S 1 R 219/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Heilbronn (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 219/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2014.

Auf Grund einer bei dem Kläger in seinem landwirtschaftlichen Betrieb durchgeführten Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2014 erhob die Beklagte mit Bescheid vom 17.06.2016 eine Nachforderung in Höhe von 5.346,76 EUR. Die Beitragsnachforderung betrifft die Beigeladene. Hierbei führte die Beklagte zur Begründung aus, die Beigeladene sei in 2011 bis 2013 abwechselnd geringfügig entlohnt, dann kurzfristig beschäftigt und wieder geringfügig entlohnt gewesen. Laut den vorliegenden Arbeitsstundenaufstellungen handele es sich nicht um völlig unabhängige Tätigkeiten: geringfügige Beschäftigung = Beeren pflanzen und ausbessern, Beeren anbinden und ausschneiden, kurzfristige Beschäftigung = Beeren (Erd- und Himbeeren) pflücken. D. h., es habe sich in diesen Jahren um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis gehandelt und daher liege ab dem Zeitpunkt der befristeten Beschäftigung Versicherungspflicht vor und es seien Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach zu erheben.

Hiergegen erhob der Kläger am 14.07.2016 Widerspruch und machte geltend, bereits im Rahmen der Prüfung sei der Prüferin eindeutig und klar aufgezeigt worden, dass es sich sehr wohl um zwei völlig verschiedene Tätigkeiten handele. Bei der geringfügigen Beschäftigung seien Beeren angepflanzt bzw. ausgebessert worden, des weiteren seien Beerenkulturen in ihren Beständen gepflegt worden. Zur Erntezeit sei in diesem Bereich absolut keine Tätigkeit möglich. Auch sei der Zeitbedarf zur Erntezeit völlig anders zu beurteilen. Im Bereich der Ernte seien auch keine speziellen Kenntnisse erforderlich, wie sie in der geringfügigen Beschäftigung notwendig seien. Im Bereich der geringfügigen Beschäftigung sei die Arbeitnehmerin speziell für diese Tätigkeit geschult, die Erntetätigkeiten würden im Allgemeinen nur von rumänischen Arbeitskräften erledigt. Deshalb müssten diese Tätigkeiten von ihrer Funktion her im Betrieb streng unterschieden werden, die kurzfristig Beschäftigten seien letztendlich austauschbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, sofern im unmittelbaren Anschluss an eine geringfügig entlohnte (Dauer-) Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber eine auf längstens zwei Monate befristete Beschäftigung vereinbart werde, sei von der wiederlegbaren Vermutung auszugehen, dass es sich um die Fortsetzung der bisherigen (Dauer-) Beschäftigung handele. Hieraus folge, dass bei einem Arbeitsentgelt von mehr als 450,00 EUR (bis 31.12.2012 400,00 EUR) im Monat vom Zeitpunkt der Vereinbarung der befristeten Beschäftigung an die Arbeitsentgeltgrenze überschritten werde und damit Versicherungspflicht eintrete. Bei einem monatlichen Arbeitsentgelt bis 450,00 EUR (bis 31.12.2012 400,00 EUR) liege durchgehend eine geringfügig entlohnte Beschäftigung vor. Dies gelte umso mehr, wenn sich an die befristete Beschäftigung wiederrum unmittelbar eine (für sich betrachtet) geringfügig entlohnte Beschäftigung anschließe. Versicherungsfreiheit wegen Vorliegens einer kurzfristigen Beschäftigung komme in Fällen der in Rede stehenden Art nur dann in Betracht, wenn es sich bei dem einzelnen Beschäftigungen um völlig voneinander unabhängige Beschäftigungsverhältnisse handele. Gleiches gelte, wenn zwischen dem Ende der geringfügig entlohnten Beschäftigung und dem Beginn der kurzfristigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ein Zeitraum von mindestens zwei Monaten liege. Dem Vortrag der Klägerin, es würden völlig voneinander unabhängige Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, werde nicht gefolgt. Bei den Tätigkeiten "Beeren pflücken" und "Pflege der Pflanzenkulturen" handele es sich nicht um völlig voneinander unabhängige Tätigkeiten. Vielmehr handele es sich um einfachste Tätigkeiten im Obstanbau, die nicht in die von dem Kläger vorgetragenen Teiltätigkeiten atomisiert werden könnten.

Hiergegen hat der Kläger am 23.01.2017 Klage erhoben und den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Er vertritt die Auffassung, es wäre grob unbillig, die in sich völlig verschiedenartigen Tätigkeiten als eine einheitliche Dauerbeschäftigung zu werten.

Der Kläger beantragt,

den Beitragsbescheid vom 17.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat im streitigen Zeitraum zu Recht Beiträge zur Sozialversicherung für die Beigeladene in den im Bescheid vom 17.06.2016 bezeichneten Zeiträumen erhoben.

