S 2 R 1171/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 1171/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 BA 19/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 1.908.186 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen.

Von Mitte 2013 bis Ende 2015 (mit Unterbrechungen) fand bei der Firma des Klägers, dem Kurierdienst B., durch die Beklagte und das Hauptzollamt I-Stadt eine Sonderbetriebsprüfung gemäß § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Verbindung mit dem Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz statt. Im Rahmen der Sonderbetriebsprüfung wurde festgestellt, dass 40 Kurierfahrer für den Kläger nicht als Selbständige tätig, sondern als abhängig Beschäftigte tätig waren. Darüber hinaus wurde für drei weitere Personen, die bei Einzelnen der 40 Beschäftigten als Arbeitnehmer gemeldet waren, festgestellt, dass diese als mittelbar Beschäftigter beim Kläger anzusehen seien. Aufgrund der Ermittlungen wurde Anklage zum Schöffengericht erhoben. Außerdem wurde am 30.11.2015 beim Insolvenzgericht Kempten das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet.

Mit Bescheid vom 14.12.2015 wurden die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse festgestellt und insgesamt Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.298.431,50 EUR sowie Säumniszuschlägen in Höhe von 609.754,50 EUR nachgefordert. Die Prüfmitteilung wurde dem Insolvenzverwalter zugestellt. Hiergegen wurde Widerspruch erhoben. Der Widerspruch wurde im Wesentlichen damit begründet, dass in der Vergangenheit vorgenommene Betriebsprüfungen ohne Beanstandungen verlaufen seien. Der Kläger habe insoweit einen Vertrauensschutz. Außerdem liege ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vor, es sei keine Einzelfallprüfung erfolgt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass von den Fahrern für die Scanner Miete bezahlt worden sei, sie hätten auch die Arbeitskleidung selbst zu zahlen gehabt, ohne die H.-Kleidung hätte nicht gearbeitet werden dürfen. Die Fahrer hätten sich an den Verhaltenskodex der Firma H. zu halten gehabt und seien auch von der Firma H. kontrolliert worden. Auch die Fahrzeuge seien von der Firma H. geprüft worden. Die Beklagte hätte daher prüfen müssen, ob die zwischen dem Kläger und H. geschlossenen Verträge nichtig seien. Außerdem liege eine fehlerhafte Beitragsberechnung vor, die Beklagte habe die ungünstigste Steuerklasse VI zugrunde gelegt. Auch liege kein Vorsatz des Klägers vor. Die Beklagte hätte den Kläger auf seine eventuelle Fehleinschätzung bezüglich des Status der Fahrer hinweisen müssen. Auch sei nicht geprüft worden, ob der Kläger einem Rechtsirrtum unterlegen sei. Außerdem sei der Parteiwille darauf gerichtet, dass die Fahrer selbstständig tätig werden sollten.

Mit Schreiben 24.03.2016 ermächtigte der Insolvenzverwalter die Klägerbevollmächtigte zur Einlegung von Rechtsmitteln unter der Bedingung, dass der Arbeitgeber die Kosten der Beauftragung trage, da keine Insolvenzmasse vorhanden sei. Die Klägerbevollmächtigte stellte bei der Beklagten ein Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Dieser Antrag wurde von der Beklagten abgelehnt. Außerdem wurde ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht (SG) Augsburg gestellt, der mit Beschluss vom 25.07.2016 als unzulässig abgelehnt wurde (S 12 R 617/16 ER). Die hiergegen eingereichte Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Bayern (S 7 R 5125/16 B ER) wurde durch Beschluss zurückgewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Insoweit wurde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verwiesen. Auch sei die Amtsermittlungspflicht erfüllt worden. Die Beklagte stütze sich nicht nur auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes. Vielmehr würden die Rentenversicherungsträger in derartigen Fällen rechtzeitig vor Beginn der Ermittlungen in dem Fall mit einbezogen und die Ermittlungen würden mit dem Zoll abgestimmt werden. Ermittlungsdefizite seien daher nicht erkennbar. Hinsichtlich der 43 festgestellten Person sei von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen beim Kläger als Arbeitgeber auszugehen. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass viele Betroffene so schlecht der deutschen Sprache mächtig seien, dass diese tatsächlich gar nicht in der Lage gewesen sein konnten, sich selbstständig auf dem Markt zu positionieren. Die Arbeit der 43 Personen sei durch ein Qualitätshandbuch und Verhaltenskodex der Firma H. sowie durch eine Sendungsverfolgung eingeschränkt gewesen, so dass keine unternehmerische Freiheit bestanden habe. Aufgrund der zeitlichen Inanspruchnahme durch die Tätigkeit für den Kläger seien Tätigkeiten für andere Auftraggeber überwiegend nicht möglich gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die 43 Personen trotz der eingesetzten eigenen Fahrzeuge beim Kläger abhängig beschäftigt waren. Diese Beurteilung würde auch durch die zahlreichen Urteile zu Paketdienstfahrern gestützt. Die tatsächlichen Verhältnisse im vorliegenden Fall seien mit dieser Rechtsprechung vergleichbar. Auch die Strafgerichte hätten in vergleichbaren Fällen abhängige Beschäftigungsverhältnisse festgestellt. Für eine Arbeitgebereigenschaft der Firma H. statt des Klägers würden sich keine stichhaltigen Anhaltspunkte ergeben. Die Firma H. beauftrage ihrerseits selbstständige Unternehmer, wie den Kläger mit der Zustellung von Sendungen. Insoweit wurde auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 15.07.2015 hingewiesen. Der Kläger entschied, wer für ihn tätig werden sollte und stellte die Personen nach seinen Bedürfnissen ein und wieder aus und entlohnte diese. Außerdem habe der Kläger auch einige zur Sozialversicherung angemeldete Arbeitnehmer beschäftigt. Auch die vernommenen Zeugen hätten bestätigt, vom Kläger Weisungen erhalten zu haben. Der Kläger habe mit seiner Auftraggeberfirma, d. h. der Firma H. als selbstständiger Nachunternehmer abgerechnet. Auch wenn die Firma H. offensichtlich ein Skript zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit an die Vertragspartner herausgegeben habe und die Personen in der Dienstkleidung der Firma H. nach außen aufgetreten seien, befreie dies den Kläger nicht von seiner Arbeitgebereigenschaft. Der Kläger sei daher Arbeitgeber der 43 Personen gewesen. Außerdem liege auch ein bedingter Vorsatz vor. Der Kläger habe im Jahr 2008 bei der Stadt A-Stadt sein Einzelunternehmen angemeldet. H. Vertragspartner für das Depot des Klägers sei bis Juni 2013 ein Herr S. gewesen. Dieser habe jedoch den kompletten operativen Betrieb des Depots an den Kläger weitergegeben. Nach Angaben aller Zeugen hätte Herr S. im Depot bzw. im Betrieb des Klägers keinerlei Funktion gehabt. Im Juni 2013 sei der Kläger dann selbst Vertragspartner der Firma H. gewesen. Der Betrieb des Depots sei unverändert weitergelaufen. Einziger Unterschied sei gewesen, dass der Kläger nun direkt mit der Firma H. abrechnete anstatt über den zuvor dazwischen geschalteten Herrn S ... Als Einzelunternehmer sei der Kläger für alle Geschäfte des Betriebs und die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich. Das Thema Scheinselbstständigkeit sei im Betrieb des Klägers immer wieder Thema gewesen. Trotzdem habe der Kläger die Mehrzahl seiner Kurierdienstfahrer als Selbstständige beschäftigt. Die meisten Kurierfahrer seien eigens für die Tätigkeit für den Kläger aus Bulgarien eingereist und hätten auf Anraten des Klägers und mit Hilfe dessen, ein Gewerbe angemeldet. Im Jahr 2013 hätte der Kläger bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund eine Statusfeststellung für sein Vertragsverhältnis gegenüber H. beantragt. Das Statusverfahren sei jedoch nicht durch eine Statusentscheidung beendet worden, da die erforderlichen Unterlagen nicht vom Kläger eingereicht worden seien. Folglich muss die rechtliche Problematik der Scheinselbstständigkeit dem Kläger durchaus bewusst gewesen sein. Ihm war somit auch bekannt, dass er rechtsverbindliche Auskünfte bezüglich der sozialversicherungsrechtlichen Einstufung hätte erlangen können. Trotzdem habe er weiterhin die Fahrer als Selbstständige beschäftigt. Auch aus verschiedenen Zeugenaussagen ergebe sich, dass der Kläger immer wieder darauf hingewiesen habe, dass die selbstständigen Zusteller ihrerseits Arbeitnehmer einstellen sollten, um den Schein von selbstständigen Subunternehmern zu wahren. Die Beiträge seien korrekt berechnet worden. Es sei eine Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV erfolgt. Nach § 39c Einkommensteuergesetz (EStG) und R 39.1 Abs. 7 LStR 2008 würde die Lohnsteuer grundsätzlich nach der Lohnsteuerklasse VI ohne Kinderfreibeträge aber mit Kirchensteuer berechnet. Es sei zurecht bei der Beitragsberechnung Lohnsteuerklasse VI zugrunde gelegt worden.

