L 9 KR 193/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 237/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 9 KR 193/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Beschäftigter, der Hausmeisterdienste für ein Unternehmen erbringt, steht zu diesem regelmäßig in einem abhängigen und Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis i. S. v. § 7 Abs 1 SGB IV.
2. Ein Unternehmerrisiko wird nicht allein durch die Nutzung eines in vielen Privathaushalten vorhandenen häuslichen Arbeitszimmers/Büros, eines privaten PKW oder eines häuslichen Arbeitskellers mit einer den durchschnittlichen Haushalt nicht wesentlich übbersteigenden Anzahl an Werkzeugen begründet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dies nicht mit gesteigerten Verdienstchancen einhergeht, da der Beschäftigte nicht
durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient gestalten kann, dass er das Verhältnis von Aufwand und Ertrag entscheidend beeinflussen kann.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu 9/10, die Beklagte zu 1/10.

III. Die Revision wird nicht zugelassen. IV. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 13.641,54 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. im Prüfzeitraum Mai 2008 bis Dezember 2009 in seiner Tätigkeit als Hausmeister bei der Klägerin in einem abhängigen und Versicherungspflicht in den Zweigen der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründenden Beschäftigungsverhältnis stand und die Klägerin deshalb entsprechende Beiträge zur Gesamtsozialversicherung zu entrichten hat.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Stiftung bürgerlichen Rechts ein Unternehmen, dessen satzungsgemäßer Zweck die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens, der öffentlichen Gesundheitspflege, von Wissenschaft und Forschung sowie von Kunst und Kultur ist (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Die Stiftung unterhält für ihre Zwecke mehrere Gebäude. Der Beigeladene zu 1. ist tschechischer Staatsangehöriger und hatte 1993 beim Kreisgewerbeamt in Z .../CZ ein Gewerbe für Maurerei angemeldet. Am 01.07.2008 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1. eine als Dienstleistungsvertrag bezeichnete Vereinbarung für den Zeitraum ab 01.05.2008 bis 30.04.2009 über Tätigkeiten in den Bereichen Hausmeisterservice und Erhaltungsmaßnahmen an Gebäuden. Für die nachfolgende Zeit bis 31.12.2009 erfolgte monatsweise der Abschluss von Folgeverträgen. Der Beigeladene zu 1. stellte der Klägerin für die Monate Juli 2008 sowie Januar bis Dezember 2009 Beträge zwischen 1.188,00 EUR und 2.028,00 EUR in Rechnung (für die Monate Mai, Juni und August 2008 lag der Rechnungsbetrag jeweils deutlich darunter). Auf den Rechnungen erfolgte jeweils der Vermerk "lt. Auftrag - Hausmeistertätigkeit, siehe Auftragsblatt". Nach den Angaben der Klägerin im Berufungsverfahren erhielt der Beigeladene zu 1. einen Stundenlohn von 8,00 EUR.

Am 20.04.2010 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Mit Bescheid vom 20.04.2010 machte sie zunächst für den Prüfzeitraum Januar 2006 bis Dezember 2009 eine Nachforderung in Höhe von 352,09 EUR geltend. Der Bescheid enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Beigeladenen zu 1. aus diesem Bescheid ausgeklammert und noch gesondert geprüft werde; diesbezüglich erhalte die Klägerin ggf. einen weiteren Bescheid. In dem dem Beigeladenen zu 1. nachfolgend übersandten Fragebogen gab dieser am 20.05.2010 u. a. an, er betreibe von seinem Wohnhaus in B .../CZ aus eine Einzelfirma mit kleinem Büro und Werkstatt. Hinsichtlich Zeit und Ausführung der Arbeiten für die Klägerin habe er keinen Weisungen unterlegen. Im geprüften Zeitraum habe er keine Aufträge abgelehnt oder zurückgegeben. Er sei verpflichtet gewesen, die Arbeiten persönlich auszuführen. Berufliche Werbung habe er für seine Tätigkeiten nicht betrieben. Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder auf bezahlten Urlaub habe er nicht gehabt. Neben der Klägerin habe es weitere Auftraggeber gegeben.

Mit Bescheid vom 18.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2011 stellte die Beklagte daraufhin für den Prüfzeitraum Mai 2008 bis Dezember 2009 eine Nachforderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen in Höhe von 13.656,17 EUR (einschließlich Säumniszuschlägen bis einschließlich Januar 2010 in Höhe von 1.573,50 EUR) fest. Zur Begründung führte sie aus, der geprüfte tschechische Mitarbeiter (der Beigeladene zu 1.) sei für die Klägerin nicht als selbstständiger Unternehmer sondern im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden. Er sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, welche die Koordinierung der Aufträge vorgenommen habe. Ein Unternehmerrisiko im Rechtssinne habe der Beigeladene zu 1. nicht getragen. Er habe kein Kapital eingesetzt und nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt. Nach einer Gesamtwürdigung würden die Tatsachen überwiegen, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen.

Hiergegen hat die Klägerin am 16.05.2011 Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben. Am 03.08.2011 hat sie zudem die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt (S 18 KR 407/11 ER). Mit Beschluss vom 23.09.2011 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich des Forderungsbetrags in Höhe von 14,63 EUR angeordnet und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Die hiergegen am 26.10.2011 eingelegte Beschwerde der Klägerin hat das Sächsische LSG mit Beschluss vom 09.01.2012 (L 5 KR 212/11 B ER) zurückgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt:

"Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es nicht entscheidungserheblich, ob sie sich selbst oder B ... erfolglos um die Arbeitserlaubnis bemüht haben. Zutreffend weist das Sozialgericht darauf hin, dass eine nicht erlaubte Beschäftigung kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit ist.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann von einer Eingliederung in den Betrieb nicht nur dann gesprochen werden, wenn "der Bedienstete in die Arbeitsabläufe des Dienstherrn fest eingeplant ist und es deshalb unerlässlich ist, dass er ständig mit den übrigen Mitarbeitern, insbesondere denen des Dienstherrn zusammenarbeitet". Diese Art der Arbeitsgestaltung weist zwar auf eine unselbständige Tätigkeit hin, wenn sie fehlt, bedeutet dies jedoch nicht, dass eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Denn diese Arbeitsorganisation ist in der Regel nur für Tätigkeiten erforderlich, die das Kerngeschäft des Betriebes bilden. Andere Arbeiten, die nicht zum Kerngeschäft gehören, wie vorliegend der Hausmeisterservice und die Erhaltungsmaßnahmen an Gebäuden, werden regelmäßig in anderer Organisationsform betrieben. Die Eingliederung in den Betrieb ergibt sich hier aus anderen Indizien auf die das Sozialgericht bereits hingewiesen hat: Die aufeinanderfolgenden Dienstverträge und die eigenverantwortliche Erledigung von Arbeiten nach Arbeitsanfall.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin spricht für eine selbständige Tätigkeit von B ... ebenfalls nicht, dass er seine eigenen Werkzeuge benutzte. Zutreffend führt das Sozialgericht aus, dass dies für Kleinwerkzeuge bei Handwerkerberufen nicht unüblich ist; ebenso wenig wie die eigene Werkstatt oder ein kleines Büro. Zudem hatte dieser Einsatz keinen Einfluss auf die Entlohnung und war nicht mit einem Unternehmerrisiko verbunden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist mit dem Sozialgericht davon aus-zugehen, dass der Einsatz der von B ... ausgelegten Aufwendungen für Baumaterialien "eins zu eins" arbeitnehmertypisch ist. Das für diese Abrechnung finanzielle Grün-de eine Rolle gespielt haben, ist ohne Bedeutung. Entscheidend allein ist das B ... für diese Aufwendungen kein Risiko zu tragen hatte.

Gegen die abhängige Beschäftigung von B ... spricht auch nicht, dass er möglicherweise noch für einen weiteren Dienstherrn arbeitete. Zumal über Umfang und Ausgestaltung dieses Dienstverhältnisses weder dem Vortrag der Antragstellerin noch den Akten etwas zu entnehmen ist. Im Übrigen hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich eine summarische Prüfung zu erfolgen. Die Aufgaben des Hauptverfahrens sollen nicht vorweg genommen werden."

Mit Urteil vom 21.05.2014 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2011 hinsichtlich eines Forderungsbetrages von 14,63 EUR aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der teilweisen (geringen) Aufhebung hat es ausgeführt, die Beklagte habe für den Monat November 2008 ein um 30,00 EUR zu hohes Entgelt für die Beitragsbemessung zu Grunde gelegt, woraus sich eine Differenz der Beitrags- und Umlagesumme von 12,13 EUR und der Säumniszuschläge von 2,50 EUR ergebe. Hinsichtlich der Klageabweisung hat es zur Begründung u. a. ausgeführt:

"Nach diesen Maßstäben stellt sich die streitgegenständliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin als abhängige Beschäftigung dar. Der Beigeladene zu 1 ist im Prüfzeitraum als Arbeitnehmer für die Klägerin als Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis tätig gewesen. Insbesondere auf Grund des Vortrags der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung steht für die Kammer fest, dass die Indienstnahme des Beigeladenen zu 1 durch die Eingliederung in die betrieblichen Abläufe des Unternehmens der Klägerin und der mit dieser verbundenen Unternehmen nach Maßgabe konkreter Weisungen der Klägerin geprägt war.

Grundlage der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 waren aufeinanderfolgende befristete Dienstverträge mit der Klägerin, die als Gegenstand "Hausmeisterservice" und "Erhaltungsmaßnahmen an Gebäuden" auswiesen. Abgesehen davon, dass die von der Klägerin vorgelegten Dienstverträge nicht die alleinige vertragliche Grundlage gewesen sein können, weil sie insbesondere keine Entgeltregelung enthalten, ist schon die Leistungsbeschreibung so allgemein gehalten, dass sich für den Beigeladenen zu 1 die konkret durchzuführenden Verrichtungen weder aus dem Inhalt des Vertrages noch aus der Natur der Tätigkeit ergaben. Vielmehr bedurfte das Dienstverhältnis einer laufenden Konkretisierung des Vertragsinhalts im Rahmen des Direktionsrechts der Klägerin.

Gerade die von den Vertretern der Klägerin betonte vielseitige Einsetzbarkeit des Beigeladenen zu 1 als "Mädchen für alles" bedingte dessen bedarfsweisen Einsatz nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse im Einzelfall. Eine sinnvolle Verwendung der Arbeitskraft setzte eine Weisungsunterworfenheit im Rahmen einer betrieblichen Eingliederung des Beigeladenen zu 1 geradezu voraus, die ihm keinen Spielraum für eine unternehmerische Eigenverantwortung ließ. Zudem hält die Kammer es für fernliegend, dass der Beigeladene zu 1 unter diesen Bedingungen die Erledigung konkreter Verrichtungen im Einzelfall mit der Klägerin hätte aushandeln oder sich dies auch nur hätte vorbehalten können.

Dass der Beigeladene zu 1 nach der Darstellung der Klägerin die anfallenden Arbeiten an den ihm zugewiesenen Objekten eigenverantwortlich nach Arbeitsanfall erledigt hat, spricht für die Eingliederung in die betriebliche Sphäre der Klägerin. Sie korrespondiert typischerweise mit einer Weisungsbefugnis als Korrelat des weit gefassten Aufgabenkreises und unterscheidet den Dienstnehmer von einem für konkrete einzelne Arbeiten hinzugezogenen selbständigen Handwerker, der entweder einen konkreten Arbeitserfolg (Werkvertrag) oder wenigstens das Hinwirken auf ein durch den Auftrag von vorn herein umrissenes Ergebnis (Dienstvertrag) schuldet. Ob tatsächlich Einzelweisungen hinsichtlich der Ausführung der Arbeiten erteilt wurden, ist ohne Belang, weil von einem entsprechend seiner Aufgabe qualifizierten Arbeiter erwartet werden kann, dass er die ihm übertragenen Tätigkeiten eigenverantwortlich ohne gezielte Kontrolle und Anleitung zur Zufriedenheit des Dienstgebers verrichtet. Da der Beigeladene zu 1 nicht über eigene Angestellte verfügte, schied auch eine evtl. Übertragung von Aufgaben auf ihm unterstellte Dritte aus. Die dem Beigeladenen zu 1 im Rahmen seiner Tätigkeit verbliebenen Verantwortungsspielräume sind nicht unternehmerischer Natur, weil sie ihm weder die Chance eröffneten, am Erfolg seiner Tätigkeit wirtschaftlich stärker zu partizipieren, noch Misserfolge wirtschaftlich zu seinen Lasten hätten gehen lassen.

Die Abrechnung nach Arbeitsstunden und der Ersatz verauslagter Aufwendungen für Baumaterialien "eins zu eins" ist arbeitnehmertypisch. Der Dienstnehmer wird dadurch von dem Risiko entlastet, dass der eigene Aufwand sich im Ergebnis der Tätigkeit amortisieren muss. Der Einsatz von eigenem Werkzeug und Kleingeräten ist auch für Arbeitnehmer in handwerklichen und Bauberufen nicht unüblich, erst recht, wenn diese auch für private Zwecke genutzt werden können. Die vorgelegten Fotografien belegen zwar, dass der Beigeladene zu 1 nicht nur über die Ausstattung eines durchschnittlichen Heimwerkers, sondern über Profiwerkzeuge bis hin zum Trommelmischer verfügte. Abgesehen davon, dass sich nicht erkennen lässt, welche der Geräte ihm als Arbeitsmittel gehörten und welche nur Reparaturgut waren, handelt es sich doch ausnahmslos um Werkzeuge bzw. Geräte, deren Anschaffungspreis sich im zweistelligen bis unteren dreistelligen Preissegment bewegt. Ein wesentlicher Einsatz eigenen Kapitals zur Anschaffung von Betriebsmitteln als Ausdruck unternehmerischen Risikos kann darin nicht gesehen werden. Die Pflicht zur Vertragserfüllung und das Einstehenmüssen für evtl. Pflichtverletzungen ist ebenfalls kein Indiz für ein spezifisches Unternehmerrisiko, sondern trifft auch abhängig Beschäftigte.

Ob der Beigeladene zu 1 neben seiner Tätigkeit als Hausmeister für die Klägerin daneben noch in anderen Dienstverhältnissen stand, ggf. in welcher rechtlichen Ausgestaltung, ist ohne Belang, da Gegenstand der versicherungsrechtlichen Prüfung allein das Dienstverhältnis zur Klägerin ist und eine Lohnabhängigkeit in dieser Rechtsbeziehung nicht dadurch ausgeräumt wird, dass der Beigeladene zu 1 zur ausreichenden Deckung seines Lebensunterhalts daneben auf die Erschließung weiter Erwerbsquellen angewiesen ist. Die Kammer merkt zu dem in der Verhandlung beispielhaft vorgelegten "Auftrag" der A ... AG vom 08.10.2007 für den Zeitraum 01.10.2007 bis 30.09.2008 und dem "Dienstleistungsvertrag" des Beigeladenen zu 1 mit der X ... A ... GmbH vom 16.04.2008 für den Zeitraum 01.05.2008 bis 30.04.2009 allerdings an, dass es sich auch bei diesen Dienstverträgen wegen der notwendigen Konkretisierung der Hauptpflichten des Beigeladenen zu 1 im Rahmen einseitiger Direktionsbefugnisse des Dienstherren nach Maßgabe betriebliche Erfordernisse augenscheinlich um Arbeitsverträge handelt ..."

Mit Ausführungs-Bescheid vom 15.07.2014 hat die Beklagte das Urteil hinsichtlich der Beitragskorrektur um 14,63 EUR umgesetzt.

Gegen das klageabweisende Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer am 30.07.2014 eingelegten Berufung. Sie trägt vor, der Beigeladene zu 1. sei schon seit den 90er-Jahren wechselnd für sie und weitere ihrer Tochter- bzw. Subunternehmen wie z. B. A ... AG, A ... GmbH (vormals: W ... GmbH), A ... Mobility e. K., A ... Corp., GWS X ... A ... GmbH, V ... GmbH und U ... GmbH (Anm.: sämtliche Unternehmen haben demselben Sitz wie die Klägerin [T ... Str. in A ...]; in sämtlichen Unternehmen ist Herr Q ... Geschäftsführer, Vorstandsmitglied, Geschäftsinhaber oder Director) als selbstständiger Handwerker (Hausmeister, u. a. Bedienungs- und Wartungsarbeiten an tschechischen Maschinen) tätig, ohne dass dessen fehlende Anmeldung zur Sozialversicherung moniert worden sei. Der Beigeladene zu 1. habe sich wiederholt, aber vergeblich, bei der zuständigen Bundesagentur für Arbeit (BA) um eine Arbeitserlaubnis bemüht. Für eine Indienstnahme als Selbstständiger hingegen lägen sämtliche behördlichen Genehmigungen vor. Die Klägerin sowie die genannten Tochter- bzw. Subunternehmen hätten regelmäßig bei der BA die Bestätigung der Dienstfreiheit für den Beigeladenen zu 1. und andere tschechische Selbstständige beantragt. Der Beigeladene zu 1. habe in seinem Wohnhaus über eine eigene Betriebsstätte (Büro und Werkstatt) und eigene Werkzeuge wie Bohrmaschinen, Klebepistolen, Schneideköpfe, Schleifmaschinen, Rasenmäher, Rasenkantenmäher, Betonmischer etc. verfügt. Lediglich der persönliche Arbeitskittel sei ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden, was sich daraus rechtfertige, dass es sich bei ihr um einen Gesundheitsbetrieb handele. Der Beigeladene zu 1. habe defekte Geräte zur Reparatur mit nach Hause genommen. Auf Grund seiner zahlreichen Qualifikationen als Schlosser, Schmied und Bauhandwerker sei er vielseitig einsetzbar gewesen. Benötigte Baumaterialien habe er zum Teil preisgünstig in der Tschechischen Republik eingekauft und ihr, der Klägerin, eins-zu-eins in Rechnung gestellt. Bei der Aufgabenerledigung habe er volle unternehmerische Eigenverantwortung gehabt. Rahmenvorgaben oder die Kontrolle des Arbeitsergebnisses seien bei Selbstständigen nicht unüblich. Weder bei den vorangegangenen noch bei der nachfolgenden Betriebsprüfung (am 17.12.2014) sei die sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Beigeladenen zu 1. bemängelt worden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.09.2019 hat die Beklagte ein - von der Klägerin angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben und auf die im Ausführungs-Bescheid vom 15.07.2014 noch erhobenen Säumniszuschläge i. H. v. 1.571,00 EUR verzichtet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21. Mai 2014 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2011, diesen in Gestalt des Ausführungs-Bescheids vom 15. Juli 2014 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom heutigen Tage, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte und das SG sind für den streitgegenständlichen Prüfzeitraum zutreffend vom Vorliegen einer abhängigen und versicherungspflichtigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin ausgegangen.

Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheids ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre.

Versicherungs- und Beitragspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht u. a. bei einem abhängigen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 SGB IV (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], § 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI] und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), welcher der Senat folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist regelmäßig eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ausgangspunkt der versicherungsrechtlichen Prüfung ist dabei das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abwichen. Maßgeblich sind die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert werden, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R - juris Rn. 16 m.w.N.).

Klarzustellen ist, dass die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, grundsätzlich getrennt für die jeweilige Tätigkeit vorzunehmen ist. So können hauptberuflich abhängig beschäftigte Arbeitnehmer neben ihrem Arbeitsverhältnis einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen, wie auch hauptberuflich Selbstständige neben ihrer selbstständigen Tätigkeit einer abhängigen (Neben-) Beschäftigung bei einem Arbeitgeber nachgehen können. Der Umfang der jeweiligen Tätigkeitsanteile ist dabei nicht schon für die Frage nach einer abhängigen Beschäftigung relevant, sondern erlangt eine Bedeutung erst für die daran eventuell anknüpfende Frage, ob aus einer abhängigen Beschäftigung eine Versicherungs- und Beitragspflicht resultiert (vgl. § 5 Abs. 5 SGB V zum Entfallen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Ausübung einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit). Aus diesem Grunde kommt es für die Beurteilung der Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin nicht unmittelbar auf die Anzahl, den Umfang und den versicherungsrechtlichen Charakter der gleichzeitig oder nacheinander für weitere Arbeit- bzw. Auftraggeber ausgeübten Tätigkeiten an. Allenfalls kann diesen Umständen mittelbar eine indizielle Bedeutung für die Einschätzung der tatsächlichen Eingliederung in betriebliche Abläufe eines Dienstherren und das Ausmaß der konkreten Weisungsunterworfenheit zukommen.

Gemessen an den vorstehenden Kriterien überwiegen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. bei weitem.

Der Beigeladene zu 1. war im streitgegenständlichen Zeitraum in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und unterlag ihren Weisungen. Diese Merkmale sind nicht rein örtlich und räumlich zu verstehen. Insbesondere bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen legen bereits organisatorische Dinge betreffende Weisungen den Beschäftigten in der Ausübung seiner Arbeit fest, ohne dass es entscheidend darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer seine Tätigkeit zu festen Arbeitszeiten in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers ausübt. Ein Anknüpfungspunkt ist hier, dass der Beigeladene zu 1. über keine eigene nennenswerte Betriebsstätte mit eigener Arbeitsorganisation verfügte, sondern vielmehr seine Arbeit vornehmlich am Sitz und in den Gebäuden der Klägerin sowie ggf. - bei anfallenden Reparaturen an defekten und mobilen Geräten der Klägerin - im Arbeitskeller seines Wohnhauses ausgeführt hat.

Der Inhalt seiner Tätigkeit stand fest. Ihm war kein Spielraum belassen, der quantitativ oder qualitativ von dem abweicht, was von einem Arbeitnehmer an Eigeninitiative in der Funktion des Beigeladenen zu 1. erwartet wird. Die von ihm im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeit als Hausmeister/Betriebshandwerker eigeninitiativ zu treffenden Entscheidungen sind der Art der Tätigkeit geschuldet und dieser immanent und machen ihn deswegen noch nicht zu einem Selbständigen. Vielmehr musste er sich den betrieblichen Erfordernissen unterwerfen und konnte seine Tätigkeit nicht im Wesentlichen frei gestalten. Bei derartigen einfach gelagerten Tätigkeiten, wie sie der Beigeladene zu 1. ausgeübt hat, ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und damit eine persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber anzunehmen, als bei gehobenen Tätigkeiten (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 24.07.1992 – VI R 126/88 – BFHE 100 – VI R 126/88BFHE 169, 154, BStBl II 1993, 155, Rn. 20, juris; Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 26. Mai 1999 – 5 AZR 469/98 –, Rn. 33, juris). Denn der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart und der Organisation der zu leistenden Tätigkeit ab (BAG, Urteil vom 26. Mai 1999 – 5 AZR 469/98 –, Rn. 33, juris). Art der Arbeit und Weisungsbefugnis des Auftraggebers stehen insofern in einem Wechselverhältnis zueinander, als bei einfachen Arbeiten schon organisatorische Dinge betreffende Anordnungen den Beschäftigten in der Ausführung der Arbeit festlegen und damit in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert erscheinen lassen (BFH, Urteil vom 24. Juli 1992 – VI R 126/88 –, BFHE 169, 154, BStBl II 1993, 155, Rn. 20, juris). Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses kann also auch aus der Art der zu verrichtenden Tätigkeiten folgen (BAG, Urteil vom 16. März 1994 – 5 AZR 447/92 –, Rn. 52, juris).

Der Beigeladene zu 1. war damit organisatorisch in den von der Klägerin vorgegebenen Arbeitsprozess eingegliedert. Zwar ist es richtig, dass er im Verhältnis zu gewerblichen Arbeitnehmern in Bezug auf seine Arbeitszeit über ein größeres Maß an Freiheit verfügte, da er seine Arbeitsleistung nicht zu einer starr festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit zu erbringen hatte. Formen flexibler Arbeitszeitgestaltung sind aber auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen nicht ungewöhnlich und insbesondere dort anzutreffen, wo für den Arbeitgeber nicht die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb zu einer bestimmten Zeit von Bedeutung ist, sondern die tatsächliche Erledigung bestimmter Arbeiten in einem vorgegebenen Zeitrahmen (ebenso: Hessisches LSG, Urteil vom 12. Juli 2007 - L 8/14 KR 280/04 - juris Rn. 27). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 1. - ausgehend von der aktenkundigen Rechnungsübersicht und dem (offenbar mündlich) vereinbarten Stundenlohn von 8,00 EUR - monatlich regelmäßig zwischen 148 und 253 Stunden für die Klägerin gearbeitet hat. Eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit neben der Tätigkeit für die Klägerin war damit ausgeschlossen. Überdies entsprach der gezahlte Stundenlohn von 8,00 EUR in etwa dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und war nicht so hoch, dass dieser eine auskömmliche kranken-, pflege- und rentenversicherungsrechtliche Eigenvorsorge zugelassen hätte, insbesondere wenn darin noch die Kraftstoffkosten einkalkuliert gewesen sein sollen. In der Gesamtwürdigung der zu berücksichtigenden Indizien stellt auch dieser Umstand ein weiteres gewichtiges Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R – juris Rn. 50). Die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen durch Rechnung betrifft formale Äußerlichkeiten der Entgeltzahlung und ist für die materielle Einstufung des Entgelts als Arbeitsentgelt oder Unternehmervergütung nicht ausschlaggebend.

Ein weiteres gewichtiges, gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechendes Indiz ist, dass der geprüfte Beigeladene zu 1. kein wesentlich ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko getragen hat. Zwar erhielt er nur für tatsächlich geleistete Arbeiten eine Vergütung, trug allein das Risiko des Ausfalls und hatte keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf bezahlten Urlaub oder auf Leistungen aus der Sozialversicherung. Diese Argumentation unterliegt hier jedoch einem Zirkelschluss. Sie verkennt, dass es sich bei den letztgenannten Tatsachen nicht um Umstände handelt, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses und der Tätigkeit prägen, sondern um solche, die sich als Rechtsfolge ergeben, wenn die Feststellungen ergeben, dass keine abhängige Beschäftigung ausgeübt wird (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - B 12 KR 17/00 R - juris Rn. 24; BAG, Urteil vom 19. November 1997 - 5 AZR 21/97 - juris Rn. 34; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2007 - L 11 (16) KR 16/04 - juris Rn. 23). Zudem handelt es sich bei dem danach im Vordergrund stehenden Risiko der Mitarbeiter, nicht arbeiten zu können, um ein Risiko, das auch jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet (Stichwort "Tagelöhner") und nach Stunden bezahlt wird oder unständig Beschäftigter ist. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses regelmäßig erst dann, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brach liegen (ebenso: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2012 - L 4 R 761/11 - juris Rn. 53; a. A ... offenbar: Hessisches LSG, Urteil vom 28. August 2008 - L 1 KR 251/06 – juris Rn. 29). Solche Fixkosten hatte der Beigeladene zu 1. nicht. Eigene Betriebsmittel oder eigenes (Wagnis-)Kapital in nennenswertem Umfang hat er nicht eingesetzt. Die auch von Arbeitnehmern praktizierte Nutzung eigenen (Klein-)Werk-zeugs kann einen unternehmerischen Kapitaleinsatz ebenso wenig begründen wie die Nutzung eines in vielen Privathaushalten vorhandenen häuslichen Arbeitszimmers (auch mit EDV-Anlage [PC, Bildschirm, Drucker]) oder die Nutzung eines privaten PKW (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Juni 2018 - L 5 R 2323/17 - juris Rn. 33). Und dies auch dann, wenn man davon ausginge, die Anzahl der vom Beigeladenen zu 1. privat vorgehaltenen Werkzeuge habe die eines durchschnittlichen privaten Haushalts überstiegen. Die damit von der Klägerin begründete Belastung des Beigeladenen zu 1. mit einem Verdienstrisiko spräche nur dann für ein echtes Unternehmerrisiko und damit für eine Selbständigkeit, wenn ihm damit eine - im Vergleich zu Arbeitnehmern - größere Freiheit bei der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüberstünde (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R - juris Rn. 25) und diese zu höheren Verdienstchancen führten. Dies war vorliegend nicht der Fall. Für den Beigeladenen zu 1. ihn bestand nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient zu gestalten, dass er das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können (hierzu: BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 2/18 R – juris Rn. 27). Zusätzliche, über die von der Klägerin angebotenen hinausgehende Aufträge konnte er nicht erlangen; eine eigene Geschäftskundenakquise oder ein werbendes Auftreten am Markt in der einschlägigen Branche hat er im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorgenommen (bzw. faktisch nicht vornehmen können).

Schließlich bedingt auch der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. im streitgegenständlichen Prüfzeitraum zum Teil auch für andere Unternehmen tätig war, auch ungeachtet des Umstandes der persönlichen/wirtschaftlichen Verflechtung derselben mit der Klägerin, keine andere Wertung. Jede Tätigkeit ist grundsätzlich getrennt zu beachten. Für die Beurteilung ist allein auf die Ausgestaltung der einzelnen Arbeitseinsätze abzustellen (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 22. April 2016 - L 1 KR 228/11 - juris Rn. 41, mit Verweis auf BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97- juris Rn. 20). Denn auch ein abhängig Beschäftigter kann für mehrere Auftraggeber abhängig beschäftigt sein oder auch neben einer abhängigen Beschäftigung noch selbstständig zu arbeiten (Thüringer LSG, Urteil vom 25. Januar 2018 - L 2 R 1141/14 - juris Rn. 43). Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie z. B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R - juris Rn. 28). Ein Werben für seine Tätigkeit, welches den Rahmen verlässt, der auch von einem auf der engagierten Suche nach einer neuen abhängigen Beschäftigung sich befindenden Arbeitnehmer erwartet werden kann, und insbesondere nach seiner Struktur und/oder angesichts des Umfanges der aufgewandten finanziellen Mittel Rückschlüsse auf ein unternehmerisches Handeln zulässt (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 01. November 2017 - L 2 R 227/17 - juris Rn. 41), waren beim Beigeladenen zu 1. nicht ersichtlich.

Bei dieser Sachlage reichen auch die Umstände, dass das Eingehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gerade ausdrücklich ausgeschlossen werden sollte und der Beigeladene zu 1. ein Gewerbe angemeldet und seine Arbeitseinkünfte ersichtlich steuerrechtlich als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit behandelt hat, nicht aus, um ihn als selbstständigen Subunternehmer anzusehen. Auch dies zeigt lediglich, dass die Beteiligten bei dem jeweiligen Vertragsschluss von einer selbstständigen Tätigkeit ausgingen bzw. ausgehen wollten und deshalb übliche Arbeitnehmerrechte nicht vereinbarten. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies, wie vorstehend ausgeführt, im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird (ebenso: LSG Baden-Württemberg, a. a. O., juris Rn. 54). Die Parteivereinbarungen können die Bewertung der Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedingen und den Geltungsbereich der Arbeitnehmerschutzrechte nicht einschränken. Maßgebend ist aus den dargelegten Gründen nicht die subjektive Vorstellung der Beteiligten, sondern das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R - juris Rn. 20; BAG, Urteil vom 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - juris Rn. 18).

Auf dieser Grundlage hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass der geprüfte Mitarbeiter im Prüfzeitraum im festgestellten Umfang der Versicherungs- und Beitragspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Es liegen keine Tatbestände vor, die eine Versicherungsfreiheit begründen oder die Versicherungs- und Beitragspflichtpflicht in einem Zweig der Sozialversicherung ausschließen bzw. später - d. h. nach dem in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV festgelegten Zeitpunkt (Vorliegen der im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen) - beginnen lassen. Es handelte sich nicht um eine geringfügige Beschäftigung gemäß § 8 SGB IV; es lag keine unständige Beschäftigung im Sinne von § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III bzw. § 186 Abs. 2 SGB V vor. Schließlich greift die Regelung in § 7b SGB IV a. F., nach welcher die Versicherungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen erst mit dem Tag der Bekanntgabe der Entscheidung über das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eintrat, nicht ein. Diese Regelung ist zum 31.12.2007 außer Kraft getreten und galt daher bei Bekanntgabe des angefochtenen Betriebsprüfungsbescheids vom 18.01.2011 nicht mehr.

Der Beitragsnachforderung der Beklagten stehen keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Ein schützenswertes Vertrauen lässt sich insbesondere nicht aus vorangegangenen (oder gar nachfolgenden) Prüfungen nach § 28p SGB IV und der in diesem Zusammenhang von der Klägerin gerügten unterlassenen Aufklärung und Beratung seitens der Beklagten herleiten. Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) können aus früheren Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten, weil Betriebsprüfungen unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten nur den Zweck haben, die Beitragsentrichtung zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu und kann ihnen schon deshalb nicht zukommen, weil die Betriebsprüfung nicht umfassend oder erschöpfend zu sein braucht und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken darf. Betriebsprüfungen - ebenso wie das Ergebnis der Prüfung festhaltende Prüfberichte der Versicherungsträger - bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa - mit Außenwirkung - "Entlastung" zu erteilen. Deshalb kann sich eine materielle Bindungswirkung lediglich dann und insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden (BSG, Urteile vom 18. Dezember 2013 – B 12 R 2/11 R – juris Rn. 36 und vom 30. Oktober 2013 – B 12 AL 2/11 R – juris Rn. 24). Dies gilt im Übrigen auch in kleineren Betrieben mit nur wenigen Mitarbeitern (a.a.O. Rn. 26). Vertrauensschutz auf der Grundlage von unterbliebenen Nachforderungen kann sich somit nur ergeben, wenn - anders als vorliegend - eine bestimmte Frage ausdrücklicher Gegenstand einer vorangegangenen Betriebsprüfung war oder von dem zu prüfenden Betrieb zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden sollte (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juli 2014 – L 1 KR 131/14 B ER – juris Rn. 17). Fehlt es hieran, bedarf es auch keiner - ggf. teilweisen - Rücknahme nach § 45 SGB X (Sächsisches LSG, Beschluss vom 22. März 2013 – L 1 KR 14/13 B ER – juris Rn. 28).

Das Geltendmachen der Beitragsforderungen widerspricht schließlich nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]); es liegt keine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 67/09 - juris Rn. 31 m. w. N.). Umstände, die in diesem Sinne auf ein Verwirkungsverhalten der Beklagten im vorliegenden Sachzusammenhang hindeuten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Streitwertfestsetzung auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1 und Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 166 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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