L 10 R 344/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 R 3985/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 344/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 05.01.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Der 1958 geborene Kläger wurde in den Jahren 1973 bis 1975 zum Eisenbahner im Betriebs- und Verkehrsdienst der früheren Deutschen Reichsbahn in der ehemaligen DDR mit Teilfacharbeiterabschluss ausgebildet und war zuletzt bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Februar 2012 als Rangierbegleiter bei der Deutschen Bahn tätig (vgl. die Auskunft der Arbeitgeberin, Bl. 65 VA: Anlerntätigkeit mit einer Anlernzeit von vier bis sechs Wochen).

Von Ende Juli bis Ende August 2012 erhielt der Kläger nach einer Knie-TEP-Implantation links eine orthopädische Anschlussheilbehandlung in der Reha-Klinik Bad G. , aus der er als erwerbsfähig für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von täglich sechs Stunden und mehr entlassen wurde (Bl. 8 GA-Heft). Den im September 2012 gestellten Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lehnte die Beklagte zunächst ab und ließ den Kläger im Widerspruchsverfahren durch ihren sozialmedizinischen Dienst begutachten, der nach Untersuchung im Dezember 2012 bei den Diagnosen einer bipolaren affektiven Störung (gegenwärtig mittelgradige depressive Episode), einer Gon¬arthrose beidseits (links mehr als rechts) und eines Kataraktes (Zustand nach Operation) ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt feststellte (Bl. 18 GA-Heft). Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung zunächst vom 01.09.2012 bis zum 31.03.2014. Nach einer nun auch rechts erfolgten Knie-TEP-Implantation und einer weiteren orthopädischen Anschlussheilbehandlung in der Reha-Klinik Bad G. von Ende Mai bis Ende Juni 2013, in der sich ein weiterhin aufgehobenes Leistungsvermögen zeigte (Bl. 3 GA-Heft), und einer Nachuntersuchung durch den sozialmedizinischen Dienst im Januar 2014 mit dem Ergebnis, dass keine wesentliche Besserung eingetreten sei (Bl. 32 GA-Heft), bewilligte die Beklagte die Rente weiter bis zum 30.04.2016. Zum 01.04.2014 nahm der Kläger eine Beschäftigung als Hausmeister in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden in der Woche auf (Bl. 35 Rücks. GA-Heft).

Auf den erneuten Weiterbewilligungsantrag veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. , die den Kläger im März 2016 untersuchte, eine funktionell leichtgradige bipolar-affektive Störung (manisch-depressive Erkrankung) im Intervall, eine funktionell leichtgradige beidseitige Knie-TEP bei Gonarthrose, einen funktionell nicht bedeutsamen Zustand nach Katarakt-Operation beidseits sowie ein unbehandeltes Schlafapnoesyndrom diagnostizierte und den Kläger für in der Lage erachtete, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne nervliche Anspannung, ohne Tätigkeiten mit Kniebelastungen, überwiegend im Gehen, Sitzen, teilweise Stehen, in Früh-, Spät- oder Nachtschicht sechs Stunden und mehr zu verrichten (Bl. 46 GA-Heft). Mit Bescheid vom 21.03.2016 (Bl. 45 VA) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2016 (Bl. 83 VA) lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag des Klägers ab.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage mit dem Antrag erhoben, ihm über den 30.04.2016 hinaus weiterhin "Rente wegen Vollerwerbsminderung" zu gewähren (Bl. 2 SG-Akte). Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Der Orthopäde Dr. V. hat dem Gutachtensergebnis von Dr. H. zugestimmt (Bl. 49 SG-Akte). Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. hat keine Einschätzung der Leistungsfähigkeit getroffen, aber mitgeteilt, dass das maßgebliche Leiden im Fachbereich der Psychiatrie liege (Bl. 50 SG-Akte). Die Fachärztin für Psychiatrie MUDr. S. hat den Kläger für in der Lage erachtet, nur noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden am Tag zu leisten (Bl. 58 SG-Akte). Das SG hat sodann das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. eingeholt, der den Kläger im August 2017 ambulant untersucht und eine bipolare affektive Störung und Anpassungsstörung sowie von jeher vorbestehende Persönlichkeitsakzentuierungen bei gleichzeitig nur sehr niedrigem Persönlichkeitsstrukturniveau und deutlichen Hinweisen für nicht authentische Anteile der Beschwerdeschilderung bzw. auch simulative Tendenzen, ein mit Maske behandeltes Schlafapnoesyndrom ohne Anhalt für neuropsychiatrische Komplikationen, eine klinisch gut kompensierte beidseitige Star-Operation bzw. beidseits künstliche Linsen und ein Zustand nach Knie-TEP beidseits diagnostiziert hat (Bl. 116 f. SG-Akte). Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten; auszuschließen seien Tätigkeiten unter Zeitdruck, in regelmäßiger nervöser Anspannung, auf Leitern und Gerüsten, an unmittelbar gefährdenden Maschinen, mit Nachtschicht oder Wechselschicht und mit überdurchschnittlichen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit sowie fordernden sozialen Interaktionen (Bl. 118 f. SG-Akte).

