L 2 SF 45/19 E

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SF 45/19 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Halbierung der Pauschgebühr erfolgt, wenn durch eine Erledigung des Rechtsstreits auf andere Weise die Notwendigkeit für das Gericht entfällt, das Verfahren in der Sache streitig zu entscheiden.
2. Kontradiktorische, mithin urteilsvertretende Gerichtsentscheidungen in der Hauptsache sind Urteilen im Kontext der Ermäßigung von Pauschgebühren gleichzusetzen.
3. Zu diesen Entscheidungen zählt auch ein Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.
I. Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird die Pauschgebühr unter der Nummer 7 des Gebührenverzeichnisses des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. April 2019 (L 2 R 17/19 B ER) auf 225,00 Euro festgesetzt.

II. Die Erinnerungsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Pauschgebühren gemäß § 184 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Im Ausgangsverfahren begehrte die dortige Antragstellerin die Gewährung einer Witwenrente im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Mit Beschluss vom 11. März 2019 hatte der erkennende Senat eine Beschwerde (L 2 R 17/19 B ER) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. Dezember 2018 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle forderte von der Erinnerungsgegnerin mit dem Gebührenverzeichnis vom 10. April 2019 unter der laufenden Nr. 7 (L 2 R 17/19 B ER) die halbe Pauschgebühr in Höhe von 112,50 Euro an.

Mit seiner Erinnerung vom 7. Mai 2019, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Verfügung vom 8. Oktober 2019 nicht abgeholfen hat, macht der Erinnerungsführer geltend, dass für das Verfahren L 2 R 17/19 B ER keine ermäßigte Pauschgebühr nach § 186 SGG in Betracht komme. Es sei nicht allein vom Wortlaut der Norm auszugehen. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 186 SGG könne eine Halbierung der Gebühr nur eintreten, wenn durch die Erledigung eines Rechtsstreites auf andere Weise das Gericht von der Notwendigkeit entbunden werde, das Verfahren streitig zu entscheiden. Daher führten streitige Entscheidungen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zur Ermäßigung der Pauschgebühr.

Der Erinnerungsführer beantragt,
die Pauschgebühr in der Streitsache L 2 R 17/19 B ER (Nr. 7 des Auszugs aus dem Gebührenverzeichnis vom 10. April 2019) in voller Höhe auf 225,00 EUR festzusetzen.

Die Erinnerungsgegnerin hat keine Stellungnahme zur Sache abgegeben.

Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die Gerichtsakten, auch zum Ausgangsverfahren, Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.

II.

Die Erinnerung ist zulässig. Der Erinnerungsführer hat, wie in § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG vorgesehen, gegen die Feststellung der Gebührenschuld durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle im Gebührenverzeichnis nach § 189 Abs. 1 Satz 1 SGG binnen Monatsfrist das Gericht angerufen.

Die Entscheidung über die Erinnerung nach § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeht durch Beschluss des Senats ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 2 SGG). Anders als in § 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) bzw. in § 33 Abs. 8 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorgesehen, lässt das SGG in Verfahren nach § 189 SGG eine Entscheidung durch den Einzelrichter lediglich im Rahmen des § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 und Abs. 3, 4 SGG zu. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, denn unter keinem Gesichtspunkt handelt es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine im vorbereitenden Verfahren. Der Rechtsstreit L 2 R 17/19 B ER wurde durch Beschluss des erkennenden Senats abgeschlossen und hinsichtlich des vorliegenden Erinnerungsverfahrens handelt es sich ebenfalls um den verfahrensbeendenden Beschluss (siehe hierzu auch Reichel, in: Zeihe/Hauck, SGG, Stand: April 2017, § 189 Rn. 10a und Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 155 Rn. 8).

Die Erinnerung bezüglich der Nr. 7 des Auszuges aus dem Gebührenverzeichnis vom 10. April 2019 ist begründet.

Nach § 184 Abs. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten (Satz 1). Sie entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen (Satz 2). § 184 Abs. 2 SGG bestimmt unter anderem, dass die Gebühr für das Verfahren vor den Landessozialgerichten auf 225,00 Euro festgesetzt wird. Nach § 185 SGG wird die Gebühr fällig, soweit die Streitsache durch Zurücknahme des Rechtsbehelfs, durch Vergleich, Anerkenntnis, Beschluss oder durch Urteil erledigt ist. Nach § 186 SGG ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte, wenn eine Sache nicht durch Urteil erledigt wird (Satz 1); sie entfällt, wenn die Erledigung auf einer Rechtsänderung beruht (Satz 2).

Auch wenn sich das zugrundeliegende Beschwerdeverfahren nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss erledigt hat, liegt ein Fall des § 186 SGG gleichwohl nicht vor.

