L 4 U 376/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 14 U 351/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 U 376/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.05.2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufrechnung von rückständigen Beitragsforderungen zur gesetzlichen Unfallversicherung gegen eine ihm gewährte Rente durch die Beklagte.

Der 1949 geborene Kläger ist gelernter Fliesenleger und war seit 1964 in diesem Beruf beschäftigt. Seit 1985 war er auch Fliesenlegermeister und als selbständiger Unternehmer tätig; dabei war er bei der Beklagten versichert. 1992 gab er den Beruf des Fliesenlegers auf. Mit Gesellschaftsvertrag vom 30.12.1992 gründete er zum 01.01.1993 gemeinsam mit seinem Sohn die "N P GbR", an der er mit einem Gesellschaftskapital von 30 Prozent beteiligt war.

Mit Bescheid vom 16.08.1996 erkannte die Beklagte bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) an (schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) und gewährte ihm laufend eine Rente nach einer MdE um 20 v.H.

Gegenüber dem Kläger und seinem Sohn als Gesellschafter der N P GbR setzte die Beklagte auch in den Jahren ab 2001 die Beiträge nebst Zuschlägen und Umlagen zur Gesetzlichen Unfallversicherung fest. Insoweit ergingen

- ein Bescheid vom 24.04.2003, mit dem ein Gesamtbetrag i.H.v. 3.456,08 EUR für das Jahr 2002 festgesetzt wurde,
- ein Bescheid vom 23.04.2004, mit dem ein Gesamtbetrag i.H.v. 797,05 EUR für das Jahr 2003 festgesetzt wurde,
- ein Änderungsbescheid vom 13.07.2004, mit dem ein Gesamtbetrag i.H.v. 44,04 EUR für das Jahr 2001 festgesetzt wurde und
- ein Bescheid vom 18.04.2005, mit dem ein Gesamtbetrag i.H.v. 549,84 EUR für das Jahr 2004 festgesetzt wurde.

Darüber hinaus ergingen an den Kläger und seinen Sohn Bescheide über die Erhebung von Säumniszuschlägen, konkret

- am 24.04.2003 für das Jahr 2002 über Säumniszuschläge i.H.v. 430,50 EUR,
- am 23.04.2004 für das Jahr 2003 über Säumniszuschläge i.H.v. 285,50 EUR,
- am 18.04.2005 für das Jahr 2004 über Säumniszuschläge i.H.v. 172,00 EUR und
- am 23.11.2005 für das Jahr 2005 über Säumniszuschläge i.H.v. 170,50 EUR.

Sämtliche Forderungen wurden in dem jeweils auf den Bescheiderlass folgenden Monat fällig. Zahlungen auf die genannten Bescheide erfolgten seitens des Klägers bzw. seines Sohnes lediglich im Jahr 2003 auf die Festsetzung des Beitrags für das Jahr 2002 i.H.v. 3.284,00 EUR, so dass insoweit ein Betrag in Höhe von 172,08 EUR offen blieb. Weitere Zahlungen gingen bei der Beklagten weder auf die festgesetzten Beiträge, noch auf die festgesetzten Säumniszuschläge ein. Ende 2004 wurde die "N P GbR" beendet.

Sämtliche genannten Bescheide wurden bestandskräftig. Am 30.11.2005 wurden dem Kläger vollstreckbare Ausfertigungen der genannten Bescheide zugestellt (Postzustellungsurkunde vom 30.11.2005).

Unter dem 03.04.2006 stellte der Gerichtsvollzieher O der Beklagten für die Durchführung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung (Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, zu dem der Kläger nicht erschien) einen Gesamtbetrag i.H.v. 24,60 EUR in Rechnung.

Im Juli 2006 richtete die Vereinigte IKK ein Verrechnungsersuchen an die Beklagte wegen einer dort rückständigen Beitragsforderung i.H.v. 1.821,41 EUR aus der Zeit von Mai 2003 bis Juli 2004. Hierzu hörte die Beklagte den Kläger zunächst an und lehnte sodann gegenüber der IKK eine Verrechnung ab. Das Netto-Einkommen des Klägers liege derzeit unter der Pfändungsfreigrenze von 989,99 EUR (Schreiben vom 17.08.2007).

Seit dem 01.01.2015 bezog der Kläger die Regelaltersrente durch die DRV Bund in Höhe eines Auszahlungsbetrages von 645,69 EUR (Rentenbescheid vom 13.01.2015). Ende 2015 ersuchte die Beklagte die DRV Bund wegen der Beitragsrückstände der N und X P GbR um Vornahme einer Verrechnung gegen die laufende Altersrente des Klägers. Hierzu hörte die DRV Bund den Kläger an, der auf die Pfändungsfreigrenze nach der ZPO von derzeit etwa 1.060 EUR und einen wegen seiner Erkrankungen bestehenden Mehrbedarf infolge seiner Hauterkrankungen verwies. Die DRV regte zudem bei der Beklagten an, zunächst eine Verrechnung mit der von ihr selbst an den Kläger gezahlten Rente vorzunehmen. Hierauf stellte die Beklagte das Verrechnungsersuchen an die DRV Bund zurück.

Mit zwei (identischen) Anhörungsschreiben vom 10.03. und 14.03.2016 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Aufrechnung einer Forderung i.H.v. 2.646,11 EUR gem. §§ 51 und 52 SGB I an. Beigefügt war eine genaue Aufstellung der offenen Beiträge für die Jahre 2001 bis 2004 und der jeweiligen Bescheide sowie der Säumniszuschläge für die Jahre 2002 bis 2005 mit Angabe der Bescheide sowie der entstandenen Vollstreckungskosten. Hierzu nahm der Kläger in einem Schreiben vom 22.03.2016 Stellung und führte aus, es handele sich um rückständige Beiträge der seit dem Jahr 2005 erloschenen "N und X P GbR", nicht aber um zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen i.S.d. § 51 Abs. 2 SGB I. Es gelte folglich die Pfändungsfreigrenze gemäß der ZPO, die derzeit bei ca. 1.060 EUR liege. Weiterhin habe er einen Mehrbedarf von jährlich ca. 3.500 - 4.000 EUR zur Stabilisierung der Haut im Nordseeklimabereich. In einem Fragebogen gab er an, neben der Altersrente und der Rente durch die Beklagte keine weiteren Einkünfte zu haben. Er wohne zur Miete, gab die Höhe der monatlichen Miete aber nicht an. Monatliche Kosten für Strom, Gas und sonstige Aufwendungen entstünden i.H.v. 300,00 EUR. Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 19.04.2016 darauf hin, dass die rückständigen Beiträge gegenüber der GbR einer gesamtschuldnerischen Haftung unterlägen. § 51 Abs. 2 SGB I umfasse im Übrigen auch Beitragsschulden. Die Beklagte forderte den Kläger auf, seine Mietkosten zu belegen und den aktuellen Rentenbescheid vorzulegen; wegen der gesundheitlich bedingten Mehraufwendungen solle der Kläger ein Attest des behandelnden Arztes vorlegen und Belege über die entstehenden Kosten beibringen. Schließlich könne er eine drohende Hilfebedürftigkeit auch durch eine Bescheinigung des Sozialamtes nachweisen. Der Kläger verwies auf das nicht erfolgreiche Verrechnungsersuchen der IKK Classic im Jahr 2006 sowie darauf, dass das Verrechnungsersuchen an die DRV ins Leere gegangen sei. Die Pfändung bzw. Verrechnung von Geldleistungen, die für einen körperlich bedingten Mehraufwand vorgesehen seien, sei nach § 54 Abs. 3 SGB I nicht zulässig. Ein Attest könne er aus finanziellen Gründen nicht beibringen. Zu den Mietkosten werde er keine Belege vorlegen (Schreiben vom 06.05.2016). Beigefügt war der Rentenbescheid vom 13.01.2015 (monatlicher Rentenzahlbetrag 649,69 EUR).

Mit Bescheid vom 15.06.2016 kündigte die Beklagte an, von der BK-Rente des Klägers ab Juli 2016 monatlich 133,83 EUR bzw. 50 Prozent des zukünftigen Zahlbetrages bis zur vollständigen Begleichung des Beitragsrückstandes von 2.641,11 EUR einzubehalten. Die Forderungen seien allesamt bestandskräftig festgestellt und fällig. Das Verrechnungsersuchen an die DRV sei zurückgestellt worden, um vorrangige Aufrechnungsansprüche geltend machen zu können. Aus dem seinerzeit abgelehnten Verrechnungsersuchen der IKK lasse sich kein Vertrauensschutz ableiten, zumal damals nur eine Verrechnung nach §§ 51 Abs. 1, 54 Abs. 4 SGB I geprüft worden sei. Die vom Kläger bezogene Rente falle auch nicht unter die Regelung des § 54 Abs. 3 SGB I, da dadurch kein Mehraufwand ausgeglichen werde. Ohnehin stelle die Aufrechnung nach § 51 SGB I gerade nicht auf pfändbare Beträge ab. Die geltend gemachten Mehraufwendungen wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen seien nicht zu berücksichtigen, da der Kläger insoweit seinen Darlegungspflichten nicht nachgekommen sei. Die Mietkosten von 300 EUR pro Monat würden hingegen auch ohne Belege widerruflich akzeptiert. Somit ergebe sich an Einnahmen insgesamt eine monatliche Summe von (645,69 EUR + 267,67 EUR =) 913,36 EUR; Ausgaben entstünden dem Kläger in Höhe von 404 EUR (Regelbedarf gem. SGB XII) und 300 EUR Wohnkosten, insgesamt also 704,00 EUR. Bei einem Differenzbetrag von 209,36 EUR verbleibe somit unter Ansatz eines Aufrechnungsbetrages in Höhe der Hälfte der BK-Rente (133,83 EUR) eine Summe von 75,53 EUR monatlich zur freien Verfügung. Nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles erscheine es angemessen und zumutbar, die Aufrechnung in dieser Höhe durchzuführen. Dabei werde insbesondere berücksichtigt, dass die Beitragsrückstände bereits seit über zehn Jahren nicht beglichen seien und insofern die Gefahr einer Verjährung drohe. Auf der anderen Seite seien die finanziellen Verhältnisse des Klägers ausreichend berücksichtigt, da ihm monatlich ein Betrag verbleibe, der über dem sozialhilferechtlichen Bedarf liege.

Dagegen legte der Kläger am 21.06.2016 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, der Bescheid sei nichtig, weil er nicht die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder eines Beauftragten enthalte. Es sei weiter nicht verständlich, wieso das damalige Verrechnungsersuchen der IKK andersartig gewesen sei und keinen Vertrauensschutz schaffe. Es sei im Hinblick auf die geltend gemachten gesundheitlichen Mehraufwendungen auch nicht verständlich, wieso die Beklagte nicht selbst bei dem behandelnden Hausarzt nachgefragt habe. Ein Attest werde erfahrungsgemäß ohnehin von der Beklagten nicht anerkannt. Schließlich erwarte er die Vorlage des Ablehnungsschreibens der DRV zu dem Verrechnungsersuchen der Beklagten, das ihm bisher nicht zugesandt worden sei. Mit Schreiben vom 29.06.2018 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er den Eintritt von Hilfebedürftigkeit als Folge der Verrechnung nachzuweisen habe, hierfür reiche eine Bescheinigung des Sozialamtes aus. Im Übrigen habe der Widerspruch gegen die Verrechnung keine aufschiebende Wirkung, so dass die Rente ab Juli 2016 zur Hälfte einbehalten werde. Der Kläger blieb weiter bei seiner Auffassung und wies zusätzlich auf eine anstehende aufwändige zahnprothetische Behandlung hin (Schreiben vom 20.07.2016).

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es handele sich um eine Ermessensentscheidung, die unter Berücksichtigung aller Aspekte getroffen worden sei. Es sei angemessen und zumutbar, von der seit Jahrzehnten bezogenen Rente nunmehr einen monatlichen Anteil für die Tilgung der seit Jahren bestehenden Beitragsrückstände einzubehalten. Trotz mehrmaliger Aufklärung über die Vorschrift des § 51 SGB I habe der Kläger keine Nachweise darüber vorgelegt, dass er durch die Aufrechnung hilfebedürftig werde. Dies gelte auch hinsichtlich der jetzt angezeigten - und auch nur eventuell beim Kläger verbleibenden - Mehrkosten für zahnprothetische Maßnahmen; bisher seien ihm dadurch keine Kosten entstanden. Schließlich sei der angefochtene Bescheid auch nicht nichtig. Einer eigenhändigen Unterschrift bedürfe es nach § 33 Abs. 5 SGB X nicht.

Hiergegen hat der Kläger am 06.10.2016 Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben und sich zur Begründung zunächst im Wesentlichen auf den zuvor geführten Schriftverkehr und die darin gemachten Ausführungen bezogen. Er erwarte eine genaue Berechnung der Höhe der Forderung, die sich seit 2010 deutlich erhöht habe. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, wieso für das Jahr 2005 noch Säumniszuschläge zu zahlen seien, habe er sein Geschäft zum 31.12.2004 doch aufgegeben. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei, wieso nicht schon vor der Entstehung der Säumniszuschläge eine Verrechnung der seit 1996 bezogenen Rente vorgenommen worden sei. Schließlich bestreite er, Mitgesellschafter der "N P GbR" gewesen zu sein. Es habe sich lediglich um eine Arbeitsgemeinschaft gehandelt, in der er aufgrund seiner Berufskrankheit für den kaufmännischen Teil zuständig gewesen sei. Er habe keine Kontovollmacht gehabt und sei auch nicht berechtigt gewesen, Rechnungen zu bezahlen. Vergleichsweise sei er bereit, einer Verrechnung in Höhe von 551,38 EUR zuzustimmen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2016 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die angefochtenen Bescheide und die darin gemachten Ausführungen bezogen. Außerdem hat sie ausgeführt, die Betriebseinstellung im Jahr 2004 habe für die Erhebung von Säumniszuschlägen keine Bedeutung. Eigentlich hätten Säumniszuschläge auf die rückständigen Beiträge auch weiterhin erhoben werden müssen, hiervon sei lediglich aufgrund der nachgewiesenen Zahlungsunfähigkeit des Klägers seit 2006 abgesehen worden. Für einen Vergleich entsprechend dem Vorschlag des Klägers bestehe kein Anlass.

Mit Schreiben vom 14.11.2016, eingegangen beim Sozialgericht Detmold am 22.11.2016, hat der Kläger die sofortige Auszahlung der bisher (seit dem 01.07.2016) von der Beklagten einbehaltenen Rentenzahlungen gefordert. Dies hat das Sozialgericht als Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ausgelegt, den es mit Beschluss vom 10.03.2017 abgelehnt hat (S 14 U 453/16 ER). Das Beschwerdeverfahren ist erfolglos geblieben (Beschluss des Senats vom 19.05.2017 - L 4 U 298/17 B ER).

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.05.2018 abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 08.06.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am Dienstag, den 10.07.2018, Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe verkannt, dass der Rechtsstreit wegen der gesetzeswidrigen Art und Weise der Auf- und Verrechnung geführt werde. Eine Verrechnung sei schon im Jahr 2004 vorzunehmen gewesen, bevor die Säumniszuschläge angefallen seien, dann hätte auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR nicht eröffnet werden müssen. Stattdessen mache die Beklagte nun Zuschläge geltend, die einer auf dem freien Kapitalmarkt nicht zu erreichenden Marge entsprächen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.05.2018 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat dem Kläger mit Beschluss vom 28.11.2018 hinsichtlich der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 67 Abs. 1 und 2 SGG gewährt. Ein Güterichterverfahren, das die Beteiligten auf Anregung des Senats übereinstimmend durchgeführt haben, ist erfolglos geblieben (vgl. Protokoll vom 27.03.2019).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG) und nach der durch Beschluss des Senats gewährten Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist (§ 67 Abs. 1, 4 SGG) auch nicht verfristete Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2016 nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 SGG).

Die Klage ist als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG) zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die Beklagte hat die Rente des Klägers zu Recht in Höhe von monatlich 133,83 EUR mit eigenen Beitragsansprüchen zur gesetzlichen Unfallversicherung i.H.v. 2.641,11 EUR aufgerechnet. Die Entscheidung ist gemessen an der Ermächtigungsgrundlage des § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) formell und materiell rechtmäßig ergangen.

Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger (u.a.) mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Leistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII oder des SGB II wird.

Nach dieser Maßgabe ist der Aufrechnungsbescheid formell rechtmäßig. Die Beklagte hat den Kläger vor der Entscheidung über die Aufrechnung mit Schreiben vom 10.03. und 14.03.2016 ordnungsgemäß angehört, § 24 Abs. 1 SGB X. Der Bescheid ist auch nicht formunwirksam, denn er erfüllt die Anforderungen des § 33 SGB X. Er lässt die handelnde Behörde erkennen und auch den Namen des Bearbeiters (Abs. 3). Die getroffene Regelung ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt (Abs. 1). Zwar ist eingangs kein klarer Verfügungssatz formuliert, aus dem allein die Regelung, die die Beklagte treffen wollte, klar ersichtlich ist. Welche Regelung getroffen werden sollte, ist aber der ebenfalls heranzuziehenden Begründung, insbesondere dem letzten Absatz des Bescheides zu entnehmen. Hieraus geht für den Kläger mit hinreichender Klarheit hervor, was die Behörde regeln will, insbesondere in welcher Höhe insgesamt und laufend monatlich aufrechnet werden soll und wie sich dieser Betrag errechnet. Für den Kläger ist damit klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Sozialleistungsansprüche und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen durch die Aufrechnung erlöschen. Die Beklagte hat schließlich das ihr eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Wort "kann" im Wortlaut des § 51 SGB I bedeutet, dass der Leistungsträger eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. Dies hat die Beklagte zutreffend erkannt und eine innerhalb des Ermessensrahmens liegende Rechtsfolge gewählt. Bei ihrer Entscheidung hat sie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sowie eigene haushaltsrechtliche Überlegungen berücksichtigt. Sonstige Gesichtspunkte, die die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen hätte berücksichtigen müssen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Der Aufrechnungsbescheid ist darüber hinaus auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 1. Halbsatz SGB I liegen vor.

Eine Aufrechnung ist zulässig gegen Ansprüche auf einmalige und laufende Geldleistungen im Sinne der §§ 11, 18-29 SGB I (Pflüger in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 51 Rn. 20). Bei der laufenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers handelt es sich um einen solchen Anspruch (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 SGB I). Die dieser Geldleistung gegenüber stehende Gegenforderung muss gleichartig, d.h. auch auf eine Geldleistung gerichtet sein; das ist bei der von der Beklagten geforderten Geldleistung (Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung nebst Zuschlägen und Umlagen, Säumniszuschläge, Rechtsverfolgungskosten) der Fall.

Eine Aufrechnungslage setzt zudem voraus, dass jeder Teil die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (vgl. § 387 BGB). Die Gegenforderung (hier: Beitragsschuld) muss entstanden und fällig sein, während die Hauptforderung (hier: Rentenleistung) zwar nicht fällig, aber bereits entstanden und erfüllbar sein muss (Pflüger a.a.O. Rn. 37). Hier sind die streitigen Beitragsansprüche gegen den Kläger als gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschafter der "N P GbR" kraft Gesetzes entstanden und auch fällig (vgl. §§ 22, 23 Abs. 3 S. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -), ebenfalls sind die Säumniszuschläge kraft Gesetzes entstanden und fällig (§ 24 Abs. 1 SGB IV). Die Rentenansprüche des Klägers sind mit ihrer Festsetzung entstanden und im Übrigen auch ohne weiteres erfüllbar.

Die Beklagte hat die Begrenzungen der Aufrechnungsermächtigung beachtet. Sie ist zum einen mit dem festgesetzten Betrag von 133,83 EUR monatlich nicht über den hälftigen monatlichen Zahlbetrag der Rente (267,67 EUR) hinausgegangen. Zum anderen hat der Kläger auch nicht nachgewiesen, dass er durch die Verrechnung in dieser Höhe hilfebedürftig wird, § 51 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I. Dabei obliegt es ausdrücklich dem Leistungsberechtigten selbst, den Eintritt von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB XII bzw. SGB II nachzuweisen (vgl. Siefert in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand Juli 2019, § 51 SGB I Rn. 19). Dies ist im Sinne einer verstärkten Mitwirkungspflicht zu verstehen; der Nachweis kann regelmäßig unproblematisch durch den sozialhilferechtlichen Leistungsbescheid bzw. eine Bedarfsbescheinigung des zuständigen Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsträgers geführt werden. Legt der Leistungsberechtigte eine solche Unterlage nicht vor, muss er ersatzweise alle zur Ermittlung der Hilfebedürftigkeit notwendigen Angaben machen. Beweislosigkeit bzw. unklare und/oder unvollständige Angaben gehen zu seinen Lasten (Pflüger a.a.O. Rn. 85 f.). Nach dieser Maßgabe ist der Kläger dieser Obliegenheit nicht hinreichend nachgekommen, denn er hat weder eine Bescheinigung oder einen Leistungsbescheid vorgelegt, noch hat er nähere Angaben zu einer eintretenden Hilfebedürftigkeit gemacht, geschweige denn nachgewiesen. Er hat nicht einmal Unterlagen zu seinen Wohnkosten vorgelegt, vielmehr nur einen Betrag von 300 EUR monatlicher Aufwendungen für Strom, Wasser etc. angegeben. Auch den behaupteten Mehrbedarf zur Stabilisierung der Haut im Nordseeklimabereich hat er weder belegt noch die medizinische Notwendigkeit begründet vorgetragen.

Der Kläger kann nicht mit dem Einwand gehört werden kann, er schulde die mit den Beitragsbescheiden und Bescheiden über die Säumniszuschläge festgestellten Geldleistungen nicht. Denn die aufgerechneten Forderungen sind ihm gegenüber als persönlich gesamtschuldnerisch haftendem Mitgesellschafter der GbR bestandskräftig festgestellt worden. Vollstreckbare Ausfertigungen der Bescheide sind ihm nachweislich zugestellt worden. Einwände gegen eine zur Aufrechnung gestellte Forderung sind aber ausgeschlossen, wenn die Forderung rechtskräftig festgestellt ist, weil damit die Rechtslage abschließend feststeht. Unanfechtbare Verwaltungsakte, die wie hier zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Leistungsträgers erlassen werden, stehen der rechtskräftigen Feststellung des Anspruchs durch Urteil gleich (BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 13 R 13/12 R Rn. 23). Darüber hinaus fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner - hier dem Kläger - zur Last, § 788 Abs. 1 ZPO. Auch hiergegen hat der Kläger keine Einwände, insbesondere nicht die Einrede der Verjährung erhoben.

Der vom Kläger erhobene Einwand, ein Verrechnungsersuchen der IKK aus dem Jahr 2006 sei seinerzeit von der Beklagten abgelehnt worden, führt ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Es handelte sich damals schon nicht um eine Aufrechnung nach § 51 SGB I, sondern um eine Verrechnung gem. § 52 SGB I. Aus der damals erfolgten Ablehnung einer Verrechnung kann der Kläger keinen Vertrauensschutz ableiten, da damit keine Regelung getroffen worden ist, wonach jede Verrechnung/Aufrechnung auch in Zukunft nicht möglich sei. Dass die Beklagte erst 2016 mit der Aufrechnung begonnen hat, macht die Aufrechnung schließlich nicht rechtswidrig, denn die bestandskräftig festgestellten Beitragsschulden bzw. Säumniszuschläge waren auch im Jahr 2016 weiter fällig und vom Kläger nicht beglichen. Allein durch das jahrelange Nichtbegleichen der fälligen Schulden konnte beim Kläger kein geschütztes Vertrauen darauf entstehen, dass eine vom Gesetz vorgesehene Aufrechnung nicht erfolgen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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