S 8 KR 107/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 107/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligen streiten über die Frage eines Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin für Behandlungen in Jordanien und Indien.

Die Klägerin ist Rentenbezieherin und wird von der Beklagten als versicherungspflichtiges Mitglied geführt. Von 1995 bis April 2000 lebte sie in Jordanien und lebt seit April 2000 in Indien. Sie ist nicht mit einem eigenen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet und hält sich jährlich für einige Wochen in Deutschland auf. (z.B. im Jahre 2000 für insgesamt 18 Wochen, verteilt auf 5 Aufenthalte). In Jordanien bzw. Indien lebte bzw. lebt die Klägerin auf Grund der Berufstätigkeit ihres Ehemannes, der in diesen Ländern im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit als Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung arbeitet. Der Ehemann der Klägerin ist nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung sondern privat krankenversichert.

1999 reichte die Klägerin verschiedene Rechnungen für ärztliche Behandlungen in Jordanien und später in Indien mit Bitte um Kostenerstattung bei der Beklagten ein. Mit Schreiben vom 29.09.1999, Bescheid vom 21.10.1999, Schreiben vom 30.01.2001 und Widerspruchsbescheid vom 11.05.2001 lehnte die Beklagte die begehrte Kostenerstattung ab, da die Krankenversicherung gem. § 16 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) während eines Aufenthaltes im Ausland ruhe. Für die Länder Jordanien und Indien bestehe auch kein Anspruch auf Grund eines Sozialversicherungsabkommens, da solche mit diesen Ländern nicht bestünden. Da der Ehemann der Klägerin privat und nicht gesetzlich krankenversichert sei, bestünde auch kein Anspruch der Klägerin als Familienversicherte. Die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 17, 18 SGB V seien ebenfalls nicht erfüllt. Darüber hinausgehend stehe der Beklagten auch kein Ermessenspielraum für eine andere Entscheidung zu.

