L 1 KR 326/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 221 KR 3657/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 326/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2018 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 4.359,02 EUR nebst 2 vom Hundert Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31. Mai 2013 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Kosten einer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses. Sie nahm den 1953 geborenen Versicherten der Beklagten HN vom 20. Juni 2011 bis 8. Juli 2011 zur stationären Behandlung auf. Der Versicherte war aus dem E Wkrankenhaus S zur Behandlung in das Krankenhaus der Klägerin verlegt worden. In dem E Wkrankenhaus S waren dem an peripherer arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) leidenden Versicherten am 10. Mai 2011 Zehen rechts und nach Entstehen einer Nekrose am 19. Mai 2011 der rechte Vorfuß amputiert worden. Nachdem sich zunehmend saubere Wundverhältnisse fanden, wurde dem Krankenhaus der Klägerin die Übernahme der Behandlung zur plastischen Deckung angeboten. Ausweislich des Entlassungsberichts erfolgte bei der Klägerin am 21. Juni 2011, 23. Juni 2011, 27. Juni 2011 und 30. Juni 2011 ein Debridement (Wundtoilette) mit Exzision der nekrotischen Gewebeanteile. Am 30. Juni 2011 erfolgte dann die Deckung des Weichteildefekts durch Spalthaut vom rechten Oberschenkel.

Am 23. August 2011 stellte die Klägerin der der Beklagten 14.485,35 EUR für die Behandlung des Versicherten in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, beauftragte aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung am 12. September 2011 mit der Überprüfung der Abrechnung. Der MDK zeigte dem Krankenhaus der Klägerin mit Schreiben vom selben Tag den Prüfauftrag an. In seinem Gutachten vom 2. Juli 2012 befand der Gutachter der MDK Dr. W, dass die für den Versicherten abgerechnete DRG I02B medizinisch nicht sachgerecht sei. Die vom Krankenhaus als Hauptdiagnose kodierte M79.99:R (Krankheit des Weichteilgewebes, nicht näher bezeichnete Lokalisationen) sei medizinisch nicht plausibel. Hauptdiagnose sei I70.24 "Atherosklerose der Extremitätenarterien, Becken-Bein-Typ, mit Gangrän" gewesen. Nicht bestätigt werden könne auch die Prozedur OPS 2011 (schichtübergreifendes Debridement), die nicht dokumentiert sei. Medizinisch plausibel würde sich die DRG F21A ergeben.

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 4. Juli 2012 auf das Ergebnis der Begutachtung durch den MDK hin und forderte zur Übersendung einer korrigierten Rechnung auf.

Die Klägerin legte gegen das Gutachten Widerspruch ein. Es habe sich sehr wohl jeweils um schichtübergreifende Debridements gehandelt, was sich auch aus dem ersten OP-Bericht ergebe. Aufgabe der plastischen Chirurgie sei u.a. die rekonstruktive Chirurgie, bei der Defekte der Gewebeschichten rekonstruiert würden. Die Ateriosklerose sei nicht primär behandelt worden.

Die Beklagte befragte wieder den MDK. Für diesen befand Dr. W in seinem weiteren Gutachten vom 28. November 2012, dass die Prozedur 5-865.6.R (Amputation transmetatarsal) nachzukodieren sei. Die Durchführung eines schichtübergreifenden Debridements im Sinne des OPS 2011 sei nicht begründet. Bezüglich der Hauptdiagnose gebe es keine Veränderungen. Nach erneuter Kodierprüfung ergebe sich die DRG F28A.

Die Klägerin legte erneut Widerspruch ein. Die von der Beklagten vorgeschlagene Diagnose sei nicht behandelt worden. Der Kode I70.23b würde nicht einen freiliegenden Knochen beinhalten. Die Diagnose T87.5 – Infektion eines Amputationsstumpfes/Nekrose würde exakt das behandelte Krankheitsbild beschreiben. Die Nebendiagnosen und die Erreger seien dokumentiert und hätten einen erheblichen Aufwand verursacht. Die ersatzweise vorgeschlagenen Debridements würden lediglich die Haut betreffen. Tatsächlich seien aber sämtliche Weichteilschichten und der Knochen versorgt worden.

