L 8 AL 217/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 AL 7260/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 217/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.10.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 04.09.2017 sowie die Mitnahme des Leistungsanspruches nach Art. 64 Abs. 1 VO (EG) 883/2004.

Die im Jahr 1980 geborene Klägerin ist gelernte Erzieherin und war seit dem 20.08.2002 bis zum 31.08.2017 in einer Kindertagesstätte der Stadt S. beschäftigt. Seit dem 04.06.2018 ist sie als Erzieherin bei der Stadt F. in Österreich beschäftigt.

Am 23.05.2017 meldete sie sich telefonisch bei der Beklagten als arbeitsuchend und nannte als Grund die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.08.2017. Die zuständige Sachbearbeiterin erstellte daraufhin am 24.05.2017 ein Stellengesuch der Klägerin und übersandte Benutzername und Kennwort an die Klägerin. In einem Telefonat am 24.05.2017 teilte die Klägerin mit, dass sie sich infolge eines am 31.03.2017 mit Wirkung zum 31.08.2017 geschlossenen Aufhebungsvertrages arbeitslos gemeldet habe. Sie ziehe eventuell ab dem 01.10.2017 nach Österreich. Die Beklagte änderte daraufhin am 20.06.2017 die Integrationsprognose von "nicht festgelegt" auf "Zuordnung nicht erforderlich". In einem weiteren Telefonat vom 26.07.2017 erklärte die Klägerin, dass sie endgültig zum 01.10. nach Österreich ziehe. Die Beklagte übersandte der Klägerin den Link zur Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), der das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" und das "Merkblatt 20 Arbeitslosengeld und Auslandsbeschäftigung" enthielt. Die Klägerin werde den Umzug noch schriftlich mindestens eine Woche vorher mitteilen. Des Weiteren werde sie sich im September teilweise in Österreich aufhalten. Die Ortsabwesenheit müsse vorab angezeigt werden. Die Klägerin war auf die rechtzeitige persönliche Arbeitslosmeldung hingewiesen worden.

Am 17.08.2017 meldete sich die Klägerin bei einer persönlichen Vorsprache zum 01.09.2017 arbeitslos. Die Klägerin beantragte die Mitnahme der Versicherungszeiten (portable document - PD U1). Die Antragsunterlagen wurden ausgehändigt worden. Die Klägerin war auf die Rückgabe des vollständig ausgefüllten Antrages inklusive der notwendigen weiteren Nachweise hingewiesen worden. Die Klägerin wurde aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet, da sie zum 03.09.2017 dauerhaft nach Österreich ziehe. PD U1 wurde von der Beklagten erstellt.

Am 20.09.2017 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass das PD U1 von der österreichischen Arbeitsagentur nicht angenommen worden sei, da sie dort keinen Tag gearbeitet habe. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass dies korrekt sei und dass die Klägerin zur Mitnahme von Arbeitslosengeld das PD U2 vor der Ausreise hätte beantragen müssen. Dieses könne nicht rückwirkend erneut ausgestellt werden, es sei denn die Klägerin meldet sich in Deutschland erneut an. So könne das PD U2 beantragt werden.

Am 21.09.2017 bat die Klägerin erneut telefonisch um die Ausstellung des PD U2. Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin einen Antrag auf Arbeitslosengeld zum 01.09.2017 sowie einen Antrag auf PD U2. Die Klägerin beantragte die Erteilung des PD U2 (Blatt 18 der Verwaltungsakte), sie sei zum 04.09.2017 ausgereist.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 13.10.2017 Arbeitslosengeld vom 01.09.2019 bis zum 03.09.2017 in Höhe eines Leistungsbetrages von 46,71 Euro kalendertäglich.

Mit Bescheid vom 16.10.2017 lehnte die Beklagte nach Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 die Mitnahme des Leistungsanspruches zur Arbeitsuche im Ausland ab. Die Klägerin habe sich dem deutschen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestellt und somit die Wartezeit nicht eingehalten. Zudem wäre eine Integration als Erzieherin auf dem regionalen Arbeitsmarkt realisierbar.

Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 10.11.2017 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass sie frühzeitig bei einem Telefonat im Mai 2017 der Beklagten die Absicht der Verlegung des Lebensmittelpunktes nach Österreich angezeigt habe. Danach habe sie sich rechtzeitig arbeitssuchend gemeldet. Bei einem persönlichen Termin am 17.08.2017 habe sie die Beklagte über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2017 informiert. Sie habe bei diesem Termin auch ausreichend deutlich gemacht, das sie ihren in Deutschland entstehenden Arbeitslosengeldanspruch während der Arbeitsuche in Österreich gerne nutzen würde. Der Mitarbeiter der Beklagten habe mitgeteilt, dass ihr das für ihre Situation in Betracht kommende Formular nach ihrer Ausreise per Post nach Österreich gesendet würde und bis dahin nichts weiter zu veranlassen sei. Die Problematik der gesetzlichen Wartefrist sei zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden. Es hätte dem Mitarbeiter jedoch aufgrund ihres Vorbringens ersichtlich sein müssen, dass die von ihm gewählte Vorgehensweise offensichtlich nicht ihrem Interesse entsprach. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die unterschiedlichen Folgen von PD U1 und PD U2 zu erläutern. Sie hätte in diesem Fall ihre Abwesenheitszeiten in Deutschland so einrichten können, dass es konform mit der Wartefrist gewesen wäre und hätte aufgrund des bis zum 30.09. laufenden Mietverhältnisses auch den Zeitpunkt der formalen Abmeldung in Deutschland konform gestalten können. Die Beklagte habe die sozialgesetzlichen Auskunfts- und Beratungspflichten nach §§ 14,15 SGB I iVm §§ 29, 30 SGB II, Art. 55 DVO (EG) 987/2009 verletzt. Dies führe zu einem Schadensersatzanspruch. Auch sei eine Verkürzung der Wartefrist aufgrund des Merkblatt Nr. 20 (Ziff. 4.5) anzunehmen. Die Beklagte sei schließlich auch bei der Entscheidung über das Entfallen der Sperrzeit von einem wichtigen Grund ausgegangen. Die Entscheidung mit ihrem in Österreich lebenden und arbeitenden Partner eine häusliche Gemeinschaft bzw. mittelfristig eine Familie zu gründen, stellte auch im Lichte von Art. 6 Abs. 1 GG iVm § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III einen wichtigen Grund dar. Bislang sei ihre Ausbildung in Österreich noch nicht anerkannt worden und sie habe noch nicht eine Arbeitsstelle erlangen können. Sie stelle daher vorsorglich, da der ihr zustehende dreimonatige Anspruch auf deutsches Arbeitslosengeld bald auslaufe, einen Antrag auf Verlängerung des Mitnahmezeitraumes auf 6 Monate.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2017 zurück und führte zur Begründung an, dass nach Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 der Arbeitslose vor der Abreise während mindestens vier Wochen nach Beginn der Arbeitslosigkeit bei der Arbeitsverwaltung des zuständigen Mitgliedstaates als Arbeitssuchender gemeldet gewesen sein und zur Verfügung gestanden haben muss. Die zuständige Arbeitsverwaltung oder der zuständige Träger könne jedoch die Abreise vor Ablauf dieser Frist genehmigen. Die Klägerin habe sich am 01.09.2017 arbeitslos gemeldet. Die Wartefrist hätte somit am 28.09.2017 geendet. Die Klägerin habe diese Frist aufgrund ihrer Ausreise am 04.09.2017 nicht erfüllt. Eine Verkürzung der Frist nach Art. 69 Abs. 1 a) Satz 2 VO komme nur aus zwingenden Gründen oder wenn eine Vermittlung in Arbeit in absehbare Zeit nicht möglich gewesen sei, in Betracht. Ein zwingender Grund sei der gemeinsame Umzug mit dem Ehegatten oder Partner in eheähnlicher Gemeinschaft, wenn dieser im Ausland eine Beschäftigung aufnehme oder fortsetze oder der Zuzug zum Ehegatten oder Partner (Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft). Die Klägerin habe eine eheähnliche Lebensgemeinschaft in Österreich gegründet und nicht eine bestehende wiederhergestellt. Auch sei der deutsche Arbeitsmarkt für Erzieher sehr gut, so dass von einer schnellen Vermittlung auszugehen sei. Die Beratung über die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Mitnahme von Leistungsansprüchen erfolge im Vermittlungsbereich. Die Klägerin sei jedoch am 04.09.2017 ausgereist, bevor ein Beratungstermin bei der Arbeitsvermittlung habe stattfinden können. Eine persönliche Vorsprache sei lediglich in der Eingangszone erfolgt.

