S 7 KR 31/19 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 KR 31/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Er ist Aufgabe der Krankenkasse, die angemessene Versorgung mit Leistungen der Krankenpflege sicherzustellen. Die Krankenkasse kann die häusliche Krankenpflege (hier: 24stündige Beobachtungspflege) dann nicht als Sachleistung sicherstellen, wenn sie nicht ausreichend Pflegekräfte zur Verfügung hat, die ihr gegenüber vertraglich gebunden sind.
1. Die Antragsgegnerin wird vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 22. Oktober 2019 bis zum 30. November 2019 die Kosten für ihre Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (Intensivbehandlungspflege mit Trachealkanüle und spezieller Krankenbeobachtung bis zu max. 24 Stunden täglich) in Höhe von höchstens 38,50 EUR pro Stunde zu erstatten.

2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

3. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes um Kostenerstattung nach § 37 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) V für die 24-stündige Krankenbeobachtung und Intensivbehandlungspflege der Antragstellerin.

Die 2017 geborene Antragstellerin leidet unstreitig an einer Tracheomalazie und einer Laryngomalazie bei Zustand einer omegaförmigen Glottis, einem Zustand nach Reanimation und einer Tracheostoma-Versorgung. Am 20. Dezember 2018 ist nach Rettungsdiensteinsatz bei der Antragstellerin eine Tracheostomie durchgeführt worden, die Antragstellerin ist mit einer ungeblockten Kanüle versorgt. Nach den Feststellungen im Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 28. Februar 2018 über die Antragstellerin bestehen häufige Sättigungsabfälle (Sauerstoff), wobei die Antragstellerin häufig hinsichtlich der Tracheostoma-Versorgung abgesaugt werden muss, auch im Schlaf. Eine frühere Rehabilitation ist vom 20. Dezember 2017 bis 6. Februar 2018 im Klinikum Kassel erfolgt. Nach dem MDK-Gutachten vom 28. Februar 2018 besteht bei der Antragstellerin ein Pflegegrad von 4 seit Januar 2018. Nach den Feststellungen der Pflegegutachterin besteht eine selbstständige Atmung der Antragstellerin über ein ungeblocktes Tracheostoma, wobei eine Überwachung der Atemsituation und eine Kontrolle der Grenzwerteinstellung über 24 Stunden ebenso wie ein endotracheales Absaugen nach Bedarf erforderlich seien. Die Antragstellerin lebt in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter und den 2014 und 2008 geborenen Brüdern D. und E. Die Bedarfsgemeinschaft bezieht nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Bescheid des Jobcenters Stadt A-Stadt vom 1. Juni 2019 Leistungen nach dem SGB II (bewilligt bis einschließlich November 2019).

Die Antragsgegnerin schloss im Februar 2018 eine Einzelvereinbarung über die beatmungspflegerische und intensivpflegerische Versorgung in der Häuslichkeit mit der F. GmbH in F-Stadt (Bl. 13 ff. Beklagtenakte). Von diesem Pflegedienst wurde die Antragstellerin seit Februar 2018 im Rahmen einer 24-Stunden-Beobachtung in der häuslichen Krankenpflege gepflegt. Der zunächst vereinbarte Stundensatz von 32,70 EUR wurde im 1. Nachtrag zur Einzelvereinbarung vom 18. Januar 2019 mit Wirkung ab 1. Januar 2019 auf eine Vergütung der vereinbarten Leistungen (24 Stunden Behandlungspflege täglich) von 33,50 EUR pro Stunde erhöht. Nach Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis 31. Dezember 2019 unter Zuhilfenahme der Angaben des Pflegedienstes F. GmbH und unter Vorlage einer ärztlichen Versorgung für häusliche Krankenpflege für die Zeit vom Juli bis Dezember 2019 der Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde Dr. G. vom 18. Juni 2019 bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3. Juli 2019 der Antragstellerin Intensivbehandlungspflege mit Trachealkanüle/spezielle Krankenbeobachtung - max. 24 Stunden täglich - für die Zeit vom 01.07.2019 bis 31.12.2019, unter der Einschränkung, dass diese Genehmigung nur solange gelte, wie ein Krankenversicherungsschutz bei der AOK Hessen gegeben sei und solange die medizinischen Voraussetzungen nach Nr. 24 der "Häusliche Krankenpflege-Richtlinie" vorlägen. Mit Schreiben vom selben Tage, 3. Juli 2019, erklärte die Antragsgegnerin gegenüber dem Pflegedienst, der F. GmbH, die Kostenübernahme.

