L 10 U 4819/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 18 U 1911/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4819/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.10.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Risses im Innenmeniskushinterhorn links als (weitere) Unfallfolge streitig.

Der am 1968 geborene Kläger ist seit November 1997 bei der O. B. GmbH & Co. KG - einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten - als Lagerfachkraft beschäftigt. Am 15.10.2013 verletzte er sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit am linken Knie. Nach dem Ende seiner Arbeitszeit stellte er sich gegen 16.00 Uhr beim Durchgangsarzt Dr. K. vor und gab an, ihm sei gegen 7.00 Uhr eine Gasflasche auf das linke Knie gefallen; nach dem Unfall habe er weitergearbeitet. Dr. K. ging nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung (Befund: im Stehen physiologische Beinachse, sichtbare Schwellung, kein palpabler Kniegelenkserguss, Beweglichkeit für Streckung/Beugung 0-0-140°, Seiten- und Kreuzbänder stabil, Meniskuszeichen negativ, Druckschmerz über Innenband) diagnostisch von einer Kontusion und Distorsion des linken Kniegelenks aus, legte einen Tape-Verband an und erachtete den Kläger, der keine Arbeitsunfähigkeit wünschte, für arbeitsfähig (Bl. 1-1 VA).

Nach einer am 23.10.2013 durchgeführten Magnetresonanztomografie (MRT) des linken Kniegelenks berichtete der Radiologe Dr. G. von einem ausgeprägten Weichteilödem des Kniegelenks, ventro-lateralseitig betont, mit begleitendem Kniegelenkserguss sowie Bakerzystenbildung, einer Degeneration des Außenmeniskus am Vorderhorn ohne Rissbildung, einer höhergradigen Degeneration des Innenmeniskus am Hinterhorn mit begleitender Rissbildung sowie Reizzeichen im medialen Kniegelenkskompartiment und intakten Kreuzbändern. Es zeige sich eine Rissbildung am Innenmeniskushinterhorn mit begleitendem Erguss sowie Bakerzystenbildung und Bursitis präpatellaris (Bl. 26-3 VA). Am 20.11.2013 erfolgte im Rahmen einer Arthroskopie eine Innenmeniskusteilresektion (vgl. OP-Bericht des Dr. K. , Bl. 47-1 VA). Im pathologischen Befund sah Prof. Dr. K. keine nennenswerte degenerative Gewebsschädigung und Mikroeinblutungen (vgl. Bl. 47-2 VA).

Mit Bescheid vom 18.03.2015 (Bl. 37 VA) erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an und stellte eine Prellung mit Weichteilödembildung des linken Kniegelenks, die innerhalb von acht Wochen folgenlos ausheile, als Unfallfolge fest. Die im MRT-Befund festgestellte Schädigung beider Menisken im linken Kniegelenk sei unfallunabhängig und degenerativ. Sie könne nach unfallmedizinischer Lehrmeinung nicht auf den geschilderten Unfallhergang zurückzuführen sein. Im dagegen erhobenen Widerspruch ergänzte der Kläger zum Unfallhergang, dass die Gasflasche ihn trotz Ausweichbewegung seitlich am Knie getroffen habe, sodass der Meniskusschaden dadurch entstanden sein könne (Bl. 46 VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2015 (Bl. 53-1 f. VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach der unfallmedizinischen Literatur könne eine isolierte traumatische Meniskusschädigung nur bei einer Fixierung des Unterschenkels oder Fußes auftreten. Eine solche Fixierung habe nach den klägerischen Angaben nicht vorgelegen.

Dagegen hat der Kläger am 29.06.2015 zum Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und in der mündlichen Verhandlung beantragt, den Riss im Innenmeniskushinterhorn links als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 15.10.2013 festzustellen. Er hat das an seine Bevollmächtigten gerichtete Attest des behandelnden Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. K. vom 09.10.2015 (Bl. 28 SG-Akte) vorgelegt, in dem dieser über die Arbeitsunfälle vom 19.03.2013 (Schädigung des rechten Kniegelenks; dieser Rechtsstreit ist vor dem erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen L 10 U 4818/16 erfolglos geblieben) und 15.10.2013 mit nachfolgend arthroskopisch behandelten Innenmeniskushinterhornrissen zunächst rechts- und dann linksseitig berichtet und mitgeteilt hat, dass die intraoperativen Veränderungen sowie die histologische Untersuchung des Meniskus eine traumatische Ursache vermuten ließen.

