L 15 U 698/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 10 U 196/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 698/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 2/19 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Münster vom 09.03.2017 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger erlitt während seiner Ausbildung als Referendar beim I I am 18.09.2013 und am 20.01.2016 Unfälle, deren Anerkennung als Arbeitsunfälle die Beklagte mit Bescheid vom 28.01.2016 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus: Die Personalstelle für Referendare beim I I habe auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, dass der Kläger in einem beamtenähnlichen Beschäftigungsverhältnis beschäftigt sei und somit die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften Anwendung fänden. Der Dienstherr sei für die beiden Dienstunfälle vom 18.09.2013 und vom 20.01.2016 zuständig. Der Kläger sei somit in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherungsfrei. Dies sei laut der Personalabteilung dem Kläger auch schon mehrfach mitgeteilt worden.

Dagegen erhob der Kläger am 31.01.2016 Widerspruch und machte geltend, dass er während seiner Tätigkeit als Referendar beim I in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis übernommen worden sei und somit als Auszubildender in den gesetzlichen Sozialversicherungszweigen pflichtversichert sei. Zur Begründung führte er einen Entwurf des 12. Gesetztes zur Änderung der Juristenausbildungsordnung der Hamburger Bürgerschaft (Drucksache 17/901) vom 28.05.2002 an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der juristische Vorbereitungsdienst der Referendare sei in den §§ 36 ff. des Hamburgischen Juristenausbildungsgesetzes (HmbJAG) geregelt. Es handele sich hierbei um ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis, in dem bis auf wenige Ausnahmen weitgehend die für Beamte auf Widerruf geltenden Bestimmungen des Hamburgischen Beamtengesetzes (HmbBG) Anwendung fänden. Die hierin genannten Ausnahmen beträfen gerade eben nicht den Anspruch auf Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Bestimmungen. Für Beamte auf Widerruf bestehe ein Anspruch auf Versorgung nach dem Hamburgischen Beamtenversorgungsgesetz (HmbBeamtVG). So sei in § 33 HmbBeamtVG geregelt, dass bei einem Dienstunfall Unfallfürsorge nach dieser Vorschrift gewährt werde. Da für den Kläger als Referendar somit nach den obigen Ausführungen beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften Anwendung fänden, bestehe in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherungsfreiheit (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung komme demgemäß nicht in Betracht.

Bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides hat der Kläger am 10.06.2016 beim Sozialgericht Münster Untätigkeitsklage wegen der Nichtbescheidung seines Widerspruchs erhoben. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 hat der Kläger erklärt, dass er die Untätigkeitsklage als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterführe. Grund seien sein Rehabilitationsinteresse und Amtshaftungsansprüche. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens habe er der Beklagten die für eine Prüfung notwendigen Unterlagen vorgelegt. Trotz seiner immensen Hilfe habe die Beklagte über den Widerspruch nicht fristgemäß entschieden. Die Beklagte hat gemeint, dass sie nicht untätig gewesen sei und der Kläger während der gesamten Zeit über den Stand des Verfahrens informiert gewesen sei.

Mit einer weiteren beim Sozialgericht Münster am 23.06.2016 erhobenen Klage hat der Kläger begehrt, den Bescheid vom 28.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Unfallereignisse vom 18.09.2013 und 20.01.2016 als Arbeitsunfälle anzuerkennen. Die Beklagte setze sich in keiner Weise mit dem Willen des Gesetzgebers auseinander und verkenne in der Folge ihre Zuständigkeit. Die Begründung zur Hamburgischen Juristenausbildungsordnung sei für das HmbJAG übernommen worden. Die Beklagte ist auf ihrem Standpunkt verblieben.

Mit den beiden Gerichtsbescheiden vom 09.03.2017 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Auf die Gründe dieser Entscheidungen wird Bezug genommen.

Gegen die am 13.03.2017 zugestellten Gerichtsbescheide hat der Kläger jeweils am 14.03.2017 Berufung eingelegt. Der Senat hat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Hinsichtlich seines Begehrens auf Feststellung der Untätigkeit der Beklagten ist der Kläger der Meinung, dass die Beklagte ohne zureichenden Grund untätig gewesen sei und die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen der Wiederholungsgefahr zulässig sei. Hinsichtlich seines Begehrens auf Anerkennung der Unfälle vom 18.09.2013 und 20.01.2016 als Arbeitsunfälle trägt er vor: Der vom Senat seinerzeit eingebrachte Entwurf des 12. Gesetzes zur Änderung der Juristenausbildungsordnung sei von der Bürgerschaft wortgleich verabschiedet worden und damit Gesetz geworden. Das Gleiche sei im Anschluss mit der Drucksache 17/2389 vom 11.03.2003 geschehen. Dort werde auf Seite 29 vermerkt, dass die vorigen Regelungen übernommen würden. Beide Drucksachen seien vom LSG Hamburg im Urteil vom 28.11.2012 (L 2 R 16/10) auch bei der Auslegung von § 37 HmbJAG herangezogen worden. Diese Vorschrift regele das Referendariat abschließend und als lex specialis. Für einen Beamtenunfallschutz bleibe daher kein Raum. Wie widersinnig dieser wäre, zeige sich, wenn die Unfallkosten nicht erstattet würden, wie bei seinem ersten Unfall, oder der Unfall nicht als Dienstunfall anerkannt werde. Dann würde man privatärztliche Unfallrechnungen bezahlt haben und diese nicht von der Krankenkasse ersetzt bekommen. Die Versicherungspflicht ergebe sich aus der Gesetzesbegründung. Das LSG Hamburg habe auch im Urteil vom 28.11.2012, das durch das Urteil des BSG vom 31.03.2015 (B 12 R 1/13 R) bestätigt worden sei, die Versicherungspflicht für die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung festgestellt. Die Unfallversicherungspflicht sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen und werde daher auch nicht erwähnt. Die Kombination von gesetzlicher Krankenversicherung und Beamtenunfallschutz mache auch keinen Sinn, denn die Feststellung, ob ein Dienstunfall vorliege, erfolge erst nach den ersten privatärztlichen Rechnungen, welche keine gesetzliche Krankenkasse übernehme.

Der Kläger beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 09.03.2017 zu ändern und festzustellen, dass die Beklagte untätig gewesen ist

2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 09.03.2017 (Az.: S 10 U 196/16) zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 zu verurteilen, die Unfallereignisse vom 18.09.2013 und 20.01.2016 als Arbeitsunfälle anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen des Klägers sind nicht begründet.

Die vom Kläger zunächst als Untätigkeitsklage erhobene und nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellte Klage ist nicht zulässig, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 12. Aufl., § 131 Rz. 10). Bei vergangenem Rechtsverhältnis kann ein Feststellungsinteresse insbesondere bei Wiederholungsgefahr oder einem Rehabilitationsinteresse gegeben sein (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rz. 15b m.w.N.). Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr ist hier ebenso wenig anzunehmen wie ein Rehabilitationsinteresse des Klägers. Das Ausbildungsverhältnis des Klägers ist beendet. Weitere Unfälle sind während des Ausbildungsverhältnisses nicht geschehen. Mit Bescheiden, die mit den angefochtenen Bescheiden vergleichbar sind, ist nicht zu rechnen. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide auch nicht diskriminiert oder sonst in seinen Grundrechten beeinträchtigt. Auch ansonsten sind keine Tatsachen vorgetragen oder ersichtlich, die ein berechtigtes Feststellungsinteresse begründen könnten. Insbesondere ist für einen Schaden, den der Kläger im Rahmen eines Amtshaltungsanspruchs geltend machen könnte, nichts ersichtlich.

Das Sozialgericht hat auch zu Recht die vom Kläger am 23.06.2016 erhobene zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage abgewiesen. Die Beklagte hat es mit dem in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 angefochtenen Bescheid vom 28.01.2016 zutreffend abgelehnt, die Unfallereignisse vom 18.09.2013 und 20.01.2016 als Arbeitsunfälle anzuerkennen.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Anerkennung der Unfallereignisse vom 18.09.2013 und 20.01.2016 als Arbeitsunfälle scheitert hier bereits daran, dass der Kläger im Zeitpunkt der Unfälle nicht zu dem nach den §§ 2, 3 oder 6 versicherten Personenkreis gehört hat. Eine Zugehörigkeit zu dem nach § 3 SGB VII kraft Satzung oder dem nach § 6 SGB VII aufgrund freiwilliger Versicherung versicherten Personenkreis scheidet von vornherein aus. Der Kläger ist aber auch als Referendar nicht gemäß § 2 SGB VII kraft Gesetzes versichert gewesen. Die Ausbildung des Klägers als Referendar im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses (§ 36 Abs. 1 Satz 1, § 37 HmbJAG in der ab 2009 geltenden Fassung) ist zwar als Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 und 2 SGB IV zu qualifizieren (BSG, Urteil vom 31.03.2015 - B 12 R 1/13 R). Der Kläger gehörte dennoch nicht zu dem nach § 2 SGB VII geschützten Personenkreis, weil für ihn als Referendar Versicherungsfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bestanden hat. Nach dieser Vorschrift sind versicherungsfrei Personen, soweit für sie beamtenrechtliche Unfallfürsorge-vorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten; ausgenommen sind Ehrenbeamte und ehrenamtliche Richter. Für den Kläger haben während seiner Referendarausbildung beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften gegolten. Denn nach § 37 Abs. 1 HmbJAG finden für Referendarinnen und Referendare die für Beamte auf Widerruf geltenden Bestimmungen mit Ausnahme der §§ 24, 62, 85 und des § 91 Abs. 1 HmbBG entsprechende Anwendung. Für Beamte auf Widerruf besteht aber ein Anspruch auf Unfallfürsorge nach dem HmbBeamtVG. Dies ergibt sich aus § 33 HmbBeamtVG, in dem geregelt ist, dass bei einem Dienstunfall Unfallfürsorge gewährt wird. § 33 HmbBeamtVG wird durch § 37 Abs. 1 HmbJAG ebenso wenig ausgeschlossen wie durch § 4 Abs. 2 HmbBG.

Der vom Kläger angeführte Entwurf des 12. Gesetzes zur Änderung der Juristenausbildungsordnung der Hamburger Bürgerschaft vom 28.05.2002 (Drucksache 17/901) gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Zwar heißt es in der Begründung, weitere Folge einer Umwandlung des Referendarstatus sei die Einbeziehung der Referendarinnen und Referendare in die gesetzliche Krankenversicherung und in die Pflege- und Unfallversicherung. Aus der Gesetzesbegründung wird allerdings nicht deutlich, dass der Gesetzgeber sich überhaupt mit der Systematik der §§ 2 ff. SGB VII, insbesondere mit § 4 SGB VII, und der Frage, wie für Referendarinnen und Referendare eine Versicherungsfreiheit nach § 4 SGB VII vermieden werden kann, auseinandergesetzt hat. Ein möglicher Wille des Gesetzgebers, Referendarinnen und Referendare in die gesetzliche Unfallversicherung einzubeziehen, hat im Gesetz auch keinen Ausdruck gefunden. Wortlaut und Systematik des Gesetzes lassen nur die Auslegung zu, dass für Referendarinnen und Referendare beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften entsprechende Anwendung finden sollen. Die Vorschriften über beamtenrechtliche Unfallfürsorge sind nämlich in dem 12. Gesetz zur Änderung der Juristenausbildungsordnung vom 03.07.2002 nicht ausgenommen worden. Dessen § 28 a Abs. 1 Satz 2 bestimmt vielmehr, dass für Referendare die für Beamte auf Widerruf geltenden Bestimmungen mit Ausnahme der §§ 62, 85 und des § 91 Abs. 1 des Hamburgischen Beamtengesetzes in der Fassung vom 29.11.1977, zuletzt geändert am 18.07.2001, in der jeweils geltenden Fassung entsprechend gelten. Dies entspricht auch der Begründung zu der Vorschrift, wonach die beamtenrechtlichen Vorschriften über den Diensteid (§ 62 HmbBG), die Gewährung von Beihilfe (§ 85 HmbBG) und die Besoldung (§ 91 Abs. 1 HmbBG) ausgenommen sind. Änderungen hinsichtlich der entsprechenden Geltung der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften für Referendarinnen und Referendare sind durch das HmbJAG nicht eingetreten. § 37 HmbJAG hat § 28 a JAO weitgehend übernommen, abweichend vom bisherigen Recht ist in Absatz 1 auch die entsprechende Geltung des § 24 HmbBG in der jeweils geltenden Fassung ausgenommen worden. Die Vorschriften über beamtenrechtliche Unfallfürsorge sind damit auch im HmbJAG nicht ausgenommen worden.

Haben mithin für den Kläger als Referendar beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften gegolten, besteht Versicherungsfreiheit bereits dann, wenn die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften grundsätzlich anwendbar sind. Es kommt nicht darauf an, ob die Leistungen tatsächlich zuerkannt oder ausbezahlt werden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung Handkommentar, § 4 SGB VII Rn. 4.3 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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