Die Klägerin erhob hiergegen am 27.12.2017 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) und verwies zur Klagebegründung im Wesentlichen auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Zudem trug die Klägerin vor, dass ein Beratungstermin vom Mitarbeiter der Beklagten als nicht nötig erachtet worden sei. Sie sei zu keiner Zeit darüber informiert worden, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld von einer gesetzlichen Wartefrist abhängig ist. Vor ihrer formalen Ausreise nach Österreich habe sie auch kein Merkblatt erhalten. Das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" und das "Merkblatt 20 Arbeitslosengeld und Auslandsbeschäftigung" habe sie erst mit der Post nach Österreich übersandt bekommen. Sie sei daher im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so stellen, als habe sie den Antrag auf PD U2 noch im August 2017 gestellt. Auch wenn die Verfügbarkeit im September trotz der erst auf Ende September gekündigten Wohnung als Tatsache grundsätzlich nicht im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzbar sei, liege beim Export nach Art. 64 VO eine besondere Situation vor. Ansonsten könne die Beklagte durch diese Art von Fehlberatung den Anspruch aus Art. 64 VO regelmäßig ins Leere laufen lassen. Auch sei die Wartefrist im Rahmen einer Ermessensreduzierung auf null als einzig gesetzmäßige Entscheidung zu verkürzen. Die Beklagte habe bei der Bewilligung im Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 03.09.2017 keine Sperrzeit verhängt und daher einen wichtigen Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses angenommen. Auch erscheine die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen der Begründung und der Wiederherstellung einer eheähnlichen Gemeinschaft in der heutigen Arbeitswelt antiquiert und die Beurteilung könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass beide Partner jeweils einen Erst- und Zweitwohnsitz in beiden Ländern anmeldeten. Auch unterfalle die bereits beabsichtigte Familiengründung dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG. Selbst wenn das Gericht dieser Rechtsauffassung nicht folge, so sei die Ablehnungsentscheidung zumindest ermessensfehlerhaft, da eine ausreichende Einzelfallwürdigung nicht stattgefunden habe. Zumindest bestehe ein Feststellungsinteresse, dass die Beklagte eine gesetzliche Beratungspflicht verletzt habe, da sie seit dem 08.12.2017 Beiträge zur österreichischen Krankenversicherung entrichtet habe, obwohl zu dieser Zeit Anspruch auf Zahlung der Beiträge durch die Beklagte bestanden habe. Die Feststellung sei zur Vorbereitung eines Amtshaftungsanspruchs nach Art. 34 GG iVm § 839 BGB zulässig.

Die Beklagte verwies zur Klageerwiderung auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trug des Weiteren vor, dass die Klägerin sowohl am 24.05.2017 als auch am 26.07.2017 darauf hingewiesen habe, dass der Umzug nach Österreich am 01.10.2017 erfolgen werde. Erst bei der Vorsprache am 17.08.2017 habe sie mitgeteilt, dass der Umzug bereits zum 03.09.2017 erfolgen werde.

Mit Beschluss vom 07.05.2018 ordnete das SG das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf ein Revisionsverfahren beim BSG (B 11 AL 1/18 R) an.

Die Klägerin rief das Verfahren mit Schreiben vom 12.07.2018 wieder an und teilte mit, dass sich das Revisionsverfahren durch Rücknahme erledigt habe und das Urteil des LSG Niedersachsen – Bremen (L7 AL 36/16) rechtskräftig sei.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 25.10.2018 ab und führte zur Begründung aus, dass die Klägerin die Wartefrist nach Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 nicht erfüllt habe. Auch die Voraussetzungen für die Verkürzung der Frist lägen nicht vor, da dies im Ermessen der Beklagten stehe und die Beklagte ihre Entscheidung nicht ermessensfehlerhaft getroffen habe. Die Beklagte könne zulässigerweise die Vermittlungschancen auf dem regionalen Arbeitsmarkt berücksichtigen. Auch erfülle die Klägerin nicht die Voraussetzungen der Empfehlung Nr. U2 vom 12.06.2009 zur Anwendung von Art. 64 Abs. 1 c) VO (EG) 883/2004. Die Klägerin habe ihren Partner nicht begleitet, sondern sei zu ihm gezogen. Ein "Begleiten" im Sinne der Empfehlung liege nicht vor. Die erstmalige Herstellung einer Haushaltsgemeinschaft könne dem auch nicht gleichgestellt werden. Auch eine Ermessensreduzierung auf null dahingehend, dass die Vermittlungschancen der Klägerin in Österreich wesentlich besser gewesen wären als in Deutschland liege nicht vor. Die Klägerin sei auch nicht im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zustellen, als ob sie die vierwöchige Frist vor ihrer Ausreise eingehalten habe. Die Nichteinhaltung der Wartefrist könne nicht durch eine rechtswidrige Amtshandlung der Beklagten ersetzt werden. Soweit die Klägerin der Ansicht sei, sie habe wegen der Verletzung von Beratungspflichten durch die Beklagte einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als habe sie die Wartefrist eingehalten, verwechsele sie den aus dem Folgenbeseitigungsanspruch abgeleiteten Herstellungsanspruch mit einem Anspruch auf Schadensersatz, über den die Kammer mangels entsprechendem Klageantrag und mangels Rechtswegzuständigkeit nicht zu entscheiden habe. Auch der Hilfsantrag auf Neubescheidung sei abzulehnen, da die Entscheidung über die Mitnahme eine gebundene Entscheidung sei. Der Feststellungsantrag sei abzulehnen, da nicht über einzelne Elemente eines etwaigen rechtlich gebotenen Schadensausgleichs in mehreren Verfahren unterschiedlicher Rechtswege entschieden werden solle.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 07.11.2018 zugestellte Urteil am 16.01.2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden–Württemberg (LSG) erhoben und hat zur Berufungsbegründung vorgetragen, dass das SG zu Unrecht eine Ermessensreduzierung auf null bei der Verkürzung der Wartefrist des Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 verneint habe. Die Beklagte habe ihr Vorbringen bei der Vorsprache am 17.08.2017 bei verständiger Würdigung als Antrag auf Verkürzung der Wartezeit werten müssen. Sofern sich das SG auf die Empfehlung Nr. U2 vom 12.06.2009 des Art. 64 VO (EG) 883/2004 zur Begründung einer fehlenden Ermessensreduzierung gestützt habe, sei dies rechtsfehlerhaft. Das SG habe die Anforderungen an einen "vergleichbaren Sachverhalt" zu restriktiv bemessen. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb das SG das Urteil des LSG Niedersachsen – Bremen vom 12.12.2017 (L 7 AL 36/16) mit keinem Wort mehr erwähnt habe. Darin habe das LSG Niedersachsen – Bremen entschieden, dass ein wichtiger Grund zur Aufgabe des Arbeitsplatzes zwecks Umzug zum Lebensgefährten sperrzeitrechtlich auch bei einer erstmaligen Begründung eines gemeinsamen Haushalts vorliegen können. Diese Begründung sei auf die vorliegende Konstellation zu übertragen. Das SG hätte zudem im Rahmen der Entscheidung über die Ermessensreduzierung auch die vorliegend betroffene grundrechtliche Schutzgarantie aus Art. 9 der Charta der Grundrechte der EU (sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG) zur Gründung einer Familie berücksichtigen müssen. Auch stelle das Anlegen solch überspannter Anforderungen an die Verkürzung der Wartefrist im Ergebnis einen unzulässigen Eingriff in das Recht der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) dar. Soweit das SG zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausführe, dass die Ersetzung tatsächlicher Umstände kategorisch ausgeschlossen sei, weil deren Wahrung nicht in die Verfügungsmacht der Beklagten falle, verkenne es, dass die Beklagte im vorliegenden Fall durch die Verletzung der Beratungspflicht die mangelnde Verfügbarkeit entscheidend mitverursacht habe. Art. 34 GG rechtfertige nicht die Verneinung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches aus Gründen der Abgrenzung zum Institut der Amtshaftung. Dies widerspreche dem Wortlaut als auch dem Zweck des Art. 34 GG. Es sei daher folgerichtig, dass die Anspruchsvoraussetzungen der rechtswidrigen Beratungspflichtverletzung vom SG zu prüfen seien und nicht offengelassen werden könnten.

Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,

1. das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.10.2018 sowie den Ablehnungsbescheid vom 16.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab dem 04.09.2017 zu bewilligen und im gesetzlichen Umfang zu zahlen, 2. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte eine gesetzliche Beratungspflicht aus dem zugrundeliegenden Sozialrechtsverhältnis gegenüber der Klägerin traf und die Beklagte diese bestehende Beratungspflicht rechtswidrig verletzt hat

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung angeführt, dass eine Ersetzung von tatsächlichen Umständen, denen gestaltende Entscheidungen des Antragstellers zu Grunde liegen, im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 31.01.2006, B 11a AL 15/05 R) nicht möglich sei. Auch habe die Klägerin noch am 26.07.2017 vorgetragen, dass sie endgültig zum 01.10.2017 ausreise. In diesem Fall hätte sie die Wartefrist erfüllt. Selbst wenn bei dem Gespräch am 17.08.2017 ein Beratungsfehler vorgelegen hätte, sei auch bei pflichtgemäßer Beratung und Ausgabe des PD U2 sowie fristgerechter Beantragung des PD U2 die Voraussetzungen für die Verkürzung der Wartezeit, welche im Ermessen der Beklagten stehe, nicht erfüllt. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor. Weder habe die Klägerin ihre Beschäftigung zur Begründung, Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft aufgegeben noch habe im maßgeblichen Zeitraum eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden, da noch keine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft vorlag. Die Klägerin habe eine solche erstmals mit der Ausreise nach Österreich begründet. Auch seien die Vermittlungschancen in Österreich nicht wesentlich besser als in Deutschland. Eine Integration als Erzieherin wäre bezogen auf die gute Arbeitsmarktlage in Stuttgart realisierbar gewesen. Zudem sei nicht ersichtlich, ob die Meldefrist nach Art. 64 Abs. 1 b) VO (EG) 883/2004 eingehalten wurde. Diese laufe vom 04.09.2017 bis zum 11.09.2017. Gründe, die Meldefrist ausnahmsweise zu verlängern, seien nicht festzustellen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 16.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Bewilligung und Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 04.09.2017 zur Arbeitsuche in Österreich unter Mitnahme ihres Leistungsanspruches nach Art. 64 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 (hierzu unter I.). Auch soweit die Klägerin hilfsweise die Feststellung einer Beratungspflichtverletzung der Beklagten beantragt, war die Berufung zurückzuweisen (hierzu unter II.). Das angefochtene Urteil des SG ist nicht somit zu beanstanden.

I.

Gemäß Art 64 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. Nr. L 166 S. 1, gesamte Vorschrift ber. ABl. Nr. L 200 S. 1 - EG [VO] Nr. 883/2004) behält eine vollarbeitslose Person, die die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats erfüllt und sich zur Arbeitsuche in einen anderen Mitgliedstaat begibt, den Anspruch auf Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit unter folgenden Bedingungen und innerhalb der folgenden Grenzen: a) vor der Abreise muss der Arbeitslose während mindestens vier Wochen nach Beginn der Arbeitslosigkeit bei der Arbeitsverwaltung des zuständigen Mitgliedstaats als Arbeitsuchender gemeldet gewesen sein und zur Verfügung gestanden haben. Die zuständige Arbeitsverwaltung oder der zuständige Träger kann jedoch die Abreise vor Ablauf dieser Frist genehmigen; b) der Arbeitslose muss sich bei der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats, in den er sich begibt, als Arbeitsuchender melden, sich dem dortigen Kontrollverfahren unterwerfen und die Voraussetzungen der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats erfüllen. Diese Bedingung gilt für den Zeitraum vor der Meldung als erfüllt, wenn sich die betreffende Person innerhalb von sieben Tagen ab dem Zeitpunkt meldet, ab dem sie der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats, den sie verlassen hat, nicht mehr zur Verfügung gestanden hat. In Ausnahmefällen kann diese Frist von der zuständigen Arbeitsverwaltung oder dem zuständigen Träger verlängert werden; c) der Leistungsanspruch wird während drei Monaten von dem Zeitpunkt an aufrechterhalten, ab dem der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats, den er verlassen hat, nicht mehr zur Verfügung gestanden hat, vorausgesetzt die Gesamtdauer der Leistungsgewährung überschreitet nicht den Gesamtzeitraum, für den nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats ein Leistungsanspruch besteht; der Zeitraum von drei Monaten kann von der zuständigen Arbeitsverwaltung oder dem zuständigen Träger auf höchstens sechs Monate verlängert werden; d) die Leistungen werden vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften und für seine Rechnung gewährt.

Nach Art. 64 Absatz 1 Ziff. d) VO (EG) 883/2004 werden die Leistungen vom Träger nach seinen Rechtsvorschriften direkt an den Betroffenen nach § 337 Abs. 1 SGB III im Wege der Direktauszahlung gewährt (vgl. hierzu Kador in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, Art. 64 VO (EG) 883/2004, Rn. 27ff). Der Mitnahmeanspruch ist seiner Rechtsnatur nach ein eigenständiger EU-Arbeitslosengeld-Anspruch des Koordinierungsrechts. Dieser entsteht erst mit der Meldung innerhalb der Einschreibefrist von sieben Tagen bei ausländischen Trägern; aus diesem Grunde wirkt nicht etwa die Bewilligung deutschen Arbeitslosengeldes einfach weiter. Vielmehr endet der Bezug rein deutschen Arbeitslosengeldes zunächst einmal. Der EU-Arbeitslosengeld-Anspruch ist daher nach Einschreibung neu zu bewilligen. Die Bewilligung des EU-Arbeitslosengeld-Anspruchs erfolgt dann je nach Umständen als Umstellungsbewilligung (bei bereits erfolgter Bewilligung und Meldung innerhalb der Einschreibefrist), Neubewilligung (Erstbewilligung ab Meldung beim ausländischen Träger) oder Weiterbewilligung (bei Meldung nach Ablauf der Einschreibefrist). Es wird jeweils ein entsprechender Bewilligungsbescheid erlassen (vgl. Kador, aaO).

Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Vorsprache am 17.08.2017 nicht nur die Mitnahme der Versicherungszeiten und die Ausstellung des PD U1, sondern auch die Mitnahme ihres Alg – Anspruches nach Österreich und somit die Ausstellung des PD U2 thematisiert, was auch die Beklagte im Vermerk vom 21.09.2017 bestätigt hat. Letztlich hat die Klägerin aber nach Beratung nur den Antrag auf Ausstellung des PD U1 mitgenommen und gestellt.

Wegen der Ausreise am 04.09.2017 hat die Klägerin infolge der Nichteinhaltung der Wartezeit die weiteren Voraussetzungen nach Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 nicht erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin in Stuttgart endete zum 31.08.2017. Am 04.09.2017 ist die Klägerin nach Österreich ausgereist; der Senat hat nicht zu prüfen, ob die Klägerin einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2017 hatte oder ob dieser infolge einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III ruht, da die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2017 Arbeitslosengeld vom 01.09.2017 bis zum 03.09.2017 bewilligt und somit keine Sperrzeit festgesetzt hat. Die Klägerin war jedoch nicht vor der Ausreise während mindestens vier Wochen nach Beginn der Arbeitslosigkeit bei der Arbeitsverwaltung in Deutschland als Arbeitsuchende gemeldet und stand nicht für diesen Zeitraum zur Verfügung. Die Wartezeit nach Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 ist nicht eingehalten. Sie hat daher nach Art. 64 VO (EG) 883/2004 keinen Anspruch.

Die Voraussetzungen nach Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 sind auch bei Annahme einer Antragstellung am 26.07.2017 nicht erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt teilte die Klägerin den Umzug ins Ausland als nunmehr endgültig zum 01.10.2017 mit. Auch wenn das Datum sich nachfolgend noch änderte, ging auch die Beklagte davon aus, dass die Klägerin tatsächlich nach Österreich verziehen werde und übersandte den Link ZAV, über den die Infobroschüre über die Mitnahme des Alg–Anspruches in andere Länder der Europäischen Union abrufbar war. Selbst wenn man annehmen wollte, die Klägerin habe am 26.07.2017 die Mitnahme des Alg (PD U2) beantragt, scheitert der Anspruch auf Mitnahme des Leistungsanspruches jedoch auch wiederum daran, dass die Klägerin tatsächlich in Deutschland keine vier Wochen arbeitslos war und der Arbeitsvermittlung in Deutschland nicht zur Verfügung stand, da das Arbeitsverhältnis erst zum 31.08.2017 endete. Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 setzt voraus, dass der Arbeitslose nach Beginn der Arbeitslosigkeit vier Wochen arbeitslos und verfügbar gemeldet ist. Allein die Tatsache, dass die Klägerin sich bereits am 23.05.2017 als Kunde bei der Beklagten registriert hat und sich arbeitsuchend meldete, reicht zur Erfüllung der Voraussetzungen nach Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 nicht aus.

Die vierwöchige Wartefrist (auch als Karenzzeit bezeichnet) im Sinne von Absatz 1 a) dient dem Zweck der Sicherstellung des Vorrangs des nationalen Arbeitsmarktes; die nationale Arbeitsverwaltung soll in die Lage versetzt werden, die Arbeitslosigkeit durch schnelle Vermittlung zunächst auf dem heimischen Arbeitsmarkt beenden zu können, bevor der Arbeitslose unter Mitnahme seines Leistungsanspruches versucht, in einem anderen Mitgliedstaat Arbeit zu finden – nach deutschem Recht müssen daher insb. erfüllt sein: die persönliche Arbeitslosmeldung nach § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III und die objektive und subjektive Verfügbarkeit des Betroffenen nach § 138 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 SGB III (vgl. Kador in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, Art. 64 VO (EG) 883/2004 Rn. 21). Es kommt dabei nicht auf den Leistungsbezug an, maßgeblich ist nur, ob der Arbeitslose der deutschen Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Bei vorzeitiger Ausreise ohne Einwilligung verliert der Betroffene den Anspruch zwar nicht zur Gänze, wohl aber ist der Betroffene nicht verfügbar und kann daher während dieser Zeit seiner ungenehmigten Ortsabwesenheit keinen Anspruch auf Leistungen haben. Die Klägerin war infolge des noch bis zum 31.08.2017 laufenden Arbeitsverhältnisse bei der Meldung am 23.05.2017 bzw. am 26.07.2017 noch nicht nach § 138 Abs. 1 Nr. 3 iVm Abs. 5 SGB III verfügbar, so dass vor Ausreise keine mindestens vierwöchige Arbeitslosigkeit im Sinne des Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 vorlag.

Es ist zudem fraglich, ob die Klägerin die weiteren Voraussetzungen nach Art. 64 Abs. 1 b) VO (EG) 883/2004 erfüllt, da sie sich nach dem Vermerk der Beklagten erst zum 20.09.2017 in Österreich gemeldet hat und zu diesem Zeitpunkt die Frist nach Art. 64 Abs. 1 b) VO (EG) 883/2004 bereits verstrichen war. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Frist am 04.09.2017 begann und am Montag den 11.09.2017 endete. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da die Klägerin bereits die Wartefrist nach Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 nicht erfüllt hat.

Der Senat kann auch nicht feststellen, dass vorliegend die Wartefrist nach Art. 64 Abs. 1 Ziff. a) VO (EG) 883/2004 zu verkürzen ist.

Auf Antrag kann die zuständige Agentur für Arbeit eine vorzeitige Ausreise genehmigen; hier im Sinne von vorheriger Zustimmung (Einwilligung). Bei einer Verkürzung der Wartefrist auf "Null" entsteht der (exportierte) Leistungsanspruch erst mit der Verfügbarkeit des Arbeitslosen im Land der Arbeitssuche; daher kommt in diesem Falle auch die fiktive Vorverlegung ihres Beginns nach Art. 64 Abs. 1 lit. b) GVO (Meldefrist) nicht in Betracht. Der Antrag ist vor der Abreise zu stellen. Die Entscheidung steht im Ermessen der Behörde. Ermessensgesichtspunkte der Behörde können insbesondere die jeweiligen Vermittlungschancen des Betroffenen am lokalen Arbeitsmarkt im Ausland sein. Einschlägig ist darüber hinaus die Empfehlung Nr. U2 vom 12.06.2009. Die Empfehlung regelt, dass die Genehmigung der Abreise vor Ablauf der Frist von vier Wochen einer vollarbeitslosen Person zu gewähren ist, die alle anderen Bedingungen gemäß Art. 64 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 erfüllt und die ihren Ehepartner oder Partner, der eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat angenommen hat, begleitet. Die Auslegung des Begriffs "Partner" bestimmt sich nach Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats (Kador, aaO). Erfasst sind in Deutschland daher auch eingetragene Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, welche von einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft zu unterscheiden sind. Die Empfehlung ist zwar nicht verbindlich, wirkt sich aber bei der Ermessensentscheidung regelmäßig als Aspekt einer Ermessensreduzierung auf Null aus. Ein weiterer Ermessensgesichtspunkt für die Verkürzung kann sein, dass eine Vermittlung in Arbeit in Deutschland in absehbarer Zeit nicht möglich ist. Aus der Möglichkeit zur Verkürzung der Vierwochenfrist resultiert auch die Möglichkeit des Betroffenen, bereits vor Bewilligung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ins Ausland zu reisen. Daher kann der Betroffene auch nahtlos im Anschluss an eine genehmigte Ortsabwesenheit – insbesondere wegen genehmigter Urlaubsabwesenheit gemäß § 3 Abs. 1 Erreichbarkeits-Anordnung – EA – i.V.m. § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III den Mitnahmeanspruch realisieren. Eine genehmigte Ortsabwesenheit steht einer Verfügbarkeit gemäß § 3 Abs. 1 EAO nicht entgegen.