In der nichtöffentlichen Sitzung des SG, in welcher der Kläger zum Unfallhergang befragt worden ist, hat er diesen dahingehend geschildert, dass ihm beim Auswechseln der Gasflasche am Gabelstapler die neue volle Flasche aus der Hand gerutscht sei, als er sie waagerecht hochgehoben habe, um sie in die Führung hineinzuheben. Als Ausweichbewegung sei er einen Schritt zurückgetreten, wo ein Rollwagen auf Wadenhöhe gestanden habe. Dieser sei daraufhin seitlich weggerollt, sodass der Kläger halb auf den Hintern und halb auf den Wagen gefallen sei. Sein Gewicht sei auf dem linken Bein gewesen und mit diesem sei er dann gefallen und habe sich dabei das linke Knie verdreht. Trotz der Ausweichbewegung habe die Gasflasche ihn in einer Pendelbewegung am linken inneren Knie touchiert, denn sie sei ihm erst aus der rechten Hand gerutscht und dann zeitlich versetzt auch aus der linken (vgl. Niederschrift vom 18.02.2016, Bl. 53 ff. SG-Akte).

Das SG hat Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Er hat hinsichtlich des linken Kniegelenks über die Erstvorstellung des Klägers am 15.10.2013 sowie die Wiedervorstellungen am 21.10.2013 (Bl. 39 SG-Akte: kein Hämatom, leichte Überwärmung, diskreter intraartikulärer Erguss, kein Patelladruck- oder -verschiebeschmerz, Extension/Flexion 5-0-140°, stabile Seitenbänder, Meniskuszeichen negativ) und am 04.11.2013 (Bl. 40 SG-Akte: kein intraartikulärer Erguss, kein Patelladruckschmerz, Extension/Flexion 0-0-150°, stabile Seitenbänder, Innenmeniskuszeichen positiv, Druckschmerz medialer Gelenkspalt) berichtet. Laut Aktenlage habe sich der Kläger schon einmal am 08.11.2010 wegen Beschwerden am linken Kniegelenk vorgestellt, wobei die Beweglichkeit für Streckung/Beugung 0-0-140° betragen habe, die Seiten- und Kreuzbänder stabil und die Meniskuszeichen negativ gewesen seien. Zudem hat Dr. K. u.a. den histologischen Befund von Prof. Dr. K. vom 26.11.2013 (Bl. 51 SG-Akte: dreiteiliges Meniskusresektat linkes Knie ohne nennenswerte degenerative Gewebsschädigung, mit spaltförmigen Rissbildungen, Mikroeinblutung und fokaler, unspezifischer fibrinöser Entzündungsreaktion; polarisationsoptisch keine Hinweise auf Kristallarthropathie) vorgelegt. Die vom SG darüber hinaus als sachverständige Zeugin angehörte Fachärztin für Innere Medizin von der H. hat angegeben, keine orthopädischen Befunde erhoben zu haben (Bl. 63 SG-Akte).

Das SG hat sodann das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. P. eingeholt, der den Kläger im Juni 2016 untersucht hat. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Unfall zu einer Prellung des linken Kniegelenks geführt habe, die vollständig ausgeheilt sei (Bl. 92 SG-Akte). Die nach dem Unfall angefertigte Kernspintomografie zeige eine komplexe Destruktion des Innenmeniskushinterhorns und nicht einen, wie in der Regel bei einer traumatisch verursachten Verletzung vorliegenden, mehr oder weniger glatten Riss dieser knorpeligen Struktur (Bl. 89 SG-Akte). Verantwortlich für die Notwendigkeit der Resektion des Innenmeniskushinterhorns sei daher die bereits zum Unfallzeitpunkt bestehende Degeneration des Meniskus mit bereits im Jahr 2010 dokumentierter Behandlungsbedürftigkeit des Gelenks und einer in den unfallnah angefertigten Kernspintomografien bereits nachgewiesener Bakerzyste, die sicher nicht in dem achttägigen Intervall zwischen Unfall und Durchführung dieser Untersuchung entstanden sein könne (Bl. 90 SG-Akte). Bei der Entstehung eines kernspintomografisch nachgewiesenen Ödems praepatellar und ventral des Ligamentum patellae habe im Wesentlichen eine von ventral auf das Kniegelenk einwirkende Kraft vorgelegen, bei der die Einwirkung einer Torsionskomponente - unabhängig ob von rechts oder links und vor allem bei nicht festgestelltem Fuß - viel zu gering gewesen sei, um eine Verletzung des Meniskus zu verursachen (Bl. 94 SG-Akte).