Personen, die im Sinne des § 7 SGB IV gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 3 Nr. 1 SGB IV regelmäßig der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung. Bezogen auf die einzelnen Zweige der Sozialversicherung folgt dies spezialgesetzlich ferner aus § 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für den Bereich der Arbeitsförderung, aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB Fünftes Buch (SGB V) für die gesetzliche Krankenversicherung, aus § 1 S. 1 Nr. 1 SGB Sechstes Buch (SGB VI) für die gesetzliche Rentenversicherung und aus § 20 Absatz ein S. 2 Nr. 2 HS 1 Sozialgesetzbuch XI. Buch (SGB XI) für die soziale Pflegeversicherung. Die Erhebung der Umlage beruht auf den Regelungen im Lohnfortzahlungsgesetz und Aufwendungsausgleichsgesetz.

Bei den von der Beigeladenen im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübten Tätigkeiten handelte es sich um eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV, denn die Tätigkeiten erfüllen ihrer Art nach sämtliche Merkmale einer nichtselbstständigen Arbeit. Die Beigeladene war in den Betrieb des Klägers eingegliedert und unterlag dessen Weisungsrecht. Über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen besteht zwischen den Beteiligten damit zu Recht kein Streit.

Eine Gesamtsozialversicherungspflicht und in der Folge dazu eine Beitragspflicht besteht im streitigen Zeitraum dann nicht, wenn das Beschäftigungsverhältnis nur geringfügig ist. Für den Bereich der Arbeitsförderung folgt dies aus § 27 Abs. 2 S. 1 SGB III, für die gesetzliche Krankenversicherung aus § 7 Abs. 1 SGB V, für die gesetzliche Rentenversicherung aus § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI und für die gesetzliche Pflegeversicherung aus § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI. Nur im Falle einer Entgeltgeringfügigkeit, nicht dagegen einer Zeitgeringfügigkeit werden allerdings in geringem Umfang Pauschbeiträge erhoben (vgl. § 249b S. 1 SGB V sowie § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI).

Die Merkmale einer geringfügigen Beschäftigung ergeben sich aus § 8 Abs. 1 SGB IV. Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn 1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450,00 EUR - bzw. bis 31.12.2012 400,00 EUR - nicht übersteigt, 2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450,00 EUR - bzw. bis 31.12. 2012 400,00 EUR - im Monat übersteigt.

Bei der Auslegung des § 8 SGB IV besteht in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Einigkeit, dass alle von einem Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen unabhängig von deren arbeitsvertraglicher Gestaltung für die Beurteilung der Geringfügigkeit als Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit als einheitliche Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV anzusehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2012, B 12 KR 28/10 R, m.w.N., in juris). Hieraus ergibt sich, dass die Beklagte rechtsfehlerfrei die Tätigkeiten der Beigeladenen bei dem Kläger sowohl im Bereich der Beerenernte als auch im Bereich der Pflege der Beerenpflanzen als einheitliche Beschäftigung gewertet hat.

Soweit der Kläger geltend macht, bei den Tätigkeiten handele es sich um völlig voneinander unabhängige Beschäftigungsverhältnisse, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Bei sämtlichen Tätigkeiten der Beigeladenen im Betrieb des Klägers handelt es sich um solche in der landwirtschaftlichen Produktion von Beeren, beginnend mit dem Anpflanzen und abschließend mit dem Ernten der Beeren. Die hierfür durchzuführenden Tätigkeiten sind nach Überzeugung der Kammer nicht völlig verschiedenartig, sondern hängen miteinander zusammen. Allein aus dem Umstand, dass zur Beerenernte auch völlig ungelernte Kräfte - im Falle des Klägers nach seinem Vortrag vorzugsweise ungelernte Arbeiter aus Rumänien - herangezogen werden können, rechtfertigt es nicht, die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten als völlig verschiedenartig zu werten. Vielmehr hat die Beklagte zutreffend entscheiden, dass es sich insgesamt um einfache Tätigkeiten im Obstanbau handelt, die nicht in mehrere Beschäftigungsverhältnisse im sozialversicherungsrechtlichen Sinn aufgeteilt werde können.

Damit hat die Beklagte zutreffend unter Zugrundelegung einer einheitlichen Beschäftigung für die Zeiträume, in denen das Entgelt der Beilgeladenen die Grenze von 400,00 EUR bzw. 450,00 EUR überschritten hat, Sozialversicherungs- und Umlagebeiträge nacherhoben.

Fehler bei der Berechnung der Beiträge sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Insoweit hat die Beklagte auch berücksichtigt, dass Umlagen an die Minijob-Zentrale entrichtet wurden, denn die aus der Beitragspflicht resultierende Nachforderung wurde nach dem Bescheid vom 17.06.2016 aus der Differenz zwischen den zu Unrecht gezahlten Umlagen an die Minijob-Zentrale und den tatsächlich zu zahlenden Beiträgen zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung einschließlich der Umlagen geltend gemacht. Die Kammer nimmt insoweit gem. § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen der Einzelheiten auf die auf die angefochtenen Bescheide Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 Buchst. a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO, auf VwGO). Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Heilbronn, Paulinenstr. 18, 74076 Heilbronn, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Rechtskraft
Aus
Saved