Bei Anwendung der Norm kann nicht allein auf den Wortlaut abgestellt werden (so auch Thüringer LSG, Beschluss vom 9. November 2018, L 1 SF 1194/18 und Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. Mai 2019, L 12 SF 152/19 E, beide juris). Dieser ist im zu entscheidenden Kontext unergiebig, erwähnen die kostenrechtlichen Vorschriften doch keinerlei verfahrensbeende Beschlüsse. So hat auch ältere Rechtsprechung zur Frage der Ermäßigung der Pauschgebühren bei Beschlüssen stets ein Anknüpfen allein an den Wortlaut abgelehnt (Hessisches LSG, Beschluss vom 21. Februar 1994, L 6 S 52/93; Thüringer LSG, Beschluss vom 8. Mai 2000, L 6 SF 477/99; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Juni 2006, L 9 AL 109/05; LSG Hamburg, Beschluss vom 24. März 1959, ARBs 3/59, alle juris).

Die Vorschrift soll durch Ermäßigung oder Wegfall der Pauschgebühr die Bereitschaft der gebührenpflichtigen Leistungsträger fördern, eine aussichtslose Rechtsverfolgung aufzugeben, und auf diese Weise die Gerichte entlasten (BT-Drucks. I/4357, S. 33 zu § 133). Die Ermäßigung der Gebühr nach § 186 Satz 1 SGG beruht auf der Erwägung, dass bei einer Erledigung der Streitsache ohne Urteil die dem Staat entstehenden Kosten geringer sind, als wenn ein Urteil ergeht (BSG, Beschluss vom 20. November 1964, 3 RK 77/59, SozR Nr. 1 zu § 186 SGG). Daher ist entscheidend für die Auslegung von § 186 Satz 1 SGG, dass durch eine Erledigung des Rechtsstreits auf andere Weise, etwa durch Rücknahme, Anerkenntnis oder Vergleich die Notwendigkeit entfällt, das Verfahren in der Sache streitig zu entscheiden. Unter Berücksichtigung dieses Zwecks der Vorschrift sind Urteilen in § 186 SGG kontradiktorische, mithin urteilsvertretende Gerichtsentscheidungen in der Hauptsache gleichzusetzen, denn auch in diesen Fällen hat die Aussicht auf Ermäßigung der Pauschgebühr ihr Ziel verfehlt, dass Gericht zu entlasten. Zu diesen Entscheidungen zählt auch ein Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (ebenso B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 186 SGG Rn. 2; Hartmut Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 186 SGG, Rn. 18; Groß, in: Lüdtke/Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 5. Auflage 2017, § 186 SGG, Rn. 4; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage 2014, §&8201;186 Rn.&8201;2). Denn dieser erledigt den Rechtsstreit kontradiktorisch und für die betreffende Instanz im einstweiligen Rechtsschutz endgültig. Sowohl vom Aufwand als auch von den Wirkungen ist ein Beschluss im Verfahren nach § 86b SGG einem Urteil vergleichbar (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 19a, 27 ff., 44a und § 141 Rn. 5; Wehrhahn, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 86b Rn. 65 ff., 92, 99; Wahrendorf, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 86b Rn. 238, 245 ff.). Die gegenteilige Sichtweise (Krauß, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014, § 186 Rn. 16) liefe - da das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht anders als durch Beschluss entscheiden kann - auf eine generelle Halbierung der Pauschgebühr in Eilverfahren hinaus. Dieses Ergebnis entspricht nicht der gesetzlichen Intention der Regelung (siehe auch Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage 2014, §&8201;186 Rn.&8201;2).

Unerheblich ist des Weiteren der verursachte Gerichts- oder Prüfungsaufwand im Einzelfall. Eine Berücksichtigung des konkreten Aufwands lässt sich weder der Gesetzesbegründung noch der Systematik der Norm entnehmen. Der Gesetzgeber hat vielmehr pauschalierend allein auf das Erfordernis einer kontradiktorischen Entscheidung abgestellt. Maßgeblich ist allein die Entlastung der Gerichte durch Aufgabe einer aussichtslosen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (BT-Drucks. I/4357, S. 33 zu § 133). Dieses gesetzgeberische Ziel wird erreicht, wenn das zunächst verfolgte Begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aufgegeben wird. Sodann kommt es zur Halbierung einer Pauschgebühr nach § 186 SGG, unabhängig vom konkreten vom Gericht betriebenen Aufwand in der Sache.

Dass es sich bei dem Ausgangsverfahren nicht um eine Klage oder Berufung gehandelt hat, ist unerheblich. Denn es ist keine Tatbestandsvoraussetzung des § 186 SGG, dass eine Entscheidung in einem solchen Verfahren ergeht. Entscheidend ist die Erledigung der "Sache" und diese kann ebenfalls ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren sein.

Diese Entscheidung ist nach §§ 189 Abs. 2 Satz 2, 177 SGG nicht mit einer Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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