Die Klägerin hat gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten Klage erhoben, mit der sie ihr Kostenerstattungsbegehren weiterverfolgt. Sie macht geltend, dass die Beklagte mit ihren Entscheidungen nicht auf die Besonderheiten ihrer Lage eingegangen sei und die Vorschrift des § 16 SBG V so apodiktisch ausgelegt habe, wie es vom Gesetzgeber nicht gemeint sein könne. Vielmehr führe die Berücksichtigung verfassungsrechtlicher und anderer gesetzlicher Vorschriften dazu, dass ihr während ihres Auslandsaufenthaltes in Begleitung ihres Ehemannes kein Nachteil in der Sozialversicherung entstehen dürfe. Anders als z.B. Urlauber wirke sie bei gemeinnützig und politisch erwünschter Arbeit mit. Denn bei der Tätigkeit ihres Ehemannes für die Friedrich-Ebert-Stiftung handele es sich um eine staatlich geförderte gemeinnützige Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit. Diese stelle auch an sie als mitentsandte Ehefrau Anforderungen in Form von Repräsentationspflichten. Diese lege eine Erstattungspflicht nahe, sowie es das Gesetz ausdrücklich für Beschäftigte im Ausland vorsehe. In diesem Falle könne ihr Ehemann als ihr Arbeitgeber betrachtet und eine Erstattungspflicht angenommen werden. Darüber hinaus lasse Art. 3 des Grundgesetztes (GG) eine Ungleichbehandlung der Versicherten danach, ob jeweils für das entsprechende Ausland ein Sozialversicherungsabkommen existiere, nicht zu. Es sei auch nicht einzusehen, dass sie Beiträge zur Krankenversicherung zahle, ohne einen entsprechenden Versicherungsschutz zu erhalten. Hinsichtlich der Beitragszahlung sei darüber hinaus nicht nachzuvollziehen, dass sie im Falle einer beitragsfreien Familienversicherung über ihren Ehemann einen entsprechenden Versicherungsschutz genießen würde und tatsächlich bei eigener Betreigszahlung als Rentnerin leer ausgehe. Zur ergänzenden Darstellung der weiter ausgeführten Argumentation der Klägerin wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2001 zu verurteilen, die Kosten für die in Jordanien und Indien durchgeführten Behandlungen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort aufgeführten Gründen für rechtmäßig.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogene Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte die Klägerin von 1995 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als pflichtversicherte Rentnerin geführt hat, scheitert der Anspruch jedenfalls daran, dass der Leistungsanspruch während des Aufenthaltes der Klägerin im Ausland gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB ruhte. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Auslandsaufenthalt letztendlich entwicklungspolitisch verursacht war, keine einengende Auslegung des § 16 SGB V dahingehend in Betracht kommt, dass in diesen Fällen der Leistungsanspruch nicht ruht. Vielmehr ergibt sich aus der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V deutlich, dass der Gesetzgeber eine derartige Einschränkung nicht gewollt hat. Denn gemäß dieser Vorschrift ruht ein krankenversicherungsrechtlicher Leistungsanspruch selbst in den Fällen, in denen Entwicklungshelfer, Entwicklungsdienst leisten. Insoweit liegt es im Gestaltungspielraum des Gesetzgebers, ob er die Anerkennung oder einen Ausgleich für derart gemeinnützig orientierte Arbeit durch entsprechende Vorschriften im Krankenversicherungsrecht oder anders regelt. Für Entwicklungshelfer ist auch im Entwicklungshelfergesetz (EhfG) ausdrücklich geregelt, dass ihre Arbeit nicht durch eine entsprechende Besserstellung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern durch entsprechende Pflichten des Arbeitgebers und ggf. durch Zur-Verfügung-Stellung von Bundesmitteln ausgeglichen wird. Auch für Auslandmitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung, die anders als Entwicklungshelfer in einem Beschäftigungsverhältnis mit Gehaltsbezug stehen, existieren tarifvertragliche Regelungen über die Gewährung von Beihilfen in Krankheitsfällen des Auslandsmitarbeiters selber sowie für seine Familienangehörigen (Manteltarifvertrag für Auslandsmitarbeiter der Friedrich-Ebert- und anderer Stiftungen vom 29.05.1980).

Ein Anspruch gemäß § 17 SGB V bleibt außer Betracht. Die Klägerin selber ist keine im Ausland Beschäftigte. Es besteht werde ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zur Friedrich-Ebert-Stiftung noch zu ihrem Ehemann. Die von der Klägerin geltend gemachten Repräsentationspflichten und eine möglicherweise weitere Betroffenheit durch die Berufstätigkeit ihres Ehemannes stellt kein Beschäftigungsverhältnis im rechtlichen Sinne dar. Die Teilnahme der Klägerin an der Berufstätigkeit ihres Ehemannes könnte allenfalls mit der Stellung eines mithelfenden Familienmitgliedes verglichen werden. Mithelfende Familienmitglieder sind jedoch ebenfalls mangels versicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis als Arbeitnehmer nicht versicherungspflichtig. Ein Anspruch als versicherte Familienangehörige gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB V besteht nicht, da der Ehemann der Klägerin nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse war und ist.

