L 10 BA 2189/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1352/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 BA 2189/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.05.2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Tatbestand:

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Beigeladenen zu 1 in ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin in der Praxis des Klägers im Zeitraum vom 03.09.2014 bis 31.12.2014 (streitiger Zeitraum).

Die am 1982 geborene Beigeladene zu 1 ist nach ihren Angaben staatlich geprüfte Physiotherapeutin. Nach Abschluss ihrer Ausbildung weist ihr Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosigkeit aus und daneben geringfügige, nicht versicherungspflichtige Beschäftigungen. Lediglich im Zeitraum vom 01.05.2008 bis 31.08.2008 und vom 16.01.2012 bis 31.03.2012 entrichtete sie Pflichtbeiträge auf Grund Beschäftigung.

Die Beigeladene zu 1 schloss sich im Jahr 2012 der Kooperationsgemeinschaft "m. p." an. Ziel dieser Kooperationsgemeinschaft ist es, die ihnen angeschlossenen Therapeuten auf freiberuflicher Basis als Urlaubs-, Fortbildungs- oder Krankheitsvertretung oder auch als temporäre Voll- oder Teilzeitkraft mit niedergelassenen Praxen und sonstigen Einrichtungen (Badebetriebe, Krankenhäuser, Kurbäder) in Kontakt zu bringen. Hierzu führt die Kooperation regelmäßig Kundenakquise durch und informiert den angeschlossenen Therapeuten über in seinem, ihm allein zugewiesenen Gebiet (sog. Gebietsinhaber) befindliche Einrichtungen. Neben den Gebietsinhabern sind sog. Springer vorgesehen, die für Gebietsinhaber einspringen. Die Kooperationsgemeinschaft versorgt die Mitglieder mit entsprechenden persönlichen Werbeträgern (Visitenkarten, Briefbögen) und Buchungsformularen sowie sonstigen Unterlagen (Kalender, Listen). Alle Therapeuten können in der Regel von den Auftraggebern nur in Form von festen einheitlichen Zeitmodulen gebucht werden, die entweder Festpreise beinhalten (zur Feststellung im Einzelnen wird auf Bl. 185 VA Bezug genommen) oder über einen Anteil des vom Auftraggeber erzielten Umsatzes vergütet werden. Alle teilnehmenden Therapeuten sollen nach außen einheitlich unter der gemeinsamen Zusatzbezeichnung der Kooperationsgemeinschaft auftreten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Dokumentation des Internetauftritts der Kooperationsgemeinschaft, Bl. 276 ff. VA, wo die Beigeladene zu 1 namentlich genannt ist, auf die zwischen den Therapeuten und der Kooperationsgemeinschaft jeweils geltenden Vertragsgrundlagen Bl. 81 ff. SG-Akte und auf den mit den Auftraggebern abzuschließenden einheitlichen Freiberuflervertrag Bl. 184 VA Bezug genommen. Die Beigeladene zu 1 war auf diese Weise ab 2012 und auch im streitigen Zeitraum für verschiedene Auftraggeber auf Grund verschiedener Vertragsgestaltungen (vgl. z.B. Bl. 181 ff. VA und Bl. 184 f. VA), aber immer mit vereinbartem freiberuflichem Status tätig. Eine eigene Kassenzulassung zur Abrechnung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen hatte sie nicht. Ein Gewerbe meldete sie nicht an.

Auf Grund dieser Tätigkeit wurde die Klägerin von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege mit Wirkung vom 01.04.2012 in die Unternehmerpflichtversicherung aufgenommen (Bescheid vom 04.04.2012, Bl. 80 VA). Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 23.05.2012 fest, dass ab 01.04.2012 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Selbstständige bestehe, weil die Beigeladene zu 1 nicht nur für einen Auftraggeber tätig sei (Bl. 79 VA). Die Beigeladene zu 1 verfügt über eine Berufshaftpflichtversicherung (vgl. Bl. 81 VA), eine private Krankenversicherung (vgl. Bl. 369 f. VA) und eine private Rentenversicherung (vgl. Bl. 372 VA). An Betriebsmitteln verfügte die Beigeladene zu 1 im streitigen Zeitraum über einen Pkw und einige, für Physiotherapiezwecke vorgesehene Gebrauchsgegenstände, vgl. Bl. 29 LSG-Akte) sowie Werbematerial und für die Abrechnung ihrer Leistungen erforderliche Gegenstände.