Mit Gerichtsbescheid vom 05.01.2018 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. abgewiesen.

Am 24.01.2018 hat der Kläger hiergegen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter, hält das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. für unverwertbar und seine orthopädischen Beschwerden für nicht ausreichend berücksichtigt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 05.01.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2016 zu verurteilen, ihm über den 30.04.2016 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für richtig.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B. eingeholt, in der dieser an seiner gutachtlichen Einschätzung festgehalten hat (Bl. 86 LSG-Akte). Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat zudem das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. eingeholt, der den Kläger im August 2018 ambulant untersucht hat. Dr. L. hat die Diagnosen einer bipolaren-affektiven Störung (gegenwärtig remittiert) und einer leichten kognitiven Störung gestellt (Bl. 115 LSG-Akte). Er hat den Kläger für nur noch in der Lage erachtet, eine Erwerbstätigkeit zwischen drei bis unter sechs Stunden täglich auszuüben (Bl. 119 LSG-Akte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht über den 30.04.2016 hinaus die hier allein streitige Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu. Soweit das SG auch über die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, entschieden hat und einen Anspruch auf eine solche Rente ebenfalls abgelehnt hat, gehen die Ausführungen des SG ins Leere, weil eine solche Rente vom Kläger nicht beantragt worden ist (vgl. § 123 SGG).

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das SG hat gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. zutreffend ausgeführt und begründet, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil sein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der von Dr. B. beschriebenen qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich beträgt. Der Senat teilt die vom SG insoweit getroffene Einschätzung, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Dabei hält der Senat - wie bereits das SG - das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. für uneingeschränkt verwertbar. Der vom Kläger im Berufungsverfahren wiederholte Einwand, er simuliere nicht, sondern sei vom Ausfüllen der Fragebögen überfordert gewesen, geht ins Leere. Denn das Gutachtensergebnis von Dr. B. stützt sich plausibel auf den von ihm erhobenen psychologischen Untersuchungsbefund und den vom Kläger angegebenen Tagesablauf. Danach ergeben sich bereits keine rentenrechtlich erheblichen Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit, wie das SG zutreffend und ausführlich dargestellt hat, sodass letztlich dahinstehen kann, ob und inwieweit der Kläger zur Verdeutlichung seiner Beschwerden neigt oder gar simuliert. Denn im Wesentlichen sind die Tagesstruktur einschließlich Mitarbeit im Haushalt erhalten (Bl. 85 SG-Akte) und ein erheblicher sozialer Rückzug ist im Hinblick auf die familiäre Einbindung mit Besuchen der Kinder und Enkelkinder (Bl. 86 SG-Akte) nicht erkennbar. Aufmerksamkeits-, Konzentrations- oder Merkstörungen sind in der vierstündigen Untersuchung ebenso wenig aufgetreten wie eine schnellere Ermüdbarkeit (Bl. 105 und 112 SG-Akte). Im Gegenteil hat sich der Kläger in der Untersuchung munter, humorvoll, im Plauderton, schlagfertig und durchaus auch herzlich lachend gezeigt (Bl. 113 SG-Akte), mithin keineswegs freudlos. Gegen eine erhebliche Beeinträchtigung des Antriebs sprechen zudem nicht zuletzt die zwischenzeitlich ausgeübte Beschäftigung als Hausmeister (Bl. 35 GA-Heft) und die Freizeitaktivität des wöchentlichen Fahrradfahrens für eineinhalb Stunden, um sich "auszutoben" (Bl. 84 SG-Akte).