Die Verkürzung der Wartefrist steht danach im Ermessen der Beklagten. Der Senat kann nicht feststellen, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat. Auch kann der Senat nicht feststellen, dass ausnahmsweise eine Ermessensreduzierung auf null vorliegt, so dass die Zustimmung die einzig rechtskonforme Entscheidung darstellt.

Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen z.T. nicht einheitlich vorgenommen wird (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 18.03.2008, B 2 U 1/07 R, juris Rn. 16; Bayerisches LSG, Urteil vom 20.04.2017, L 9 AL 49/14, juris).

Die Beklagte hat im Bescheid vom 16.10.2017 die Mitnahme des Leistungsanspruches unter anderem mit dem Argument abgelehnt, dass eine Integration auf dem regionalen Arbeitsmarkt als Erzieherin realisierbar gewesen wäre. Im Widerspruchsbescheid vom 22.11.2017 hat die Beklagte die Verkürzung der Wartezeit ebenfalls unter anderem mit Verweis auf die sehr guten Vermittlungschancen der Klägerin auf dem deutschen Arbeitsmarkt abgelehnt. Dies stellt eine zulässige Ermessensausübung dar, da die Wartezeit grundsätzlich dem Vorrang des nationalen Arbeitsmarktes dient und eine Verkürzung daher vor allem bei ungünstigen Vermittlungschancen auf dem nationalen Arbeitsmarkt in Betracht kommt. Auch der weitere von der Beklagten angeführten Gesichtspunkt, dass die Klägerin nicht mit ihrem Ehegatten ins Ausland zieht und auch nicht eine zuvor bestehende nichteheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellt, sondern eine solche erstmals begründet, ist nicht ermessensfehlerhaft. Dass rechtliche Regelungen zwischen einer Ehe bzw. eingetragenen Partnerschaft und einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft unterscheiden und insofern unterschiedliche Regelungen gelten, stellt ein im Recht gängiges Unterscheidungsmerkmal dar (vgl. zur doppelten Haushaltsführung bei nicht ehelichen Lebensgemeinschaften BFH, Urteil vom 04.04.2001, VI R 130/99, juris). Das Abstellen auf den Grad der Verfestigung der Beziehung und eine damit einhergehende Privilegierung der Ehe stellt in diesem Fall auch keinen Verstoß gegen Art. 6 GG dar (vgl. zum Beitragsrecht BSG, Urteil vom 05.12.2017, B 12 P 1/16 R, SozR 4-3300 § 55 Nr. 5). Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG greift nur bei rechtsgültig geschlossenen, staatlich anerkannten Ehen, nicht hingegen bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften (so zum Ausländerrecht ausdrücklich OVG NRW, B.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris m.w.N. aus der Rechtsprechung), denn mit der Begründung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft machen die Beteiligten gerade deutlich, dass sie nicht den gesetzlichen Schutz der Ehe bzw. eingetragenen Partnerschaft anstreben. Der Begriff der Ehe kann nicht in dem Sinne erweiternd ausgelegt werden, dass er auch nichteheliche Lebensgemeinschaften erfasst (vgl. BVerfGE 9, 20 (34 f.); 36, 146 (165)). Dies gilt auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern. Auch unmittelbar vor einer beabsichtigten Eheschließung greift der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe nicht; gewährleistet ist in diesem Zeitraum nur die Eheschließungsfreiheit (vgl. BVerfGE 36, 146 (162)). Familie i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG ist die Gemeinschaft von Eltern und Kindern (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 30.11.1988, 1 BvR 37/85, BVerfGE 79, 203, 211, und vom 18.04.1989, 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81, 90). Nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG fallen dagegen Lebensgemeinschaften ohne Kinder. Da die Klägerin und ihr Lebensgefährte noch keine gemeinsamen Kinder haben, können sie sich auch nicht auf Art. 6 GG zum Schutz der Familie berufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09. November 2004 – 1 BvR 684/98 –, BVerfGE 112, 50-74). Aus diesem Grund ist es auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte zwischen der erstmaligen Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Wohnung und der Wiederherstellung einer solchen unterscheidet, da letztere eine bereits eingetretene Verfestigung der Bindung bedeutet (vgl. hierzu auch zum Sperrzeitrecht, BSG, Urteil vom 17.10.2007, B 11a/7a AL 52/06 R –, SozR 4-4300 § 144 Nr. 16).

Soweit die Klägerin sich auf Art. 9 der Charta der Grundrechte sowie auf Art. 45 AEUV beruft, ist zu beachten, dass die Ermessensausübung grundsätzlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2018, C-551/16, juris). Art 64 Abs. 1 Buchst c VO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist danach dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die es dem zuständigen Träger zur Pflicht macht, grundsätzlich jeden Antrag auf Verlängerung des Zeitraums für den Export von Leistungen bei Arbeitslosigkeit über drei Monate hinaus abzulehnen, es sei denn, nach Ansicht dieses Trägers würde die Ablehnung des Antrags zu einem unangemessenen Ergebnis führen. Insoweit ist zu beachten, dass diese Verordnung kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit schafft, sondern unterschiedliche nationale Systeme bestehen lässt und diese nur koordinieren soll, um sicherzustellen, dass das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann. Die Verordnung lässt somit unterschiedliche Systeme bestehen, die zu unterschiedlichen Forderungen gegen unterschiedliche Träger führen, gegen die dem Leistungsberechtigten unmittelbare Ansprüche entweder allein nach dem nationalen Recht oder nach dem erforderlichenfalls durch Unionsrecht ergänzten nationalen Recht zustehen (vgl. in diesem Sinne EuGH Urteile vom 19.9.2013, Brey - C-140/12, EU:C:2013:565, Rn 43, und vom 14.6.2016, Kommission/Vereinigtes Königreich - C-308/14, EU:C:2016:436, Rn 67).

Art. 9 der Charta der Grundrechte besagt in diesem Sinn nur, dass das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, nach den einzelstaatlichen Gesetzten gewährleistet wird, welche die Ausübung dieser Rechte regeln und vermittelt daher keine über die einzelstaatlichen Gesetze hinausgehenden Rechte. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die Entscheidung der Beklagten daran gehindert wird, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. Auch aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV folgt keine anderslautende Bewertung des vorliegenden Sachverhalts, da Art. 64 VO (EG) 883/2004 der Umsetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dient und die Klägerin dessen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Die Beklagte musste auch nicht bei ihrer Ermessensentscheidung über die Verkürzung der Wartefrist eine fehlerhafte Beratung der Klägerin berücksichtigen. Der Senat kann einen solchen Beratungsfehler nicht feststellen.