Zum 01.09.2014 trat die Beigeladene zu 1 - gegen eine monatliche Kooperationsgebühr von 166 EUR - der Kooperationsgemeinschaft als Gebietsinhaberin für ein Gebiet bei (Bl. 80 SG-Akte), in dem der Kläger tätig ist. Der Kläger betreibt eine Praxis für Physiotherapie und beschäftigte im streitigen Zeitraum drei Physiotherapeutinnen; er ist als Leistungserbringer zugelassen (vgl. § 124 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -). Eine seiner Mitarbeiterinnen war (auch) im streitigen Zeitraum im Mutterschutz. Für einen wenigstens teilweisen Ausgleich der ausfallenden Arbeitskraft buchte er die Beigeladene zu 1. Am 16.08.2014 vereinbarten der Kläger und die Beigeladene zu 1 auf der Grundlage des von der Kooperationsgemeinschaft entworfenen Freiberuflervertrages eine Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 beim Kläger in der Zeit vom 03.09.2014 bis 31.12.2014 in Form des Moduls 3 und damit eine Tätigkeit mittwochs in der Zeit von 9 bis 13 Uhr, also für vier Stunden gegen ein Honorar von 99 EUR. Hausbesuche sollten mit 3,50 EUR zusätzlich berechnet werden. Der Freiberuflervertrag sah einen Einsatz des Therapeuten ausschließlich in der Therapie vor. Eine Weisungsbefugnis wurde "ausdrücklich ausgeschlossen" und zusätzlich geregelt, dass der Freiberufler die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit habe (vgl. I. des Vertrages). Abschnitt II. des Vertrages regelte u.a., dass jeder Freiberufler auf eigene Rechnung mit eigenem Briefpapier, Visitenkarten etc. arbeitet, selbst auf dem Markt mit eigener Werbung und einem Internetauftritt auftritt, selbst Arbeitszeit und Urlaubsplanung bestimmt und die Vergütung dem Umsatz abzüglich eines Abschlags für Verwaltung und Arbeitsplatz entspricht. Hierzu sah allerdings Abschnitt X. des Vertrages die Möglichkeit einer Sondervereinbarung vor, was zwischen dem Kläger und der Beigeladenen in Form der Modulabrechnung vereinbart wurde ("Sondervereinbarung: Modulabrechnung"). Unter III. wurde dem Freiberufler freigestellt, eigene Betriebs- und Therapiemittel zu verwenden und das buchende Unternehmen sollte ausreichend Räumlichkeiten zur Behandlung der Patienten nebst Mitbenutzung von Nebeneinrichtungen zur Verfügung stellen, wofür der Freiberufler einen Prozentsatz an das buchende Unternehmen zahlen sollte, der in Abschnitt X. näher geregelt wurde, was für das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1 aber angesichts der vereinbarten Modulabrechnung auf Stundensatzbasis ohne Bedeutung blieb. Für den Fall einer krankheitsbedingten Verhinderung sollte für Ersatz (durch Rückgriff auf die anderen Kooperationspartner) gesorgt werden. Falls dies nicht gelang, war der Unternehmer zu informieren. Dieser war dann, bei Ausfall der Leistung, von den Kosten befreit (Abschnitt VII. des Vertrages). Urlaubszeiten waren lediglich mitzuteilen und sollten (Abschnitt VIII. des Vertrages) durch andere kooperierende Therapeuten aufgefangen werden. Sollte auch dies nicht gelingen, war der Unternehmer von den Kosten befreit (Abschnitt VIII. des Vertrages). Zur Feststellung sämtlicher Einzelheiten der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1 geltenden vertraglichen Vereinbarungen und des gebuchten Moduls wird auf Bl. 184 und Bl. 185 VA verwiesen.