Soweit der Kläger gegen die Untersuchung des Sachverständigen Dr. B. einwendet, dieser habe ihn Fragen nur mit "ja" oder "nein" beantworten lassen, was das SG als "Schutzbehauptung" abgetan und auf die Beantwortung von Fragen in standardisierten Verfahren wie dem Freiburger Persönlichkeitsinventar Bezug genommen habe, vermag auch der Senat dem ausführlich wiedergegebenen Anamnese- und Untersuchungsgespräch gerade keine einseitige Fragestellung durch den Sachverständigen zu entnehmen. Dr. B. hat dem Kläger zur Darstellung seiner Belange im Gegenteil gerade eingehend Gelegenheit geboten, was dieser auch genutzt hat, worauf Dr. B. in seiner vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme zu Recht hingewiesen hat (Bl. 83 LSG-Akte). Die standardisierten Fragebögen sehen demgegenüber Antworten mit "ja" oder "nein", "mehr" oder "weniger" oder die Vergabe von Punkten in einem bestimmten Schema vor. Dies liegt allerdings in der Natur der Sache eines Fragebogentests, dessen Verwendung zum Stand der psychologischen Wissenschaft zählt und mithin keinerlei Anlass bietet, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen, seine fachliche Qualifikation oder die Verwertbarkeit seines Gutachtens in Frage zu stellen.

Das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vermag demgegenüber das Ergebnis des Gutachtens von Dr. B. nicht zu erschüttern und überzeugt den Senat nicht. Denn der von Dr. L. erhobene psychische Befund gleicht dem von Dr. B. dokumentierten und zeigt ebenso wenig eine erhebliche Beeinträchtigung, weshalb das Ergebnis eines quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögens unplausibel ist.

So ist der Kläger in der Untersuchung wach und vollständig orientiert gewesen. Es hat sich kein Anhalt für eine Auffassungsstörung gezeigt. Im Kontakt ist er freundlich zugewandt, im formalen Gedankengang geordnet gewesen. Es haben keine Grübelneigung, keine Zwänge, keine inhaltlichen Denkstörungen, keine Wahrnehmungsstörungen und keine Ich-Störungen bestanden. Seine Stimmung ist bei erhaltener Freudfähigkeit ausgeglichen und sein Antrieb erhalten, er selbst im Affekt schwingungsfähig und psychomotorisch ruhig gewesen. In der Verhaltensbeobachtung ist der Kläger stets auskunftsbereit und zugewandt gewesen und hat unbesorgt gewirkt. Er ist lediglich konzentrativ leicht vermindert belastbar beim Ausfüllen der Fragebögen erschienen, hat subjektiv Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen gehabt und leichte kognitive Defizite gezeigt, vor allem bei der Erhebung der psychiatrischen Vorgeschichte und wichtiger Lebensereignisse, deren zeitliche Einordnung ihm schwergefallen ist (Bl. 110 LSG-Akte). Auch bei Dr. L. hat der Kläger aber über einen strukturierten Tagesablauf, Erledigung von Haushaltsarbeiten und Gartenarbeit in den Sommermonaten, Hobbys wie Fahrrad fahren und lesen sowie die Versorgung der Enkel berichtet. Von 2014 bis 2016 habe er zudem einen Minijob gehabt, in dem er für Reinigung und Wartung von Computern bei einer IT-Firma für sechs Stunden die Woche tätig gewesen sei (Bl. 104 f. LSG-Akte). Zu Recht weist Dr. Z. in der sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte deshalb darauf hin, dass eine wesentliche Beeinträchtigung von Antrieb, Ausdauer und Konzentration damit gerade nicht festgestellt worden ist und Dr. L. vielmehr einen weitgehend unauffälligen klinischen Befund beschrieben hat (Bl. 128 LSG-Akte). Dem schließt sich der Senat an. Entsprechend diesem weitgehend geringfügigen Befund hat Dr. L. auch als Diagnosen lediglich eine leichte kognitive Störung sowie eine bipolare-affektive Störung gestellt, die er sogar als "gegenwärtig remittiert" eingestuft hat (Bl. 115 LSG-Akte).

