S 8 RS 10/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 8 RS 10/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung höherer Arbeitsverdienste im Zeitraum vom 21. September 1981 bis 30. Juni 1983 unter Berücksichtigung gezahlter Valutabeträge während der Auslandstätigkeit in Guinea.

Mit Feststellungsbescheid vom 29. Mai 2001 stellte die Beklagte bezüglich der 1950 geborenen Klägerin – von Beruf promovierte Chemikerin - nachgewiesene Zeiten der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen im Zeitraum vom 1. Dezember 1977 bis 30. Juni 1990 sowie die in diesem Zeitraum erzielten und zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte fest.

Am 10. November 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Berücksichtigung von weiteren Entgeltbeträgen und berief sich hierbei auf die arbeitsvertragliche Vereinbarung vom. 1981 mit ihrem Arbeitgeber, der ... Universität ... , vertreten durch den Direktor für Kader und Qualifizierung, Herrn Dr ... und den Direktor der Sektion Chemie, Prof. Dr ... Danach wurde die Klägerin für die Zeit vom 21. September 1981 bis 30. Juni 1983 als Dozentin an die Hochschule in ... delegiert. Grundlage des Auslandseinsatzes war der zwischen der ... und dem Volkseigenen Außenhandelsbetrieb ... , ... , ... , abgeschlossene Vertrag. Für die Dauer des Auslandseinsatzes in Guinea wurde die Klägerin von den Arbeitsaufgaben an der entbunden. Während der Dauer des Einsatzes bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen. Ergänzend hierzu regelt der Vertrag zwischen der MLU (Entsendebetrieb) sowie der Klägerin (Spezialistin) und dem Volkseigenen Außenhandelsbetrieb ... eine Kostenberechnung über den monatlichen Bruttoverdienst (ohne Aufwandsentschädigung) zuzüglich Klimazuschlag sowie eine Regelung der Zahlung von Valutabeträgen gemäß des Ministerratsbeschlusses vom 17. Juli 1975 über insgesamt 22.500 Sylis, der sich aus einem Grundbetrag von 100% für den Spezialisten mit Ehepartner in Höhe von 15.000 Sylis, einem Zuschlag für den mitarbeitenden Ehepartner von 20% in Höhe von 3.000 Sylis sowie einem Kinderzuschlag für 2 Kinder (15% je Kind) in Höhe von 4.500 Sylis errechnete. Ergänzend führte die Klägerin aus, dass die Zahlung in Guinea üblicherweise pro Ehepaar erfolgte, so dass die 22.500 Sylis, die etwa 2250 Mark entsprachen, hälftig auf sie und ihren Ehemann aufzuteilen seien. Außerdem beantrage sie die Berücksichtigung von Sonderzuwendungen, etwa als Anerkennung für die langjährige Zugehörigkeit bzw. in Würdigung ihrer Arbeitsergebnisse. Mit Feststellungsbescheid vom 3. März 2015 stellte die Beklagte für das Jahr 1980, 1983 und 1987 höhere erzielte Arbeitsentgelte nach dem AAÜG fest. Die Prämienzahlung vom 10. Dezember 1987 (anlässlich des 10-Jährigen Dienstjubiläums) könne nicht berücksichtigt werden, da diese nicht vom Arbeitgeber als Entlohnung bzw. Prämie für erbrachte Arbeitsleistung gezahlt worden sei. Die geltend gemachten Valutabeträge könnten als zusätzliches Arbeitsentgelt ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Es handele sich hierbei um Entschädigungszahlungen im Sinne des § 122 AGB zur Deckung des Lebensunterhalts und dienstlichen Aufwands, aber nicht um Entgelt im Sinne von §§ 14,15 SGB IV.

Hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Valutabeträgen legte die Klägerin am 19. März 2015 Widerspruch ein. Grundlage der Zahlung sei die Delegierung gewesen, die in Mark und Valuta entlohnt worden sei. Es handele sich keinesfalls um eine Entschädigungszahlung. Sie fühle sich durch eine solche Bewertung um ihre berufliche Lebensleistung betrogen. Sie reichte ergänzend eine Bescheinigung zur Regelung zur Bezahlung von Parteibeiträgen ein, wonach sich dessen Zahlung ausgehend von einem Mark-Bruttogehalt von 1.153,60 Mark und einem Valutagrundbetrag in Höhe von 1.424,05 Mark errechnete. Die Umrechnung erfolgte zum damals gültigen Umrechnungssatz.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der gezahlte Valutabetrag im Auslandseinsatz habe der Deckung des Lebensunterhalts, der Lebenshaltungskosten sowie des dienstlichen Aufwandes gedient und zähle damit zu den sog. Aufwands- bzw. Dienstaufwandsentschädigungszahlungen gemäß § 3 des Einkommenssteuergesetzes und sei kein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen. Daher könne es als zusätzliches Arbeitseinkommen keine Berücksichtigung finden.