Die Beklagte befragte abermals den MDK. Für diesen antwortete Dr. W am 8. März 2013, dass sich nach Prüfung der letzten Einlassung des Krankenhauses keine Änderungen ergeben würden. Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 12. März 2013 erneut zur Übersendung einer korrigierten Rechnung auf. Am 30. Mai 2013 verrechnete sie den bereits gezahlten Betrag in Höhe von 14.486,15 EUR mit einer anderen unstreitigen Forderung der Klägerin und wies der Klägerin für die Behandlung des Versicherten den von ihr errechneten Betrag von 10.127,13 EUR an.

Mit der am 29. September 2015 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 4.359,02 EUR. Die Beklagte hat zunächst Widerklage erhoben, weil sich nach Auswertung der Krankenhausdokumentation ergeben habe, dass die zunächst bestätigte Nebendiagnose L03.11 (Phlegmonie an den unteren Extremitäten) nicht belegt sei. Daraus ergebe sich eine weitere Überzahlung in Höhe von 3.811,55 EUR. Die Widerklage hat die Beklagte wegen Verjährung wieder zurückgenommen. Sie hat ein von Frau P vom MDK am 30. Dezember 2015 erstelltes Gutachten vorgelegt, wonach sich bei richtlinienkonformer Kodierung die DRG F21A ergeben würde. Als Hauptdiagnose sei vorliegend eine Wundheilungsstörung (I70.24) zu kodieren. Als Prozedur sei der Wechsel eines VAC-Systems in Narkose (5-916.a0[1]) zu kodieren, der auch das Debridement des Wundgrundes erfasse. Daneben sei die Knochenresektion an dem Mittelfußknochen mit dem Kode 5-788.09 zu beschreiben.

Das Sozialgericht hat den Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie Dr. MH vom Bkrankenhaus B, Abteilung Orthopädie/Unfallchirurgie, Sektion Gefäßchirurgie mit einem Gutachten über die Abrechnung des streitigen Krankenhausaufenthaltes beauftragt. In seinem Gutachten vom 14. Januar 2017 kommt Dr. H zu dem Ergebnis, dass die Diagnose M 79.99 mit den Prozeduren 5-916.a1, 8-190.11, 5-5869.1 und 5-9024g zu verschlüsseln gewesen sei. Die Diagnose pAVK I70.24 sei eine Nebendiagnose. Die Fallpauschale DRG IO2B sei den Ressourcen für die Diagnosen und Prozeduren angemessen. Die Beklagte hat dazu ein von Herrn K am 11. April 2017 erstelltes Gutachten des MDK vorgelegt, in dem an der bisherigen Auffassung des MDK festgehalten wird. Die Einschätzung, dass die Wunde lediglich ein Symptom sei, könne nicht geteilt werden. Es gelte der Grundsatz, dass so speziell wie möglich zu verschlüsseln sei. Deswegen sei vorliegend die I70.24 (Artherosklerose der Extremitätenarterien, Becken-Bein Typ, mit Gangrän) zu verschlüsseln. Das sei die spezifischste Möglichkeit der Beschreibung der vorliegenden Erkrankung. Das DKR Kapitel 12 – Krankheiten der Haut- und Unterhaut für die Plastische Chirurgie sei nicht in Ansatz zu bringen, da die Wunde am rechten Fuß Teil der Grunderkrankung sei. Die bakterielle Besiedelung einer Wunde sei kein ausreichender Hinweis auf eine bestehende Wundinfektion. Diese komme als Hauptdiagnose nicht in Betracht. Der Gutachter H interpretiere die Möglichkeit der Verwendung der Prozedur 5-869.1 "Weichteildebridement, schichtenübergreifend, an den Bewegungsorganen" neben der Prozedur 5-916.A1:R "Anlage oder Wechsel eines Systems zur Vakuumversiegelung, tiefreichend subfaszial oder an Knochen und Gelenken" fehlerhaft. Aus beiden Prozeduren gehe hervor, dass die Faszie dargestellt worden sei. Die Muskelfaszie stelle aber selber eine Schicht dar und schließe daher eine gemeinsame Verwendung beider Prozeduren aus. Auch in einem weiteren Gutachten vom 18. Juli 2017 ist Herr K vom MDK bei seinem Ergebnis geblieben. Es sei nicht fachgerecht, einen Bestandteil der Erkrankung zusätzlich zu der inkludierten Hauptdiagnose zu kodieren. Die Kodierung von Diagnosen M79.- dienten der Kodierung primärer Erkrankungen dieser Gewebe, nicht der Kodierung von postoperativen sekundären Störungen. Die Behandlung der Wunde stelle einen Teil der Behandlung der Grunderkrankung pAVK dar.