Auch die Vorschrift des § 18 Abs. 3 SGB V greift vorliegend nicht zu Gunsten der Klägerin ein. Ungeachtet des plausiblen Vortrags der Klägerin, dass sie im Alter von 62 Jahren bei einem Rentenbezug in Höhe von ca. 2000,- DM keine private Auslandsversicherung zu angemessenen Konditionen erhalten könne, fehlt es nach Ansicht der Kammer bereits an der Voraussetzung des "vorübergehenden" Auslandsaufenthaltes. Bei einem im Rahmen der Berufstätigkeit des Ehemannes der Klägerin von vornherein festgelegten mehrjährigen Aufenthalt im Ausland, der auch dazu geführt hat, dass die Klägerin und ihr Ehemann in der Bundesrepublik Deutschland keinen Wohnsitz mehr innehaben, kann nicht mehr von einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt gesprochen werden. Dass § 18 Abs. 3 SGB V bei vorübergehenden Auslandsaufenthalten nicht von langfristigen Auslandsaufenthalten ausgehet, ergibt sich aus den weiteren Regelungen dieser Vorschrift, die den Kostenerstattungsanspruch auf längstens 6 Wochen im Kalenderjahr begrenzt, § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB V, und bei entsprechend langfristigen Auslandsaufenthalten aus schulischen oder Studiengründen einen ausdrücken Anordnungsbedarf für die Anwendung der den vorübergehenden Auslandaufenthalt betreffenden Vorschrift sieht, § 18 Abs. 3 Satz 4 SGB V. Zu einer anderen Beurteilung der Leistungspflicht der Beklagten kann auch nicht der von der Klägerin angeführte Gleichheitsgrundsatz Art. 3 GG, führen. Denn gemäß Art. 3 GG sind gleiche Sachverhalte gleich zu bewerten. Besteht jedoch ein sachgerechter Grund dafür, dass Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden, so stellt dies keinen Verstoß gegen Art. 3 GG dar. Vorliegend erscheint es als sachgerechtes Unterscheidungskriterium, dass der Versicherungsschutz im Ausland unterschiedlich danach behandelt wird, ob mit dem entsprechenden Land ein Sozialversicherungsabkommen besteht oder nicht. Denn vor und beim Abschluss von Sozialversicherungsabkommen obliegt es der Prüfungs- und Gestaltungsfreiheit der Bundesregierung bzw. des Gesetzgebers zu beurteilen, in Bezug auf welches Land die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, notwendig und sachgerecht sind.

Der Einwand der Klägerin, dass es nicht gerechtfertigt sein könne, dass sie trotz voller Beitragsleistung über keinen Versicherungsschutz im Ausland verfüge, kann vorliegend nicht durchgreifen; weder der Hinweis auf die Beitragszahlung im Allgemeinen, noch der Hinweis auf den Umstand, dass sie als beitragsfrei Familienversicherte einen Anspruch gem. § 17 SGB V hätte, während ihr als beitragszahlende Rentnerin dieser Anspruch nicht zustehe. Denn nach Auffassung der Kammer bestand während der Auslandsaufenthalte der Klägerin seit 1995, die der Beklagten angezeigt worden waren, keine Beitragszahlungspflicht. Die erforderliche Voraussetzung der Versicherungspflicht während des Aufenthaltes im Ausland lang nicht vor. Gemäß § 3 Nr. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuches (SGB IV) gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht als Rentnerin – nur für die Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereiche dieses Gesetzbuchs haben. Dies traf bei der Klägerin während ihres Auslandsaufenthaltes nicht zu. Sie hatte weder einen gemeldeten Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die lediglich zwei- bis sechswöchigen Aufenthalte in Deutschland stellen jeweils lediglich einen vorübergehenden und keinen gewöhnlichen Aufenthalt dar.

Ob und inwieweit der Klägerin ein Beitragserstattungsanspruch gem. §§ 26,27 SGB IV zusteht, ist nicht Streitgegenstand dieses Rechtsstreites.

Die von der Klägerin ebenfalls zitierten Vorschriften der §§ 1, 39 des Ersten Buches Sozialgesetzbuches SGB I) konnten auch zu keiner anderen Beurteilung führen. § 39 SGB I betrifft Ermessensleistungen. Ein Ermessenspielraum bzgl. der Leistungspflicht bei einem Auslandsaufenthalt stand der Beklagten im Rahmen der Vorschriften §§ 16, 17 18 SGB V nicht zu. Die allgemein und programmatisch gefasste Vorschrift des § 1 SGB I stellt keine konkrete Anspruchsgrundlage dar. Die in dieser Vorschrift aufgeführten Grundsätze werden vielmehr durch die einzelnen Vorschriften der Sozialgesetzbücher, hier §§ 16, 17, 18 SGB V, näher konkretisiert. Sie stellen eine abschließende Regelung im oben dargelegten Sinne dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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