Hiergegen erhob der Kläger Klage. Die Beklagte machte geltend, dass die aktuelle Vollmacht des Klägers für die Rechtsanwältin ungültig sei aufgrund des Insolvenzereignisses. Dies gelte ebenso für die Vollmacht des Insolvenzverwalters vom 24.03.2016. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass im Verhältnis des Klägers zur Beklagten letztlich der Insolvenzverwalter Herr des Verfahrens sei. Dieser habe die von den Einzugsstellen angemeldeten Forderungen im Insolvenzverfahren nur teilweise bestritten und den überwiegenden Teil der Forderungen anerkannt. Das Bestreiten aller Forderungen aus der Prüfmitteilung vom 14.12.2015 durch die Klägerbevollmächtigte schlage aufgrund des Anerkenntnisses durch den Insolvenzverwalter nicht durch. Insoweit sei die Klage zum Teil bereits unzulässig.

Die Klägerbevollmächtigte begründete die Klage im Wesentlichen wie folgt: Es seien nicht alle betroffenen Person nach § 12 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) am Verfahren beteiligt worden. Der Kläger habe aufgrund der zuvor erfolgten Betriebsprüfungen und der insoweit ergangenen Bescheide ein Vertrauensschutz gehabt, so dass keine weiteren Beträge nachgefordert werden könnten. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des BSG greife insoweit nicht durch. Auch greife das Argument der Stichprobe nicht. Die vorangegangenen Prüfungen der Beklagten hätten durchaus Anlass gegeben den Kläger darauf hinzuweisen, dass sich hier das Problem der Scheinselbstständigkeit aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung ergibt. Aufgrund der beanstandungslosen Betriebsprüfungen in der Vergangenheit bestehe ein Vertrauensschutz für den Kläger. Außerdem liege ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vor. Soweit die Beklagte behaupte, sie habe sich nicht lediglich auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes gestützt, werde dies bestritten. Es sei eine Entscheidung getroffen worden, ohne dass 19 Personen vernommen worden seien. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die Arbeit durch ein Qualitätshandbuch der Firma H. sowie einem Verhaltenskodex der Firma H. geprägt gewesen sei. Damit habe die Firma H. die Freiheiten aller für sie tätigen Person eingeschränkt. Daher stelle sich durchaus die Frage, ob nicht auch der Kläger abhängig beschäftigt waren bei der Firma H ... Wenn die Beklagte davon ausgehe, dass auch der Kläger nur standardisierte Verfahrensabläufe der Firma H. nutze, dann könne auch der Kläger nicht selbstständig tätig gewesen sein. Man müsse daher entweder zum Ergebnis kommen, dass sämtliche Betroffene, also auch der Kläger selbstständig tätig waren oder man muss zu dem Schluss kommen, dass sämtliche Betroffene, also auch der Kläger abhängig beschäftigt waren. Außerdem sei der gesamte Sachverhalt auch nicht unter dem Lichte der neuen Rechtsprechung des BSG (Aufgabe der Schönwetterrechtsprechung) betrachtet worden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Kläger kein Weisungsrecht auf die Betroffenen ausüben konnte, hierzu hätte er keine Rechtsmacht gehabt. Es sei ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht, dass die Frage der Arbeitgebereigenschaft der Firma H. nicht überprüft worden sei. Es sei zu berücksichtigen, dass alle Betroffenen die Arbeitskleidung von H. tragen mussten und die Fahrzeuge von der Firma H. kontrolliert worden seien. Schulungen und Einweisungen seien durch H. erfolgt. Zunächst hatte Herr S. der direkte Geschäftspartner von H. sein sollen und der Kläger als Subunternehmer für Herrn S. bzw. H. tätig werden. Der Kläger sei von Herrn S. instruiert worden, damit er das Satellitendepot dann selbstständig führen könne. Der Kläger hatte sämtliche Subunternehmer, die zuvor von Herrn S. beschäftigt worden waren, übernehmen müssen. Aufgrund der Aussagen der Betroffenen sei nicht nachvollziehbar, warum von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen ausgegangen wurde. Außerdem habe die Beklagte den Hinweis des Hauptzollamtes ins seinem Schlussbericht nicht weiterverfolgt, dass zu prüfen sei, ob gegebenenfalls eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorliege. Nach Auffassung des Hauptzollamtes hätten die Satellitendepotbetreiber lediglich als eine Art Mittelsmann die Weisungen der H.gruppe an die Zusteller weitergegeben. In dieser Richtung habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt ermittelt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Betroffenen für die Scanner Miete selbst zu zahlen hätten sowie auch die Arbeitskleidung selbst zu zahlen hatten. Die Beklagte habe in die Prüfung nicht einbezogen, dass die Verträge zwischen H. und dem Kläger sowie die Verträge zwischen dem Kläger und den 43 Personen nichts anderes darstellen, als eine Weitergabe der Verträge. Nach klägerischer Auffassung würden die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit der Kurierfahrer überwiegen. Gehe man jedoch davon aus, dass die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwiegen, wäre dann logischerweise auch der Kläger abhängig beschäftigt gewesen bei der Firma H ... Außerdem liege kein Vorsatz des Klägers vor. Der Kläger sei faktisch gezwungen gewesen, das Satellitendepot von Herrn S. zu übernehmen. Er hätte dabei darauf vertrauen können, dass dieses in einem ordnungsgemäß und rechtlich nicht zu beanstandenden Geschäftsmodell übergeben wird. Entscheidend sei, dass nach außen offensichtlich H. als Auftraggeber gesehen wurde. Eigene Ermittlungen der Beklagten sei nicht ersichtlich, dieser habe sich lediglich auf das Hauptzollamt gestützt. Der Kläger sei von der Beklagten nicht darauf hingewiesen worden, dass seinerseits möglicherweise eine Fehleinschätzung bezüglich des Statuses der Kurierfahrer vorliege. Es gebe keine grundsätzliche Rechtsprechung dahingehend, dass die Tätigkeit als Fahrer regelmäßig nur als abhängige Beschäftigung gewürdigt werden könne. Auch sei nicht geprüft worden, inwieweit ein Rechtsirrtum des Klägers vorliege. Da die meisten der 43 Personen die deutsche Sprache nicht oder nur eingeschränkt sprechen konnten, habe der Kläger diesen Person helfen wollen und kein Regelverstoß begehen wollen. Auch die Beitragsberechnung sei falsch. Die Beklagte habe die Lohnsteuer nach der für den Kläger ungünstigsten Steuerklasse VI ermittelt. Außerdem wurde eine aktuelle Vollmacht des Insolvenzverwalters vom Dezember 2016 vorgelegt.

Die Beklagte bat um Prüfung der Zulässigkeit der Klage. Aufgrund des Insolvenzereignisses hätten alle Betroffenen die Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Tabelle angemeldet. Der Insolvenzverwalter habe diese Forderungen überwiegend anerkannt und er bzw. der Kläger habe lediglich teilweise hinsichtlich der unerlaubten Handlung bestritten. Nun im Klageverfahren bestreite jedoch die Klägerbevollmächtigte sämtliche Forderungen. Die Anerkennung durch den Insolvenzverwalter bewirke jedoch eine Feststellung der Forderung nach § 178 Insolvenzordnung (InsO). Im vorliegenden Rechtsstreit würden daher Forderungen bestritten, die insolvenzrechtlich bereits festgestellt seien. Die Handlungen des Insolvenzverwalters seien hinsichtlich der streitigen Sozialversicherungsbeiträge die Stärkeren und somit gültig. Das Vorgehen der Bevollmächtigten und die Vollmacht des Insolvenzverwalters hätten offenkundig nur den Hintergrund eine günstigere Ausgangsposition für den Kläger im noch anhängigen Strafverfahren zu schaffen. Die Klage sei daher zumindest teilweise unzulässig.

Der Kläger machte geltend, dass die Beklagten in ihrem Bescheid davon ausgehe dass ein Vorsatz des Klägers vorliege. Weder das Insolvenzgericht, noch der Insolvenzverwalter habe geprüft, ob diese Behauptung auch zutrifft. Der Insolvenzverwalter sei nach § 175 InsO verpflichtet, jede angemeldete Forderung in die Tabelle einzutragen. Dem Kläger müsste Möglichkeit gegeben werden, sich gegen den Vorwurf der vorsätzlich unerlaubten Handlung zu wehren.

Es erging ein gerichtlicher Hinweis, wonach analog gemäß der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Unzulässigkeit der Klage nur insoweit in Betracht käme, als weder der Insolvenzschuldner (bezüglich des Bestands der Forderung als solche), noch der Insolvenzverwalter, noch ein Insolvenzgläubiger Widerspruch gegen die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle erhoben habe (BFH 23.09.2015, VB 159/14 und 14.05.2013, XB 134/2012). Allein, dass der Insolvenzverwalter kein Widerspruch erhoben habe, sei nicht ausreichend. Insoweit wurde um Stellungnahme gebeten, bezüglich welcher der hier vorliegenden Forderungen weder der Schuldner, noch der Insolvenzverwalter, noch ein Insolvenzgläubiger Widerspruch gegen die Feststellung zur Forderung der Insolvenztabelle erhoben habe. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass seitens des Gerichts von einer gültigen Vollmacht der Klägerbevollmächtigten ausgegangen werde. Insoweit wurde auf die Entscheidung des LSG Bayern vom 30.08.2016 (L 7 R 5125/16 B ER) hingewiesen, wo ausgeführt wurde, dass der Kläger durch das Schreiben des Insolvenzverwalters vom März 2016 eine eigene Prozessführungsbefugnis wiedererlangt habe.

