L 5 KR 502/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 590/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 502/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die fingierte Genehmigung nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V kann als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung qualifiziert werden, da sie in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus Wirkungen zeitigt.
2. Für die Rücknahme einer fingierten Genehmigung gilt die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X, welche nach Einschaltung des MDK bei Erlass des Bescheides, spätestens aber des Widerspruchsbescheides zu Laufen beginnt.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.09.2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Bescheid vom 07.12.2016 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25.04.2017 wird aufgehoben.

III. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch für die Berufung von der Beklagten zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Kostenerstattung und Naturalleistungen auf dem Gebiet der post-bariatrischen Straffungsoperationen.

1. Die 1966 geborene Klägerin führte im April 2012 zu Lasten der Beklagten eine magenverkleinerte Sleeve-Gastrektomie durch und verlor bis Mitte 2013 ca. 50 Kilo an Gewicht. Mit Antrag vom 01.09.2013, eingegangen am 03.09.2013, beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage von Attesten (D.-Krankenhaus W-Stadt vom 12.06.2013, Allgemeinmediziner Dr. K. vom 14.06.2013, Gynäkologin Dr. A. vom 05.08.2013, L. M-Stadt vom 10.09.2012, 23.10.2012 und 26.06.2013) sowie Fotodokumentation wegen massiver Hautüberschüsse und Bildung von Ekzemen und Hautmykosen die Kostenübernahme für vier Straffungsoperationen (zirkuläre Dermofettresektion, Oberarmrekonstruktion, Bruststraffung, Oberschenkelrekonstruktion). Mit Bescheid vom 25.09.2013 bewilligte die Beklagte nach Stellungnahme durch den MDK vom 12.09.2013 eine Faszienduplikatur mit Nabelinsertion und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Auf Widerspruch der Klägerin mit der Begründung der medizinischen Notwendigkeit aufgrund körperlicher Beschwerden und Entstellung schaltete die Beklagte erneut den MDK ein. Dieser diagnostizierte eine lokalisierte Adipositas und bestätigte die funktionellen Beeinträchtigungen durch die Bauchwanddeckenschürze. Im Übrigen könne das Krankheitsbild an Brüsten, Armen und Beinen konservativ behandelt werden. Es bestehe keine medizinische Indikation für die beantragten Maßnahmen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2014 zurückgewiesen.

2. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben. Das Gericht hat ein Gutachten des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. L. eingeholt. Nach persönlicher Untersuchung der Klägerin am 26.06.2014 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, die beantragten Maßnahmen seien nicht medizinisch indiziert. Das Gutachten ist dem Prozessbevollmächtigen der Klägerin mit Schreiben vom 15.07.2014 zugesandt worden. Am 22.07.2014 hat die Klägerin die von der Beklagten genehmigte Operation sowie die mit Bescheid vom 25.09.2013 abgelehnte Dermofettresektion (zur Gesäßstraffung) in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenkenhaus (D.-Krankenhaus W-Stadt, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität B.) durchgeführt. Für letzteren Eingriff hat die Klägerin bereits im Vorfeld der Operation 4.767,14 EUR zur Begleichung einer mit Chefarzt Dr. R. abgeschlossenen Honorarvereinbarung überwiesen (Zahlungseingang per Überweisung am 09.07.2014).

Der auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG beauftragte Sachverständige Dr. Z., Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Chirurgie und Handchirurgie, hat in seinem Gutachten vom 17.07.2015 im Wesentlichen das Ergebnis von Dr. L. bestätigt, eine Oberarmstraffung hat er für medizinisch sinnvoll erachtet. Der MDK hat in einem weiteren Gutachten die medizinische Indikation insgesamt verneint.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 01.09.2016 mit der Begründung des Eintritts der Genehmigungsfiktion mit Ablauf des 24.09.2013 stattgegeben und die Beklagte zur Kostenerstattung in Höhe von 4.767,14 EUR sowie zur Naturalleistungspflicht hinsichtlich der beantragten Operationen von Oberarmen, Brust und Oberschenkeln verurteilt.

3. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, die Genehmigungsfiktion sei nicht eingetreten, da der Klägerin hätte klar sein müssen, dass es sich um kosmetische Operationen handelte. Die selbstbeschaffte Operation (Dermofettresektion) sei unmittelbar nach der Begutachtung durch Dr. L. durchgeführt worden. Dies zeige, dass die Klägerin "im Schnellverfahren" vollendete Tatsachen schaffen wollte. § 13 Abs.3a S. 7 SGB V stelle auf die Erforderlichkeit der Leistungen zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung ab. Dazu sei durch Befragung des Sachverständigen Dr. L. zu ermitteln, ob dieser der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung (26.06.2014) das Gutachtensergebnis mitgeteilt hat. Sollte die Genehmigungsfiktion eingetreten sein, sei diese mit Bescheid vom 07.12.2016 nach § 45 SGB X zurückgenommen worden. Der Widerspruch der Klägerin gegen den Rücknahmebescheid ist mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2017 zurückgewiesen worden.