Der Krankenpflegedienst, F. GmbH, teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. Oktober 2019 mit, es sei die Kündigung der Versicherten am 12. Oktober 2019 zugestellt worden, welche wirksam werde am 14. Oktober 2019 um 18:00 Uhr. Der Pflegedienst teilte wörtlich mit: " Da wir keine Möglichkeit mehr haben die Versorgung ihrer Versicherten fortzuführen, haben wir uns mit dem Pflegedienst "H. GmbH mit Sitz in H Straße, H-Stadt" in Verbindung gesetzt. Dieser ist bereit, die Versorgung ihrer Versicherten, nahtlos weiterzuführen und Sicherzustellen. Die Geschäftsführung der H. GmbH wird sich schnellstmöglich mit ihnen in Verbindung setzen. "

Der neue Pflegedienst (H. GmbH, im Folgenden kurz: H.) teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom Folgetag, dem 14. Oktober 2019, mit, er sei auf Wunsch der Angehörigen ab dem 15. Oktober 2019 mit der Intensivbetreuung und -pflege der Versicherten bis zu 24 Stunden täglich beauftragt worden. Der Betrag für die Kinderversorgung zur häuslichen Krankenpflege betrage 38,50 EUR als Basissatz pro Stunde (überschrieben ist das Schreiben mit "Kostenvoranschlag häusliche Krankenpflege").

Mit Schreiben an die Antragstellerin vom 15. Oktober 2019 sowie an H. teilte die Antragsgegnerin mit, es sei ein Einzel-Vertrag mit dem Leistungserbringer erforderlich, so dass nur bei Abschluss einer Einzelfallvereinbarung die Abrechnung der Kosten erfolgen könne. Die Antragsgegnerin wies ausdrücklich darauf hin, dass eine Versorgung erst dann aufgenommen werden könne, wenn eine Einzelvereinbarung mit ihr abgeschlossen sei, da nur dann eine Vergütung von Seiten der Antragsgegnerin möglich sei. Hierbei wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass es ihr wichtig sei, dass ihre Versicherten von qualifizierten Pflegefachkräften versorgt würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Oktober 2019 an den bisherigen Pflegedienst, F. GmbH, bestätigte die Antragsgegnerin die Mitteilung der Kündigung vom 13. Oktober 2019, wies darauf hin, dass aufgrund der bestehenden Einzelvereinbarung die Versorgung der Versicherten vertraglich geregelt und eine darin enthaltene Kündigungsfrist zu beachten sei, welche erst zum 31. Januar 2020 ende. Dies sei vom Pflegedienst zu beachten. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten erwiderte die Antragstellerin vom 16. Oktober 2019, der F. GmbH fehlten die Pflegekräfte zur Pflege der Antragstellerin. Daher sei die Vereinbarung gekündigt worden. Ein Teil des Pflege-Personals sei zu H. gewechselt, so dass die Antragstellerin von diesem Dienst versorgt werden wolle. Den Hinweis auf den Personalmangel wiederholte die Antragsteller-Vertreterin mit ihrem Schriftsatz an die Antragsgegnerin vom 17. Oktober 2019. Ein Hinweis der Antragsgegnerin auf die Kündigungsfrist, die bis zum 31. Januar 2020 laufe, gehe ins Leere, da die F. GmbH nicht mehr über das erforderliche Personal zur Pflege verfüge. Die Antragstellerin wurde gebeten mitzuteilen, welcher Leistungserbringer von ihrer Seite zur Verfügung stünde, die Versorgung ab dem 1. Dezember 2019 sicherzustellen. Daraufhin erwiderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 erneut, die Kündigung der Einzelvereinbarung sei frühestens zum 31. Januar 2020 möglich, solange habe der Leistungserbringer (F. GmbH) die Versorgung sicherzustellen. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, ihre Versicherten hätten generell das Wahlrecht, einen Pflegedienst zu wählen, der eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung sicherstelle. Sofern zwischen zugelassenem Pflegedienst und Krankenkasse eine Einigung hinsichtlich der Qualifikation des eingesetzten Personals und der Vergütung erfolge, sei der Abschluss einer Einzelfallvereinbarung möglich, so dass die Abrechnung als Sachleistung sichergestellt sei. Mit erneutem Schreiben vom 17. Oktober 2019 wies die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin darauf hin, dass die Antragsgegnerin offensichtlich keinen Pflegedienst benennen könne, welcher die Versorgung ab sofort sicherstellt. Die Antragsgegnerin komme damit ihrem gesetzlichen Versorgungsauftrag nicht nach, so dass die Antragstellerin ihren Anspruch im Wege der Kostenerstattung nach § 37 Abs. 4 SGB V durchsetzen werde.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 an den Pflegedienst H. (Bl. 72 Antragsgegnerin-Akte) bot die Antragsgegnerin den Abschluss einer Einzelvereinbarung an. Hinsichtlich des bereits eingereichten Kostenvoranschlages bot die Antragsgegnerin eine Stundenvergütung i.H.v. 33,00 EUR pro Stunde an. Dieser Betrag liege im oberen Drittel im externen Vergleich. Eine Reaktion des Pflegedienstes erfolgte nicht. Aus einem weiteren Schreiben der Antragsgegnerin vom 22. Oktober 2019 an die F. GmbH ergibt sich, dass die F. GmbH telefonisch nicht zu erreichen gewesen sei. Der Mutter der Antragstellerin teilte die Antragsgegnerin am 22. Oktober 2019 schriftlich mit, sie benötige die Unterstützung eines fachlichen und neutralen Beraters, um schnellstmöglich über die Kostenübernahme entscheiden zu können, und habe deshalb die Unterlagen der Antragstellerin an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) weitergeleitet. Die Stellungnahme des MDK werde in 3 Wochen erwartet. Der Pflegedienst H. rechnete mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 über Pflegeleistungen für die Antragstellerin vom 15. Oktober 2019 bis 21. Oktober 2019 mit der Bitte um Ausgleich nach § 37 Abs. 4 SGB V i.H.v. 5.544,00 EUR (144 Stunden zu 38,50 EUR pro Stunde) ab.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 wandte sich die Antragsgegnerin erneut an die F. GmbH und teilte unter Schilderung des Sachverhaltes aus ihrer Sicht mit, dass sie davon ausgehe, dass der Pflegedienst die Versorgung der Versicherten zum 14. Oktober 2019 eingestellt habe. Dies stelle einen groben Vertragsverstoß nach § 16 Abs. 4 der geschlossenen Einzelvereinbarung vom Februar 2018 dar. Unter anderem bat die Antragsgegnerin um Stellungnahme, warum das bislang von ihm eingesetzte Personal an einen anderen Pflegedienst übergeben worden und nicht selbst weiter beschäftigt worden sei. Insofern sei aufklärungsbedürftig, warum stattdessen die Versorgung - ohne Einhaltung der vertraglich geregelten Kündigungsfrist - beendet worden sei.

