S 7 U 365/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 U 365/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um das Wiederaufleben einer abgefundenen Unfallrente.

Der im Jahre 1948 geborene Kläger erlitt am 07.10.1974 einen Arbeitsunfall, als ihm eine Kombizange gegen das rechte Auge schlug. Wegen Linsenlosigkeit nach perforierender Verletzung des rechten Auges gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund eines augenärztlichen Gutachtens von Dr. S. vom 01.02.1977 durch Bescheid vom 23.02.1077 ab 22.10.1974 eine Rente nach einer MdE von 20 v. H., die im Jahre 1985 abgefunden wurde.

Am 07.06.2011 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) mit der Begründung, dass die damalige Festsetzung falsch gewesen sei. Die MdE habe 30 v. H. statt 20 v. H. betragen müssen, da er auf dem rechten Auge blind sei. Vorsorglich stellte er auch einen Verschlimmerungsantrag gemäß § 48 Abs. 1 SGB X, § 73 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung- (SGB VII) mit der Begründung, dass sich die Sehfähigkeit des rechten Auges zusätzlich seit 1985 laufend verschlechtert habe. Die Beklagte zog daraufhin ein augenärztliches Gutachten des Facharztes für Augenheilkunde Q vom 20.07.2012 bei. Darin meinte dieser, die Folgen des Unfalls vom 07.10.1974 bedingten eine MdE von 25 %. Die bestmögliche, im Alltag nutzbare Sehschärfe liege bei 1/50 in 1m. Eine Kontaktlinse oder Brillenkorrektur sei nicht verträglich. Es bestehe funktionelle Einäugigkeit. Die Blendungsempfindlichkeit sei erhöht. Ein sekundäres Schielen sei neu aufgetreten. Da die MdE nicht höher als beim Verlust des Auges sein könne, betrage sie 25 v. H. (Die Sehminderung des linken Auges durch den Grauen Star sei nicht die Folge des Unfalles und fließe somit nicht in die Beurteilung ein). Durch Bescheid vom 16.08.2012 lehnte die Beklagte sowohl die Rücknahme des ursprünglichen Rentenbescheides vom 23.02.1977 nach § 44 SGB X als auch die Annahme einer Verschlimmerung ab. Sie meinte, die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen der Unfallfolgen sei damals zutreffend mit 20 v. H. eingeschätzt worden. Die dem Bescheid vom 23.02.1977 zugrunde liegenden Verhältnisse hätten sich ausweislich des von ihr beigezogenen augenärztlichen Gutachtens auch nicht wesentlich geändert,

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 22.08.2012 Widerspruch ein und machte geltend, dass die MdE mindestens 30 v. H. betragen müsse wegen der eingetretenen Komplikationen. Am 05.12.2012 wies der Widerspruchsauschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Im Widerspruchsbescheid wurde zur Begründung ausgeführt, weder sei die MdE im Bescheid vom 23.02.1977 unzutreffend bewertet worden noch sei zwischenzeitlich eine Verschlimmerung der Unfallfolgen eingetreten.

Mit seiner am 14.12.2012 erhobenen Klage hat der Kläger das Wiederaufleben der Verletztenrente gemäß § 76 Abs. 3 SBG VII unter Zugrundelegung einer Verschlimmerung der MdE von 20 v. H. auf 30 v.H. begehrt.

Das Gericht hat ein augenärztliches Gutachten von Dr. U. vom 30.04.2013 eingeholt. Daraufhin hat der Kläger am 07.06.2013 "zunächst weiter hilfsweise" begehrt, ihm eine Verletztenrente nach dem nicht abgefundenen Teil von 5 v. H. rückwirkend ab dem 01.01.2007 zu zahlen.

Er beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2012 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach Wiederaufleben gemäß § 76 Abs. 3 SGB VII unter Zugrundelegung einer Verschlimmerung der MdE in Höhe von 20 v. H. auf 40 v. H. nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen sowie weiter hilfsweise die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 23.02.1977 und 16.08.2012 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 05.12.2012 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach dem nicht abgefundenen Teil von 5 v. H. rückwirkend ab dem 01.01.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des augenärztlichen Gutachtens von Dr. U. vom 30.04.2013 wird wie auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakten sowie die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur bezüglich des vom Kläger gestellten Antrags auf Wiederaufleben der Rente zulässig, insoweit aber nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist nämlich insoweit nicht rechtswidrig, und der Kläger wird durch ihn nicht beschwert, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beklagte hat nämlich zu Recht ein Wiederaufleben der dem Kläger gewährten und auf Lebenszeit abgefundenen Teilrente von 20 v. H. der Vollrente aus Anlass des Arbeitsunfalles vom 07.10.1974 abgelehnt, da in den Verhältnissen, die bei Bewilligung der Teilrente in Höhe von 20 v. H. mit Bescheid vom 23.02.1977 vorgelegen haben, nicht die nach § 605 Reichsversicherungsordnung, der wegen des vor dem 01.01.1997 eingetretenen Versicherungsfalles weiterhin anzuwenden ist, erforderliche, als wesentlich geltende Verschlimmerung um mindestens 10 v. H. nachgewiesen ist

Dies ergibt sich für die Kammer in überzeugender Weise aus dem vom Gericht eingeholten augenärztlichen Gutachten von Dr. U. vom 30.04.2013. Darin beschrieb er, dass im Vergleichsgutachten vom 01.02.1977 von einer Kontaktlinsenverträglichkeit ausgegangen worden sei. Dies sei im Gutachten ausdrücklich so erwähnt worden. Somit wäre hier nur eine MdE bei Linsenverlust, korrigiert durch Kontaktlinse bei einer Sehschärfe von 0,4 und mehr, von 10 % angemessen gewesen. Zurzeit gebe der Kläger an, eine Kontaktlinse nie vertragen zu haben. Damit wäre die damalige MdE richtigerweise mit 25 % und. nicht 20 % zu bewerten gewesen. Durch einen sekundären Grünen Star und die Quellung der Hornhaut sei es zu einer deutlichen Verschlechterung des Zustandes gekommen. Zurzeit sei auch nur mit bester Brillenkorrektur eine Sehschärfe von 0,08, erreichbar. Diese Korrektur sei jedoch bei dem sehr großen Unterschied zwischen links und rechts nicht verträglich, so dass von der Sehschärfe kleiner gleich 1/50 auf dem rechten Auge auszugehen sei. Nach den Grundsätzen zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Augenverletzungen sei bei blind/1,0 eine MdE von 25 % anzusetzen. Die jetzige Herabsetzung der Sehschärfe von 1,0 auf 0,9 auf dem unfallmäßig nicht betroffenen Auge sei nicht anzusetzen. Eine Erhöhung von 25 % auf 30% durch Blendempfindlichkeit oder - wie hier - kosmetisch stark auffälliges Schielen, sei im Gegensatz zu den Anhaltspunkten oder auch im Gegensatz zu der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung aus diesen Gründen nicht höher zu entschädigen. Im Berufsgenossenschaftsrecht gelte einzig und allein eine Erhöhung auf 30 %, wenn der Einsatz des Betroffenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch die kosmetische Entstellung erschwert sei. Der Kläger habe jedoch nach seinem Unfall problemlos auf einem Büroarbeitsplatz eingesetzt werden können. Bei dieser Begutachtung sei ausdrücklich der Unterschied in der Beurteilung im Bereich des Schwerbehindertenrechts und der gesetzlichen Unfallversicherung zu berücksichtigen. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehe eine MdE von 25 %.

Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Zahlung einer Verletztenrente nach dem nicht abgefundenen Teil von 5 v. H. rückwirkend ab dem 01.01.2007 begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 16.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2012 hatte nämlich im Grunde zwei voneinander unabhängige Entscheidungen zum Inhalt. Zum einen wurde darin das Wiederaufleben der Rente nach Abfindung abgelehnt, zum anderen die rückwirkende Festsetzung einer höheren MdE gemäß § 44 SGB X. Mit seiner fristgerecht am 14.12.2012 erhobenen Klage hat der Kläger aber nur das Wiederaufleben der abgefundenen Rente begehrt. Die Ablehnung der begehrten Neufeststellung gemäߧ 44 SGB X hat der Kläger erst am 17.06.2013 angefochten, also zu einem Zeitpunkt, als die diesbezügliche Entscheidung der Beklagten längst Bestandskraft erlangt hatte.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge der §§ 183, 193 SGG abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem

Sozialgericht Gelsenkirchen, Ahstraße 22, 45879 Gelsenkirchen,

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg gelsenkirchen.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERWO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBI. 1, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht überprüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzungen bekanntgegeben.

Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann ...

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen schriftlich zu 5:tellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Rechtskraft
Aus
Saved