Dr. H hat dazu in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 16. Oktober 2017 ausgeführt, dass er an seiner Einschätzung festhalte. Wenn die Diagnose I70.24 (Atherosklerose etc.) die Hauptdiagnose sei, sei die Aufnahme des Versicherten in eine Fachabteilung für Plastische Chirurgie als Fehlbelegung anzusehen, die eine Abrechnung der Leistungen ausschließe. Hauptdiagnosegruppen seien Kategorien, die auf einem Körpersystem oder einer Erkrankungsätiologie aufbauten, die mit einem speziellen medizinischen Fachgebiet verbunden seien. Diagnosebezogene Fallgruppen seien ein Patientenklassifikationssystem, dass in einer klinisch relevanten und nachvollziehbaren Weise Art und Anzahl der behandelten Krankenhausfälle in Bezug zum Ressourcenverbrauch des Krankenhauses setze. Die DRG I02 für die plastische Chirurgie und den vorliegenden Behandlungsfall sei ausreichend definiert, nicht aber die von der Beklagten angegebenen DRGI28A oder F28A.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 24. August 2018 abgewiesen. Die allein streitige Frage, welche der beiden in Betracht kommenden Diagnosen als Haupt- und Nebendiagnose zu kodieren gewesen sei, müsse im Sinn der Beklagten beantwortet werden. Hauptdiagnose sei eine periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium IV mit Gangrän. Die Behandlung der Amputationswunde sei keine Behandlung eines Symptoms oder eine alternative Hauptdiagnose. Die zutreffende Hauptdiagnose beinhalte in ihrer Definition bereits ein Gangrän, umfasse also auch die bei dem Versicherten bestanden habende Wunde am rechten Fuß nach der notwendig gewordenen Amputation. Es handele sich um eine spezifische Manifestation der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Der Versicherte sei zur Behandlung einer Komplikation dieser Erkrankung in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden.

