftigten ihre Arbeitsmittel vom Arbeitgeber bzw. Unternehmer zur Verfügung gestellt. Dies gilt aber nicht immer ausnahmslos und hängt auch von der Eigenart des jeweiligen Arbeitsmittels ab. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass ein Hund nicht mit sächlichen Werkzeugen verglichen werden kann und die Arbeit als Nachsuchegespann eine vertrauensvolle Mensch-Tier-Beziehung erfordert. Dementsprechend entspricht es auch in unzweifelhaft beschäftigtenähnlichen Rechtsverhältnissen (z.B. bei Polizeihundeführern) zumindest teilweise der Üblichkeit, dass die Tiere – wenngleich sie im Eigentum des Dienstherrn verbleiben – bei den Bediensteten leben. Auch eine Waffe kann aus sicherheitstechnischen Überlegungen und vor dem Hintergrund, dass die Streuung einer jeden Waffe verschieden und deshalb – um diese treffsicher nutzen zu können –zumindest eine individuelle Zuordnung zum Schützen zu gewährleisten ist, nicht als gewöhnliches Arbeitsmittel angesehen werden.

Die Frage der Unentgeltlichkeit schließlich spielt für die Abgrenzung zwischen beschäftigten- und unternehmerähnlicher Tätigkeit letztlich keine Rolle, weil sowohl die Tätigkeit als Beschäftigter als auch die als Unternehmer regelmäßig entgeltlich ausgeübt wird und typischerweise eine Bezahlung erwarten lässt. Soweit die Frage der Entgeltlichkeit für die Abgrenzung zu Sonderbeziehungen (Gefälligkeitsleistungen, Ausübung der Jagd als eigenwirtschaftliche Freizeitgestaltung) eine Rolle spielen kann, ist nach Ansicht des Gerichts zu beachten, dass ein Austauschverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegend durchaus bestanden hat. Der Kläger durfte, soweit es seine Aufgaben zuließen, an der ansonsten für Jagdgäste entgeltlichen Gesellschaftsjagd unentgeltlich teilnehmen. Diese Unentgeltlichkeit stand nach Aussage des Zeugen O in direkter Abhängigkeit mit der Tätigkeit des Klägers. Der Zeuge hat nachvollziehbar bekundet, dass es wegen des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Eigenbetriebs an der Teilnahme des Klägers untunlich gewesen wäre, ihn insoweit noch zu einem Jagdbetriebskostenbeitrag heranzuziehen.

Auch im Übrigen erkennt das Gericht eine die Wie-Beschäftigung ausschließende Sonderbeziehung nicht. Soweit die Beklagte generell davon ausgeht, dass die Nachsuche dem Bereich der aktiven und damit typischen Jagdausübung zuzuordnen sei und damit Teil der eigenwirtschaftlichen, nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ausdrücklich versicherungsfreien Betätigung des Klägers im Rahmen seiner Freizeitgestaltung sei, folgt das Gericht dem für den vorliegenden Fall nicht. Die Bewertung der Beklagten berücksichtigt nicht hinreichend die Unterscheidung zwischen einer Einzeljagd – zu der der Kläger nach Maßgabe seiner Jagderlaubnis im Revier S Z ggf. berechtigt gewesen wäre – und der hier im Revier R durchgeführten Gesellschaftsjagd. Ziff. 213 Abs. 1 Satz 2 der Jagdnutzungsvorschrift verpflichtet auf der Einzeljagd den Schützen, bei einer Gesellschaftsjagd jedoch explizit den Jagdleiter zur Nachsuche, die dieser durch "Beauftragte" durchzuführen hat. Dies spricht nach Überzeugung des Gerichts dafür, die Nachsuche bei Gesellschaftsjagden, wie sie vom Eigenbetrieb durchgeführt werden, nicht mehr als Teil der eigentlichen Jagdausübung, sondern als beschäftigtenähnliche Folgetätigkeit anzusehen.

Der Senat setzt sich mit seiner Entscheidung nicht in Widerspruch zu Entscheidungen anderer Obergerichte, die sich in der Vergangenheit bereits mit der unfallversicherungsrechtlichen Bewertung der Tätigkeit von Nachsucheführern befasst haben. Den – Versicherungsschutz verneinenden – Entscheidungen des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. April 2005 – L 2 U 9/04 –, des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. Dezember 2009 – L 3 U 229/06 – und – soweit ersichtlich – des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. Dezember 2005 – L 6 U 190/04 – lagen in wesentlicher Beziehung andere Sachverhalte zugrunde; insbesondere ging es nicht um die Nachsuche im Anschluss an Gesellschaftsjagden. Von den insoweit formulierten Rechtssätzen, wonach die Tätigkeit eines Schweißhundeführers während der jagdlichen Nachsuche nicht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe, wenn er über seinen Einsatz sowohl bezüglich Art als auch Umfang und Zeitpunkt frei verfügen könne und nicht unter dem Direktionsrecht des Jagdunternehmers stehe, weicht das Gericht mit seiner Entscheidung im vorliegenden Fall denn auch nicht ab. Demgegenüber hat das Hessische Landessozialgericht in einer Entscheidung vom 20. Februar 2017 – L 9 U 144/16 – die Nachsuche nach Maßgabe der dortigen Gegebenheiten ebenfalls als versicherte Wie-Beschäftigung qualifiziert.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

Gründe, die gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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