Mit Urteil vom 14.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. P. hat es ausgeführt, dass bereits das vom Kläger geschilderte Unfallereignis nicht geeignet gewesen sei, einen Riss am Innenmeniskushinterhorn herbeizuführen. Auch die kernspintomografisch nachgewiesene und später arthroskopisch betätigte Form des Innenmeniskusrisses spreche gegen ein Beruhen des Knieschadens auf dem Unfallereignis. Schließlich bestätige auch der Nachweis einer Bakerzyste bereits acht Tage nach dem Unfall das Vorbestehen einer wesentlichen Degeneration des Meniskus.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 05.12.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.12.2016 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Der behandelnde Orthopäde Dr. K. habe im Arztbrief vom 09.10.2015 ausgeführt, dass es durch den Unfall zu einer nach dorsal gerichteten Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk gekommen sei. Der histologische Befund des linken Innenmeniskus habe durchaus Hinweise auf ein traumatisches Geschehen gezeigt und es seien keine degenerativen Gewebeschädigungen gefunden worden. Es sei daher davon auszugehen, dass die Verletzung eine Folge des Unfalls vom 15.10.2013 sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.10.2016 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 18.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2015 als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 15.10.2013 den Riss im Innenmeniskushinterhorn links festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Der Senat hat Prof. Dr. K. zu dem von ihm erhobenen histologischen Befund und Dr. K. ergänzend zu dem intraoperativ erhobenen Befund schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Prof. Dr. K. hat mitgeteilt, dass die Vorgeschichte eines fünf Wochen vor Gewebeentnahme aufgetretenen Risses mit den Befunden grundsätzlich vereinbar sei. Allerdings würden keine Befunde vorliegen, welche eine exakte Terminierung zuließen. Es sei wahrscheinlich, dass der entstandene Schaden durch eine externe Einwirkung und in der jüngeren Vergangenheit entstanden sei (Bl. 26 LSG-Akte). Dr. K. hat ausgeführt, dass sich intraoperativ ein ausgedehnter Lappenriss des Innenmeniskus gezeigt habe. Ein solcher Befund sei mit einer traumatischen Ursache vereinbar. Allerdings ließen die komplexen Rissbildungen mit zusätzlichen horizontalen Rupturverläufen, der deutlichen Ausdünnung der unteren Lamelle sowie die Auffaserung der Rupturränder eine degenerative Mitbeteiligung vermuten (Bl. 20 LSG-Akte). In einem auf Nachfrage des Senats vorgelegten Schreiben an die Klägerbevollmächtigten vom 08.08.2016 hat Dr. K. zudem erläutert, dass es zu einer nach dorsal gerichteten Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk gekommen sei, die nach der Literatur und Erfahrung wohl nicht als Ursache für die Meniskusschädigung angesehen werden könne. Bei kritischer Betrachtung der gesamten Situation und der vorliegenden Befunde müsse festgehalten werden, dass sich bei der makroskopischen Betrachtung beider Kniegelenke eine sehr komplexe Rissbildung mit Rissverläufen in verschiedenen Ebenen dargestellt habe. Dies spreche im Allgemeinen für eine degenerative Vorschädigung; bei einer rein traumatischen Ursache stellten sich meist isolierte radiär bzw. längs verlaufende Risse dar (Bl. 33 LSG-Akte).