Gegen das ihr am 14. September 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. Oktober 2018 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Zu Unrecht habe das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es gehe von falschen medizinischen Voraussetzungen aus und habe auch die DKR falsch angewendet. Unstreitig dürfte sein, dass der Defekt am Fuß bzw. die schlecht heilende Amputationswunde durch die bestehende pAVK begünstigt werde, welche die Wundheilung erschwere. Anlass der streitigen Aufnahme in das Krankenhaus sei aber alleine die Deckung der Defektzone am bestehenden Amputationsstupf gewesen. Die Grunderkrankung pAVK sei nicht behandelt worden. Diese Behandlung sei vor der Verlegung des Versicherten im EWkrankenhaus vorgenommen worden. Aus dem Verlegungsbrief dieses Krankenhauses ergebe sich, dass bei ihr - der Klägerin - allein die plastische Deckung der Wunde vorgenommen werden sollte. Die Grunderkrankung habe bei ihr auch nicht behandelt werden können, weil sie keinen entsprechenden Versorgungsauftrag habe. Als zu kodierende Hauptdiagnose komme auch die Infektion des Amputationsstumpfes in Betracht. Auch mit dieser Diagnose gelange man zu der begehrten DRG I02B. Die Annahme des Sozialgerichts, dass die Behandlung der Fußwunde eine Behandlung der Grunderkrankung darstelle, sei falsch. Nicht jeder pAVK-Patient habe so gravierende schlecht heilende Wunden wie der Versicherte. Zudem sei der schwere Befund am Fuß nicht auf die pAVK bedingte Minderdurchblutung, sondern vornehmlich auf eine Weichteilinfektion hervorgerufen worden, die durch Infizierung des Bereichs entstanden sei. Eine Weichteilinfektion sei nicht automatisch Teil der pAVK mit Ulzerationen, auch nicht nach der ICD-10 Systematik. Die vom Sozialgericht zitierte Entscheidung des LSG Thüringen sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Das Sozialgericht hätte schließlich die Kodierregel über die Zuweisung eines Symptoms als Hauptdiagnose anwenden müssen, wenn es die infizierte Fußwunde als Symptom der pAVK ansehe. In ihrem – der Klägerin – Krankenhaus sei nur das Symptom – die Wunde - behandelt worden. Demzufolge sei die Wunde als Hauptdiagnose und die pAVK als Nebendiagnose zu kodieren gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 4.359,02 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31. Mai 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Sie verweist auf ein weiteres vom MDK am 3. Dezember 2018 erstelltes Gutachten. Der MDK bezieht sich in diesem Gutachten auf die DKR, wonach bei nachfolgender Behandlung einer Verletzung der Kode für die Verletzung weiterhin als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Die pAVK sei die korrekte Hauptdiagnose gewesen, da bei der Klägerin eine Weiterbehandlung dieser Erkrankung erfolgt sei. Die Klassifikation einer pAVK Stadium IV inkludiere die Ulzeration am Fuß. Die Behandlung der Krankheit sei erst mit plastischer Deckung der Wunde abgeschlossen gewesen. Auch wenn nicht jede pAVK eine Ulzeration aufweise, könne eine bei einer pAVK eintretende Ulzeration spezifisch abgebildet werden. Daher erfolge keine Kodierung der Wunde als Symptom. Das Eintreten einer Wundinfektion sei auch nicht ausreichend allein durch vermehrte Wundsekretion oder Nässen der Wunde bestätigt. Nach Darstellung der Klägerin sei die Wundinfektion bereits vor der Verlegung ausbehandelt gewesen. Eine pAVK im Stadium IV sei vorliegend deswegen die richtige Diagnose, weil sie auch die Ursache der Erkrankung widerspiegele und deswegen spezifischer sei als nur die Weichteilproblematik (Fibromatose) oder ein Symptom der Erkrankung (Infektion des Amputationsstumpfes). Das klinische Stadium IV gebe die bestanden habende Situation genau wieder. Die Wunde lasse sich nicht auf ein Symptom reduzieren, weswegen die von der Klägerin angeführte Kodierregel nicht angewandt werden könne.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten, sowie die Patientenakte der Klägerin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf eine höhere Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten der Beklagten in der Zeit vom 20. Juni 2011 bis zum 8. Juli 2011.

Die Klägerin verfolgt ihren Zahlungsanspruch zulässigerweise im Wege einer allgemeinen Leistungsklage. Er ergibt sich aus dem Zahlungsanspruch für eine andere unstreitige Forderung, gegen den die Beklagte zu Unrecht am 30. Mai 2013 mit einem vermeintlichen Erstattungsanspruch wegen der hier streitigen Behandlung aufgerechnet hat. Der Beklagten stand aber in der Höhe des streitigen Betrags kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu Die stationäre Behandlung des Versicherten der Beklagten ist von dieser nicht ohne Rechtsgrund zunächst in der ausgewiesenen Höhe vergütet worden. Die Klägerin hatte gegen die Beklagte entsprechend der am 23. August 2011 gestellten Rechnung einen weiteren Vergütungsanspruch in Höhe von 4.359,02 EUR.

Rechtsgrundlage für die Vergütung der Behandlung des Versicherten der Beklagten in der Zeit vom 20. Juni 2011 bis zum 8. Juli 2011 sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17 b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 7 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Berliner Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) vom 1. November 1994 in der Fassung vom 22. Dezember 1997. Nach diesen Regelungen entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V objektiv erforderlich gewesen ist.

Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder einer ambulanten Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich ausschließlich nach medizinischen Erfordernissen (Urteil des BSG vom 25. September 2007 – GS 1/06 – und Urteil des BSG vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – zitiert jeweils nach juris). Die vollstationäre Behandlung als intensivste – und institutionell konstitutive Form der Krankenhausbehandlung wird in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V als Ultima Ratio normiert. Demgemäß muss die notwendige medizinische Behandlung in jeder Hinsicht und ausschließlich nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden können (Noftz in Hauck/Noftz SGB V § 39 RdNr. 72 m.w.Nachw.). Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht in Streit, dass nach der am 20. Juni 2011 erfolgten Aufnahme in das Krankenhaus der Klägerin bis zum 8. Juli 2011 eine Behandlung des Versicherten mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses notwendig war, so dass der Anspruch auf Klägerin auf Vergütung dem Grunde nach entstanden ist.

Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch der Klägerin nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die Leistungen der Krankenhäuser (u.a.) durch die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Diese Entgelte vergüten nach § 7 Satz 2 KHEntgG alle allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen bzw. seit dem 1. Januar 2008 der Spitzenverband Bund der Krankenkassen haben dazu nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b Abs. 2 KHG Fallpauschalen und ein Vergütungssystem zu vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert und jährlich weiterzuentwickeln und anzupassen ist. Das Vergütungssystem der allgemeinen Krankenhausleistungen soll nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG durchgängig, leistungsorientiert und pauschalierend sein. Dieses auf Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruhende Vergütungssystem wurde nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG verbindlich für alle Krankenhäuser zum 1. Januar 2004 eingeführt.

Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog sieht für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung entsprechend ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen nach einem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Kode zu verschlüsseln. Dazu haben die Vertragspartner Kodierrichtlinien beschlossen, die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Aus den Kodierungen ergibt sich nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. BSG Urt. v. 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn 17-21, Urt. v. 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rn 16). Welche der über die Höhe der Vergütung entscheidenden DRG-Positionen abzurechnen ist, ergibt sich damit nicht aus einem abstrakten Tatbestand, sondern steht am Ende des Verarbeitungsprozesses der einzugebenden Daten. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV sind zur Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer Fallpauschale Programme (sog. Grouper) einzusetzen, die von dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus zertifiziert sein müssen. Über die in das Programm einzugebenden Daten bestimmt der ICD-10 in der deutschen Fassung sowie der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS). Maßgebend ist jeweils die im Behandlungsjahr geltende Fassung. Die Klägerin hat ihre Rechnung grundsätzlich nach diesen Vorgaben erstellt. Sie hat auch mit Recht die DRG IO2B abgerechnet, weil die einzugebenden Kodierungen zur dieser DRG führen.