Die Klägerbevollmächtigte machte weiter geltend, dass die Beklagte die Frage der unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung überhaupt nicht geprüft habe, obwohl das Hauptzollamt dieses angeregt habe.

Die Beklagte war der Ansicht, dass die vom Gericht genannte Rechtsprechung des BFH im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Die Rechtsprechung des BFH beziehe sich auf Fälle, in welchen während eines finanzgerichtlichen Verfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und das Finanzgerichtsverfahren dadurch unterbrochen werde. Das sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Beklagte gehe nach wie vor von einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis der Klage zumindest teilweise aus. Nach Auffassung der Beklagten hätte der Insolvenzverwalter die angemeldeten Forderungen der AOK vor der eigenen Feststellung prüfen müssen. Nur wenn eine Forderung vom Insolvenzverwalter bestritten werde, sei ein Feststellungsverfahren in einem Klageverfahren zu führen. Nach Auffassung der Beklagten sei die Klage in dem Umfang, in dem die Forderung vom Insolvenzverwalter gegenüber allen beteiligten Einzugsstellen bereits festgestellt wurde, unzulässig.

Am 09.05.2017 erfolgte ein Beschluss nach § 75 Abs. 2a Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beklagte machte geltend, dass alle Betroffenen nach § 12 SGB X am Verfahren beteiligt worden seien. Zur Frage der illegalen Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitgebereigenschaft von H. sei im Widerspruchsbescheid Stellung genommen worden. Es liege keine Arbeitgebereigenschaft von H. und auch keine Arbeitnehmerüberlassung vor. Mit dem System von H. hätten sich bereits viele Strafgerichte und Sozialgerichte beschäftigt und die Sichtweise der Beklagten bestätigt. Die Einwendungen der Klägerbevollmächtigten zum Thema Vertrauensschutz durch frühere Betriebsprüfungen sei durch die aktuelle Rechtsprechung des BSG überholt. Außerdem verkenne die Klägerbevollmächtigte die Rolle der Beklagten als Zusammenarbeitsbehörde nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und der Verfolgung der illegalen Beschäftigung. Der Sachverhalt sei gemeinsam mit dem Hauptzollamt ermittelt und beurteilt worden. Auch die Aufwendungen für die Depoträume von knapp 1.000 EUR monatlich würden den Status des Klägers als Unternehmer und Arbeitgeber bekräftigen. Im Rahmen der Ermittlung hätten stichhaltige Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit der 43 Personen nicht ermittelt werden können. Trotz eingesetzter eigener Fahrzeuge sei daher von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen auszugehen. Auch liege ein bedingter Vorsatz vor. Die Untätigkeit hinsichtlich eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV sei dem Kläger als bedingt vorsätzliches Handeln vorzuwerfen. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum der Kläger darauf vertrauen hätte können, ein rechtlich nicht zu beanstandenden Geschäftsmodell von Herrn S. zu übernehmen. Herr S. habe unabhängig von dem hier betroffenen H.depot ein weiteres Depot betrieben, in welchem er allein umfassend zuständig war. Auch dort seien Zusteller in identischer Ausgestaltung tätig gewesen wie hier. Herr S. sei mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts von Sonthofen vom August 2016 wegen Verstoßes gegen § 266a Strafgesetzbuch (StGB) im Zusammenhang mit der Beschäftigung von seinen Scheinselbständigen verurteilt worden. Von einem Rechtsirrtum des Klägers sei nicht auszugehen. Auch die Säumniszuschläge seien zu Recht erhoben worden.

Mit Schreiben vom Juni 2017 regte die Klägerbevollmächtigte an, gemäß § 75 Abs. 2 SGG die H. Logistik Gruppe beizuladen. Grund hierfür sei, dass der Satellitendepotvertrag zwischen der Firma H. und dem Kläger geschlossen worden sei und die Verträge Scheinwerkverträge seien und somit nichtig seien. Es läge eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung vor. Der Kläger sei an die Weisungen von H. gebunden gewesen und habe diese nur weitergegeben. Außerdem wurde eine Übersicht bezüglich der bestrittenen Forderungen im Insolvenzverfahren eingereicht. Die Klage sei in vollem Umfang zulässig. Der Insolvenzverwalter sei aufgefordert worden, die von ihm festgestellten Forderungen nochmal zu bestreiten. Die Prüfmitteilung der Beklagten vom 14.12.2015 sei außerdem kein Titel nach § 179 Abs. 2 InsO.

Das Gericht hat die Firma H. nach § 75 Abs. 2 1. Alt. SGG zum Verfahren notwendig beigeladen.

Die Klägerbevollmächtigte übersandte den Satellitendepotvertrag zwischen dem Kläger und der Beigeladenen und machte geltend, dass der Beigeladenen offensichtlich das Problem der Scheinselbstständigkeit und dass sie als Arbeitgeber der Kurierfahrer angesehen werden könnte, bekannt gewesen sei.

Die Beklagte machte geltend, dass der Kläger neben den streitigen Personen andere Personen zur Sozialversicherung ordnungsgemäß angemeldet habe und Miete für die Geschäftsräume gezahlt habe. Das Thema Scheinselbstständigkeit sei ihm bewusst gewesen, er habe im Jahr 2013 ein Verfahren nach § 7a SGB IV beantragt, was wegen seiner fehlenden Mitwirkung nicht weiterverfolgt worden sei. Die Firma H. sei nicht Arbeitgeber der betroffenen Person.

Die Beigeladene führte aus, dass sie stets davon ausgegangen sei, dass der Kläger nur angemeldete eigene Fahrer oder aber echte Selbstständige beschäftigt habe, es habe keine Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen. Auch der Kläger sei nicht bei ihr abhängig beschäftigt gewesen. Der Kläger sei für die Firma H. wegen des Satellitendepotvertrags tätig geworden, es habe weder eine zeitliche, noch örtliche Weisungsgebundenheit des Klägers bestanden, er sei nicht im Betrieb der Firma H. tätig gewesen. Die Qualitätskontrollen sollten nur der Erfüllung bestimmter Standards dienen, seien aber keine Weisung gewesen. Die EDV-Geräte der Beigeladenen seien vom Kläger gegen Entgelt genutzt worden, der Kläger habe 1.000 EUR für die Miete der Geschäftsräume gezahlt. Der Kläger habe ein Weisungsrecht gehabt bezüglich der Personen, die für ihn tätig wurden. Die Beigeladene hätte dem Kläger nur den Rahmen vorgegeben, in dem der Kläger sein Weisungsrecht frei ausüben konnte. Eine Kontrolle der Aufgabenerfüllung seitens der Beigeladenen sei nicht erfolgt. Eine Einbindung des Klägers in die betriebliche Organisation der Beigeladenen habe nicht vorgelegen. Die Beigeladene hätte im Jahr 2013 bezüglich des Klägers ein Statusverfahren eingeleitet, das nicht abgeschlossen sei wegen der fehlenden Mitwirkung des Klägers. Die Angaben des Klägers in dem Statusverfahren sprechen jedoch für eine selbstständige Tätigkeit. Die Beigeladene hätte dem Kläger ein Statusverfahren empfohlen für die Personen, die für ihn tätig wurden.

Daraufhin machte die Klägerbevollmächtigte geltend, dass die Klage zulässig sei, der Insolvenzverwalter habe inzwischen keine weiteren Forderungen anerkannt, die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche würden nicht an den Fachbereich des Insolvenzverwalters fallen. Es habe eine massive Diskrepanz zwischen Vertrag und Vertragsdurchführung bestanden. Die Betroffenen hätten am Weisungsrecht der Beigeladenen unterstanden, die Freiheit im Satellitendepotvertrag sei nur theoretisch gewesen, es gab enge Vorgaben der Beigeladenen an den Kläger. Es erfolgte eine Kontrolle der Betroffenen durch die Beigeladene z. B. bezüglich der Scanner und der Fahrzeuge. Dass das Statusverfahren nicht zu Ende geführt worden sei, habe nicht an der fehlenden Mitwirkung des Klägers gelegen, dieser habe vielmehr Unterlagen übersandt, die Beigeladene habe jedoch wegen des Statusverfahrens nicht mehr nachgefragt. Die Beigeladene habe dem Kläger vorgeschlagen, den Betroffenen in ein Anstellungsverhältnis zu überführen oder dass diese selbstständig Personal einstellen. Es sei eine Zertifizierung durch den TÜV vorgenommen worden, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Außerdem fanden Schulungen durch die Beigeladene statt, die Beigeladene hätte sich mit dem Satellitendepotvertrag den Sozialversicherungspflichten entziehen wollen. Außerdem machte sie geltend, dass die Beigeladene das Statusverfahren nicht durchgeführt habe. Lücken insoweit dürften nicht zulasten des Klägers gehen.

Die Beigeladene teilte mit, dass sie standardmäßig so genannte Tourenberichtskontrollen durchgeführt hätte, um die Qualität der Zustellung zu überprüfen. Die Beigeladene müsse über die Scannungen im Zustellprozess informiert sein, um Versendern und Empfängern entsprechende Auskünfte erteilen zu können. Bei Unregelmäßigkeiten würde dann der Unternehmer, also hier Kläger, aufgefordert vertragsgemäß zuzustellen, wie er dies mache bleibe jedoch ihm überlassen (durch eigene Arbeitnehmer oder durch Subunternehmer). Die Beigeladene habe dem Kläger lediglich ein Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen der Kläger tätig werden konnte. Er habe sein Weisungsrecht frei ausüben können. Die Beigeladene habe alles dafür getan, um Scheinselbstständigkeiten zu vermeiden. Die Vertragspartner der Beigeladenen mussten und müssen eigene versicherungspflichtige Beschäftigte haben, es existiere eine Zertifizierung des TÜV´s. Es hätten Infoveranstaltungen durch die Mitarbeiter der Beigeladenen stattgefunden, um die Vertragspartner über generelle Verfahrensabläufe bei der Beigeladenen die Vertragspartner zu informieren. Dabei hätten auch eigene Mitarbeiter der Vertragspartner anwesend sein können.

Die Beklagte sah sich durch die Ausführungen der Beigeladenen in ihrer Auffassung bestätigt. Es sei unerklärlich, warum der Kläger das Statusverfahren 2013 nicht zu Ende geführt habe.

Das Sozialgericht zog die Akten des Insolvenzgerichts bei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 14.12.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorliegenden Akten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zum Teil bereits unzulässig. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie in vollem Umfang unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat daher in zutreffender Höhe Sozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge vom Kläger nachgefordert.

I.

Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerbevollmächtigte bzw. der Kläger aufgrund der Vollmacht des Insolvenzverwalters prozessführungsbefugt ist. Insoweit hat auch das LSG Bayern in seiner Entscheidung vom 30.08.2016 (L 7 R 5125/16 B ER) darauf hingewiesen, dass der Antragsteller bzw. der Kläger durch das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 24.03.2016 eine eigene Prozessführungsbefugnis wiedererlangt hat.

Die Klage ist zum Teil unzulässig. Eine Unzulässigkeit liegt insoweit vor, als weder der Insolvenzschuldner, noch der Insolvenzverwalter, noch ein Insolvenzgläubiger Widerspruch gegen die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle erhoben haben (vgl. BFH vom 23.9.2015, VB 159/14 und vom 14.05.2013, XB 134/12). Für die Zulässigkeit der Klage kommt es daher nicht allein darauf an, inwieweit der Insolvenzverwalter Widerspruch vor dem Insolvenzgericht erhoben hat. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht insoweit, als die Beklagte geltend macht, die zitierte Rechtsprechung des BFH sei hier nicht anwendbar, weil im vorliegenden Fall, anders als in den vom BFH zu entscheidenden Fällen, das Insolvenzverfahren schon eröffnet war, als die Beitragsnachforderung am 14.12.2015 von der Beklagten festgestellt wurde. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Schuldner mit seinem Widerspruch, sofern nicht Eigenverwaltung angeordnet wurde, zwar die Feststellung der Forderung nicht abwenden kann, denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nimmt allein der Insolvenzverwalter die Interessen des Schuldners wahr, dass nur berechtigte Forderungsanmeldungen bei der Verteilung der Masse berücksichtigt werden. Der Widerspruch des Schuldners ist jedoch nicht bedeutungslos. Sein Widerspruch hat nur lediglich Bedeutung für den Zeitpunkt ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Insoweit führt der Widerspruch des Schuldners dazu, dass der Gläubiger nach Aufhebung des Verfahrens nicht aus der Eintragung in die Tabelle die Zwangsvollstreckung bewirken kann, § 201 Abs. 2 InsO (§ 178 InsO Kommentar Graf, Rn. 4). D. h. der Widerspruch des Schuldners hat lediglich für die Vollstreckung der Forderung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens Bedeutung (§ 176 InsO Kommentar Graf Rn. 18). Aufgrund dessen ergibt sich daher, dass die Klage nur insoweit unzulässig ist, als im Insolvenzverfahren niemand, d. h. auch nicht der Schuldner, der Forderung widersprochen hat. Aus der vorliegenden Akte des Insolvenzgerichts ergibt sich, dass die AOK Bayern zum einen eine Forderung in Höhe von 882.063,33 EUR geltend gemacht hat. Hiervon hat der Insolvenzverwalter 139.314,75 EUR bestritten sowie der Kläger einen Betrag von 10.727,82 EUR. Insoweit wurde die Forderung der AOK daher zum Teil von niemandem bestritten. Soweit daher weder ein Widerspruch des Insolvenzverwalters, noch des Schuldners erfolgt ist, ist die Klage insoweit unzulässig. Außerdem ist die Klage noch in Höhe von 2.218,43 EUR unzulässig, da die AOK Bayern außerdem eine Forderung in dieser Höhe geltend gemacht hat und insoweit weder vom Insolvenzverwalter, noch vom Schuldner ein Widerspruch erfolgt ist. Schließlich ist die Klage auch noch in Höhe von 123.107 EUR unzulässig, da die HKK Krankenkasse unter anderem eine Forderung von 246.214 EUR im Insolvenzverfahren geltend gemacht hat und der Schuldner insoweit gar nicht widersprochen hat und der Insolvenzverwalter lediglich in Höhe von 123.107 EUR widersprochen hat.

Insoweit war die Klage daher teilweise unzulässig.

II.

Im Übrigen war die Klage zulässig, jedoch in vollem Umfang unbegründet.

Zum einen ist der Bescheid formell rechtmäßig. Die Beklagte hat die 43 Personen nach § 12 SGB X am Verfahren beteiligt. D. h. es wurden allen 43 Personen die Gelegenheit gegeben, im Verfahren bei der Beklagten Stellung zu nehmen, soweit eine Zustellung der Anhörungsschreiben an die betroffenen Personen erfolgen konnte.

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X nachgekommen ist. Nach § 21 SGB X bedient sich die Behörde dabei der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Wie sich aus den gesetzlichen Regelungen ergibt, insbesondere auch aus § 2 Schwarzarbeitergesetz sowie § 321 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), ist insoweit eine Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden vorgesehen. Gleiches ergibt sich aus der Rechtsprechung des BSG vom 09.11.2011 (B 12 R 18/09 B). Zudem könnte sich eine Betriebsprüfung auch auf die Prüfung von überlassenen Unterlagen des Arbeitgebers sowie der Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörde beschränken (§ 28p SGB IV Juris Praxis Kommentar, Rn. 131). Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte keine eigenen Ermittlungen vorgenommen hat und die 43 Personen nicht angehört habe. Vielmehr ergibt sich, dass die Beklagte sich nicht lediglich auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes gestützt hat. Sie hat vielmehr die vorhandenen Unterlagen eigenständig ausgewertet und zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Rentenversicherungsträger nicht verpflichtet ist, im Rahmen der Prüfung eine eigene Betriebsprüfung nach § 28 SGB IV beim Arbeitgeber durchzuführen, sondern er könnte sich allein auf dem Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung gewonnenen Ermittlungsberichte der Zollverwaltung beschränken (LSG Sachsen vom 12.02.2018, 9 KR 496/17 B ER). In diesem Sinne hat auch das LSG Baden-Württemberg am 29.06.2017 (L 10 R 592/17) entschieden. Insgesamt ist daher ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X nicht erkennbar.

Soweit die Klägerbevollmächtigte geltend macht, dass nicht alle Personen vernommen worden seien, ergibt sich auch insoweit kein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht. Vorliegend wurden zwar nicht alle Personen vor dem Hauptzollamt vernommen. Es wurden jedoch zahlreiche Personen durch das Hauptzollamt vernommen und die Beklagte hat wie bereits ausgeführt, allen 43 Personen Gelegenheit gegeben, nach § 12 SGB X Stellung zu nehmen, soweit eine Zustellung der Anhörungsschreiben an die betroffenen Personen erfolgen konnte. Eine weitere Ermittlung war angesichts der vorhandenen schriftlichen Unterlagen nicht notwendig, da keine Anhaltspunkte für neue, über die Unterlagen hinausgehende Erkenntnisse vorhanden waren und die Beklagte auch nicht verpflichtet war, ohne konkrete Anhaltspunkte ins Blaue hinein zu ermitteln.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich nicht auf einen Vertrauensschutz aufgrund vorangegangener Betriebsprüfungen berufen kann. Nach der Rechtsprechung des BSG vom 20.02.2017 (B 12 KR 24/16 B) haben Betriebsprüfungen unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten nur den Zweck, die Beitragsentrichtung zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern, eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen dagegen nicht zu. Betriebsprüfungen, ebenso wie das Ergebnis der Prüfung festhaltende Prüfberichte der Versicherungsträger bezwecken daher nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa mit Außenwirkung Entlastung zu erteilen. Eine materielle Bindungswirkung kann sich lediglich dann und insoweit ergeben, als versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt worden (BSG vom 20.02.2017, B 12 KR 24/16 B). Bereits in der Entscheidung vom 18.11.2015 (B 12 R 7/14 R) hatte das BSG festgestellt, dass bei Erlass eines personenbezogenen Beitragsbescheides damit nicht zugleich spiegelbildlich bzw. mittelbar eine Regelung darüber getroffen wird, dass" im Übrigen", d. h. insbesondere hinsichtlich aller sonstigen Beschäftigten die von der personenbezogenen Beitragsfestsetzung nicht betroffen sind, im Prüfzeitraum "alles in Ordnung" sei, dass also hinsichtlich dieser z. B. keine Versicherungspflicht bzw. kein Beitragsanspruch bestehe. Betriebsprüfungen ebenso wie das Ergebnis der Prüfung festhaltender Prüfberichte der Versicherungsträger bezwecken nämlich nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa mit Außenwirkung Entlastung zu erteilen (BSG vom 18.11.2015, B 12 R 7/14 R). Insoweit ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Mitteilungen der Rentenversicherung über frühere Betriebsprüfungen kein Vertrauensschutz.