Am 15.02.2017 hat die Beklagte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 199 Abs. 2 SGG gestellt. Der Senat hat den Antrag mit Beschluss vom 08.03.2017 abgelehnt (Az.: L 5 KR 107/17 ER), da die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Berufungsinstanz zu bejahen seien. Mit Ausführungsbescheiden vom 16.03.2017 und 20.03.2017 hat die Beklagte die Kostenerstattung und die Sachleistung unter dem Vorbehalt der Rückforderung bewilligt.

In der mündlichen Verhandlung hat die Bevollmächtigte der Beklagten angegeben, die bewilligte Bauchdeckenstraffung sei von einem zugelassenen Krankenhaus am 22.07.2014 mit 2.842,39 EUR abgerechnet und von der Beklagten beglichen worden. Deshalb erscheinen Abrechnungspunkte in der Chefarztabrechnung vom 22.07.2014 mit der Abrechnung des Krankenhauses kongruent und damit bereits beglichen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.09.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 07.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2017 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass es im Hinblick auf die Fiktionsfähigkeit allein auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt und verweist im Übrigen auf die Rechtsprechung zu § 13 Abs. 3a SGB V und die fehlenden Voraussetzungen der Rücknahmemöglichkeit der Fiktion.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Gerichtsakte des Verfahrens L 5 KR 101/17 ER sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Das Begehren der Klägerin ist in Form einer allgemeinen Leistungsklage und isolierten Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 25.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2014 (§§ 54 Abs. 5, 54 Abs. 1 S. 1, 56 SGG) Gegenstand der Klage- und des Berufungsverfahrens (BSG, Urt. v. 11.07.2017 - B 1 KR 1/17 R). Zudem ist der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 07.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2017 Gegenstand des Verfahrens geworden (§ 96 SGG, BSG, Urt. v. 07.11.2017 - B 1 KR 15/17 R).

2. Die Berufung ist unbegründet, denn die Genehmigungsfiktion für die beantragten Behandlungen ist gemäß § 13 Abs. 3a SGB V eingetreten.

a) Der Antrag der Klägerin vom 01.09.2013 ist fiktionsfähig.

Hierzu wird das Folgende festgestellt: Die Klägerin ist als Mitglied der Beklagten leistungsberechtigt. Ihr Antrag enthielt durch die Bezugnahme auf die konkrete Therapieempfehlung des D.-Krankenhauses vom 12.06.2013 eine spezielle Leistung. Er ist damit hinreichend bestimmt (§ 33 SGB X) im Sinne eines vollstreckungsfähigen Verfügungssatzes (BSG, Urt. v. 11.07.2017 - B 1 KR 1/17 R). Die Klägerin durfte die beantragten Leistungen für erforderlich halten, denn die aktenkundigen ärztlichen Atteste haben der Klägerin durch den Hautüberschuss nach Gewichtsverlust funktionelle Beeinträchtigungen, Ekzeme und Pilzerkrankungen bestätigt, welche nach fachärztlicher Einschätzung operativ zu behandeln waren. Bei dieser Sachlage liegt der Gedanke des Rechtsmissbrauchs fern (BSG, Urt. v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R). Insoweit Spätere Erkenntnisse bleiben für die maßgebliche subjektive Einschätzung der Klägerin eventuelle spätere Erkenntnisse außer Betracht (Urteile des BayLSG v. 12.01.2017 - L 4 KR 37/15 und 22.02.2018 - L 4 KR 526/16, anhängig unter Az.: B 1 KR 18/18 R)

b) Die Beklagte hat keine fristgerechte Entscheidung getroffen.

Ausgehend vom Antragseingang am 03.09.2013 ist tatsächlich die Dreiwochenfrist (§ 13 Abs. 3a S. 1 SGB V) am 24.09.2013, 24 Uhr, abgelaufen gewesen (§§ 26 Abs. 1 SGB X, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Fünfwochenfrist ist nicht einschlägig, da die Beklagte die Klägerin über die Einschaltung des MDK nicht unterrichtet hat (BSG, Urt. v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R). Damit ist der Eintritt der Genehmigungsfiktion auf den 25.09.2013, 0 Uhr, festzustellen.

c) Rechtsfolge des Eintritts der Genehmigungsfiktion ist die Kostenerstattungspflicht nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V hinsichtlich der selbstbeschafften Leistung sowie nach der Rechtsprechung des BSG ein Anspruch auf die weiteren begehrten Operationen als Naturalleistung (ausführlich zur Gleichstellung von Naturalleistung und Kostenerstattung unter Wahrung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, BSG, Urt. v. 07.11.2017 - B 1 KR 24/17 mwN).

Die Inanspruchnahme der Gesäßstraffungsoperation am 22.07.2014 war - wie festgestellt - erforderlich im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V. Die selbstbeschaffte Krankenbehandlung entsprach in Art und Umfang der Genehmigungsfiktion.

Grundsätzlich stehen Leistungen der GKV unter dem Vorbehalt §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V, jedoch gilt im Rahmen der Genehmigungsfiktion die Einschränkung dahingehend, dass die Leistung nach der subjektiven Einschätzung der Versicherten nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen darf (BSG, Urt. v. 11.07.2017 - B 1 KR 1/17 R). Bei Beachtung von Art und Umfang der fingierten Genehmigung durfte vorliegend die Klägerin zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung davon ausgehen, dass die fingierte Genehmigung weiterhin Wirkung trägt. Die Fiktion schützt den Adressaten so lange bis eine - für den Versicherten erkennbare - Erledigung eingetreten ist. Die Klägerin durfte vorliegend der fachärztlichen Einschätzung der behandelnden Ärzte nach deren vorgelegten Attesten vertrauen.

Festzustellen ist, dass keine Erledigung durch geänderte Umstände gegeben ist. Der Vortrag der Beklagten zur mangelnden Erforderlichkeit stellt allein auf die medizinischen Gutachten ab, die im Verwaltungs- und (im Ergebnis unnötigerweise) im Gerichtsverfahren eingeholt worden sind und den Attesten der behandelnden Ärzte der Klägerin widersprechen. Diese Gutachten führten für die Beklagte eine positive Beweislage herbei, falls es allein auf die medizinische Notwendigkeit der Leistung ankäme. Sie haben jedoch - wie auch die ablehnenden Bescheide der Beklagten (BSG, Urt. 26.09.2017 - B 1 KR 6/17 R) - keinen Einfluss auf die subjektive Erforderlichkeit nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V. Die Genehmigungsfiktion könnte nicht den vom Gesetzgeber gewollten Effekt erzielen, wenn sie in ihren Auswirkungen durch eine - überflüssige und zudem zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene - gerichtliche Beweisaufnahme ausgehebelt werden könnte. Damit ist Beweisanregung der Beklagten, Dr. L. zu befragen, ob er der Klägerin bereits am 26.06.2014 das Gutachtensergebnis mitgeteilt hat, mangels Entscheidungsrelevanz nicht nachzukommen gewesen. Im Übrigen ist im vorliegenden Klageverfahren die Klägerin auch nach der Begutachtung von Dr. L. weiterhin von der medizinischen Erforderlichkeit und einem Anspruch aus §§ 27, 39 SGB V ausgegangen, was ihr Antrag nach § 109 SGG im November 2014 zeigt.

d) Die fingierte Genehmigung ist weder durch den Bescheid der Beklagten vom 07.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2017 rechtswirksam gem. § 45 SGB X zurückgenommen worden noch in sonstiger Weise erloschen.

aa) Folgt man der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG fehlt es bereits an der Rechtswidrigkeit der Genehmigungsfiktion und damit an der Anwendbarkeit von § 45 SGB X. Der durch § 13 Abs. 3a SGB V fingierte Verwaltungsakt erwirkt verfahrensrechtlichen Vertrauensschutz durch die Schranken für seine Beseitigung. Eine Genehmigung ist rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Es fehlt auch jeder Grund, eine Durchbrechung der Regelung des § 45 Abs. 1 SGB X aus einer entsprechenden Anwendung des § 42a Abs. 1 S. 1 VwVfG abzuleiten (Urt. v. 07.11.2017- B 1 KR 15/17 R und B 1 KR 24/17 R).

bb) Wenn man mit dem 3. Senat (Urt. v. 11.05.2017 - B 3 KR 30/15 R) grundsätzlich eine Anwendung von § 45 SGB X aufgrund einer Verletzung des materiellen Rechts im Sinne der Leistungsvoraussetzungen der §§ 27, 39 SGB V für möglich hält, sind vorliegend jedenfalls die weiteren Voraussetzungen der Rücknahme anzuzweifeln.

aaa) Die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 S.1 SGB X nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts (hier Eintritt der Fiktion am 25.09.2013) ist am 24.09.2015 verstrichen. Der Rücknahmebescheid datiert auf den 07.12.2016.

Die fingierte Genehmigung nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V kann als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung qualifiziert werden, da sie in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus Wirkungen zeitigt (zur Definition vgl. BSG, Urt. v. 20.06.2001 - B 11 AL 10/01 R). Bescheide, deren Regelungswirkung sich auf einmalige Leistungen beschränken (Bewilligung bzw. Ablehnung einer Krankenbehandlung), sind grundsätzliche keine Dauerverwaltungsakte. Eine Genehmigungsfiktion begründet jedoch über den Zeitpunkt des Eintritts hinaus ein Rechtsverhältnis, das bis zur Inanspruchnahme der Naturalleistungen oder der Kostenerstattung - d.h. wie vorliegend über mehrere Jahre hinweg - Wirkungen entfaltet. Damit ist der Schutzgedanke des § 45 Abs. 3 SGB V, nämlich die Stärkung des Begünstigten mit zunehmenden zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der Leistungsbewilligung, auch auf Genehmigungsfiktionen anzuwenden (aA LSG NRW Urt. v. 06.04.2017 - L 16 KR 202/16 ohne weitere Begründung bei Abstellen auf die der Fiktion unterliegende einmalige Leistung).

Fristverlängernde Sachverhalte nach § 45 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB X sind nicht gegeben. Die Voraussetzungen von § 45 Abs. 3 S. 2 SGB X (Wiederaufnahme nach § 580 ZPO) liegen nicht vor. Eine Bösgläubigkeit der Klägerin nach § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X ist auszuschließen (§ 45 Abs. 3 S. 3 SGB X). Dies ist zu Recht auch von der Beklagten im Bescheid vom 07.12.2016 bestätigt worden.

bbb) Hinsichtlich einer Rücknahme für die Vergangenheit - mit dem beabsichtigten Ergebnis des Wegfalls des Kostenerstattungsanspruchs für die am 22.07.2014 durchgeführte Operation - gilt zudem die Rücknahmefrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X. Die Jahresfrist, in der die Verwaltung tätig werden muss, stellt auf die Kenntnis sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung erforderlichen Tatsachen ab (BSG, Urt. v. 25. 10. 1995 - 5/4 RA 66/94), nicht jedoch auf die zutreffende rechtliche Bewertung. Bei Erlass des Bescheids vom 25.09.2013, spätestens mit Erlass des Widerspruchsbescheids nach wiederholter Einschaltung des MDK am 09.04.2014, hat die Behörde Kenntnis von den Tatsachen gehabt, die zum Eintritt der Genehmigungsfiktion trotz Nichtvorliegens der medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsbewilligung führen könnten. Vom fehlenden Vertrauensschutz der Klägerin (im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X) war die Beklagte, wie sie in ihrer Berufungsbegründung ausführt, subjektiv bereits aufgrund der "diametral entgegenstehenden Gutachten" des MDK, spätestens aufgrund des gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. vom Juli 2014 überzeugt. Damit ist die Jahresfrist im Juli 2015 abgelaufen.

Der Bescheid vom 07.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2017 ist im Ergebnis rechtswidrig und aufzuheben.

cc) Die Genehmigungsfiktion hat auch nicht anderweitig ihre Wirkung verloren, insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Widerrufs (§ 47 SGB X) nicht vor.

3. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin besteht in Höhe von 4.767,14 EUR.

Die Klägerin hat in dieser Höhe eine Honorarleistungsvereinbarung mit dem Chefarzt des D.-Krankenhaus W-Stadt, Herrn Dr. R., abgeschlossen. Ausweislich der Liquidation vom 22.07.2014 hat Dr. R. diesen Betrag am 09.07.2014 per Überweisung erhalten. Die Klägerin ist durch die Liquidation belastet, da sie aus der Honorarvereinbarung zur Zahlung zivilrechtlich verpflichtet war (vgl. BSG, Urt. v. 11.07.2017 - B 1 KR 1/17 R). Etwaige Abrechnungsunstimmigkeiten des Krankenhauses, wie etwa eine zweifache Geltendmachung bestimmter Abrechnungsposten im Zusammenhang mit der ebenfalls am 22.07.2014 zu Lasten der Beklagten durchgeführten Faszienduplikatur mit Nabelinsertion, sind im Hinblick auf den Erstattungsanspruch der Klägerin ohne Relevanz. Sie sind gegebenenfalls zwischen der Beklagten und ihrem nach § 108 SGB V zugelassenen Leistungserbringer zu klären.

Die Berufung der Beklagten ist vollumfänglich zurückzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 193, 183 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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