Zu kodierende Hauptdiagnose nach dem ICD 10 war – entsprechend den Feststellungen des vom Sozialgericht beauftragten Sachverständigen - M79.99 (Weichteildefekt, nicht näher bezeichnet) und nicht, wie die Beklagte und das Sozialgericht meinen I70.24 (in der im Jahre 2011 geltenden Fassung des ICD: Atherosklerose der Extremitätenarterien, Becken-Bein-Typ mit Gangrän). Die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) in der für das Jahr 2011 geltenden Fassung bestimmen unter D002f zur Hauptdiagnose, dass sie die Diagnose ist, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich war. Aus dieser Definition ergibt sich, dass die Funktion der Hauptdiagnose ist, die Krankheit zu bezeichnen, die vorrangig während des Aufenthalts des Patienten im Krankenhaus dort behandelt worden ist und nicht allgemein den Gesundheitszustand des Patienten zu beschreiben. Eine bei einem Versicherten bestehende Gesundheitsstörung kann demnach nicht die zu kodierende Haupterkrankung sein, wenn sie während des Krankenhausaufenthaltes nicht behandelt worden ist. Die Fokussierung auf nur die im Krankenhaus behandelte Erkrankung wird auch deutlich in der ebenfalls unter D002f zu findenden Regelung über die Zuweisung eines Symptoms als Hauptdiagnose, wonach ein Symptom als Hauptdiagnose und die zugrunde liegende Krankheit als Nebendiagnose zu kodieren ist, wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird. Maßgebend für die Kodierung der Hauptdiagnose ist nur die im Krankenhaus der Klägerin vorgenommene Behandlung, nicht auch die vorherige im Waldkrankenhaus Spandau durchgeführte Therapie. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Fallpauschalenvereinbarung in der für das Jahr 2011 geltenden Fassung. Dort ist bestimmt, dass die Fallpauschalen jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus abgerechnet werden und im Falle der Verlegung in ein anderes Krankenhaus jedes beteiligte Krankenhaus eine Fallpauschale abrechnet. Danach wäre die I70.24 hier nur dann als Hauptdiagnose zu kodieren gewesen, wenn sie die Diagnose gewesen wäre, welche hauptverantwortlich für den Krankenhausaufenthalt bei der Klägerin war. Das wiederum setzt voraus, dass für die Untersuchung und Behandlung dieser Krankheit die meisten Ressourcen verbraucht worden sein müssen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Behandlung des Versicherten im Krankenhaus der Klägerin an die vorherige Behandlung im Evangelischen Krankenhaus anschloss. Zwar ist in den DKR unter D005d bestimmt, dass bei einer Wiederaufnahme ins Krankenhaus zu einer zweiten oder weiteren Operation die ursprüngliche Krankheit weiter als Hauptdiagnose zu kodieren ist, sofern die weitere Operation schon zum Zeitpunkt des Ersteingriffs als Folgeeingriff geplant war. Diese Voraussetzung liegt hier aber nicht vor. Zum Zeitpunkt der Aufnahme des Versicherten in das Evangelische Waldkrankenhaus und der ersten Operation dort war schon nicht absehbar, dass es zu einer Wundinfektion mit Nekrose kommen und eine Amputation auch des Vorfußes erforderlich werden würde. Das ergibt sich daraus, dass zunächst die Amputation nur der Zehen geplant war und durchgeführt wurde. Entsprechend war erst recht nicht absehbar, dass eine Wunde von einem solchen Ausmaß entstehen würde, die eine plastische Wunddeckung erforderlich werden ließe.