Sodann hat der Senat die MRT-Aufnahmen vom 23.10.2013 von Prof. Dr. W. (Facharzt für Radiologie/Neuroradiologie) begutachten lassen. Dieser hat festgestellt, dass sich ein Knochenmarködem als Ausdruck eines kürzlich stattgehabten Traumas nicht finde (Bl. 41 LSG-Akte). Die vorliegende überwiegend horizontal verlaufende Rissbildung im Innenmeniskushinterhorn des linken Knies mache eine degenerative Vorschädigung wahrscheinlich. Dies werde unterstrichen durch das Vorliegen einer Bakerzyste und einer leichten Verdickung der Synovia, beides Ausdruck eines wahrscheinlich länger bestehenden Reizzustands im linken Kniegelenk (Bl. 43 f. LSG-Akte).

Daran anschließend hat der Senat das fachorthopädische/traumatologische Gutachten von Dr. W. eingeholt, der den Kläger am 09.08.2018 untersucht hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der berichtete Unfall nach den vorliegenden medizinischen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht geeignet sei, die hier vorliegende Teilzerreißung des Innenmeniskus am linken Kniegelenk herbeizuführen, da deutliche Zweifel bestünden, ob eine Verdrehung des Kniegelenkes bei festgestelltem Fuß stattgefunden habe (Bl. 104 LSG-Akte). Zudem komme es bei Verletzungen traumatischer Art des Innenmeniskus in der Regel auch zu weiteren Verletzungen am Bandapparat, was im vorliegenden Fall weder kernspintomografisch noch intraoperativ festgestellt worden sei, ebenso wenig wie eine Knorpelfraktur oder ein -abriss (Bl. 102 LSG-Akte). Ebenso gegen einen traumatischen Riss des Innenmeniskus spreche der klinische Verlauf nach dem Unfall. Zunächst habe der Kläger weiterarbeiten können; eine Arbeitsunfähigkeit sei nicht gewünscht worden. Bei der Erstuntersuchung habe sich kein palpabler Kniegelenkserguss gefunden und die Beweglichkeit sei mit 0-0-140° für die Streckung und Beugung unauffällig, die Seiten- und Kreuzbänder stabil und die Meniskuszeichen negativ gewesen. Auch bei der Kontrolluntersuchung am 21.10.2013 habe sich kein Hämatom gefunden, auch hier seien die Meniskuszeichen negativ gewesen. Erst am 04.11.2013 seien bei fehlendem intraartikulärem Erguss und freier Beweglichkeit sowie stabilen Seitenbändern ein positives Innenmeniskuszeichen und ein Druckschmerz am medialen Gelenkspalt berichtet worden (Bl. 104 LSG-Akte). Es sei eher von einer fortschreitenden Zermürbung des degenerativ veränderten Innenmeniskus auszugehen; der Unfall sei auf eine bereits bestehende krankhafte Anlage getroffen, bei der auch alltägliche Ereignisse wie z.B. (u.a.) das Einnehmen einer hockenden Bewegung oder Treppensteigen den Schaden am linken Kniegelenk hätten verursachen können (Bl. 105 LSG-Akte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger begehrt, nachdem die Beklagte diesen Schaden in den angefochtenen Bescheiden als nicht unfallbedingt feststellte, die gerichtliche Feststellung eines Innenmeniskusrisses am Hinterhorn im linken Kniegelenk als Gesundheitsschaden im Gefolge des Arbeitsunfalles vom 15.10.2013. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Klage die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalles ist. Eine solche Feststellung einer Unfallfolge begehrt der Kläger allerdings nicht. Denn der Meniskusriss wäre - einen ursächlichen Zusammenhang hier unterstellt - nicht Folge des Unfalles, sondern der dem Begriff des Unfalles immanente Primärschaden oder Gesundheitserstschaden (s. zur Unterscheidung von Gesundheitserstschaden und Unfallfolge BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 16/11 R, Rdnr. 19, zitiert wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris). Allerdings hat das Bundessozialgericht die Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG - ohne Problematisierung - auf die Feststellung von Gesundheitserstschäden erweitert (BSG, Urteil vom 24.07.2012, B 2 U 23/11 R, Rdnr. 14). Damit ist die vom Kläger erhobene Feststellungsklage zulässig.