Die Klägerin hat am 15. Juni 2015 Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben, ihr Vorbringen wiederholt und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für den Zeitraum vom 21. September 1981 bis 30. Juni 1983 höhere Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die Ausführungen im Verwaltungsverfahren verwiesen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt der an sie gezahlten Valutabeträge in Höhe von monatlich 22.500,00 Sylis. Ihr Begehren scheitert daran, dass die geltend gemachten Zahlungen kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - RdNr. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - RdNr. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - RdNr. 13, 14, juris) bestimmt sich der Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach § 14 SGB IV. Bei einem Vorliegen von Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV ist im zweiten Prüfungsschritt festzustellen, ob sich insbesondere auf der Grundlage von § 17 SGB IV i. V. m. § 1 Arbeitsentgeltverordnung ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt. Dieser kommt dann in Betracht, wenn u.a. "Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen" sowohl "zusätzlich" zu Löhnen oder Gehältern gezahlt werden als auch lohnsteuerfrei sind. Soweit es im letztgenannten Zusammenhang auf Vorschriften des Steuerrechts ankommt, ist das am 1. August 1991 - dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG - geltende Steuerrecht maßgeblich. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören nicht solche Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinungen einer betriebsfunktionalen Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der für die Zuwendung maßgebenden Umstände zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. Ist aber neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers und führt zur Bewertung als Lohnzuwendung (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2013 - L 22 R 449/11 -, juris, RdNr. 89 unter Hinweis auf Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 21. Januar 2010 - VI R 51/08 -, juris). Bezogen auf die Valutabeträge ist auch ein erhebliches wirtschaftliches Interesse der Arbeitnehmer bzw. der Klägerin erkennbar. Nach dem Recht der DDR (Art. 2 der Anlage 1 – Zahlung von Valutabeträgen an dienstlich im Ausland tätige Bürger, dem Urteil am Ende beigefügt) wurden die Valutabeträge zur Deckung der Lebenshaltungskosten und des dienstlichen Aufwands im Ausland gezahlt. Er sollte die Lebenshaltungskosten und den normalen dienstlichen Aufwand der DDR-Familie im Ausland decken und einen angemessenen Lebensstandard im Aufenthaltsstaat decken (Art. 3 Nr. 4). Die materielle Anerkennung der Qualifikation, Verantwortung und Leistung der Bürger sollte für die Zeit des Auslandseinsatzes durch die Zahlung von Gehalt und Lohn in Mark der DDR erfolgen (Art. 2 Nr. 2). Insoweit könnte fraglich sein, ob die Valutabeträge grundsätzlich als Arbeitsentgelt zu qualifizieren sind. Denn nach der Verordnung waren sie gerade keine materielle Anerkennung für die Arbeitsleistung. Allerdings war im Falle der Zahlung von Valutabeträgen insofern ein nicht unerhebliches Interesse der Arbeitnehmer gegeben, als sie durch die Zahlung von Valutabeträgen und die Ansparung der Geldmittel auf einem Devisenkonto in der (privilegierten) Lage waren, Waren aus dem westlichen Ausland einzukaufen. Insofern können die Valutabeträge auch aus Arbeitsentgelt qualifiziert werden. Diese Valutabeträge gehörten damit zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und gehörten nach § 19 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Sie waren jedoch bei sinngemäßer Anwendung des § 3 Einkommenssteuergesetz, in der am 1. August 1991 geltenden Fassung, steuerfrei. Die Regelung lautete: "Steuerfrei sind bei Arbeitnehmern, die nach § 1 Abs. 2 oder 3 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, die Bezüge insoweit, als sie den Arbeitslohn, der bei einer gleichwertigen Tätigkeit am Ort der zahlenden öffentlichen Kasse dem Arbeitnehmer zustehen würde, übersteigen; bei anderen für einen begrenzten Zeitraum in ein Gebiet außerhalb des Inlands entsandten Arbeitnehmern, die dort einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, der ihnen von einem inländischen Arbeitgeber gewährte Kaufkraftausgleich, soweit er den für vergleichbare Auslandsdienstbezüge nach § 54 des Bundesbesoldungsgesetzes zulässigen Betrag nicht übersteigt". (§ 3 EStG in der Fassung vom 13.12.1990) Rechtsgrundlage für die Zahlung des Auslandszuschlages war für die Zeit bis zum 30. Juni 2010 § 55 Abs. 5 Satz 1 BBesG i. d. F. der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl. I, S. 3020). Der Auslandszuschlag deckte materiellen Mehraufwand sowie allgemeine und dienstortbezogene immaterielle Belastungen der allgemeinen Verwendung im Ausland ab. Es handelte sich damit um Einnahmen, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten. Als steuerfreie Zuwendung war der Auslandszuschlag gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. Diese Regelungen entsprechen etwa gleichlautend dem Sinn und Zweck der DDR-Regelung. Somit war nicht die konkret am Arbeitsplatz erbrachte Arbeitsleistung, sondern die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Anwesenheitspflicht im Ausland und die damit verbundenen wirtschaftlichen Mehrbelastungen für die Familie entscheidend für die Höhe der Valutabeträge. Denn jede Familie im Ausland, bezogen auf einen Haushalt von zwei erwachsenen Personen, und nicht der Arbeitnehmer bzw. Spezialist persönlich, erhielten den Valutagrundbetrag. Alleinstehende DDR-Bürger in Ausland erhielten nur 70% des Valutagrundbetrages. Sollten beide Ehepartner ein Arbeitsrechtsverhältnis im Ausland haben, dann wurde der Valutagrundbetrag an den DDR-Bürger gezahlt, dessen Delegierung den Auslandseinsatz der Familie begründete. Zur Deckung des höheren Aufwandes der Familie, der durch die Arbeitstätigkeit beider Ehepartner entstand, wurde ein Zuschlag in Höhe von 20% des Valutagrundbetrages gezahlt. Für jedes unterhaltsberechtigte Kind, das mit der DDR-Familie im Ausland lebte, wurde ein Kinderzuschlag in Höhe von 15% des Valutagrundbetrages gezahlt. Und DDR-Bürger, die mit repräsentativen Verpflichtungen im Ausland lebten, erhielten Zuschläge für erhöhten dienstlichen Aufwand. Insoweit sprach die Konzeption einer steuerfreien Aufwandsentschädigung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved