L 9 KR 601/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 365/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 9 KR 601/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankenversicherung
Krankengeld
nichtmedizinische Fehlentscheidung (hier: fehlerhafter Ausdruck) des Vertragsarztes (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V)
1. Die irrtümliche Nichtfeststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) durch den Vertragsarzt ist von der Beklagten zu vertreten. Der fehlerhafte Ausdruck einer nicht zeitgerechten und nicht mehr aktuellen AU-Bescheinigung steht in ihrer Wirkung einer (irrtümlichen) Nichtfeststellung der AU gleich.
2. Gerade, wenn der Kausalverlauf durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung initiiert worden ist, muss eine nachträgliche Richtigstellung möglich sein, um eine unangemessene Benachteiligung des Versicherten, die weder durch den Wortlaut noch durch den Zweck der Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gerechtfertigt wird, auszuschließen.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Juli 2017 und der Bescheid vom 12. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krankengeld vom 20. April 2016 bis 11. Mai 2016 in Höhe von 42,90 EUR brutto und 37,75 EUR netto kalendertäglich zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Krankengeld (Krg) in Höhe von insgesamt 945,78 EUR (brutto) und 830,50 EUR (netto) für den Zeitraum vom 20.04.2016 bis 11.05.2016 (22 Tage).

Der 1963 geborene, als Instandhalter beschäftigte und bei der Beklagten versicherte Kläger erkrankte ab 15.01.2016 arbeitsunfähig und bezog von der Beklagten ab 26.02.2016 Krg täglich in Höhe von 42,90 EUR brutto und 37,75 EUR netto. Bereits mit Schreiben vom 29.02.2016 hat die Beklagte dem Kläger unter Beifügung eines Merkblattes unter anderem mitgeteilt, dass der Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit (AU) zur Vermeidung finanzieller Nachteile innerhalb von sieben Tagen bei ihr vorliegen müsse. Am 05.04.2016 attestierte die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dipl.-Med. Y ... dem Kläger das Fortbestehen der AU bis 19.04.2016 mit der Diagnose F45.0 (Somatisierungsstörung). Am 19.04.2016 stellte die Ärztin dem Kläger unter dem Datum "05.04.2016" nochmals eine AU-Folgebescheinigung für die Zeit vom 05.04.2016 bis 19.04.2016 aus.

Am 12.05.2016 stellte Frau Dipl.-Med. Y ... zwei AU-Folgebescheinigungen aus: Eine unter dem Datum "19.04.2016" für die Zeit vom 19.04.2016 bis 12.05.2016 und eine weitere vom 12.05.2016 bis 03.06.2016. Beide gingen der Beklagten am 12.05.2016 zu.

Mit Bescheid vom 12.05.2016 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krg für die Zeit vom 20.04.2016 bis 11.05.2016 ab, da der Anspruch des Klägers in dieser Zeit ruhe. Die AU-Bescheinigung vom 19.04.2016 sei nicht innerhalb einer Woche, sondern erst verspätet am 12.05.2016 bei ihr eingegangen; für eine rechtzeitige Meldung habe die Bescheinigung bis spätestens 27.04.2016 vorliegen müssen.

Dagegen legte der Kläger bei der Beklagten mit Schreiben vom 17.05.2016 Widerspruch ein. Sein Arbeitgeber habe ihn am 10.05.2016 telefonisch darauf aufmerksam gemacht, dass er unentschuldigt fehle und dies einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstelle. Erst daraufhin habe er den Durchschlag seines Krankenscheines kontrolliert und festgestellt, dass der Meldezeitraum der gleiche wie im vorherigen Krankenschein gewesen sei. Leider habe er es aufgrund seines Gesundheitszustandes versäumt, den Krankenschein zu kontrollieren. Beigelegt hat der Kläger ein Schreiben von Frau Dipl.-Med. Y ... vom 20.05.2016. Der Kläger habe bei seiner Vorstellung bei ihr am 05.04.2016 eine AU-Bescheinigung vom 05.04.2016 bis 19.04.2016 erhalten, die er fristgemäß bei der Beklagten eingereicht habe. Bei seiner erneuten Vorstellung am 19.04.2016 sei versehentlich erneut die AU-Bescheinigung vom 05.04.2016 ausgedruckt worden, anstatt eine Folge-AU-Bescheinigung vom 19.04.2016 bis 12.05.2016. Dieser organisatorische Fehler sei weder ihr noch dem Kläger noch der Beklagten aufgefallen. Als der Kläger am 12.05.2016 wieder bei ihr vorstellig geworden sei, habe er nachträglich die AU-Bescheinigung vom 19.04.2016 bis 12.05.2016 erhalten, welche er folglich auch nur verspätet habe einreichen können, sowie eine Folge-AU-Bescheinigung vom 12.05.2016 bis 03.06.2016.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Da sie erst am 12.05.2016 die auf den 19.04.2016 datierte AU-Bescheinigung mit der weiteren Feststellung der AU über den 19.04.2016 hinaus erhalten habe, sei die Meldefrist von einer Woche überschritten, weshalb der Krg-Anspruch in der Zeit vom 20.04.2016 bis 11.05.2016 ruhe. Die Meldung der AU sei Pflicht des Versicherten. Die Gefahr des Nichteinganges oder des nicht rechtzeitigen Einganges der Meldung trage der Versicherte. Das habe zur Folge, dass die Ruhensvorschrift auch dann greife, wenn die rechtzeitig zur Post gegebene Meldung dort verloren gehe und der Kläger unverzüglich nach Kenntnis von dem Verlust die AU-Meldung nachhole.

Dagegen hat der Kläger am 20.07.2016 Klage beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben. Er habe damals Antidepressiva eingenommen und sei psychisch nicht in der Lage gewesen, die AU-Bescheinigung zu kontrollieren. Aber auch der Beklagten sei die Einreichung zweier identischer Krankenscheine nicht aufgefallen.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.07.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krg für die Zeit vom 20.04.2016 bis 11.05.2016 gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), da der Anspruch nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhe, solange die AU der Krankenkasse nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der AU gemeldet werde. Da der Kläger die AU-Bescheinigung vom 19.04.2016 erst am 12.05.2016, mithin nach Ablauf von mehr als einer Woche der Beklagten vorgelegt habe, ruhe der Anspruch auf Krg. Denn bei der AU-Meldung handele es sich um eine Obliegenheit des Versicherten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung seien deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Ein der Beklagten zuzurechnender Organisationsmangel habe nicht vorgelegen. Vielmehr sei das ärztliche Versehen, die AU am 19.04.2016 für den ablaufenden Zeitraum 05.04. bis 19.04.2016 erneut bescheinigt zu haben, dem Kläger anzulasten. Ihm habe auffallen müssen, dass für den Folgezeitraum ab 20.04.2016 die AU nicht ärztlich festgestellt worden sei. Wenn ihm krankheitsbedingt die Wahrung seiner eigenen Sorgfaltspflicht nicht möglich gewesen sei, hätte er eine andere Person mit seiner Vertretung beauftragen müssen. Seine tatsächlich bestehende AU im streitgegenständlichen Zeitraum sei jedenfalls nicht maßgeblich.

Gegen den am 19.07.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.08.2017 beim SG Berufung eingelegt, die am 25.08.2017 beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingegangen ist. Er habe alles in seiner Macht stehende getan, um die AU zeitgerecht ärztlich feststellen zu lassen und die AU-Bescheinigung zeitgerecht vorzulegen. Die zeitgerechte Meldung der AU ab dem 19.04.2016 sei durch Umstände verhindert worden, die in den Verantwortungsbereich der Beklagten fielen. Zum einen sei das Versehen der Ärztin, dem Kläger eine veraltete AU-Bescheinigung auszuhändigen, der Beklagten zuzurechnen. Zum anderen habe der Kläger die AU-Bescheinigung dem Niederlassungsleiter der Beklagten, C ... persönlich übergeben, da er ganz sicher habe gehen wollen, dass die AU-Bescheinigung auch rechtzeitig bei der Beklagten ankomme. Dieser habe die Bescheinigung entgegen genommen und sie in die elektronische Verwaltungsakte eingescannt. Dabei habe es dem Mitarbeiter auffallen müssen, dass es sich nicht um eine aktuelle AU-Bescheinigung handele. Die Beklagte habe ihre Fürsorge- und Beratungspflicht verletzt und könne sich deshalb nicht auf die Ruhensregelung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V berufen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 13.07.2017 und den Bescheid vom 12.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld vom 20.04.2016 bis 11.05.2016 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Meldung der AU sei eine Obliegenheit des Klägers. Daher müsse sich der Kläger von dem Inhalt seiner AU-Meldung überzeugen. Ihm habe die doppelte AU-Bescheinigung auffallen müssen.

Auf Veranlassung des LSG hat die Beklagte die Computereinträge vom 07.04.2016 und 22.04.2016 vorgelegt. Danach hat der Kläger die AU-Bescheinigung vom 05.04.2016 für die Zeit vom 05.04.2016 bis 19.04.2016 am 07.04.2016 dem Kundenberater X ... in der Geschäftsstelle der Beklagten A ...-Mitte übergeben, der notiert hat: "FB bis 19.04.16 abgegeben". Am 22.04.2016 hat der Kläger die zweite AU-Bescheinigung vom 05.04.2016 dem Kundenberater W ... ausgehändigt, der notiert hat: "AU festg.: 05.04.16 bis 19.04.16".

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 09.09.2019 und 12.09.2019 mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1,124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats und die beigezogene Akte des SG sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung. Denn der Kläger beansprucht Krg-Leistungen in Höhe von mehr als 750 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Dieser Beschwerdewert ist bei einem kalendertäglichen Krg in Höhe von 42,90 EUR brutto und 37,75 EUR netto für den streitbefangenen Zeitraum vom 20.04.2016 bis 11.05.2016 überschritten.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Der ablehnende Bescheid vom 12.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1, 2 SGG). Dieser hat einen Krg-Anspruch für die Zeit vom 20.04.2016 bis 11.05.2016 (22 Tage) in Höhe von insgesamt 945,78 EUR brutto und 830,50 EUR netto, da er die Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 44, 46 Abs. 1 Nr. 2, Satz 2 SGB V vom 20.04.2016 bis 11.05.2016 erfüllt, obwohl eine an sich bereits am 19.04.2016 erforderliche ärztliche AU-Feststellung nicht erfolgt war. Denn es liegt hier ein nach der Rechtsprechung des BSG zu bejahender Ausnahmefall vor. Die Voraussetzungen für das Ruhen des Anspruchs sind nicht gegeben.

Rechtsgrundlage für den Krg-Anspruch ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der hier maßgeblichen ab 23.07.2015 gültigen Fassung). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 entsteht der Krg-Anspruch von dem Tag der ärztlichen Feststellung der AU an. Gemäß § 46 Satz 2 SGB V (in der seit dem 23.07.2015 gültigen Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der GKV [BGBl I 1211]) bleibt der Anspruch auf Krg abweichend von dem hier nicht vorliegenden Fall der Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, § 24, § 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere AU wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der AU erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage. Die Feststellung der AU stellt eine echte Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch auf Krg dar. Bei fortdauernder AU aber - wie hier - abschnittsweiser Krg-Bewilligung, ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen, d. h. jeder Bewilligungsabschnitt ist eigenständig darauf zu prüfen, ob die AU erneut oder weiterhin ärztlich festgestellt wurde (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 8/07 R –, SozR 4-2500 § 44 Nr. 12, Rn. 16, m. w. N., juris ; BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, BSGE 94, 247-258, SozR 4-2500 § 44 Nr. 6, Rn. 29, juris). Dies hat zur Folge, dass es nach befristeter AU-Feststellung und abschnittsweiser Krg-Bewilligung für die Entstehung eines weiteren Anspruchs auf Krg grundsätzlich einer erneuten ärztlichen Feststellung bedarf. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V (in der Fassung vom 22.12.2011) ruht der Anspruch auf Krg, solange die AU der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der AU erfolgt.

Obwohl der Kläger am 19.04.2016 bei der ihn behandelnden Neurologin persönlich vorstellig war, hat diese die AU-Feststellung für die Zeit vom 19.04.2016 bis 12.05.2016 nicht am 19.04.2016 getroffen, sondern erst am 12.05.2016, rückdatiert auf den 19.04.2016. Am 19.04.2016 hat die Ärztin die AU des Klägers versehentlich nicht festgestellt, sondern die AU vom 05.04.2016 (bis zum 19.04.2016) nochmals (rückwirkend) bescheinigt. Diese fehlerhafte AU-Bescheinigung hat der Kläger auch innerhalb der Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bei der Beklagten eingereicht. Bei der Vorlage der (rückdatierten) AU-Bescheinigung vom 19.04.2016 hat der Kläger allerdings die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 SGB V zur Meldung seiner AU bei der Beklagten versäumt.

Hier liegt jedoch ein zu einem Krg-Anspruch führender Ausnahmefall vor. Nach der Rechtsprechung des BSG sind dem Versicherten Krg-Ansprüche zuerkannt worden, wenn die rechtzeitige ärztliche Feststellung (oder die fristgerechte Meldung der AU nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die entweder auf einer Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten beruhten (BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 R –, BSGE 111, 9-18, SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, Rn. 23, juris) oder dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht demjenigen des Versicherten zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 08. November 2005 – B 1 KR 30/04 R –, BSGE 95, 219-232, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, Rn. 18 ff, juris). Letzteres ist angenommen worden im Falle des verspäteten Zugangs der AU-Meldung bei der Krankenkasse aufgrund von Organisationsmängeln, die diese selbst zu vertreten hat, für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der AU des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung sowie bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R –, BSGE 118, 52-63, SozR 4-2500 § 192 Nr. 7, Rn. 24 ff, juris). Schließlich ist in Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung vom BSG ein solcher Ausnahmefall auch bejaht worden, wenn 1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um (a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg zu erreichen, und (b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krg-Anspruch erfolgt ist, 2. er an der Wahrung der Krg-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z.B. eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und 3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R –, BSGE 123, 134-144, SozR 4-2500 § 46 Nr. 8, Rn. 34, juris; BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 3 KR 23/17 R –, SozR 4-2500 § 49 Nr. 8, Rn. 23, juris).

Vorliegend hat der Kläger seinerseits die ihm vom Gesetz übertragene Obliegenheit erfüllt, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten AU zu sorgen (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) und alles in seiner Macht Stehende getan, um nicht nur die ärztliche Feststellung der AU zu erhalten, sondern diese auch innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bei der Beklagten zu melden, um seine Krg-Ansprüche zu wahren. Denn er hat sich am 19.04.2016 bei seiner behandelnden Ärztin vorgestellt. Ein Arzt-Patienten-Kontakt hat somit stattgefunden. Die Ärztin hat ihm irrtümlich (infolge einer nichtmedizinischen Fehlentscheidung) die - unzweifelhaft vorliegende - AU ab 19.04.2016 nicht attestiert, sondern nochmals die AU vom 05.04.2016 bis 19.04.2016 bescheinigt. Diese fehlerhafte AU-Bescheinigung hat der Kläger - ebenfalls irrtümlich - der Beklagten innerhalb der Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vorgelegt. Allerdings ist die irrtümliche Nichtfeststellung der AU durch die Vertragsärztin am 19.04.2016 von der Beklagten zu vertreten (BSG, Urteil vom 08. Februar 2000 – B 1 KR 11/99 R –, BSGE 85, 271-278, SozR 3-2500 § 49 Nr. 4, SozR 3-2500 § 44 Nr. 7, SozR 3-2500 § 44 Nr. 7, Rn. 19, juris). Denn der fehlerhafte Ausdruck einer nicht zeitgerechten und nicht mehr aktuellen AU-Bescheinigung steht in ihrer Wirkung einer (irrtümlichen) Nichtfeststellung der AU gleich (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – juris). Nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler durch den Anruf seines Arbeitsgebers am 10.05.2016 hat der Kläger seine Rechte bei der Beklagten innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V geltend gemacht, in dem er unverzüglich am 12.05.2016 bei seiner behandelnden Ärztin vorsprach und die nachträglich (richtig) erstellte AU-Bescheinigung vom 19.04.2016 zusammen mit der AU-Bescheinigung vom 12.05.2016 noch am 12.05.2016 bei der Beklagten einreichte.

Folglich wurde die Feststellung und Meldung der AU durch Umstände verhindert oder verzögert, die dem Verantwortungsbereich der Beklagten und nicht dem des Klägers zuzurechnen sind. Damit ist ein Ausnahmetatbestand erfüllt, welcher die Ausschlusswirkung der Ruhensregelung verdrängt (BSG, Urteil vom 08. Februar 2000 – B 1 KR 11/99 R –, BSGE 85, 271-278, SozR 3-2500 § 49 Nr 4, SozR 3-2500 § 44 Nr. 7, SozR 3-2500 § 44 Nr. 7, Rn. 18, juris). Gerade wenn der Kausalverlauf – so wie hier - durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung initiiert worden ist, muss eine nachträgliche Richtigstellung möglich sein, um eine unangemessene Benachteiligung des Versicherten, die weder durch den Wortlaut noch durch den Zweck der Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gerechtfertigt wird, auszuschließen (BSG, Urteil vom 08. Februar 2000 – B 1 KR 11/99 R –, BSGE 85, 271-278, SozR 3-2500 § 49 Nr 4, SozR 3-2500 § 44 Nr 7, SozR 3-2500 § 44 Nr 7, Rn. 21, juris). In einem solchen Fall geht es nicht darum, Krg-Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 3 KR 23/17 R –, SozR 4-2500 § 49 Nr 8, Rn. 18, juris), sondern eine der Krankenkasse zuzurechnende ärztliche Fehlentscheidung zu korrigieren. Anhaltspunkte dafür, dass das Vertrauen des Klägers auf die Richtigkeit der von der behandelnden Kassenärztin ausgestellten AU-Bescheinigung nicht gerechtfertigt gewesen wäre, bestehen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 1981 - 3 RK 59/80 -, Rn. 30, juris).

Gegen die Höhe des Krankengeldes hat der Kläger keine Einwände erhoben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

III. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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