Während des Aufenthalts bei der Klägerin hat die bei dem Versicherten bestehenden Atherosklerose der Extremitätenarterien nicht im Zentrum der Behandlungsbemühungen des Krankenhauses gestanden. Der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige Dr. H hat darauf hingewiesen, dass keine Untersuchungen und Prozeduren zur Behandlung der pAVK erfolgten. Soweit die Beklagte auf die Stellungnahme des MDK verweist, wonach der Versicherte weiter Medikamente gegen die Atherosklerose der Extremitätenarterien eingenommen habe, belegt eine Gabe von Medikamenten nicht, dass die entsprechende Erkrankung im Zentrum der Behandlungsbemühungen der Klägerin gestanden hat. Der Versicherte ist offensichtlich nicht zu der Klägerin verlegt worden, damit er dort weiter Medikamente gegen die pAVK erhält. Anlass der Verlegung war vielmehr die plastische Deckung der vorhandenen Wunde. Im Entlassungsbericht des Evangelischen Waldkrankenhauses wird darauf hingewiesen, dass sich der Versicherte dort in der ambulanten Gefäßsprechstunde vorstellen solle, wenn es zu einer Verschlechterung der Durchblutungssituation kommen sollte. Auch das belegt, dass bei der Klägerin nicht die Grundkrankheit behandelt werden sollte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach der im Jahre 2011 geltenden Fassung des ICD eine Gangrän (=Nekrose) Teil der Diagnose I70.24 war. Dagegen spricht schon, dass im Rahmen dieser Diagnose eine Gangrän eine zu der Atherosklerose der Extremitätenarterien hinzutretender besonderer Umstand ist, nicht die allein zu behandelnde Erkrankung. Zwar ist beim Versicherten zuerst die Nekrose und dann nach Amputation der Behandlungsbedarf in Bezug auf die Wunddeckung als Folge der pAVK entstanden. Trotz des damit bestehenden medizinischen Zusammenhangs ist die vorliegende Fragestellung aber nicht mit einem Sachverhalt zu vergleichen, in dem im Anschluss an eine wegen pAVK erforderlich gewordene Amputation die Wundbehandlung bis zur Entlassung weiter in demselben Krankenhaus erfolgt. In dem Krankenhaus der Klägerin ist nämlich nicht die gesamte Erkrankung des Versicherten behandelt worden, sondern nur die Wunde versorgt und gedeckt worden, die nach der Amputation zurückgeblieben war. Weil nur das letzte Teilstück des durch die pAVK entstandenen Behandlungsbedarfs des Versicherten in dem Krankenhaus der Klägerin versorgt worden ist, kann die vom Sozialgericht herangezogene Entscheidung des LSG Thüringen v. 28. November 2017 – L 6 KR 1002/14 nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden. Der Grundsatz, dass für eine stationäre Behandlung nur eine Hauptdiagnose maßgeblich sein kann (LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16. November 2016 – L 6 KR 57/13), gilt dann nicht, wenn durch Verlegung eines Patienten in ein anderes Krankenhaus abrechnungstechnisch ein neuer Behandlungsfall eingetreten ist. In solchen Fällen ist es nach den DKR vielmehr möglich, die allein behandelten Symptome als Hauptdiagnose zu kodieren. Zwar hat das BSG unlängst darauf hingewiesen, dass unter bestimmten Voraussetzungen Symptome nicht kodiert werden dürfen, wenn die ihnen zugrunde liegende Krankheit bekannt ist (BSG v. 20. März 2018 – B 1 KR 25/17 R – juris Rnn 17). Das betraf aber Fälle der Kodierung von Symptomen aus dem Kapitel XVIII der ICD 10 (R00-R99) und nicht solche, in denen sich ein Versicherter mit bekannter Grunderkrankung zur Behandlung nur eines Symptoms im Krankenhaus vorstellt. In Bezug auf die in dem Krankenhaus der Klägerin vorgenommene und medizinisch notwendig gewesene Behandlung des Versicherten war die Diagnose "Atherosklerose der Extremitätenarterien, Becken-Bein-Typ mit Gangrän" auch nicht spezieller als "Weichteildefekt, nicht näher bezeichnet". Das ergibt sich zum einen daraus, dass im Krankenhaus der Klägerin nicht die pAVK insgesamt, sondern nur eine durch sie hervorgerufene weitere Folge behandelt wurde. Auch ist unwidersprochen geblieben und vom Senat daher seiner Entscheidung zugrunde gelegt worden, dass nicht jede bei einer pAVK auftretende Gangrän ein Ausmaß erreicht, wie es bei dem Versicherten der Beklagten aufgetreten ist. Der speziell bei diesem eingetretene besondere Behandlungsbedarf im Hinblick auf die plastische Wunddeckung wird daher besser durch die M79.99 erfasst als durch die in Bezug auf das Ausmaß der Wunde allgemeine Diagnose I70.24. Danach war als Hauptdiagnose M79.99 zu kodieren.

Der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige hat in seinem Gutachten weiter die Prozeduren OPS 5-916.a1, 8-190.11, 5-869.1 und 5-9024g bestätigt, aus der sich die DRG IO2B ergebe. Der Senat kann daher dahingestellt sein lassen, ob bei dem Versicherten eine Entzündung der Wunde nachgewiesen ist, was Voraussetzung für die Kodierung der Diagnose T87.5 (Nekrose des Amputationsstumpfes) gewesen wäre. Auf diese Frage kommt es für das Ergebnis nicht an. Auch soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf den MDK statt der Prozedur 5-869.1 die Prozedur 5-850.da:R für zu kodieren hält, ist das unstreitig nicht relevant für die Ansteuerung der von der Klägerin abgerechneten DRG und deswegen hier zu vernachlässigen.-

Nach alledem war auf die Berufung der Klägerin hin das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen.

Der Zinsanspruch für die Forderung folgt aus § 12 Abs. 4 und 5 des Berliner Vertrags über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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