Dass Dr. L. dann dennoch auf ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen des Klägers auf drei bis weniger als sechs Stunden täglich geschlossen hat, ist vor diesem Hintergrund nicht überzeugend. Als Begründung hat er eine allgemein verminderte Belastbarkeit auf Grund der vorliegenden psychischen Störung angegeben; der Kläger habe über konzentrative Minderbelastbarkeit und rasche Ermüdbarkeit berichtet (Bl. 119 LSG Akte). Diese bloße Wiedergabe des subjektiven Empfindens des Klägers ist allerdings nicht ausreichend. An der demgegenüber erforderlichen Objektivierung mangelt es. Insoweit hat sich Dr. L. lediglich auf eine Verhaltensbeobachtung während der Exploration bezogen, in der sich die Angaben des Klägers plausibel gezeigt hätten (Bl. 119 LSG-Akte). Der wiedergegebene Inhalt der Verhaltensbeobachtung (Bl. 110 LSG-Akte: stets auskunftsbereit und zugewandt, wirkte unbesorgt, beim Ausfüllen von psychologischen Fragebögen konzentrativ leicht vermindert belastbar erschienen, im Explorationsgespräch eine Pause zur Erholung und für WC-Gänge erbeten) bestätigt eine derartige Einschränkung aber gerade nicht. Trotz des - der Gutachtensabrechnung nach - vierstündigen Untersuchungsgesprächs sind keine objektivierbaren Konzentrationsstörungen wie etwa Beeinträchtigungen der Merkfähigkeit oder eine auffällige Ermüdung des Klägers hinreichend dokumentiert. Der bloße Verweis auf das Ergebnis eines Fragebogentests (24 von 30 Punkten im Montreal-Cognitive-Assessment-Test, wobei Werte von größer oder gleich 26 normal seien, Bl. 112 und 123 LSG-Akte) ist hierfür nicht ausreichend. Denn Dr. B. hat demgegenüber ausdrücklich erhoben, dass Gedächtnis und Aufmerksamkeit des Klägers in der dichten gutachterlichen Untersuchungsprozedur, die bei ihm gleichfalls vier Stunden gedauert hat, bis zuletzt ungestört gewesen sind und eine Pause gar nicht erforderlich geworden ist, der Kläger hinsichtlich seiner Merkfähigkeit z.B. sehr präzise länger Zurückliegendes selbst auch noch wieder hat aufgreifen können (Bl. 112 SG-Akte).

Soweit Dr. L. eine Beeinträchtigung der Erwerbstätigkeit durch bestehende kognitive Defizite gesehen hat, da ein reduzierter Abruf von Fähigkeiten gegeben sowie die Anpassungsfähigkeit an neue Problemstellungen erschwert seien und sich zudem Einschränkungen im Durchhaltevermögen gezeigt haben (Bl. 119 LSG-Akte), rechtfertigt dies qualitative Einschränkungen, nicht aber quantitative. So hat Dr. L. selbst ausgeführt, dass im Falle von hoher Arbeitslast und -intensität, bei Arbeit im Schichtdienst sowie bei wenig planbaren Arbeitszeiten und -inhalten von einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit abermaliger depressiver oder manischer Episoden auszugehen sei. Das von ihm angenommene Ruhebedürfnis des Klägers, die Hirnleistungsstörungen sowie die Irritabilität und Vulnerabilität für weitere Erkrankungsepisoden (Bl. 119 LSG-Akte) begründen daher nachvollziehbar das von Dr. L. beschriebene negative Leistungsbild, wonach ein Verzicht auf Wechsel- und Nachtschichten zu berücksichtigen sei, Leitungsaufgaben und verantwortungsvolle Tätigkeiten (z.B. Führen von Maschinen, Anleitung und Ausbildung) nicht mehr möglich und Aufgaben mit hohen Anforderungen an Improvisation und Spontaneität zu vermeiden seien (Bl. 120 LSG-Akte). Es erschließt sich jedoch nicht und ist auch von Dr. L. nicht näher begründet worden, weshalb das zeitliche Leistungsvermögen auch dann eingeschränkt sein sollte, wenn diese Arbeitsbedingungen eingehalten werden.