Die Beklagte war nach Art. 55 Abs. 1 VO (EG) 987/2009 zur umfassenden Beratung verpflichtet. Danach besteht der Anspruch nach Artikel 64 VO (EG) 883/2004 nur, wenn der Arbeitslose, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, vor seiner Abreise den zuständigen Träger informiert und bei diesem eine Bescheinigung beantragt, dass er unter den Bedingungen des Artikels 64 Absatz 1 Buchstabe b der Grundverordnung weiterhin Anspruch auf Leistungen hat. Dieser Träger informiert ihn über die ihm obliegenden Pflichten und übermittelt ihm das genannte Dokument, aus dem sich insbesondere Folgendes ergibt: a) der Tag, von dem an der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates nicht mehr zur Verfügung stand; b) die Frist, die nach Artikel 64 Absatz 1 Buchstabe b der Grundverordnung für die Eintragung als Arbeitsuchender in dem Mitgliedstaat, in den der Arbeitslose sich begeben hat, eingeräumt wird; c) die Höchstdauer für die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs nach Artikel 64 Absatz 1 Buchstabe c der Grundverordnung; d) die Umstände, die sich auf den Leistungsanspruch auswirken können.

Die Klägerin hat am 17.08.2017 bei der persönlichen Vorsprache in der Eingangszone neben der Mitnahme der Versicherungszeiten auch die Mitnahme ihres Alg - Anspruches nach Österreich und somit die Ausstellung des PD U2 thematisiert. Dies zeigt der Vermerk der Beklagten vom 21.09.2017. Die Klägerin hat, trotz ihres Vortrags, sie habe auch das PD U2 beantragt, nur die Antragsformulare über das PD U1 mitgenommen. Zum Zeitpunkt dieser Beratung am 17.08.2017 konnte bei der von der Klägerin definitiv zum 04.09.2017 angekündigten Ausreise die Wartefrist nicht eingehalten werden und auch die Voraussetzungen für die Verkürzung der Frist waren – wie bereits ausgeführt wurde - nicht erfüllt. Das dürfte die Beklagte der Klägerin auch im Beratungstermin am 17.08.2017 so mitgeteilt haben. Denn nach dem Gespräch hat die Klägerin nur den Antrag PD U1 gestellt und gerade nicht den Antrag PD U2 gestellt. Der Senat kann somit feststellen, dass die Mitnahme des Alg und der Antrag nach PD U2 Gegenstand des Beratungsgesprächs am 17.08.2017 waren, welches aber damit endete, dass die Klägerin nicht PD U2 und die Mitnahme des Alg beantragte, sondern nur PD U1 mitnahm. Der Senat vermag insoweit jedoch keinen Beratungsfehler der Beklagten festzustellen. Zunächst hatte die Klägerin am 26.07.2017 - nach ihrer Mitteilung, sie ziehe zum 01.10.2017 endgültig nach Österreich - den Link zur ZAV übersandt bekommen, welcher alle relevanten Informationen über die Voraussetzungen der Mitnahme und Bewilligung von Arbeitslosengeld nach Art. 64 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 enthielt, auch den Hinweis auf die vierwöchige Wartezeit. Da sich der Kontakt zwischen der Klägerin und der Beklagten bis zum 17.08.2017 auf Telefonate sowie Zusenden von Informationen per Mail beschränkte, konnte die Beklagte der Klägerin auch die Informationen über diesen Kommunikationsweg zukommen lassen. Die Klägerin war hierdurch ausreichend über die Voraussetzungen für die Mitnahme des Leistungsanspruches beraten. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Klägerin auch bei einer Ausreise zum 01.10.2019 und Arbeitslosmeldung zum 01.09.2017 die Wartefrist noch erfüllen können. Hat die Klägerin aber in Kenntnis der Ausführungen des Merkblattes und des Beratungsgesprächs am 17.08.2017 die Ausreise bereits definitiv zum 04.09.2017 mitgeteilt, so konnte die Wartezeit von 4 Wichen nicht eingehalten werden. Im Hinblick auf die erfolgte Beratung – auch durch das Merkblatt – war die Klägerin ausreichend beraten und die Beklagte musste nicht weiter beraten. Soweit die Klägerin mitteilt, sie hätte noch bis zum 30.09.2017 in Deutschland bleiben und so die Wartezeit erfüllen können – wäre sie denn ausreichend beraten worden -, so folgt der Senat der Klägerin nicht. Denn die Klägerin hatte die Ausreise zum 04.09.2017 mit der notwendigen Eingewöhnung ihrer beiden Katzen in der Wohnung in Österreich begründet. Diese mehrwöchige Eingewöhnung war aber nach dem Vortrag der Klägerin vor dem 01.10.2017 erforderlich und belegt für den Senat, dass die Klägerin definitiv zum 04.09.2017 ausreisen wollte, unabhängig von einer Beratung durch die Beklagte. Auch ist die Klägerin zur Arbeitssuche schon ab dem 04.09.2017 ausgereist. So hat sie die Ausreise am 04.09.2017 auch nicht damit begründet, dass nachdem – wie sie vorträgt - die bisherige Arbeitsuche in Österreich daran scheiterte, dass sie bis zum 31.08.2017 noch in Stuttgart beschäftigt war, jetzt nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses zur unmittelbaren Arbeitsuche sie die Ausreise zum 04.09.2017 vorziehen wollte. Belege dafür, dass die Klägerin im September Bewerbungsgespräche in Österreich wahrnehmen wollte, liegen dem Senat nicht vor. Dazu passt auch, dass die von der Klägerin vorgelegten Bewerbungen und Absagen teilweise aus dem Jahr 2016 sowie vom Februar sowie April 2017 datierten (Blatt 49 bis 64 der SG – Akte). Der Senat entnimmt auch den Bewerbungsunterlagen, dass die von der Klägerin als Hindernis genannte fehlende Anerkennung ihrer Erzieherausbildung in Österreich ihr spätestens seit dem 17.03.2016 bekannt war, da in der Mail von diesem Tag die Klägerin auf das Erfordernis der Nostrifizierung (Anerkennung) ihrer Ausbildung und eine entsprechende Antragstellung beim Land Vorarlberg hingewiesen wurde, sodass sie ab 04.09.2017 in Österreich in ihrem Berufsfeld gar nicht vermittelbar war. Auch hatte sie im März 2017 den Aufhebungsvertrag zum 31.08.2017 abgeschlossen, so dass die mangelnde sofortige Verfügbarkeit ab dem 01.09.2017 einer Arbeitsuche nicht mehr im Wege stand. Die vorgelegten Bewerbungen aus dem Jahr 2016 und Anfang 2017 belegen auch, dass die Jobchancen auf dem Arbeitsmarkt für Erzieher im Land Vorarlberg grundsätzlich gut, jedoch nicht schnell umzusetzen waren. Gegen einen Umzug zur Arbeitssuche spricht auch, dass die Klägerin letztlich erst zum 04.06.2018 eine Stelle angetreten hat und keine Bewerbungsbemühungen seit der Ausreise belegt sind. Eine Ausreise aus privaten Gründen ist indes nicht von Art. 64 VO (EG) 883/2004 erfasst, da dieser nur die Existenzsicherung zur tatsächlichen Arbeitsuche für drei Monate angesichts des Vorrangs der Vermittlung auf dem nationalen Arbeitsmarkt gewährleistet. Die Beklagte konnte somit – angesichts der bereits erfolgten Beratung am 26.07.2017 und der definitiv zum 04.09.2017 angekündigten Ausreise – davon ausgehen, dass ein weiterer Beratungsbedarf zur Mitnahme des Alg-Anspruchs bzw. PD U2 nicht bestanden hatte. Der Senat vermag daher im Ergebnis weder einen Beratungsfehler noch einen hierauf beruhenden Ermessensfehler festzustellen.

Der Senat kann auch nicht feststellen, dass das Ermessen der Beklagten vorliegend auf Null reduziert ist und somit die Verkürzung der vierwöchigen Wartefrist die einzig rechtmäßige Entscheidung darstellt.

Sofern die Klägerin hierzu auf das Urteil des LSG Niedersachsen – Bremen vom 12.12.2017 (L 7 AL 36/16, juris) zum Sperrzeitrecht verweist, weicht dieses ausdrücklich von der Rechtsprechung des BSG ab (BSG, Urteil vom 17.10.2007, B 11a/7a AL 52/06 R –, SozR 4-4300 § 144 Nr. 16) ab. Das BSG hat es, geprägt durch den ursprünglichen Ansatz, dass eine Förderung von Ehe und Familie auch durch Benachteiligung von nichteheähnlichen Lebensverhältnissen erfolgen müsse, zunächst abgelehnt, den Zuzug zu einem Partner, mit dem eine nichteheähnliche Lebensgemeinschaft hergestellt bzw. wiederhergestellt werden sollte, als wichtigen Grund anzusehen (BSG, Urteil vom 12. November 1981 - 7 RAr 21/81 -, SozR 4100 § 119 Nr. 17). Auch eine seit zehn Jahren bestehende eheähnliche Gemeinschaft rechtfertigte keinen Zuzug zum Lebenspartner (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1988 – 7 RAr 37/87 -, SozR 4100 § 119 Nr. 33). Zehn Jahre später wurde in Erwägung gezogen, sperrzeitrechtlich eine seit drei Jahren bestehende eheähnliche Gemeinschaft mit dem Argument zu berücksichtigen, dass das Scheitern einer Ehe auch erst nach einer dreijährigen Trennung unwiderlegbar vermutet wird (BSG, Urteil vom 29. April 1998 - B 7 AL 56/97 R - SozR 3-4100 § 119 Nr. 15, juris Rz. 30). Die Fortentwicklung dieser Rechtsprechung wurde dann im Jahre 2002 vollzogen (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 96/00 R -, SozR 3-4100 § 119 Nr. 26). Danach kann ein Ortswechsel zwecks Aufrechterhaltung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, auch wenn diese noch keine drei Jahre bestanden hat, einen wichtigen Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses darstellen. Gleichzeitig wird aber hervorgehoben, dass ein Ortswechsel zwecks Begründung einer (zuvor nicht bestehenden) nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht als wichtiger Grund anerkannt werden kann. Weiteren Öffnungen hat das BSG mit Urteil vom 17.10.2007 (B 11a/7a AL 57/06 R, SozR 4-4100 § 144 Nr. 16) einen Riegel dadurch vorgeschoben, dass es eine vorherige gemeinsame Wohnung zu den zwingenden Voraussetzungen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft rechnet, weil das allein das entscheidende Kriterium für die Feststellung der Ernsthaftigkeit der Beziehung sein soll (Rz. 18). Sofern das LSG Niedersachsen – Bremen in der Entscheidung vom 12.12.2017 von der bisherigen Rechtsprechung des BSG abweicht, ist eine höchstrichterliche Klärung noch nicht erfolgt (vgl. Schmitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, § 159 SGB III, Rn. 86).

Der Senat vermag indes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.10.2007, aaO) in der vorliegenden Konstellation keine Ermessensreduzierung auf Null festzustellen, da es für die unterschiedliche Behandlung der erstmaligen Begründung und der Wiederherstellung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Wohnung sachliche Gründe gibt und vorliegend auch keine gemeinsamen Kinder und somit Gründe des Kindeswohl und die Herstellung einer Erziehungsgemeinschaft zu berücksichtigen sind. Die nachvollziehbare Lebensentscheidung der Klägerin, die bisher als Fernbeziehung geführte Partnerschaft erstmals zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Wohnung, zu verfestigen, führt auch unter Abwägung mit den Interessen der Solidargemeinschaft angesichts der sehr guten Vermittlungschancen der Klägerin auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht zu einem absoluten Vorrang der Interessen der Klägerin und begründet daher keine Ermessensreduzierung auf Null.

Damit liegen die Voraussetzungen eines Alg–Anspruches ab dem 04.09.2017 nicht vor. Die Klägerin kann auch keinen Anspruch auf Ausstellung des PD U2 geltend machen.

Die Klägerin kann auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nicht so gestellt werden, als hätte sie die Wartefrist erfüllt.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger auf Grund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist also, abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann. Umgekehrt bedeutet dies, dass in Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum bleibt. Hintergrund dieser von der Rechtsprechung angenommenen Differenzierung zwischen "ersetzbaren" und "nicht ersetzbaren" Voraussetzungen ist das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Dieses lässt nicht zu, dass die Verwaltung gesetzeswidrig handelt, selbst wenn sie zuvor eine falsche Auskunft oder Beratung erteilt hat. Demgemäß lässt sich mit Hilfe des Herstellungsanspruchs der durch ein Fehlverhalten des Leistungsträgers bewirkte Nachteil nur dann ausgleichen, wenn die Korrektur bzw. Ersetzung der fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht. Dies kann bei verspäteter Antragstellung, verspäteter Beitragsentrichtung oder verspäteter Vorlage von Unterlagen der Fall sein, falls die Verspätung auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht (BSG, Urteil vom 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R, juris Rn. 24 f.; Senatsurteil vom 23.03.2018, L 8 AL 883/16, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Etwas Anderes gilt jedoch dann, wenn die Wirksamkeit der Handlung von einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitslosen, beispielsweise einer Arbeitslosmeldung abhängt. Die Beklagte ist an die gesetzlichen Regelungen gebunden, weder kann sie den rechtserheblichen Tatbestand durch eine Amtshandlung ersetzen, noch darf sie ohne sein Vorliegen rechtmäßig eine ALG-Bewilligung aussprechen. Der Herstellungsanspruch kann den Versicherungsträger nämlich nur zu solchem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist, zumindest muss dieses Handeln in seiner wesentlichen Struktur im Gesetz vorgesehen sein. Der Herstellungsanspruch steht somit nicht zur Verfügung, um eine für einen bestimmten Zeitpunkt tatsächlich erforderliche, aber fehlende Arbeitslosmeldung zu ersetzen (BSG, Urteil vom 19.03.1986 – 7 RAr 48/84, juris RdNr.25).

Die Klägerin sieht das Fehlverhalten der Beklagten, welches zu einem Anspruchsverlust der Klägerin geführt haben könnte, vorliegend darin, dass die Beklagte sie falsch beraten habe und die Klägerin nach ihrem Vortrag, sofern sie Kenntnis von der zu erfüllenden Wartezeit gehabt hätte, auch erst – wie ursprünglich geplant - Anfang Oktober hätte nach Österreich ziehen können, da der Mietvertrag über die Wohnung in Deutschland erst Ende September endete. Insofern hätte sie bei Kenntnis die Wartefrist durch eine spätere Ausreise erfüllen können. Ein späterer Umzug stellt jedoch ein tatsächliches Verhalten im Bereich des Arbeitslosen dar, welches – ebenso wie eine Arbeitslosmeldung – nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches fingiert werden kann. Eine Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen durch eine zulässige Amtshandlung ist vorliegend nicht möglich (BSG, Urteil vom 31.01.2006, B 11a AL 15/05 R, juris). Es gibt mithin keine rechtlich zulässige Amtshandlung der Beklagten, die dazu führen würden, dass die Klägerin vom 04.09.2017 bis zum 28.09.2017 sich in Deutschland aufgehalten hatte und verfügbar gewesen wäre. Eine solche ist auch nicht in einer Verpflichtung zur nochmaligen Ermessensausübung bezüglich der Verkürzung der Wartezeit infolge einer ermessensfehlerhaften Entscheidung der Beklagten zu sehen. Der Senat kann – wie bereits ausgeführt wurde – keinen Ermessensfehler feststellen, da die Klägerin von der Beklagten ordnungsgemäß beraten wurde.

Die Klägerin kann somit ihren Anspruch auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

II.

Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung einer Beratungspflichtverletzung ist unzulässig.

Die Klägerin begehrt nicht die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung, sondern die Feststellung, dass die Beklagte eine gesetzliche Beratungspflicht aus dem zugrundeliegenden Sozialrechtsverhältnis gegenüber der Klägerin traf und die Beklagte diese bestehende Beratungspflicht rechtswidrig verletzt hat.

Damit handelt es sich um eine Elementenfeststellungsklage, weil keine bestimmte Leistung, sondern lediglich ein Anspruchs- bzw. Begründungselement zwischen den Beteiligten streitig ist. Zwar kann nach der allgemeinen Formulierung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, worunter sich dem Wortlaut nach auch noch die Klage auf Feststellung einer Beratungspflicht als Feststellung der Pflichtwidrigkeit schlichten Verwaltungshandelns fassen ließe. Allerdings ist hierfür nach dem Wortlaut der Vorschrift auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung erforderlich, welches bei einer Elementenfeststellungsklage wie vorliegend, nicht ersichtlich ist.

Eine Elementenfeststellungsklage, die sich nicht auf einzelne Rechte oder Pflichten, sondern auf die Klärung anderer Einzelfragen innerhalb eines möglichen Rechtsverhältnisses richtet, ist grundsätzlich unzulässig; dies gilt etwa auch für eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens der Beklagten (Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 55 SGG, Rdn. 6; LSG Nordrhein – Westfalen, Urteil vom 13.10.2017, L 14 R 697/15, juris) Die hierzu anerkannte Ausnahme, dass ein zwischen den Beteiligten bestehender Streit durch die Elementenfeststellungsklage im Ganzen bereinigt wird, ist vorliegend nicht einschlägig (vgl. hierzu BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - Juris RdNr. 17; BSG Urteil vom 8.9.2015 – B 1 KR 27/14 R - SozR 4-2500 § 76 Nr. 3 RdNr. 24 m.w.N.; BSG, Urteil vom 15.6.2016 - B 4 AS 45/15 R -; BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 36/15 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 90, Rn. 18). Die Feststellung einer Beratungspflichtverletzung führt nicht dazu, dass der Anspruch auf Alg im vorliegenden Fall erfüllt wird, da dies zum einen an der Verfügbarkeit und zum anderen daran scheitert, dass im Bereich des Arbeitslosen liegende tatsächliche Umstände nicht durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ersetzt werden können. Vielmehr dient die Feststellungsklage lediglich der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses. Dies ist aber – wie bei der Fortsetzungsfeststellungsklage – nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, welche vorliegend nicht erfüllt sind.

Die begehrte Feststellung, dass die Beklagte eine gesetzliche Beratungspflicht aus dem zugrundeliegenden Sozialrechtsverhältnis gegenüber der Klägerin traf und die Beklagte diese bestehende Beratungspflicht rechtswidrig verletzt hat, würde der Klägerin nicht schon allein für sich eine verwertbare Rechtsposition verschaffen. Ob sich die Beklagte eine diesbezügliche Verletzung einer Aufklärungs- und Beratungspflicht hat zuschulden kommen lassen, wäre allenfalls als Vorfrage in einem theoretisch denkbaren Schadensersatzprozeß wegen Amtspflichtverletzung nach Art. 34 GG, § 839 BGB rechtserheblich, der vor den Zivilgerichten zu führen wäre. Insoweit gilt aber, auch rechtswegübergreifend, die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer möglichen Leistungsklage. Diese Subsidiarität greift lediglich im Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts, der sich vor dem Ende des gerichtlichen Verfahrens erledigt hat, nicht Platz. Eine nicht durch ein selbständiges Feststellungsinteresse gerechtfertigte allgemeine Klage auf Feststellung der Verletzung von Nebenpflichten (u.a. auch Beratungspflichten) aus einem behaupteten Verwaltungsrechtsverhältnis ist unzulässig, wenn der Kläger seine rechtlich geschützten Interessen durch zivilgerichtliche Leistungsklage verfolgen kann (BVerwG vom 18.10.1985 = NJW 86, 1826). In einem solchen Fall soll nicht über einzelne Elemente eines rechtlich gebotenen Schadensausgleichs in mehreren Verfahren unterschiedlicher Rechtswege entschieden werden (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 13.11.1997, L 9 Al 359/96, juris). Der Senat kann im Anschluss an die Rechtsprechung des Bayerischen LSG ein spezifisches prozessökonomisches Interesse an der gesonderten Durchführung einer verwaltungs- bzw. sozialgerichtlichen Fortsetzungs-Feststellungsklage nicht erkennen. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist somit gegenüber einer möglichen, vor den Zivilgerichten anzustrengenden Leistungs- bzw. Schadensersatzklage subsidiär. Ansonsten bestünde sogar die Gefahr prozessualer Ungereimtheiten. Der Begriff der Pflichtverletzung im Rahmen des Art. 34 GG, § 839 BGB (zu "Auskünften" s. Palandt-Thomas Rdz. 44 zu § 839 BGB) ist nämlich weiter als der Begriff der Pflichtverletzung im Rahmen eines Sozialrechtsverhältnisses, die allenfalls Gegenstand einer sozialgerichtlichen Feststellung sein kann, was im Fall eines negativen Feststellungsurteils zu Unklarheiten hinsichtlich von dessen Auswirkungen im zivilgerichtlichen Verfahren führen könnte (vgl. hierzu Bayerisches LSG, aaO).

Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist daher als unzulässig abzuweisen.

Die Berufung der der Klägerin war somit zurückzuweisen.

Den in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag der Klägerin, die Klage dahingehend zu erweitern, die Beklagte im Wege der Untätigkeitsklage zu verurteilen, über den im Widerspruchsschreiben vom 10.11.2017 gestellten Antrag zur Verlängerung des Mitnahmezeitraums auf sechs Monate nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, hat die Klägerin nicht gestellt. Er wäre auch nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 99 SGG nicht erfüllt sind. Hierüber wäre zunächst vom Sozialgericht erstinstanzlich zu entscheiden.

III.

Die die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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