Die zulässige Feststellungsklage ist hingegen unbegründet. Denn soweit die Beklagte es mit Bescheid vom 18.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2015 ablehnte, den Riss am Innenmeniskushinterhorn des linken Kniegelenks als Unfallfolge bzw. Gesundheitserstschaden anzuerkennen, ist dies rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Entsprechend hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Auch nach Auffassung des Senats führte das angeschuldigte Ereignis vom 15.10.2013 nicht zu dem nachfolgend objektivierten Einriss am Hinterhorn des Innenmeniskus am linken Kniegelenk.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Der Senat hält es nicht für wahrscheinlich, dass das Ereignis vom 15.10.2013 naturwissenschaftliche Ursache des vom Kläger zur Feststellung begehrten Gesundheitsschadens war. Denn in dem oben dargelegten Sinne kann das Unfallereignis hinweg gedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele.

Gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. P. ist das SG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass nach den Gesamtumständen mehr Gesichtspunkte gegen als für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem in Rede stehenden Ereignis und dem nachfolgend objektivierten Riss im Innenmeniskushinterhorn des linken Kniegelenks sprechen und in dem oben dargelegten Sinn ein entsprechender Ursachenzusammenhang daher nicht wahrscheinlich ist. Das SG hat dabei unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, jetzt 9. Auflage 2017, S. 656) zutreffend dargelegt, dass das Schadensbild mit einer komplexen Destruktion des Innenmeniskushinterhorns - so Dr. P. nach Auswertung der MRT-Aufnahmen vom 23.10.2013 - für eine nichttraumatische Entstehung des Schadens spricht, da bei einer traumatischen Verletzung in der Regel ein mehr oder weniger glatter Riss dieser knorpeligen Struktur vorliegt (Bl. 89 SG-Akte). Auch das Fehlen von Begleitverletzungen - Dr. P. hat insoweit festgestellt, dass die Kreuz- und Seitenbänder in der genannten MRT-Aufnahme bei einer insgesamt relativ gering ausgeprägten intraartikulären Ergussbildung unauffällig zur Darstellung gekommen sind und sich insbesondere keine Veränderungen im Bereich des medialen Innenbandes gezeigt haben (Bl. 86 SG-Akte) - spricht gegen einen traumatisch bedingten Schaden. Schließlich belegt die in der genannten MRT-Aufnahme nachgewiesene Bakerzyste das Bestehen eines degenerativen Vorschadens, weil diese - so Dr. P. (Bl. 90 LSG-Akte) - sicher nicht erst in dem achttägigen Intervall zwischen Unfall und MRT-Aufnahme entstanden ist. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit das SG seine Auffassung auch darauf gestützt hat, dass das Unfallgeschehen weder mit dem vom Kläger ursprünglich noch mit dem im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren geschilderten Hergang geeignet gewesen sei, einen Riss im Innenmeniskushinterhorn hervorzurufen, misst der Senat diesem Gesichtspunkt keine maßgebliche Bedeutung bei. Denn selbst unter der Annahme, dass das angeschuldigte Ereignis grundsätzlich geeignet wäre, einen Meniskusriss hervorzurufen, ist - angesichts der oben dargelegten Gesichtspunkte - gleichwohl nicht wahrscheinlich, dass es bei dem angeschuldigten Ereignis auch tatsächlich zu der später objektivierten Läsion am Innenmeniskus kam.

Die im Berufungsverfahren durchgeführten weiteren Ermittlungen haben die Richtigkeit der dargelegten Einschätzung im Übrigen bestätigt. So hat Dr. K.im Rahmen seiner dem Senat erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge dargelegt, dass der intraoperative Befund eines ausgedehnten Lappenrisses des Innenmeniskus zwar mit einer traumatischen Ursache vereinbar sei, die komplexen Rissbildungen mit zusätzlichen horizontalen Rupturverläufen, der deutlichen Ausdehnung der unteren Lamelle sowie die Auffaserung der Rupturränder allerdings eine degenerative Mitbeteiligung vermuten ließen. In seinem später vorgelegten Schreiben an die Klägerbevollmächtigten vom 08.08.2016 hat Dr. K. wegen der vorliegenden sehr komplexen Rissbildung mit Rissverläufen in verschiedenen Ebenen sogar eine degenerative Vorschädigung in den Vordergrund gestellt, da sich bei einer rein traumatischen Ursache meist isolierte radiär bzw. längs verlaufende Risse darstellten.

