L 9 KR 293/17 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 293/17 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Sofern die Voraussetzungen nach § 105 Abs. 1 SGG vorliegen und die Beteiligten zuvor angehört wurden, darf ein Landessozialgericht im Rahmen seiner erstinstanzlichen Zuständigkeit nach § 29 Abs. 2 bis 4 SGG zum Mittel des Gerichtsbescheides greifen.
2. Ein Anspruch auf Förderung mit Mitteln des Innovationsfonds besteht nicht (§ 92a Abs. 1 Satz 7 SGB V); dem nach § 92b Abs. 2 SGB V einzurichtenden Innovationsausschuss kommt hinsichtlich der Frage, ob die in der Förderbekanntmachung fixierten Förderkriterien erfüllt sind, ein gerichtsfreier Ermessensspielraum zu.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger bezeichnet sich u.a. als Produkt-Entwickler, Erfinder und Sportlehrer (https:///). Zu seinen Entwicklungen gehört "3". Dieses beschreibt der Kläger als "Ganzkörper-, Denk-, Informations-, Entspannungs-, Gesundheits-, Erlebnis- und Erinnerungs-Aktivierung durch Hand- und Ganzkörperbewegungen von Position zu Position und weitere Anwendungsfunktionen" (https:///).

Am 19. Februar 2016 beantragte der Kläger bei dem Innovationsausschuss nach § 92b Abs. 1 Satz 1 SGB V eine finanzielle Förderung in Höhe von 14.000.000,00 Euro für das 3-Programm. In der "Zusammenfassung" heißt es:

"Ziele: Die Zielgruppen erleben und integrieren des 3-Programm in ihren Alltag oder nutzen es regelmäßig zu entsprechenden gesellschaftlichen Anlässen für kommunikative oder wettkampforientierte Begegnungen.

Kinder und Schüler/-innen, Haushaltende, Arbeitnehmer/-innen, Selbständige und Senioren erhalten Urkunden für Mitgemacht, Ziel erreicht, Ehren- und Siegerurkunde. Der Weg dorthin wird mit Präventions- und Rehabilitations-Kursen geebnet, in denen das Alphabet des 3s vermittelt und angewandt wird. Auffrischungs-Treffen mit Gesprächs- und Bewegungskreisen und themati-sche Erlebnis-Wettbewerbe aktivieren und erhalten das 3.

Überwindung der Trennung der Sektoren, Optimierung innersektoraler Schnittstellen, Weiterentwicklung der selektivvertraglichen Versorgung.

Das Umsetzungspotential ist sehr hoch.

Die Hauptmotivation der Menschen besteht in Bewegung und Kommunikation. Die Hauptmerkmale des 3-Programms sind Bewegung und Sprache, die im zentralen Mittelpunkt des menschlichen Lebens stehen. Somit sind die Er-kenntnisse auf alle behandelbaren Zielgruppen übertragbar."

Wegen der Einzelheiten des Antrages wird auf den Verwaltungsvorgang des Beklag-ten Bezug genommen.

Der Beklagte prüfte diesen Antrag anhand der "Förderbekanntmachung des Innova-tionsausschusses beim GBA zur themenspezifischen Förderung von neuen Versor-gungsformen gemäß § 92a Abs. 1 SGB V zur Weiterentwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 11. Mai 2016.

Der Förderantrag war Gegenstand der Beratungen des nach § 92b Abs. 5 SGB V gebildeten Expertenbeirats in seiner Sitzung vom 7. bis 9. September 2016. Der Ex-pertenbeirat gab die Empfehlung ab, keine Förderung zu bewilligen, denn der Antrag entspreche nicht den inhaltlichen und methodischen Förderkriterien nach Nr. 4 der Förderbekanntmachung vom 11. Mai 2016; der Antrag weise insbesondere Schwä-chen auf bei

• Verbesserung der Versorgung und/oder Behebung von Versorgungsdefiziten • Weitere Beiträge zur Weiterentwicklung der Versorgung gemäß 4.2 bis 4.4 der Förderbekanntmachung • Übertragbarkeit der Erkenntnisse • Verhältnismäßigkeit von Implementierungskosten und Nutzen • Evaluierbarkeit • Umsetzungspotential • Realisierbarkeit des Modellansatzes.

Mit Bescheid vom 28. März 2017 teilte der Beklagte (Innovationsausschuss) dem Kläger mit, dass das Projekt 3 nicht für die Förderung ausgewählt worden sei. Die in der Förderbekanntmachung vom 11. Mai 2016 aufgeführten Förderkriterien seien nicht erfüllt. Obwohl der Antrag interessante Aspekte zur Weiterentwicklung der Ver-sorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung beinhalte, habe er nicht in allen Kriterien eine ausreichende Bewertung erreichen können.

Am 13. April 2017 hat der Kläger Klage erhoben. Mit ihr fordert er eine "lückenlos inhaltlich ausführliche Begründungsgrundlage". Mit 3 seien statistisch 765 vorzeitige Todesfälle verhinderbar. Jede Verzögerung vernichte Lebenszeit. Die Ablehnung einer Förderung missbrauche die Förderentscheidungskriterien und die Zielsetzung des Innovationsfonds. Erforderlich seien Transparenz und Neutralität. Er klage im Auftrag des Volkes und lehne jede Kostenbeteiligung ab.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid des Beklagten vom 28. März 2017 aufzuheben und den Beklag-ten zu verpflichten, die am 19. Februar 2016 beantragte finanzielle Förderung für das von ihm entwickelte 3-Programm in Höhe von 14.000.000,00 Euro zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 4. Januar 2018 und 26. Juli 2019 zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides angehört.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug ge-nommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat darf über die Klage nach Anhörung des Klägers durch Gerichtsbescheid entscheiden, denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichts-gesetz [SGG]). Da der Senat nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG erstinstanzlich entscheidet, darf er vom Mittel des Gerichtsbescheides Gebrauch machen, denn § 105 SGG betrifft erstinstanzliche Entscheidungen, während die Einschränkung nach § 153 Abs. 1 SGG nur für Berufungsverfahren greift (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, Rdnr. 4 zu § 105).

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ein Vorverfahren findet im vorliegenden Zusammenhang nicht statt (§ 92b Abs. 7 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]).

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Förde-rung. Der Beklagte hat den Förderantrag des Klägers in rechtlich beanstandungsfrei-er Weise abgelehnt.

Nach § 92a Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der Fassung des GKV-Versorgungs-stärkungsgesetzes vom 23. Juli 2015) fördert der Gemeinsame Bundesausschuss neue Versorgungsformen, die über die bisherige Regelversorgung hinausgehen. Ge-fördert werden insbesondere Vorhaben, die eine Verbesserung der sektorenübergrei-fenden Versorgung zum Ziel haben und hinreichendes Potential aufweisen, dauerhaft in die Versorgung aufgenommen zu werden (Satz 2). Voraussetzung für eine Förderung ist, dass eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Vorhaben erfolgt (Satz 3). Nach Satz 4 sind Förderkriterien insbesondere:

1. Verbesserung der Versorgungsqualität und Versorgungseffizienz, 2. Behebung von Versorgungsdefiziten, 3. Optimierung der Zusammenarbeit innerhalb und zwischen verschiedenen Ver-sorgungsbereichen, Versorgungseinrichtungen und Berufsgruppen, 4. interdisziplinäre und fachübergreifende Versorgungsmodelle, 5. Übertragbarkeit der Erkenntnisse, insbesondere auf andere Regionen oder In-dikationen, 6. Verhältnismäßigkeit von Implementierungskosten und Nutzen, 7. Evaluierbarkeit.

Förderfähig sind nur diejenigen Kosten, die dem Grunde nach nicht von den Vergü-tungssystemen der Regelversorgung umfasst sind (Satz 5). Bei der Antragstellung ist in der Regel eine Krankenkasse zu beteiligen (Satz 6).

Ein Anspruch auf Förderung besteht ausdrücklich nicht (§ 92a Abs. 1 Satz 7 SGB V). Die Förderung steht im Ermessen des nach § 92b Abs. 2 SGB V einzurichtenden Innovationsausschusses und erfolgt im Rahmen verfügbarer Mittel des Innovations-fonds; der Innovationsausschuss legt die Schwerpunkte und Kriterien für die Förde-rung in Förderbekanntmachungen fest (vgl. Musil in Eichenhofer u.a., SGB V, 3. Aufl. 2018, Rdnr. 3 zu § 92a; BT-Drs. 18/4095, S. 101).

Hieran gemessen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der bei dem Beklagten errichtete Innovationsausschuss hat den Förderantrag des Klägers geprüft und ihn gemäß § 92b Abs. 5 SGB V dem Expertenbeirat vorgelegt. Dieser sah nahezu alle Förderkriterien nach Nr. 4 der Förderbekanntmachung vom 11. Mai 2016 als nicht erfüllt an. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern, weil dem Expertenbeirat bzw. dem dessen Votum folgenden Innovationsausschuss hinsichtlich der Frage, ob die in der Förderbekanntmachung fixierten Förderkriterien erfüllt sind, ein gerichtsfreier Ermessensspielraum zukommt. Ermessensfehler sind nicht erkenn-bar; vielmehr hat der Expertenbeirat sämtliche in der Förderbekanntmachung fixierten Förderkriterien erwogen und überwiegend als nicht erfüllt angesehen. Der Senat neigt sogar zu den Annahme, dass der Expertenbeirat bzw. ihm folgend der Innovationsausschuss im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null rechtlich gebunden waren, den Förderantrag des Klägers abzulehnen. Der phrasenhafte Förderantrag und das mit ihm dargestellte Projekt bleiben nämlich auch nach intensivem Studium denkbar unklar und stoßen auf größte Bedenken u.a. in Bezug auf Kosten-Nutzen-Relation, Umsetzungspotential und Realisierbarkeit. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf den Schriftsatz des Klägers vom 28. August 2019.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 197a SGG i.V.m. 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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