Mit der Abweichung seiner Einschätzung vom Ergebnis des Gutachtens von Dr. B. hat sich Dr. L. zudem nicht ausreichend auseinandergesetzt. Dass die psychiatrische Exploration bei Dr. L. keinen Anhalt für simulative Tendenzen oder nicht authentische Anteile der Beschwerdeschilderung ergeben habe (Bl. 122 f. LSG-Akte), ist - wie bereits vorangehend dargestellt - unerheblich, weil unabhängig davon aus dem psychologischen Untersuchungsbefund und dem erhobenen Tagesablauf keine rentenrechtlich erheblichen Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit folgen. Allerdings hat sich Dr. L. in diesem Punkt in Widerspruch zu sich selbst gesetzt, weil er einerseits Simulationstendenzen als nicht nachgewiesen angesehen und sich hierfür auf einen Fragebogentest (Structured Inventory of Malingered Symptomatology) bezogen hat (Bl. 123 LSG-Akte), bei dessen Auswertung er andererseits selbst festgestellt hat, dass der Kläger in der Subskala Amnesie den Cut-off-Wert für Simulation überschritten hat (Bl. 112 LSG-Akte). Dass er darüber hinaus - wie er angeführt hat - anders als Dr. B. die bestehenden kognitiven Defizite nicht alleinig dem Schlafapnoe-Syndrom zuschreibe (Bl. 123 LSG-Akte), vermag der Senat als Abweichungsgrund nicht nachzuvollziehen. Denn die Annahme, das Schlafapnoe-Syndrom sei alleinige Ursache der kognitiven Defizite des Klägers, lässt sich dem Gutachten von Dr. B. gar nicht entnehmen. Dr. B. hat vielmehr zum mit Maske behandelten Schlafapnoe-Syndrom ausdrücklich festgestellt, dass im Gegenteil kein Anhalt für neuropsychiatrische Komplikationen besteht und der Kläger auch nach eigenen Angaben gut zurechtkommt (Bl. 117 SG-Akte).

Die vom Kläger schließlich noch angeführten orthopädischen Beeinträchtigungen rechtfertigen ebenfalls keine rentenrechtlich erhebliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Insoweit hat bereits der den Kläger behandelnde Orthopäde Dr. V. ausdrücklich mitgeteilt, dass er die Einschätzung der Beklagten eines sechsstündigen Leistungsvermögens teilt. Seiner Ansicht nach liegt das maßgebliche Leiden des Klägers - wie auch dessen Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. bestätigt hat - auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Hinsichtlich der Knie-TEP-Operationen links im Jahr 2012 und rechts im Jahr 2013 sind keinerlei erhebliche Beeinträchtigungen beschrieben. Im Gegenteil hat der Kläger in der Begutachtung bei Dr. B. , der einen ungestörten, flotten Bewegungsablauf beobachtet hat, mitgeteilt (Bl. 105 SG-Akte), dass die Operationen "super" verlaufen seien und er Schmerzmittel deswegen "so gut wie nie" einnehme. Vor dem Hintergrund seiner Angaben bei Dr. B. , regelmäßig eineinhalb Stunden Fahrrad zu fahren (Bl. 84 SG-Akte) und die Haushaltseinkäufe zu Fuß zu erledigen, was 400 bis 500 Meter entfernt sei (Bl. 85 SG-Akte), bestehen auch keine Zweifel an der sog. Wegefähigkeit des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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