Im streitigen Zeitraum war die Beigeladene zu 1 entsprechend der getroffenen Vereinbarung jeden Mittwoch von 9 bis 13 Uhr beim Kläger tätig. Ausfallzeiten hatte sie nicht (Bl. 59 LSG-Akte). Sie behandelte dort Kassenpatienten, überwiegend Dauerpatienten (Bl. 144 Rückseite VA), die ihr vom Kläger bzw. seiner leitenden Angestellten zugeordnet wurden (Angaben des Klägers gegenüber dem Sozialgericht, Bl. 123 SG-Akte), ggf. bei Absage eines Patienten über die vom Kläger geführte Warteliste (Bl. 59 LSG-Akte). Die Abrechnung gegenüber den Krankenkassen erfolgte durch den Kläger im Rahmen seiner Zulassung als Heilmittelerbringer. Wie bei ihren anderen Einsätzen trat die Beigeladene zu 1 auch beim Kläger mit einem rosa Oberteil mit eigenem Namensschild, der Bezeichnung und dem Logo der Kooperationsgemeinschaft sowie der Zusatzbezeichnung Physiotherapeutin auf. In der Praxis des Klägers deponierte sie einen "Aufsteller" u.a. mit ihren Kontaktdaten. An Teambesprechungen oder Fortbildungen des Klägers nahm sie ebenso wenig teil wie an Gemeinschaftsveranstaltungen dieser Praxis. Fachliche Weisungen wurden der Beigeladenen zu 1 seitens des Klägers nicht erteilt. Einen entsprechenden Versuch (nach Beschwerde eines Patienten) wies die Beigeladene zu 1 unter Hinweis auf ihre selbstständige Tätigkeit und ihre Ausbildung als Physiotherapeutin zurück (vgl. Bl. 415 VA). Auch der sonstigen Arbeitsorganisation des Klägers unterwarf sich die Beigeladene zu 1 nicht. So machte sie den angestellten Mitarbeiterinnen untersagte Zigarettenpausen (vgl. Bl. 417 VA). Für jeden Monat ihrer Tätigkeit stellte sie dem Kläger das vereinbarte Modul in Rechnung sowie einen einmaligen Hausbesuch. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Rechnungen wird auf Bl. 49 ff. LSG-Akte Bezug genommen.

Im Jahre 2014 versteuerte die Beigeladene zu 1 ausschließlich Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, und zwar in Höhe von 36.743 EUR (Bl. 39 LSG-Akte).

Am 27.10.2014 beantragten die Beigeladene zu 1 und der Kläger die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status mit dem Ziel, festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Nach Anhörung stellte die Beklagte mit getrennten Bescheiden vom 09.09.2015 sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber der Beigeladenen zu 1, ausgehend von abhängiger Beschäftigung, Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1 in ihrer Tätigkeit in der Praxis des Klägers in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, beginnend am 03.09.2014, fest. Der von beiden erhobene Widerspruch wurde mit getrennten Widerspruchsbescheiden vom 08.02.2016 zurückgewiesen.

Das hiergegen vom Kläger am 08.03.2016 angerufene Sozialgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 15.05.2018 die an den Kläger gerichteten Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 in der Zeit vom 03.09.2014 bis 31.12.2014 in allen Zweigen der Sozialversicherung nicht versicherungspflichtig war. Nach Darstellung der entsprechenden rechtlichen Grundlagen für die Statusfeststellung (§ 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -) und den Regelungen über die Versicherungspflicht von Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -, § 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) hat es ausgeführt, dass zwischen den Partein des Vertrages ein selbstständiges Dienstverhältnis vereinbart und tatsächlich auch praktiziert worden sei. Diese Vereinbarung stehe mit den tatsächlichen Umständen der Tätigkeit nicht im Widerspruch, vielmehr überwögen die für selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Insbesondere habe ein fachliches Weisungsrecht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1 nicht bestanden, sondern sei ausdrücklich ausgeschlossen worden. Auch Vorgaben des Leistungserbringerrechts (§ 124 SGB V) stünden einer selbstständigen Tätigkeit nicht entgegen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24.03.2016, B 12 KR 20/14 R). Mit ihrer eigenen Arbeitskleidung sei erkennbar gewesen, dass die Beigeladene zu 1 nicht als Mitarbeiterin des Klägers, sondern nach außen als Selbstständige aufgetreten sei. Auch eine relevante Einbindung in die Arbeitsorganisation des Klägers habe nicht bestanden. Insoweit genüge es nicht, dass der Kläger mit den Krankenkassen abgerechnet habe. Als unternehmerisches Risiko sei zu werten, dass die Beigeladene zu 1 einen Vergütungsanspruch nur bei tatsächlicher Behandlung von Patienten gehabt habe. Für einen Arbeitnehmer mehr als untypisch sei es, dass die Beigeladene zu 1 bei Krankheit das Recht gehabt habe, eine Vertretung zu suchen, die dann mit dem Kläger ihre Kosten abgerechnet hätte.

Gegen das ihr am 01.06.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.06.2018 Berufung eingelegt. Sie verweist darauf, dass die Beigeladene zu 1 im Wesentlichen ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt habe und nach Stunden entlohnt worden sei. Sie sei als Ersatz für eine im Mutterschutz befindliche Mitarbeiterin gebucht worden und mithin wie eine Teilzeitbeschäftigte eingesetzt worden. Ein unternehmerisches Risiko habe sie nicht zu tragen gehabt. Da sie keine eigene Zulassung zur Abrechnung gehabt habe, sei sie für die Ausübung ihrer Tätigkeit auf die Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation angewiesen gewesen. Unterschiede gegenüber den vom Kläger beschäftigten Physiotherapeutinnen seien nicht erkennbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.05.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier streitige Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status und der Annahme von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Versicherung dargestellt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung jene Umstände überwiegen, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Beklagten gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Insbesondere halten diese Ausführungen den Angriffen in der Berufung stand. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die Beigeladene zu 1 keine eigene Kassenzulassung und damit keine entsprechende Abrechnungsbefugnis gehabt habe, ist dies nach der Rechtsprechung des BSG nicht ausschlaggebend (BSG, Urteil vom 14.09.1989, 12 RK 64/87, u.a. in juris). Soweit die Beklagte meint, sie könne keinen Unterschied zwischen den von den Angestellten des Klägers und von der Beigeladenen zu 1 ausgeübten Tätigkeit erkennen, ist dies nicht nachvollziehbar. Das Sozialgericht hat ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Beigeladene zu 1 beim Kläger nicht wesentlich in die betriebliche Struktur eingegliedert war. Entsprechendes gilt für den Einwand der Beklagten, der Kläger habe die Beigeladene zu 1 zu Aushilfszwecken gebucht. Schließlich spricht auch die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars nicht zwingend für eine abhängige Beschäftigung. Insbesondere bei reinen Dienstleistungen ist, anders als bei der Erstellung eines materiellen Produkts (also der Herstellung eines Werkes), ein erfolgsabhängiges Entgelt auf Grund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten (BSG, Urteil vom 31.03.2017, B 12 R 7/15 R, u.a. in juris).

Soweit die Beklagte ein unternehmerisches Risiko bestreitet, insbesondere, weil die Beigeladene zu 1 keine eigene Praxisstätte habe, kommt auch diesem Aspekt keine durchschlagende Bedeutung zu. Dass die Beigeladene zu 1 ein gewisses unternehmerisches Risiko trug, hat das Sozialgericht dargelegt. Dass ein solches Risiko ein Ausmaß erreichen muss, wie es typischerweise bei Selbstständigen mit umfangreichen eigenen Betriebsmitteln der Fall ist, ist nicht erforderlich. Im Übrigen ist bei reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur Know-how, Arbeitszeit und Arbeitsaufwand voraussetzen, unternehmerisches Tätigwerden nicht mit größeren Investitionen in Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen ist deshalb bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden (BSG, Urteil vom 31.03.2017, a.a.O.). Entsprechendes gilt für die Frage einer Betriebsstätte. Ihr Fehlen ist nur dann von Bedeutung, wenn sie bei Tätigkeiten der fraglichen Art zu erwarten oder notwendig ist (BSG, a.a.O.). Für die häufigsten physiotherapeutischen Leistungen (Krankengymnastik, manuelle Therapie, Massagen, Lymphdrainage) ist dies aber nicht der Fall, wie deren Erbringung bei Hausbesuchen aber auch am Arbeitsplatz belegt.

Allerdings behandelte die Beigeladene zu 1 entgegen der Annahme des Sozialgerichts keine eigenen Patienten. Vielmehr wurden ihr - entsprechend ihrer aushilfsweisen, von vornherein befristeten Tätigkeit - vom Kläger Patienten zur Behandlung zugeteilt, für die er dann im Falle von Versicherten bei den Krankenkassen bzw. bei Privatversicherten direkt die ärztlich verordneten Leistungen abrechnete, was für Beschäftigung spricht (BSG, Urteil vom 24.03.2016, B 12 KR 20/14 R, a.a.O.), ebenso wie die Inanspruchnahme der betrieblichen Infrastruktur des Klägers (Räume, Liegen, Gerätschaften) durch die Beigeladene zu 1 bei der Behandlung (BSG, a.a.O.). Allerdings steht dem gegenüber, dass sich die Beigeladene zu 1 keinerlei sonstigen Vorgaben unterzuordnen hatte und dies auch nicht tat. Entsprechend den getroffenen Vereinbarungen wies sie jeglichen Versuch fachlicher Einflussnahme anlässlich einer Patientenbeschwerde unter Hinweis auf ihren Status als Selbstständige und ihre fachliche Qualifikation zurück, was vom Kläger akzeptiert und nicht etwa mit der Androhung einer Kündigung als Ausdruck der Inanspruchnahme eines Weisungsrechts oder jedenfalls einer Maßnahme der Qualitätssicherung beantwortet wurde, und sie hielt sich auch nicht an allgemeine Vorgaben zum Verhalten; so machte sie Zigarettenpausen, was den angestellten Mitarbeitern untersagt war und wiederum vom Kläger akzeptiert wurde. Auch nahm sie an betrieblichen Veranstaltungen im weitesten Sinne nicht teil, weder an Besprechungen, noch an Fortbildungen oder Gemeinschaftsveranstaltungen. Schließlich erhielt die Beigeladene zu 1 mit - von ihr dem Kläger ebenso wie die Zeitmodule vorgegebenen, also nicht verhandelten - 99 EUR für vier Stunden einen Stundensatz von 25,75 EUR, während der Kläger seinen angestellten Physiotherapeutinnen selbst für Überstunden mit den entsprechenden Zuschlägen nur einen Stundensatz von 12,50 EUR zahlte (Bl. 75 LSG-Akte). Das höchste Monatsgehalt - abgesehen jenes der leitenden Angestellten (s. Bl. 70 LSG-Akte) - betrug bei Vollzeittätigkeit (38,5 Stunden, vgl. Bl. 416 VA) 1.800 EUR (Bl. 78 LSG-Akte), was einem Stundenlohn von knapp 11 EUR entspricht. Die bei den tatsächlich geleisteten Stunden zu errechnenden Stundensätze lagen zwischen 8 EUR und 11 EUR (vgl. z.B. Bl. 100, 73 und Bl. 104, 76 LSG-Akte). Liegt aber das Honorar - wie hier - deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, was durch die von der Beigeladenen zu 1 abgeschlossenen Versicherungen nachgewiesen ist, ist dies nach neuerer Rechtsprechung - und anders als noch im eben erwähnten Urteil - ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit (BSG, Urteil vom 31.03.2017, B 12 R 7/15 R, u.a. in juris), das im vorliegenden Einzelfall den Aspekt der teilweisen Eingliederung maßgeblich relativiert.

Nur am Rande weist der Senat darauf hin, dass der Ort, an dem die Beigeladene zu 1 ihre Tätigkeit zu erbringen hatte, nämlich in der Praxis des Klägers (den einmaligen Hausbesuch wertet der Senat als für die zu treffende Statusentscheidung nicht maßgebend), keinen relevanten Aspekt im Rahmen der Gesamtabwägung darstellt. Denn dieser Ort war zwischen den Vertragsparteien vereinbart und damit gerade nicht Ausfluss eines irgendwie gearteten Bestimmungsrechts oder gar Weisungsrechts des Klägers. Im Übrigen - und hierauf hat das Sozialgericht zu Recht hingewiesen - wird aus der für die Zulassung als Leistungserbringer erforderlichen Praxisausstattung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 SGB V) zu Recht abgeleitet, dass die Erbringung der Leistungen in der Praxis des Auftraggebers somit im Grunde gesetzlich vorgegeben und damit kein Aspekt ist, der für Beschäftigung spricht (vgl. gerade zu Mitgliedern der in Rede stehenden Kooperationsgemeinschaft und selbstständige Tätigkeit bejahend Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.10.2016, L 2 R 4239/16, und vom 29.01.2019, L 13 R 3627/17).

Im Ergebnis gelangt somit auch der Senat - wie das Sozialgericht - zu dem Ergebnis, dass in der Gewichtung - unter Einbeziehung auch der vom Sozialgericht dargelegten tatsächlichen Aspekte (vor allem: Auftreten am Markt und in der Praxis des Klägers als eigenständige Selbstständige; keine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung, vielmehr Möglichkeit, bei Verhinderung Ersatz zu stellen; Vergütung nur für tatsächlich geleistete Stunden) - mehr für als gegen selbstständige Tätigkeit spricht, jedenfalls mindestens ebenso viele tatsächlichen Umstände in ihrer Gewichtung für die Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Damit kommt dem im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Willen der Vorrang zu (BSG, Urteil vom 13.07.1978, 12 RK 14/78, u.a. in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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