Auch nach der Einschätzung des Sachverständige Prof. Dr. Weber, der im Auftrag des Senats die MRT-Aufnahmen vom 23.10.2013 begutachtet hat, liegt im Innenmeniskushinterhorn des linken Knies eine überwiegend horizontal verlaufende Rissbildung vor, welche eine degenerative Vorschädigung wahrscheinlich macht. Prof. Dr. W. hat zudem bestätigt, dass eine Bakerzyste und eine leichte Verdickung der Synovia zu erkennen sind, was - so Prof. Dr. W. weiter - beides Ausdruck eines länger bestehenden Reizzustands im linken Kniegelenk ist.

Daran anschließend hat auch der vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. W. ausgeführt, dass mehr für das Vorliegen einer fortschreitenden Zermürbung des degenerativ veränderten Innenmeniskus spricht und der Unfall auf eine bereits bestehende krankhafte Anlage traf, bei der auch alltägliche Ereignisse wie z.B. (u.a.) das Einnehmen einer hockenden Bewegung oder Treppensteigen den Schaden am linken Kniegelenk hätten verursachen können. Dr. W. hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass es bei Verletzungen traumatischer Art des Innenmeniskus in der Regel auch zu weiteren Verletzungen am Bandapparat kommt, solche aber im vorliegenden Fall weder kernspintomografisch noch intraoperativ festgestellt wurden, ebenso wenig wie eine Knorpelfraktur oder ein -abriss (Bl. 102 LSG-Akte). Zusätzlich hat er nachvollziehbar herausgestellt, dass auch der klinische Verlauf gegen einen traumatischen Riss des Innenmeniskus spricht, nachdem der Kläger - der zunächst weiterarbeiten konnte - sich erst neun Stunden nach dem Unfall in ärztliche Behandlung begab und selbst keine Arbeitsunfähigkeit wünschte. Bei der Erstuntersuchung fand sich kein palpabler Kniegelenkserguss und eine unauffällige Beweglichkeit, die Seiten- und Kreuzbänder waren stabil und die Meniskuszeichen negativ. Noch bei der Kontrolluntersuchung am 21.10.2013 waren die Meniskuszeichen negativ und erst am 04.11.2013 berichtete der Kläger über einen Druckschmerz am medialen Gelenkspalt und es zeigte sich ein positives Innenmeniskuszeichen. Es lag jedoch kein intraartikulärer Erguss vor, stattdessen bestand freie Beweglichkeit bei stabilen Seitenbändern (Bl. 104 LSG-Akte).

Vor diesem Hintergrund macht allein der histologische Befund von Prof. Dr. K. , in dem dieser das Meniskusresektat als "ohne nennenswerte degenerative Gewebsschädigung" bewertete (Bl. 51 SG-Akte), einen Ursachenzusammenhang zwischen Läsion und Unfall nicht hinreichend wahrscheinlich. Denn Prof. Dr. K. hat als sachverständiger Zeuge gegenüber dem Senat selbst relativiert, dass es zwar wahrscheinlich sei, dass der entstandene Schaden durch eine externe Einwirkung und in der jüngeren Vergangenheit entstanden sei, es würden jedoch keine Befunde vorliegen, die eine exakte Terminierung zuließen (Bl. 26 LSG-Akte). Mittels des histologischen Befundes kann somit nicht näher bestimmt werden, welche externe Einwirkung ursächlich gewesen ist; wie der Sachverständige Dr. W. im Gegenteil ausgeführt hat, kommt hierfür letztlich jedes alltägliche Ereignis in Betracht wie z.B. das Einnehmen einer hockenden Bewegung oder Treppensteigen (Bl. 105 LSG-Akte). Der makroskopische Befund komplexer Rissbildungen mit zusätzlichen horizontalen Rupturverläufen, der deutlichen Ausdehnung der unteren Lamelle sowie die Auffaserung der Rupturränder spricht demgegenüber ebenso wie die bereits acht Tage nach dem Unfall bestehende Bakerzyste und die Verdickung der Synovia deutlich für eine degenerative Ursache, was sowohl der behandelnde Orthopäde Dr. K. als auch die Sachverständigen Dr. P. , Prof. Dr. W. und Dr. W. nachvollziehbar dargelegt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved