S 8 KR 164/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 164/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die vollständige Erstattung der vom Kläger aufgewandten Kosten für die Anschaffung eines Elektromobils über die von der Beklagten bewilligte Kostenbeteiligung hinaus.

Bei dem 1935 geborenen Kläger besteht ein Zustand nach Schlaganfall, der in der Vergangenheit seit 1994 zu einer Versorgung durch die Beklagte mit einem Elektromobil geführt hat. Im Jahre 2001 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine aufwändige Reparatur des Elektromobils ab, da eine solche unter Berücksichtigung des Alters und Zeitwerts des Mobils unwirtschaftlich sei.

Im März 2002 beantragte der Kläger unter Vorlage einer Verordnung des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin T und eines entsprechenden Kostenvoranschlags die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Elektroscooters in Höhe von 2.428,90 Euro. Die Beklagte ließ sich von dem vom Kläger gewählten Sanitätshaus einen Kostenvoranschlag für den Einsatz eines Elektrorollstuhls erstellen. (518,54 Euro). Anschließend erteilte sie den Bescheid vom 29.04.2002, mit der sie eine Kostenbeteiligung in Höhe von 766,94 Euro an der Anschaffung eines Elektro-Krankenfahrzeugs nach der Wahl des Klägers bewilligte. Sofern der Kläger die Versorgung mit einem Elektro-Mobil wähle, stelle diese Beteiligung lediglich einen Zuschuss zu den Anschaffungskosten dar. Diese Beschränkung der Kostenbeteiligung erfolge unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes. So sei ein Versicherter kostenfrei mit einem Elektro-Rollstuhl zu versorgen, wenn ein geeigneter im Bestand vorahnden sei. Besteht der Versicherte weiterhin auf der Lieferung eines Elektro-Mobils, so seien nur die Kosten für den Wiedereinsatz des Bestandgerätes zu genehmigen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er geltend machte, dass für ihn die Anschaffung eines Elektro-Mobils notwendig sei. Denn einen Elektrorollstuhl könne er nicht in seinem Pkw transportieren bzw. transportieren lassen und somit nicht für Reisen und andere weitere Fahrten mitnehmen. Diesen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2002 zurück.

Während des Widerspruchsverfahrens, am 07.06.2002, schaffte sich der Kläger das Elektro-Mobil Freerider Type Mercure aus eigenen Mitteln an und wandte hierfür einen Betrag in Höhe von 4.100,00 Euro auf.

Der Kläger hat gegen die Bescheide der Beklagten Klage erhoben, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur vollständigen Kostenübernahme für die Anschaffung des Elektro-Mobils geltend macht. Ihm sei bereits früher ein Elektro-Mobil von der Beklagten bewilligt worden. Er benötige das Elektro-Mobil, da dieses im Gegensatz zu Elektrorollstühlen auseinanderbaubar sei und so von seiner Ehefrau zum Transport mit ihrem Pkw verstaut werden könne. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.11.1999 – B 3 Kr 16/99 R – macht er geltend, dass ihm ein Wahlrecht zwischen der Anschaffung eines Elektro-Mobils oder eines Elektrorollstuhls zustehe. Darüber hinaus sei entgegen der Behauptung der Beklagten davon auszugehen, dass die Anschaffung des Elektro-Mobils wirtschaftlich und kostengünstiger sei. Allein der Umstand, dass sich im Bestand des Sanitätshauses ein Elektrorollstuhl befinde, begründe keine wirtschaftlich günstigere Versorgung. Vielmehr wäre die Neuanschaffung eines Elektrorollstuhls mit mindestens 6.000,00 Euro teuer als die Neuanschaffung es erstandenen Elektro-Mobils. Der Einsatz eines Gebrauchtfahrzeugs bringe höhere Wartungskosten im zu erwartenden Gebrauchszeitraum mit sich als der Einsatz eines neuen Elektro-Mobils. Der gebrauchte Rollstuhl könne für einen anderen Versicherten vorgehalten werden, der einen entsprechenden Bedarf habe. Dem Kläger sei es mit der Benutzung des Pkws unter Mitnahme des Elektro-Mobils einfacher möglich, z.B. Ziele in Düsseldorf zu erreichen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Rehabilitationsmaßnahmen, Arztbesuche und auch Krankengymnastik könne er nur durch die Benutzung des Pkws wahrnehmen. Seine Ehefrau bringe ihn zu diesen Terminen. Des Weiteren müsste er die im Eingangsbereich seines Hauses an Metallhaken aufgehangenen Schienen in einem anderen (Rad-) Abstand befestigen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid der Beklagten vom 29.04.2202 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.100,00 Euro für die Anschaffung des Elektro-Mobiles Freerider Type Mercure Zug um Zug gegenüber Eignung des Elektro-Mobiles Freerider Type Mercure zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für rechtmäßig.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf vollständige Kostenerstattung für die Anschaffung des Elektromobils zu.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit Seh- oder Hörhilfen, Köprerersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenhausbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation, also die Wiederherstellung der Gesundheit einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges. Dies bedeutet, dass die Körperfunktionen soweit wie möglich wiederhergestellt werden, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Hierzu gehört nicht eine darüber hinausgehende berufliche und soziale Rehabilitation. Die Rechtsprechung hat dies so konkretisiert, dass nicht unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Organfunktion selbst gerichtete Hilfsmittel (ein solch unmittelbar ausgleichendes Hilfsmittel wäre z.B. ein künstliches Körperglied) nur dann als Hilfsmittel der Krankenversicherung anzusehen sind, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben (allgemein") beseitigen oder mildern und damit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betrffen (st. Rspr., BSG Urteil vom 06.08.1998 – B 3 KR 3/97 R -, m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung (st. Rspr.) des Bundessozialgerichts gehören zu derartigen Grundbedürfnissen die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissen) umfassen (BSG, vom 03.11.1999 – B 3 KR 16/99 R-). So ist das Grundbedürfnis der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichen des Gesunden zu verstehen. So sieht das BSG keinen Anspruch eines Erwachsenen auf zuständige Ausrüstung eines Rollstuhls mit einer fahrradgleichen mechanischen Zugvorrichtung (Rollstuhl-Bike) als gegeben an (Urteil vom 16.09.199 – B 3 KR 8/98 R -).

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sowohl zu § 33 SGB V als auch zur insoweit inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 182 b der Reichsversicherungsordnung (RVO) sind ein Kraftfahrzeug und entsprechende Zusatzgeräte Gegenstände, die lediglich dem Ausgleich der Folgen einer Behinderung im beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Bereich dienen. Das Kraftfahrzeug, das mit der zunehmenden Technisierung des täglichen Lebens immer größere Bedeutung gewinnt, erleichtere die Bewältigung dieser Lebensbereiche; es diene jedoch nicht der Ausübung einer körperlichen Funktion. Kraftfahrzeug-Zusatzgeräte seien deshalb keine Hilfsmittel (BSG, Urteile vom 15.02.1978 – 3 RK 67/76 -; 10.10.1978 – 3 RK 78/77 -; 04.08.1981 – 5 a/5 RKn 16/80 -; 03.11.1987 – 8 RK 14/87-; 06.08.1998 – B 3 KR 3/97 -; a.A: BSG, 8. Senat, Urteil vom 26.02.1991 – 8 RKn 13/90-).

Diese Rechtsprechung hat der 3. Senat des BSG in seinem Urteil vom 26.03.2003 – B 3 KR 23/02 R – nochmals – auch unter Mitberücksichtigung des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Neunten Buches des Sozialgesetzbuches bestätigt (ebenso für die private Pflegeversicherung: BSG, Urteil vom 11.04.2002 – B 3 P 10/01 R -).

Die Kammer hat keinen Anlass gesehen, im vorliegenden Fall von dieser Rechtsprechung abzuweichen oder aufgrund der vom Kläger geltend gemachten Umstände zu einer anderen Entscheidung zu kommen. Insbesondere unter Berücksichtigung der angeführten Besuche von Ärzten und Therapeuten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen der jüngsten Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2003 (Az.: L 5 KR 234/02; Revision anhängig: BSG – B 3 KR 19/03 R -) und 12.02.2004 Az.: L 5 KR 77/03; Revisionsanhängig: BSG – B 3 KR 15/04 R -) Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Wiedereinsatz eines gebrauchten Elektrorollstuhls nicht wirtschaftlicher sei als die Neuanschaffung eines Elektro-Mobils. Der diesbezügliche Hinweis auf einen möglichen Einsatz des Bestandsgerätes durch einen anderen Versicherten der Beklagten ist rein spekulativer Natur, zumal auch dieser dritte Versicherte möglicherweise ein Elektro-Mobil mit seinen zusätzlichen Verwendungsmöglichkeiten gegenüber einem Elektrorollstuhl bevorzugen würde. Der Hinweis auf die höheren Wartungskoten eines Gebrauchtfahrzeugs gegenüber einem neuen Fahrzeug ist nachvollziehbar, kann jedoch nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Denn eine Berücksichtigung dieses Umstandes im Sinne des Klägers würde letztendlich dazu führen, dass jeder Versicherte im Bedarfsfall mit einem neuen Rollstuhl oder Elektro-Mobil versorgt würde und es nicht mehr zum Wiedereinsatz gebrauchter Geräte käme. Insofern hält die Kammer eine betriebswirtschaftliche Bewertung der Frage der Wirtschaftlichkeit für maßgeblich. Diesen Aspekt hat das Bundessozialgericht in der vom Kläger zitierten Entscheidung mangels entsprechenden Sachverhaltes ausdrücklich offen gelassen. Insoweit kann aus dieser Entscheidung des Bundessozialgerichts auch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Versicherten grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Anschaffung eines Elektro-Mobils oder eines Elektrorollstuhl zusteht.

Aus der Versorgung mit einem Elektro-Mobil in der Vergangenheit kann der Kläger keine Ansprüche herleiten. Eine Rechtsgrundlage für einen derartigen Besitzstandsschutz ist nicht ersichtlich.

Die vom Kläger angesprochene Notwendigkeit des Umhängens von Schienen im Eingangstreppenbereich konnte auch zu keiner anderen Entscheidung führen, da es sich mit der Bohrung eines neues Loches lediglich um eine geringfügige und damit zumutbare bauliche Maßnahme handelt. Es war daher auch nicht weiter der Frage nachzugehen, ob bereits die Anschaffung eines neuen anderen Elektro-Mobils ebenfalls eine Änderung des Schienenabstands erforderte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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