L 10 R 4542/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 1161/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4542/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 09.11.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 1972 geborene Kläger absolvierte zunächst eine Fachschulausbildung (August 1989 bis Juli 1990) und erlernte anschließend von Anfang September 1990 bis Ende Februar 1992 den Beruf des Kfz-Mechanikers, in dem er - mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - bis Ende September 1993 beschäftigt war. Anschließend arbeitete er nach eigenen Angaben (wiederum mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie der Arbeitslosigkeit) in einem Autohaus (vgl. Bl. 57 Senats-Akte). Seit März 1998 - unterbrochen u.a. durch Arbeitsunfähigkeit in der Zeit von Juli 2015 bis Juni 2017 (s. Angabe Bl. 57 Senats-Akte) - arbeitet er in der Produktion bei der Fa. A. , zuletzt als Einleger. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie der Nachteilsausgleich Merkzeichen "G" festgestellt.

Am 21.09.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen holte die Beklagte das Gutachten des Internisten Dr. B. ein (Diagnosen nach Untersuchung Anfang Januar 2016: Gonarthrose beidseits, links mehr als rechts, mit deutlicher Einschränkung der Beugefähigkeit beidseits, derzeit ohne Reizzustand; Zustand nach multiplen arthroskopischen Eingriffen beidseits; Zustand nach varisierender suprakondylärer Umstellungs-Osteotomie links im Mai 2008; LWS-Syndrom bei Bandscheibenvorfall L5/S1 mit mäßiger Funktionseinschränkung ohne radikuläre Symptomatik; Schultereckgelenksinstabilität links bei Zustand nach AC-Gelenkssprengung im Dezember 2012), der den Kläger noch für leistungsfähig im Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich für leichte bis gelegentlich mittelschwere Wechseltätigkeiten in überwiegendem Sitzen (ohne Knien und Hocken, Klettern und Steigen, Überkopfarbeiten, Heben und Tragen schwerer Lasten) erachtete. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 11.06.2016 und der Begründung ab, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne und daher im Sinne der gesetzlichen Regelungen nicht erwerbsgemindert sei. Das anschließende Widerspruchsverfahren, in dem der Kläger eine Vielzahl ärztlicher Unterlagen vorlegte, blieb - nach erneuter sozialmedizinischer Prüfung durch Dr. B. (s. M78 VerwA) - ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016).

Hiergegen hat der Kläger am 11.04.2016 beim Sozialgericht H. (SG) Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen unter Hinweis auf die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen geltend gemacht, dass er unter massiven orthopädischen Beschwerden mit erheblichen Schmerzen leide. Außerdem bestünden massive psychische Beeinträchtigungen, sodass er nicht mehr "sechs bzw. drei Stunden" täglich arbeiten könne. Namentlich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) sei von einer erheblichen Minderung/Gefährdung der Erwerbsfähigkeit ausgegangen.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Arzt für Allgemeinmedizin S. hat u.a. mitgeteilt, dass er das Hauptleiden des Klägers auf dem Gebiet der Psychiatrie sehe. Dem Gutachten des Dr. B. stimme er "voll" zu und habe dem nichts hinzuzufügen. Chirurg und Unfallchirurg Prof. Dr. B. (Chefarzt des Departments Sportorthopädie/Sporttraumatologie Untere Extremität der Sportklinik S. ) hat sich der Leistungseinschätzung des Dr. B. ebenfalls angeschlossen, genauso wie der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. E. (A. Praxisklinik H. ).

Nach Anhörung der Beteiligten (mit der Angabe, dass eine Entscheidung nicht vor dem 15.11.2016 ergehen werde) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2016, gestützt auf die Aussagen der behandelnden Ärzte und die gutachterlichen Ausführungen des Dr. B. , abgewiesen. Der Kläger könne unter Beachtung der von Dr. B. genannten qualitativen Einschränkungen jedenfalls noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich verrichten, sodass er nicht erwerbsgemindert sei. Aus dem Gutachten des MDK von Juli 2013 lasse sich schon mangels Mitteilung nachvollziehbarer Befunde nichts Abweichendes herleiten, zumal dort auch die Arbeitsunfähigkeit als Fertigungsfachkraft bei der Fa. A. im Vordergrund gestanden habe. Anhaltspunkte für psychiatrische Beeinträchtigungen mit Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen lägen im Übrigen nicht vor. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger erst nach dem 02.01.1961 geboren sei.

Gegen den den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.11.2016 zugestellten Gerichtsbescheid haben diese am 07.12.2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass die maßgeblichen Erkrankungen des Klägers "auch bzw. hauptsächlich oder schwerpunktmäßig auf psychiatrischem oder psychotherapeutischem Fachgebiet" lägen. Dies habe sowohl das SG als auch Dr. B. - sowie Dr. E. und Prof. Dr. B. , die ohnehin keine Psychiater seien - verkannt, sodass dessen Gutachten insoweit auch "unvollständig", "unrichtig" und "zudem widersprüchlich" sei. Tatsächlich leide der Kläger an einer schweren seelischen Erkrankung (Hinweis auf die Einschätzung seiner behandelnden Psychiaterin). Alleine deswegen könne der Kläger nicht mehr arbeiten. Die Entscheidung des SG sei daher, ebenso wie das Gutachten des Dr. B. , "falsch". Außerdem habe das SG das rechtliche Gehör des Klägers abgeschnitten, indem es entgegen der Ankündigung vor dem 15.11.2016 entschieden habe.

Der Kläger beantragt sachgerecht gefasst (vgl. Bl. 2 Senats-Akte),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 09.11.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.03.2016 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Nach Stellungnahme der Beklagten durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialmediziner Dr. N. (Bl. 31 Senats-Akte) hat der Senat die behandelnde Psychiaterin und Psychotherapeutin des Klägers, Dr. G. , schriftlich als sachverständige Zeugin befragt. Sie hat u.a. bekundet, den Kläger seit Mitte Februar 2016 sechsmal behandelt zu haben, zuletzt Mitte Februar 2017 wegen einer rezidivierenden depressiven Störung - gegenwärtig mittelgradige Episode - auf dem Boden einer Dysthymia und Anpassungsstörungen. Es liege eine "Minderung der psychischen Ausdauer und Belastbarkeit" vor; für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit sei eine gezielte Begutachtung erforderlich.

Nach erneuter sozialmedizinischer Stellungnahme der Beklagten durch Dr. N. (Bl. 37 Senats-Akte) hat der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapeut Dr. H. (Chefarzt der Klinik für Suchttherapie des Klinikums am W. ) eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers eine Dysthymia sowie eine remittierte rezidivierende depressive Störung diagnostiziert hat. Eine schwere depressive Episode lasse sich definitiv nicht nachweisen, nicht einmal (mehr) eine leichte. Der Kläger könne leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (ohne Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck wie etwa Akkordarbeit, ohne Nachtarbeit sowie ohne eine besonders hohe, das normale Maß deutlich übersteigende Verantwortung bzw. geistige Beanspruchung, z.B. keine hohen Ansprüche an Auffassung und Konzentration) noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

Die Klägerseite hat geltend gemacht (Bl. 73 ff. Senats-Akte), dass das Sachverständigengutachten widersprüchlich und "inhaltlich unrichtig" sei, weil es nicht mit den Diagnosen der Dr. G. - die immerhin "Arbeitsunfähigkeit" attestiert habe und den Kläger wesentlich öfter "zu Gesicht bekommen habe" - übereinstimme und die vom Sachverständigen genannten Einschränkungen gerade dazu führten, dass der Kläger nicht mehr arbeiten könne. Zuletzt hat der Kläger den Arztbericht der Dr. G. von Mitte Dezember 2017 vorgelegt, auf den hier verwiesen wird (Bl. 81 Senats-Akte).

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 11.01.2016 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 24.03.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu; eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kann der Kläger von Gesetzes wegen ohnehin nicht beanspruchen, weil er nach dem 02.01.1961 - nämlich im Juli 1972 - geboren wurde (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 und 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGBVI -) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit den von Dr. B. genannten und von Prof. Dr. B. , Dr. E. und Allgemeinmediziner S. bestätigten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich ausüben kann. Der Senat sieht deshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den oben zusammengefassten Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Die vom Kläger im Rechtsmittelverfahren alleine in den Vordergrund gerückten psychiatrischen Beschwerden führen lediglich zu den vom Sachverständigen Dr. H. genannten qualitativen Einschränkungen - insoweit wird auf den Tatbestand verwiesen -, nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung.

Zum Berufungsvorbringen ist zunächst zu sagen, dass die vom Kläger geltend gemachte Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) dadurch, dass das SG schon vor Ablauf des angekündigten (frühesten) Entscheidungstags entschieden hat, prozessual überholt und daher vorliegend ohne Belang ist. Denn dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist jedenfalls im Rechtsmittelverfahren Genüge getan worden; der Senat entscheidet als Tatsachengericht in der Sache (vgl. § 157 SGG).

Soweit die Klägerseite gemeint hat, das Gutachten des Dr. B. sei "unvollständig", "unrichtig" und "zudem widersprüchlich", weil er die psychiatrischen Einschränkungen des Klägers nicht berücksichtigt habe, merkt der Senat lediglich am Rande an, dass der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. B. nur angab, einmal wöchentlich wegen einer "Depression" eine Psychotherapie aufzusuchen. Seelische Einschränkungen schilderte er nicht. Er war bei der Untersuchung - worauf schon das SG zutreffend hingewiesen hat - zudem freundlich und kooperativ, bewusstseinsklar, voll orientiert und bei unauffälliger Stimmungslage. Inhaltliche oder formale Denkstörungen, Störungen des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit und Konzentration lagen nicht vor (s. Gutachten M40 VerwA). Auf Grund des Umstands, dass sich der Kläger erstmals Mitte Februar 2016 - also nach der Untersuchung durch Dr. B. - in facharztpsychiatrische Behandlung begab (s. Auskunft der Dr. G. gegenüber dem Senat), erschließt sich dem Senat schon nicht, was Dr. B. hier übersehen oder unberücksichtigt gelassen haben soll, zumal auch im MDK-Gutachten von Juli 2013 - auf das sich die Klägerseite berufen hat - ein "klares und geordnetes Denkvermögen" ohne Anhalt für psychische Erkrankungen beschrieben wurde und der Kläger auch seinerzeit lediglich angab, eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen zu haben, die vorzeitig abgebrochen worden sei.

Auf dies alles kommt es indes nicht entscheidend an, denn Dr. N. hat in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen (Bl. 31 und 37 Senats-Akte) überzeugend dargelegt, dass und warum eine schwere seelische Erkrankung mit Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen beim Kläger nicht vorliegt und warum namentlich schon die Diagnoseangaben der Dr. G. in ihrer Auskunft gegenüber dem Senat nicht nachvollziehbar sind. Der Senat macht sich diese Ausführungen vollumfänglich zu eigen, verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf und merkt ergänzend nur noch an, dass - auch darauf hat Dr. N. hingewiesen - Dr. G. eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers gerade nicht beschrieben hat. Ihre Annahme einer (unspezifischen) Minderung der psychischen Ausdauer und Belastbarkeit hat sie auch nicht begründet.

Die (Leistungs-)Einschätzung des Dr. N. ist im Übrigen vom Sachverständigen Dr. H. bestätigt worden. Auch dieser ist zu keiner zeitlichen Leistungsbeeinträchtigung beim Kläger gekommen, sondern hat lediglich die oben wiedergegebenen qualitativen Einschränkungen genannt, die - so der Sachverständige - einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (vgl. § 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI) nicht entgegenstehen.

Soweit die Klägerseite gemeint hat, die vom Sachverständigen genannten (nur qualitativen) Einschränkungen begründeten ein zeitlich aufgehobenes Leistungsvermögen, entbehrt dies - weil der Sachverständige gerade vom Gegenteil ausgegangen ist - einer tragfähigen Grundlage. Der Hinweis der Klägerseite darauf, dass Dr. G. andere Diagnosen als der Sachverständige genannt habe, hilft schon deshalb nicht weiter, weil bereits Dr. N. überzeugend dargelegt hat, dass die diagnostischen Angaben der Dr. G. nicht nachvollziehbar sind, was der Sachverständige ebenfalls bestätigt hat (vgl. Bl. 67 f. 70 Senats-Akte). Ohnehin verkennt die Klägerseite, dass es für die rentenrechtliche Beurteilung von Erwerbsminderung nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung ankommt, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris, Rdnr. 15), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen, weswegen auch die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht relevant sind (BSG, a.a.O.). Entsprechende objektiv-klinische Funktionsbeeinträchtigungen hat Dr. G. aber nicht aufgezeigt (s. wiederum die Stellungnahmen des Dr. N. ), sie hat sich auch nicht zu einer Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers in der Lage gesehen.

Dass Dr. G. in der Vergangenheit beim Kläger von Arbeitsunfähigkeit ausgegangen ist, spielt ebenfalls keine Rolle, weil es im Rahmen von Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nicht darauf ankommt, ob der Versicherte seinen erlernten Beruf noch ausüben kann; Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung sind die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können. Auch spielt es keine Rolle, ob der Kläger wegen Krankheit oder Behinderung behandlungsbedürftig oder arbeitsunfähig ist (vgl. BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B, in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19); der Begriff der Erwerbsminderung unterscheidet sich grundlegend von dem der (krankenversicherungsrechtlichen) Arbeitsunfähigkeit, denn Letztere richtet sich grundsätzlich nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, in SozR 4-2500 § 44 Nr. 7 m.w.N.), wohingegen - wie dargelegt - für die Frage einer Erwerbsminderung die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entscheidend sind.

Ergeben sich demnach weder aus der Auskunft der Dr. G. noch aus dem Sachverständigengutachten tragfähige Anhaltspunkte für höhergradige seelische Beeinträchtigungen des Klägers, spielt es keine Rolle, was der Kläger von der Leistungseinschätzung des Dr. H. hält. Denn auch wenn der Senat dessen (den erhobenen Anspruch gerade nicht stützende) Beurteilung hinwegdenken würde, bliebe es bei den nicht bestehenden tragfähigen Anhaltspunkten. Dies würde dem Kläger aber nicht weiterhelfen, weil die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sein müssen, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90, in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). So liegt der Fall hier, zumal keiner der im Verfahren gehörten Ärzte - auch nicht Dr. G. - von einem unter sechsstündigen Leistungsvermögen beim Kläger ausgegangen ist.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf den zuletzt vorgelegten Arztbrief der Dr. G. von Mitte Dezember 2017 (Bl. 81 Senats-Akte) gerechtfertigt. Denn die diagnostischen Angaben und der mitgeteilte Befund entsprechen (wörtlich) dem, was Dr. G. bereits in ihrer Auskunft gegenüber dem Senat bezüglich der Behandlung des Klägers Mitte Februar 2017 (s. Bl. 35 Senats-Akte) bekundet hat - und was entsprechend von Dr. N. und Dr. H. gewürdigt worden ist -, freilich mit der Abweichung, dass der Kläger jetzt nur noch "etwas" im Antrieb gemindert sei. Ergibt sich damit zu Gunsten des Klägers nichts Neues, bleibt es bei der Einschätzung der Dres. N. und Heinrich. Ungeachtet dessen hat der Kläger ausweislich dieses letzten aktenkundigen Arztbriefs gegenüber Dr. G. angegeben, "nach 6 Std." mit der (bei der Fa. A. zwischenzeitlich wiederaufgenommenen) Arbeit aufhören zu müssen, weil er "nicht mehr könne". Damit besteht aber auch nach der eigenen Einschätzung des Klägers keine Erwerbsminderung, weil ein sechsstündiges Leistungsvermögen eine solche ausschließt (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI: "mindestens"). Nur am Rande sei angemerkt, dass der Kläger weiterhin als Einleger tätig ist (s. seine Angaben Bl. 57 Senats-Akte). Auf der Grundlage seiner Tätigkeitsbeschreibung (s. Bl. 23 SG-Akte) handelt es sich dabei indes um eine nicht (mehr) leidensgerechte Arbeit. Kann er aber eine nicht mehr leidensgerechte Arbeit nach seinen eigenen Angaben noch sechs Stunden verrichten, erschließt sich dem Senat nicht, warum ihm eine leidensgerechte, leichte Tätigkeit mindestens im selben zeitlichen Umfang nicht möglich sein soll.

Der Senat hat unter Zugrundelegung all dessen keinen Zweifel daran, dass der Kläger jedenfalls noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Er ist damit nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob er einen dem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz innehat oder ihm ein solcher vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94, in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie dem Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein. So liegt der Fall beim Kläger. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Schließlich führt auch der Umstand, dass beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft sowie ein Nachteilsausgleich nach dem Schwerbehindertenrecht festgestellt ist, zu keiner anderen Bewertung, denn dem kommt hinsichtlich der zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit keinerlei Aussagekraft zu (BSG, Beschluss vom 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris, Rdnr. 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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