L 1 AS 1747/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3365/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1747/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.05.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe bewilligter Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom November 2018 bis Oktober 2019, wobei die Klägerin einen höheren Regelbedarf geltend macht.

Die 1984 geborene Klägerin steht bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II.

Mit Bescheid vom 08.10.2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für November 2018 bis Oktober 2019 in Höhe von monatlich 796,00 EUR. Hierbei legte er einen Regelbedarf von 416,00 EUR zu Grunde. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 13.09.2018 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2018 als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 24.10.2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Regelsätze nicht bedarfsdeckend seien. Ihr stehe ein weitaus höherer Betrag an Regelbedarf zu. Die gegenwärtige Fortschreibung des Regelbedarfs verstoße gegen das Grundrecht auf Sicherung eines Existenzminimums und sei daher verfassungswidrig. Bei Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ergebe sich ein Regelbedarf von mindestens 575,00 EUR. Das Verfahren sei hilfsweise dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung und Prüfung vorzulegen.

Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2018 hat der Beklagte die Leistungen für Januar 2019 bis Oktober 2019 in Höhe von 804,00 EUR neu festgesetzt, wobei der Grund der Änderung die Erhöhung des Regelbedarfs auf monatlich 424,00 EUR ab Januar 2019 war.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2019 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen den ihr am 03.05.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24.05.2019 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und erneut die Auffassung vertreten hat, dass das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen sei.

Die Klägerin beantragt demnach sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.05.2019 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 08.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2018 sowie des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.11.2018 bis 31.10.2019 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Anerkennung eines Regelbedarfs in Höhe von 575,00 EUR zu gewähren,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend und verweist auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2018.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann hier gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2019 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 08.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2018 sowie des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Streitgegenstand des Verfahrens ist die Gewährung höherer monatlicher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 01.11.2018 bis 31.10.2019, ohne die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Die Klägerin hat den Streitgegenstand insoweit in zulässiger Weise begrenzt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R -, Rn. 10, juris).

Mit dem Bescheid vom 08.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2018 sowie dem Änderungsbescheid vom 24.11.2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von 01.11.2018 bis 31.12.2018 unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs von 416,00 EUR sowie für die Zeit von 01.01.2019 bis 31.10.2019 unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs von 424,00 EUR. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Leistungen liegen nicht vor und werden auch nicht geltend gemacht. Der vom Beklagten zu Grunde gelegte Regelbedarf von 416,00 EUR (2018) bzw. 424,00 EUR (2019) entspricht § 20 Abs. 1, Abs. 1a, Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. § 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. dem Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII in der Fassung vom 22.12.2016 (Regelbedarfsermittlungsgesetz – RBEG; § Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2018 – RBSFV 2018 sowie § 2 Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2019 – RBSFV 2019). Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Gewährung eines höheren Regelbedarfs besteht nicht. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Bemessung der Regelbedarfe für 2018 und 2019 den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung der Höhe und der Art der Leistungen zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.07.2016 - 1 BvR 371/11 -, Rn. 38 f, juris). Dieser Gestaltungsspielraum führt dazu, dass sich die verfassungsrechtliche Kontrolle der Höhe der Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auf die Prüfung beschränkt, ob die Leistungen evident unzureichend sind (BVerfG, Beschluss vom 27.07.2016, a.a.O, Rn. 40 ff). Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur dann, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist. Jenseits dieser Evidenzkostrolle wird lediglich überprüft, ob die Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sind (BVerfG, Beschluss vom 27.07.2016, a.a.O.). Trotz der Kritik verschiedener Wohlfahrtsverbände haben das BVerfG und auch das Bundessozialgericht (BSG) unter Berücksichtigung dieser Prämissen die Ermittlung der Regelsätze aufgrund der Auswertung einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) als verfassungsgemäß angesehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 - u.a., juris; BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 153/11 R -, Rn. 21 ff, juris).

Da die hier streitige Regelbedarfsermittlung für 2018 und 2019 nach denselben Grundsätzen erfolgt ist, hat der Senat keinerlei Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit (vgl. für 2018: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.06.2018 – L 19 AS 941/18 B –, Rn. 9, juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 20.03.2019 – L 11 AS 335/18 –, Rn. 23, juris). Mangels verfassungsrechtlicher Bedenken an der Höhe der Regelleistung 2018 und 2019 sah sich der Senat auch nicht zur Vorlage des Rechtsstreits nach Art. 100 Grundgesetz an das BVerfG veranlasst.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat im Übrigen auf die ausführlichen und zutreffenden Darstellungen des SG Bezug und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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