Vorliegend ist das Gericht im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nach § 7 SGB IV der Überzeugung, dass die maßgeblichen 43 Personen beim Kläger als Arbeitgeber abhängig beschäftigt waren. Nach § 7 SGB IV ist Beschäftigung, die nichtselbstständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setzt die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassend dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch eigenes unternehmerisches Risiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, einem wesentlichen selbstbestimmte Art der Ausführung und eine frei gewählte Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus der von ihm getroffenen Vereinbarung ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Einen Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, als die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehungen so wie diese rechtlich zulässig ist (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10).

Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist weder die von den Beteiligten gewünschte Rechtsfolge, noch die von ihm gewählte Bezeichnung maßgeblich. Die Frage ob eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und deren Vereinbarung zu entscheiden. Vielmehr kommt es auf eine Gesamtabwägung an (LSG Bayern vom 23.11.2015, L 7 R 1008/14).

Vorliegend waren nach Auffassung des Gerichts die 43 Personen abhängig beschäftigt und nicht selbstständig tätig. Im Rahmen der Gesamtabwägung überwiegen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung. Insoweit ist vor allem maßgeblich, dass die 43 Personen kein maßgebliches Unternehmerrisiko trugen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist für ein unternehmerisches Risiko maßgeblich, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel ungewiss ist. Es ist ein Risiko erforderlich, dass über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen. Zwar erbrachten die Personen die Fahrten mit einem eigenen Kfz. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn sich ein besonderes Unternehmensrisiko aus dem eigenen Kfz ergibt. Es liegt dann kein Unternehmerrisiko vor, wenn einem möglichen Verlust des Fahrzeugs keine unternehmerischen Chancen gegenüberstehen. Für ein Unternehmerrisiko muss bei Einsatz eines eigenen Kfz eine risikobehaftete Unternehmensstruktur vorliegen (LSG Bayern vom 23.11.2015, L 7 R 1008/14, LSG Rheinland-Pfalz vom 15.07.2015, L 6 R 23/14). Eine solche risikobehaftete Unternehmensstruktur ist jedoch bei den 43 Personen nach Auffassung des Gerichts nicht festzustellen. Außer den Kosten für das Kfz und die Miete für die Scanner bzw. die Kosten für die Arbeitskleidung trugen die 43 Personen kein weiteres unternehmerisches Risiko, und tätigten auch keine weiteren Investitionen. Einem eventuellen Verlust des eigenen Fahrzeugs standen keine unternehmerischen Chancen gegenüber.

Auch ist insoweit zu berücksichtigen, dass die 43 Personen auch nicht wesentlich über ihre eigene Arbeitskraft verfügen konnten, sondern zeitlich maßgeblich durch die Tätigkeit für den Kläger in Anspruch genommen wurden. Ein maßgebliches unternehmerisches Tätigwerden für andere Auftraggeber ist nicht ersichtlich.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die 43 Personen keinen maßgeblichen Gestaltungsspielraum bezüglich ihrer Tätigkeit hatten. Sie waren weisungsgebunden tätig und auch in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert. Sie hatten weder hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort, noch hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung einen maßgeblichen Gestaltungsspielraum. Die wesentliche Gestaltungsmöglichkeit bestand letztlich nur darin, ob der Auftrag angenommen wird oder nicht. Für eine Eingliederung in den Betrieb kommt es darauf an, ob eine organisatorisch funktionale Eingliederung in den Betrieb des Klägers vorlag. Dazu bedarf es bei Kurierdiensten lediglich zeitlichen und örtlichen Zielvorgaben, die verbindliche Festlegung bestimmter Routen ist dagegen nicht erforderlich (LSG Schleswig-Holstein vom 20.11.2001, L 1 KR 42/01). Insgesamt handelte es sich daher durch eine von fremden Vorgaben geprägte Tätigkeit ohne nennenswerte eigene Entscheidungsbefugnisse.

Nicht maßgeblich ist, ob die 43 Personen auch berechtigt waren, Aufträge abzulehnen. Die Möglichkeit Aufträge abzulehnen, kann zwar als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden. Es sind jedoch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung in Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es vor allem dem Beschäftigten überlassen wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage abgelehnt. Insbesondere in Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, ob der Betroffene, sobald das Angebot annimmt, die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb ausübt. Allein wegen einer grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit ist kein selbstständiges Tätigwerden anzunehmen (LSG Baden-Württemberg vom 02.09.2011, L 4 R 1036/10). Außerdem ist auch zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit Aufträge abzulehnen, eher theoretisch ist. Sobald ein Auftrag übernommen wurde, standen die 43 Personen gegenüber dem Kläger in der Pflicht und konnten dann kaum beliebig entscheiden, ob und wann sie zur Ausführung tätig werden.

Nicht entscheidend kommt es darauf an, dass eine Gewerbeanmeldung bei den 43 Personen vorlag. Eine Gewerbeanmeldung kann nicht als wesentliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit herangezogen werden, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit findet nicht statt. Außerdem ist auch zu berücksichtigen, dass die meisten Zusteller aus Bulgarien angereist waren und erst auf den Rat bzw. mit der Hilfe des Klägers ihr Gewerbe anmeldeten. Sie hatten kaum Deutschkenntnisse und waren insoweit auf den Rat und die Hilfe des Klägers angewiesen. Laut dem Vortrag der Klägerbevollmächtigten konnten die meisten der 43 Personen die deutsche Sprache nicht oder nur eingeschränkt, der Kläger habe diesen Personen helfen wollen. Ein selbstständiges unternehmerisches Handeln der Zusteller ist hier nicht erkennbar. Auch aus dem Umstand, dass keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart war, ist nicht entscheidungsrelevant. Solche Regelungen sind vielmehr als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten.

Auch kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob die 43 Personen ihre Arbeit auf jemand anderen delegieren konnten. Die Möglichkeit Dritte einsetzen zu dürfen, stellt nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht. Vorliegend spricht dies jedoch nicht maßgeblich für eine selbstständige Tätigkeit, da die 43 Personen kein maßgebliches unternehmerisches Risiko trugen, keinen maßgeblichen eigenen Gestaltungsspielraum hatten und in den Betrieb des Klägers eingegliedert waren.

Soweit die Klägerbevollmächtigte geltend gemacht hatte, dass in einer ähnlichen Konstellation das SG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 05.03.2015 (S 45 R 1190/14) zum Ergebnis kam, dass die Kurierdienstfahrer selbstständig tätig waren, ergibt sich vorliegend keine andere Beurteilung. Insoweit handelt es sich zum einen um eine Einzelfallentscheidung, zum anderen gibt es zahlreiche andere Urteile, die in ähnlichen vergleichbaren Fällen eine abhängige Beschäftigung der Zusteller festgestellt haben (vgl. LSG Rheinland-Pfalz 15.07.2015, L 6 R 23/14, LSG Bayern 23.11.2015, L 7 R 1008/14, LSG Baden-Württemberg vom 24.01.2017, L 11 KR 1554/16, LSG D-Stadt vom 29.06.2018, L 1 KR 498/15). Zudem hat auch die Klägerbevollmächtigte zuletzt die Entscheidung des LSG D-Stadt vom 29.06.2018, L 1 KR 498/15 zitiert, in der es ebenfalls darum ging, ob ein Depotbetreiber eines H. Satellitendepots als Arbeitgeber Beiträge für Zusteller zu zahlen hat. Auch in dieser von der Klägerbevollmächtigten zitierten Entscheidung wurde eine abhängige Beschäftigung der Zusteller festgestellt.

Soweit der Kläger geltend macht, dass die Zusteller wegen der damals noch fehlenden vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht als Angestellte hätten arbeiten dürfen, ist darauf hinzuweisen, dass es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht darauf ankommt, ob europarechtlich eine Beschäftigung als Arbeitnehmer erlaubt gewesen wäre. Eine Beschäftigung ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis verstößt dann zwar gegen ein gesetzliches Verbot, ändert jedoch nichts am Tatbestand einer abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 7 SGB IV.

Auch aus dem Vortrag der Klägerbevollmächtigten ergibt sich, dass die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung der Zusteller überwiegen. Diese führte in ihrem Schriftsatz vom 13.08.2018 selbst aus, dass die Befugnis die Arbeit durch andere erledigen zu lassen der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht zwingend entgegensteht. Es habe auch nach dem Vortrag der Klägerbevollmächtigten bei allen Fahrern Bindung an den Ort der Arbeitsleistung bestanden und der Zustellbezirk sei fest vorgegeben gewesen. Die Arbeitszeit sämtlicher Personen sei nicht frei gewesen. Außerdem hatte der Kläger über seine Bevollmächtigte bereits in der Klagebegründung vorgetragen, dass ohne H.kleidung nicht hätte gearbeitet werden dürfen, dass es ein Verhaltenskodex gab und die Zusteller sich an den H.kodex zu halten gehabt hätten. Außerdem hätte es ein Zustellerhandbuch gegeben. Insgesamt spricht bereits der Vortrag des Klägers selbst für eine abhängige Beschäftigung der Zusteller. Im Unterschied zur Beklagten macht der Kläger jedoch geltend, nicht selbst Arbeitgeber der 43 Zusteller gewesen zu sein, sondern vielmehr sei nach seiner Auffassung die Beigeladene als Arbeitgeber der Zusteller zu betrachten.

Nach Auffassung des Gerichts war jedoch der Kläger und nicht die Beigeladene Arbeitgeber der 43 Personen. Wie sich aus den Ermittlungen im Rahmen der Betriebsprüfung ergibt, haben diese die Tätigkeit nach den Weisungen des Klägers ausgeübt. Der Kläger hat vor Ort die Arbeit organisiert. So hatte Herr P. angegeben, dass seine Frau genauso wie er die Arbeitsanweisung vom Kläger bekam. Herr K. führte aus, dass ihm der Kläger ohne seine Zustimmung, ein anderes Gebiet für die Zustellungen zuweisen konnte und er sagte, wer was fahre. Wenn jemand Urlaub wollte, musste man sich untereinander absprechen und der Kläger musste das dann genehmigen. Herr S. teilte mit, dass wenn er jemanden einstellen wollte, der Kläger dies genehmigen hätte müssen. Der Kläger sei der Chef und sie hätten das tun müssen, was dieser anschaffe.

Insofern ist nicht entscheidend, dass der Kläger sich darauf beruft nur Verpflichtungen seines Vertragspartners, d. h. der Beigeladenen an die 43 Personen weitergegeben zu haben. Dies ist gerade der Regelfall, wenn selbstständige Unternehmer zur Ausführung der von ihnen vertraglich eingegangenen Verpflichtungen sich wiederum ihrerseits Beschäftigten bedienen. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Kläger gegenüber den 43 Personen als Arbeitgeber aufgetreten ist und die von ihm übernommenen Verpflichtungen gegenüber der Firma H. in Ausübung seines Weisungsrechts als Arbeitgeber an die 43 Personen weitergereicht hat. Aufgrund dessen ist der Kläger und nicht die Beigeladene als Arbeitgeber der 43 Personen anzusehen.

Die Tätigkeit der 43 Personen wurde nach Auffassung des Gerichts bestimmt durch die vorgegebene Ordnung des Betriebs des Klägers. Die 43 Personen waren daher in den Betrieb des Klägers eingegliedert. Der Kläger griff zur Erfüllung seiner Vertragspflichten gegenüber der Beigeladenen auf diese Personen zurück.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerbevollmächtigten zitierten Entscheidung des LSG D-Stadt vom 29.06.2018. Auch in diesem Urteil wurde gerade keine Arbeitgebereigenschaft der Firma H. festgestellt, sondern auch dort wurde von einer Arbeitgebereigenschaft des Depotbetreibers ausgegangen. Auch in anderen Urteilen in vergleichbaren Fällen, in denen es ebenfalls um Satellitendepotbetreiber der Firma H. ging, wurde keine Arbeitgebereigenschaft der Firma H. festgestellt (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 15.07.2015, L 6 R 23/14, LSG Bayern 23.11.2015, L 7 R 1008/14, LSG Baden-Württemberg vom 24.01.2017, L 1 KR 1554/16). Nach Auffassung des Gerichts hatte der Kläger gegenüber den 43 Zustellern eine übergeordnete Rolle und ist daher als deren Arbeitgeber anzusehen. Nach seinen eigenen Angaben machte der Kläger im Depot die EDV-Arbeit und Organisation und kontrollierte auch ob alle Sendungen rechtzeitig ankommen, daneben machte er Fahrten wegen Kofferzustellungen an Hotels. Nach Auffassung des Gerichts organisierte daher der Kläger das Depot, so dass die Zusteller in seinem Betrieb eingegliedert waren. Für eine Arbeitgebereigenschaft des Klägers spricht auch, dass er Miete für die Depoträume zahlte und außerdem auch ein paar festangestellte zur Sozialversicherung angemeldete Beschäftigte hatte. Er stand daher nicht auf der gleichen Stufe wie die 43 Personen, sondern war ihnen übergeordnet.

Für die Arbeitgebereigenschaft des Klägers spricht auch, dass die 43 Zusteller zur Rechnungsstellung auf die Übermittlung der Daten der Scanner durch den Kläger angewiesen waren. Sie konnten ihre Rechnungen nur anhand dieser vom Kläger übermittelten Daten erstellen. Auch die Abrechnung spricht für eine Arbeitgebereigenschaft des Klägers. Nach Angaben des Klägers hat er die Gesamtsumme von der Beigeladenen erhalten, wovon er dann ein Teil für sich behalten hat und den Rest an die jeweiligen Zusteller verteilt hat. Nach Auffassung des Gerichts war der Kläger daher als Unternehmer und nicht als abhängig Beschäftigter tätig. Somit kommt auch eine abhängige Beschäftigung seinerseits bei der Beigeladenen nicht in Betracht. Nach Auffassung des Gerichts waren die Zusteller in den Betrieb beim Kläger eingegliedert. Die Organisation vor Ort nahm der Kläger wahr, hierzu erteilte der Kläger den Zustellern auch Weisungen. Nachdem eine Eingliederung der 43 Zusteller in den Betrieb des Klägers vorlag, handelte es sich auch nicht um eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung in der Weise, dass die Beigeladene als Arbeitgeber der Zusteller anzusehen wäre. Um eine solche unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung würde es sich nur dann handeln, wenn der Beigeladenen Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt würden, die voll in deren Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers ausüben. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall, die Beigeladene hatte zu den 43 Zusteller keine vertraglichen Beziehungen. Subunternehmerverträge bestanden nur zwischen dem Kläger und den Zustellern. Nach außen trat auch nur der Kläger als Vertragspartner der Beigeladenen auf. Die Beigeladene hatte auch nicht eine alleinige Weisungsbefugnis gegenüber den Zustellern und diese waren auch nicht ausschließlich in den Betrieb der Beigeladenen eingegliedert. Vielmehr erhielten die Zusteller nach dem Ergebnis der Ermittlungen Weisungen durch den Kläger. Dieser hatte 2008 sein Gewerbe angemeldet und hat mit den von ihm ausgewählten Personen dann Leistungen zur Vertragserfüllung gegenüber der Beigeladenen durchgeführt. Der Kläger hat vor Ort die Einteilung der Personen und Durchführung der Arbeiten organisiert. Er hat auch entschieden, wer selbstständig tätig werden soll und wer als Arbeitnehmer zur Sozialversicherung angemeldet wird. Der Kläger gab an, dass er ein paar zur Sozialversicherung angemeldete Beschäftigte hatte. Diese angemeldeten Personen seien vor allem mit Vorarbeiten im Depot beschäftigt gewesen, während die Selbstständigen nur die Pakete abgeholt bzw. angeliefert hätten. Insgesamt organisierte daher der Kläger vor Ort die Arbeit und teilte vor Ort die Arbeit ein, so dass die Zusteller in seinen Betrieb eingegliedert waren. Für eine Arbeitgebereigenschaft der Beigeladenen ist es nicht ausreichend, dass der Kläger Zusteller zur Vertragserfüllung gegenüber der Beigeladenen eingesetzt hat, dies entspricht vielmehr der Durchführung eines Subunternehmervertrages.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, soweit der Kläger geltend macht, dass die Beigeladene Zugriff auf den bei ihm befindlichen Computer gehabt hätte und es sich dabei um den Computer der Firma H. gehandelt hätte. Auch soweit der Kläger geltend macht, dass die gesamte EDV und auch der Computer von der Beigeladenen angemietet werden mussten und es ihm untersagt gewesen sei für andere Firmen außer der Firma H. tätig zu sein und ihm auch vorgegeben sei, welche Pakete vorrangig bearbeitet werden mussten, ergibt sich ebenfalls keine Arbeitgebereigenschaft der Beigeladenen. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass zwischen den Beteiligten strittig war, inwieweit es feste Vorgaben gab, in welchem Zeitfenster die Auslieferungen erfolgen sollten und inwieweit die Beigeladene Zugriffsrechte auf den beim Kläger befindlichen Computer hatte. Der Kläger teilte hierzu mit, dass die Beigeladene Zugriff auf den bei ihm befindlichen Computer gehabt hätte sowie auch EDV-Sichtrechte hatte und sie auch Beanstandungen vorgenommen hat. Die Beigeladene machte dazu geltend, dass sie keine Zugriffsmöglichkeit auf den Computer gehabt hätte, es hätten nur Sichtrechte bestanden, aber sie selbst habe keine Veränderungen vornehmen können. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass nach dem Satelittendepotvertrag zwischen dem Kläger und der Beigeladenen vom 01.06.2013 der Auftragnehmer frei sei, selbstständig am Markt weitere Leistungen anzubieten und zu erbringen, soweit diese die Erfüllung des Vertrages nicht beeinträchtigen. Sofern der Auftragnehmer gleichzeitig Transporte für Konkurrenzunternehmen der Beigeladenen durchführe, habe er sicherzustellen, dass Sendungen der Beigeladenen getrennt von denen anderer Konkurrenzunternehmen abgewickelt und zugestellt würden. Weiter ist festzustellen, dass es nach dem Satellitendepotvertrag vom 01.06.2013 zwischen dem Kläger und der Beigeladenen enge Vorgaben der Beigeladenen an den Kläger gab. Laut dem Satellitendepotvertrag war der Beigeladenen bei Bedarf einen zentralisierter Zugriff auf Daten am SAT zu gewähren, bezüglich der Zustellung wurde auf das Abwicklungshandbuch SAT-Depot und H.-Qualitätshandbuch (für Zusteller) Bezug genommen. Es wurde auch festgelegt, dass die Zusteller als H.-Partner zu erkennen sein mussten, außerdem wurde ein Zutrittsrecht zu den Geschäftsräumen des Klägers gewährleistet für die Beigeladene. Zwar hatte die Beigeladene weitreichende Kontroll- und Überwachungsrechte, diese bestanden aber nur neben dem Kläger. Dem Kläger verblieb jedoch noch ein ausreichender Gestaltungsspielraum, so dass er selbst nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist. Er konnte selbst entscheiden, mit wem er seine Vertragspflichten gegenüber der Beigeladenen erfüllte. Die Zusteller waren in den Betrieb des Klägers eingegliedert und der Kläger musste insoweit die Vorgaben, die er von der Beigeladenen erhalten hatte, gegenüber diesen Personen durchsetzen. Insgesamt lag daher eine Eingliederung der 43 Personen in den Betrieb des Klägers und damit nicht in den Betrieb der Beigeladenen vor. Es lag daher weder eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vor, wie bereits ausgeführt, noch lag ein mittelbares Beschäftigungsverhältnis der 43 Zusteller bei der Beigeladenen vor. Nach Auffassung des Gerichts ist vielmehr der Kläger als Arbeitgeber der 43 Zusteller anzusehen. Nachdem der Kläger selbst als Arbeitgeber anzusehen ist, konnte er auch nicht selbst bei der Beigeladenen abhängig beschäftigt sein.

Vorliegend ist auch von einem bedingten Vorsatz des Klägers auszugehen. Ein bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt (BSG vom 18.11.2015, B 12 R 7/14 R). D. h. ein bedingter Vorsatz liegt auch schon dann vor, wenn der Arbeitgeber zwar noch nicht sicher weiß, dass eine Beitragspflicht besteht, aber wenn er jedoch eine solche Beitragspflicht für möglich hält und sich damit abfindet. Damit unterscheiden sich die Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes nicht von den allgemeinen Voraussetzungen, die für das Zivilrecht entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung BGH handelt jemand auch dann mit bedingten Vorsatz, wenn das Ergebnis seines Handelns für ihn eigentlich unerwünscht ist. Es genügt, wenn er dieses Ergebnis nur als möglich voraussieht, der Handelnde dieses Ergebnis aber deshalb in Kauf nimmt, weil er sein eigentliches Ziel nicht anders erreichen kann (SG D-Stadt vom 09.07.2015, S 143 KR 1920/12). Vorliegend spricht zum einen maßgeblich für einen bedingten Vorsatz, dass die Einstellung weiterer Personen durch einen Teil der 43 Fahrer maßgeblich auf die Initiative des Klägers zurückging. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Kenntnis aller tatsächlichen Umstände des Sachverhalts für die Begründung von Vorsatz ausreicht, selbst wenn möglicherweise eine fehlerhafte Subsumtion und damit unzutreffende rechtliche Würdigung durch den Kläger erfolgt ist. Ein eventueller Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft stellt einen den Vorsatz nicht berührenden Subsumtionsirrtum dar (LSG Baden-Württemberg vom 13.03.2018, L 11 KR 609/17). Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber, wenn er es trotz fehlender eigener Sachkunde unterlässt, sämtliche Maßnahmen, die die Erfüllung seiner Verpflichtungen zur Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sichern können, durchzuführen, er zumindest billigend in Kauf nimmt seine Beitragspflicht nicht zu erfüllen (LSG NRW vom 06.11.2012, L 8 R 193/12 B). Ein Rechtsirrtum ist nur dann erheblich, wenn ein unverschuldeter Rechtsirrtum vorliegt, d. h. wenn der Betroffene sich sorgfältig über die Rechtslage informiert und kundigen Rat eingeholt (LSG Sachsen-Anhalt vom 31.05.2016, L 3 R 280/15). Insgesamt steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger die Beitragspflicht für möglich hielt, jedoch trotzdem die Beiträge nicht abführte und damit zumindest bedingt vorsätzlich vorenthielt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger im Juli 2008 sein Gewerbe angemeldet hat und dann die Paketauslieferung für das H. Satellitendepot A-Stadt übernommen hat. H. Vertragspartner war zunächst bis Juni 2013 ein Herr S., dieser hat den Betrieb dann komplett an den Kläger weitergegeben, so dass ab diesem Zeitpunkt dann der Kläger selbst Vertragspartner von H. war, der Betrieb des Depots lief jedoch unverändert weiter. Unterschied war jedoch nun, dass der Kläger direkt mit H. abrechnete anstatt über Herrn S ... Nach Auffassung des Gerichts war dem Kläger das Problem der Scheinselbstständigkeit der Zusteller bekannt. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass er Kenntnis hatte, dass die Zusteller größtenteils aus Bulgarien angereist waren und kaum Deutschkenntnisse hatten. Wie ihm bekannt war, hatten diese keine Kenntnisse wie ein Gewerbe anzumelden ist, so dass der Kläger diesen dabei die maßgebliche Hilfe leistete. Dem Kläger musste insoweit klar sein, dass die Personen aufgrund ihrer fehlenden Kenntnisse bzw. fehlenden Deutschkenntnisse nicht unternehmerisch selbstständig tätig werden konnten, sondern insoweit vielmehr auf Hilfe angewiesen waren. Auch die Aussagen einiger Zusteller sprechen für einen bedingten Vorsatz des Klägers. So sagte z. B. K. aus, dass er eigentlich als Angestellter hätte arbeiten wollen, der Kläger hätte ihm doch mitgeteilt, dass dies nicht möglich sei, weil er keine Arbeitserlaubnis bekomme. Der Kläger habe gesagt, dass er nur als "Selbstständiger" für ihn arbeiten könne und er eine Firma anmelden müsse. Außerdem teilte dieser mit, dass er dann seine Frau als Arbeitnehmerin angemeldet habe, da der Kläger ihm dazu geraten habe. Der Kläger hätte gesagt, dass er dies tun müsse, da er (Herr K. ) ansonsten eine Strafe zahlen müsste, wenn der Zoll kommt. Auch andere Zusteller hatten angegeben, dass ihnen der Kläger von vornherein mitgeteilt habe, dass nur eine Beschäftigung als Selbstständiger in Frage käme. Herr S. hatte außerdem mitgeteilt, dass nachdem der Zoll im Depot gewesen sei, der Kläger gesagt habe, dass jeder einen Angestellten haben müsse, damit er nicht als "scheinselbstständig" gelte. Auch der Zusteller Herr P. hatte angegeben, dass das Thema Scheinselbstständigkeit ab und an ein Thema unter den Kollegen gewesen sei und auch der Kläger ab und zu davon redete. Herr P. hatte angegeben, dass er im Juni 2013 seine Freundin angestellt habe, nachdem es ein paar Monate zuvor das Thema Scheinselbstständigkeit im Depot gegeben habe. Der Kläger hätte gesagt, dass man als Selbstständiger einen Angestellten haben sollte. Herr S. hatte auf die Frage, warum er nicht als Arbeitnehmer beschäftigt worden sei, angegeben, dass der Kläger erzählt habe, es bleibe für den Arbeitgeber kaum etwas übrig, wenn die Zusteller angemeldet würden. Insgesamt ergibt sich daraus nach Auffassung des Gerichts, dass dem Kläger das Problem der Scheinselbstständigkeit der Zusteller durchaus bewusst war und er daher auch auf die Zusteller einwirkte, selbst jemanden anzustellen, um eine angebliche selbstständige Tätigkeit zu belegen. Für einen bedingten Vorsatz des Klägers spricht auch, dass er auch ein paar zur Sozialversicherung angemeldete Beschäftigte hatte. Es ist daher davon auszugehen, dass ihm die verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten durchaus bekannt waren. Zudem ist zu berücksichtigen, dass im Jahr 2013 ein Statusverfahren zur Klärung des Statuses des Klägers hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Beigeladene begann. Der Kläger teilte dazu mit, dass er das Formular diesbezüglich nicht selbst schriftlich ausgefüllt habe, sondern nur telefonisch durch Herrn K. befragt worden sei. Der Kläger gab weiter an, dass das Formular ihm von der Beigeladenen während der sogenannten "Rushhour" mit anderen Unterlagen zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Unabhängig von den Umständen, unter denen dieses Formular ausgefüllt bzw. unterschrieben wurde, ergibt sich daraus jedenfalls, dass dem Kläger spätestens zu diesem Zeitpunkt auch die Möglichkeit bekannt war, durch ein solches Statusverfahren klären zu können, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Insoweit erscheint nicht nachvollziehbar, warum der Kläger eine solche Klärung für die Zusteller nicht vorgenommen hat. Insoweit kann er sich daher auch nicht auf einen Rechtsirrtum berufen, da ein solcher Rechtsirrtum nicht unverschuldet ist, wenn nicht die Möglichkeiten zur Klärung des Statutes ausgeschöpft werden. Auch im Satellitendepotvertrag vom 01.06.2013 zwischen dem Kläger und der Beigeladenen war der Kläger verpflichtet worden bezüglich seiner eigenen Tätigkeit für die Beigeladene ein Statusverfahren durchzuführen. Aufgrund der Gesamtumstände hätte es hier nahegelegen, ein solches Statusverfahren auch für die Zusteller durchzuführen. Dies hat der Kläger jedoch unterlassen. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, dass zusammen mit der Beigeladenen eine TÜV-Zertifizierung stattgefunden habe, ergibt sich daraus keine andere Beurteilung. Diese Zertifizierung bezog sich auf die Anforderungen der H.-Gruppe und ersetzt nicht ein Statusverfahren nach § 7 SGB IV. Auch ist nicht erkennbar, dass die Beklagte gegen eine Beratungspflicht verstoßen hat. Insoweit kann auch nicht auf § 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verwiesen werden, da es hier nicht um die Beantragung von Sozialleistungen geht. Insoweit erscheint es daher auch nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger geltend macht, dass er gezwungen gewesen sei ab 2013 von Herrn S. das Depot zu übernehmen und dann davon ausgegangen sei, dass alles rechtlich in Ordnung sei.

Insgesamt lag daher nach Auffassung des Gerichts für sämtliche streitigen Forderungen im Zeitraum 01.08.2008 bis 31.08.2014 ein bedingter Vorsatz des Klägers vor. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es ausreichend ist, wenn ein Vorsatz innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist nach § 25 SGB IV eintritt (BSG vom 30.03.2000 - B 12 KR 14/99 R). Ist der Vorsatz irgendwann innerhalb der 4-jährigen Verjährungszeitraums entstanden, verlängert sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre. Die Beiträge aus dem Jahr 2009 wären bei einer vierjährigen Verjährungsfrist erst mit dem 31.12.2013 verjährt. Nachdem, wie bereits ausgeführt, dem Kläger spätestens im Jahr 2013 die Möglichkeit eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV bekannt gewesen sein musste, wäre es insoweit jedenfalls ausreichend, wenn ein Vorsatz innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist, d. h. noch im Jahr 2013 eingetreten ist. Selbst wenn daher ein Vorsatz nicht von Anfang an vorgelegen hätte, wäre es insoweit für die Beiträge für 2009 auch noch ausreichend, wenn spätestens Ende 2013 ein bedingter Vorsatz vorlag. Außerdem ist auch für die Beiträge aus dem Jahr 2008 von einem bedingten Vorsatz nach Auffassung des Gerichts auszugehen. Diese wären bei Annahme einer vierjährigen Verjährungsfrist zwar bereits zum 31.12.2012 verjährt. Nach Auffassung des Gerichts lag jedoch bis spätestens 31.12.2012 ein bedingter Vorsatz des Klägers vor. Insoweit ergibt sich auch aus der Aussage des Zustellers Herrn P. , dass dieser bereits im August 2010 seine Ehefrau als eigene Beschäftigte anstellte. Laut Herrn P. seien er und seine Frau nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten, aber die Idee, dass er seine Frau anstelle, sei die vom Kläger gewesen. Der Kläger sagte, es sei finanziell von Vorteil, wenn er seine Frau anstelle. Es lag daher für sämtliche streitigen Forderungen vom 01.08.2008 bis 31.08.2014 ein bedingter Vorsatz vor.

Die Forderung ist auch nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in denen sie fällig geworden sind. Bei vorsätzlicher Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen gilt außerdem die dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 25 SGB IV. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es keine Rolle spielt, ob der Arbeitgeber bereits im Moment der Lohnzahlung den Vorsatz gehabt hatte Sozialversicherungsbeiträge vorzuenthalten. Es genügt, wenn dieser Vorsatz irgendwann innerhalb des vierjährigen Verjährungszeitraums entstanden ist. Auch dann verlängert sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre (SG D-Stadt vom 09.07.2015). Vorliegend galt die 30-jährige Verjährungsfrist, nachdem, wie bereits dargestellt, ein bedingter Vorsatz jedenfalls jeweils innerhalb der 4-jährigen Verjährungsfrist eingetreten ist.

Ausgehend davon, dass ein bedingter Vorsatz des Klägers vorliegt, hat die Beklagte zurecht die Beiträge auf Grundlage von § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV berechnet. Nach dieser Regelung gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Demnach gelten als Arbeitsentgelt zunächst die Einnahmen des Beschäftigten, hinzugerechnet werden auf den Nettobetrag entfallende Lohn- und Kirchensteuer sowie Sozialversicherungsbeitragsanteile des Arbeitnehmers. Es findet dann eine Hochrechnung statt. Voraussetzung ist eine objektive Verletzung zentraler arbeitgeberbezogener Pflichten und ein diesbezüglich vorliegender mindestens bedingter Vorsatz. Es muss sich um eine sogenannte illegale Beschäftigung gehandelt haben. Dabei genügt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in objektiver Hinsicht, dass der Arbeitgeber die Betroffenen zu Unrecht als selbstständige behandelt hat und insgesamt weder Steuern, noch Beiträge zur Sozialversicherung und zu Arbeitsförderung abgeführt hat. Dies ist vorliegend nach Auffassung des Gerichts der Fall gewesen. Hinzukommen muss dazu in subjektiver Hinsicht ein zumindest bedingter Vorsatz bezogen auf die Vorenthaltung der Beiträge und Steuern. Wie bereits ausgeführt, handelt bedingt vorsätzlich, wer seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Auch dies war vorliegend der Fall, wie bereits ausgeführt. Die Annahme einer Nettolohnvereinbarung ist zwingend und unwiderlegbar, sobald illegale Beschäftigung festgestellt ist (§ 14 SGB IV Rn. 316 Juris Praxiskommentar). Die durchgeführte Hochrechnung vom Netto- auf das Bruttoentgelt unter Berücksichtigung der ungünstigsten Steuerklasse VI in Anwendung des Einkommenssteuergesetzes ist rechtmäßig (LSG Baden-Württemberg vom 13.03.2018, L 11 R 609/17). Nach § 39c Abs. 1 Satz 2 EStG hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach Steuerklasse VI zu ermitteln, solange der unbeschränkte einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte schuldhaft nicht vorlegt oder die Rückgabe der ihm ausgehändigten Lohnsteuerkarte schuldhaft verzögert. Der Arbeitgeber haftet solange ihm keine Lohnsteuerkarte vorgelegt wurde auch nach Ablauf des Kalenderjahres, für das diese ausgestellt wurde, nach Steuerklasse VI. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird. Diese Grundsätze gelten auch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung unabhängig davon, ob unstreitige Arbeitsverhältnisse vorgelegen haben oder ob der Arbeitgeber gegebenenfalls rechtsirrig davon ausgegangen ist, dass keine abhängige Beschäftigung vorlag. Haftet der Arbeitgeber steuerrechtlich nach Steuerklasse VI, so ist dies auch bei der Berechnung der sozia versicherungsrechtlichen Beitragsnachforderungen zugrunde zu legen (LSG Schleswig-Holstein vom 17.09.2015, L 5 KR 146/15 B ER).

Die Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist daher zu Recht erfolgt.

Auch die Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV wurden zutreffend erhoben. Nach § 24 Abs. 2 SGB IV sind Säumniszuschläge, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird nicht zu erheben, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Das Verschulden entspricht hier § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), d. h. neben Vorsatz werden auch alle Grade von Fahrlässigkeit erfasst, so dass insoweit schon Fahrlässigkeit ausreichend wäre. Nachdem das Gericht hier von einem bedingten Vorsatz ausgeht, waren auch die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen erfüllt.

Insgesamt erfolgte daher auch die Beitragsberechnung zutreffend, so dass die Bescheide auch insoweit rechtmäßig sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der insgesamt streitigen Forderung.
Rechtskraft
Aus
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