Mit ihrer am 22. Oktober 2019 bei dem Sozialgericht Kassel eingegangenen Antragsschrift begehrt die Antragstellerin die Kostenübernahme der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 4 SGB V im Wege der einstweiligen Anordnung.

Die Antragstellerin macht geltend, für sie seien Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der 24-stündigen Intensiv-Versorgung zu erbringen. Da die Antragsgegnerin weder einen Pflegedienst benannt habe, welcher die Versorgung sicherstellte, noch eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben habe, sehe sich der versorgende Pflegedienst (H.) außer Stande, die Versorgung über den 29. Oktober 2019 sicherzustellen. Um die zwingend notwendige Versorgung der Antragstellerin mit häuslicher Krankenpflege in Form der Intensivkrankenpflege auch über den 29. Oktober 2019 sicherzustellen, sei nunmehr eine einstweilige Anordnung geboten. Denn gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhielten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie, etc. als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei. Der verordnende Arzt bestimme daher in seiner Therapie-Entscheidung, welche Leistungen notwendig seien, um wirtschaftlich und medizinisch angemessen die Versorgung zu übernehmen und die Therapie sicherzustellen. Die medizinische Notwendigkeit der ärztlich verordneten Leistung sei vorliegend unstreitig. Der bisherige Pflegedienst, die F. GmbH, könne die Pflege nicht aufrechterhalten, da ihm schlicht die Pflegefachkräfte fehlten. Die Antragsgegnerin sei ihrem gesetzlich normierten Sicherstellungsauftrag aus § 75 i.V.m. § 72a SGB V trotz zahlreicher Aufforderungen nicht nachgekommen und habe keinen Pflegedienst benannt, welcher die Versorgung der Antragstellerin übernehmen könne, so dass aus diesem Grund unstreitig ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 37 Abs. 4 SGB V bestünde. Denn die Krankenkasse habe nach dieser Norm die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten, soweit sie keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen könne oder Grund bestünde, davon abzusehen. Der bereitstehende Pflegedienst H. könne die Versorgung auch zum angebotenen Stundensatz i.H.v. 38,50 EUR übernehmen. Ein Abwarten über die Kostenentscheidung bis zum 22. November 2019, wie von der Antragsgegnerin im Schreiben vom 22. Oktober 2019 (MDK-Anhörung) mitgeteilt, sei in Anbetracht der Tatsache, dass die Antragstellerin die auflaufenden Kosten nicht aufbringen könne und der Pflegedienst die Versorgung deshalb mit Ablauf zum 29. Oktober 2019 beenden werde, aufgrund der dringlich benötigten lebensnotwendigen Maßnahmen nicht hinnehmbar. Auch die zukünftige Sicherstellung der Pflege der Antragstellerin sei erforderlich, so dass ein Rechtsanspruch aus § 47 Abs. 4 SGB V bestünde. Ein Anordnungsgrund bestünde wegen der Eilbedürftigkeit gleichermaßen. Darüber hinaus seien grundrechtlich geschützte Positionen aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 2 Abs. 2 GG einzustellen und abzuwägen.

Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verpflichten, ihr im Wege der Kostenerstattung gemäß § 37 Abs. 4 SGB V häusliche Krankenpflege in Form der 24-stündigen Intensivversorgung zu einem von den bereitstehenden Pflegediensten geforderten Satz zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Sie hält einen Anordnungsanspruch nicht für gegeben. So habe die Antragsgegnerin mehrfach versucht, den Geschäftsführer des Pflegedienstes F. telefonisch zu erreichen, was ohne Erfolg geblieben sei. Er habe sich bis heute nicht gemeldet. Eine weitere schriftliche Anfrage an den Pflegedienst sei ebenfalls unbeantwortet geblieben. Es sei verwunderlich, dass der Pflegedienst innerhalb einer kurzen Zeitspanne den bestehenden privatrechtlichen Pflegevertrag aufgekündigt habe, wobei es sich der Antragsgegnerin nicht erschließe, warum es diesen Pflegedienst nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen sei, die Familie der Antragstellerin über die sich auftuenden persönlichen Probleme zu informieren, damit diese genügend Zeit hätte, sich einen neuen Pflegedienst zu suchen. Stattdessen sei der Antragsgegnerin bereits mit Schreiben der F. GmbH vom 15. Oktober 2019 mitgeteilt worden, dass das Personal an den Pflegedienst H. abgegeben worden sei. Die Übergabe des Personals habe demzufolge lediglich am 15. Oktober 2019 erfolgen können. Zu betonen sei, dass die Mitarbeiter der Antragsgegnerin sich bemüht hätten, einen neuen Pflegedienst für die Antragstellerin zu finden, was aber innerhalb der Kürze der Zeit sich schwierig gestaltet habe. Zumindest sei der Mutter der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass ab dem 1. Dezember 2019 ein Pflegedienst aus der Umgebung die Versorgung der Antragstellerin übernehmen könne. Ab dem 01. Dezember 2019 stünde der Pflegedienst J. Intensiv für die Pflege der Antragstellerin zur Verfügung. Im Übrigen sei der Pflegedienst F. GmbH nach wie vor in der Pflicht, die Antragstellerin zu versorgen, da die Aufgabe der Pflegetätigkeit nicht glaubhaft nachgewiesen und offenbar der geschlossene Versorgungsvertrag nach den bisherigen Erkenntnissen der Antragsgegnerin durch den Pflegedienst noch nicht gekündigt sei. Eine Kostenerstattung der bisher durch den neuen Pflegedienst H. seit dem 15. Oktober 2019 erbrachten Leistungen durch die Antragsgegnerin könne nicht erfolgen, da aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass die abgerechneten Leistungen durch entsprechend qualifizierte Pflegefachkräfte erfolgte.

Im Vorfeld eines vom Gericht am 29. Oktober 2019 durchgeführten Erörterungstermines hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mitgeteilt, der Geschäftsführer des neuen Pflegedienstes könne zu dem Erörterungstermin nicht geladen werden, da er sich derzeit im Urlaub befinde. Die Anordnung des Gerichtes zum persönlichen Erscheinen der Mutter der Antragstellerin könne nicht gefolgt werden, da die Mutter der Antragstellerin gesundheitlich erkrankt sei und den Termin daher nicht wahrnehmen könne. Von Seiten der Antragsgegnerin wurde in einem Telefonat mit dem Vorsitzenden der Kammer am 28. Oktober 2019 mitgeteilt, die fachliche Qualifikation des neuen Pflegedienstes H. sei ungeklärt. Darüber hinaus bestünde die Befürchtung, dass wegen der Übergabe der Pflegefachkräfte von einem Pflegedienst zum anderen eine Kostenerhöhung durchgesetzt werden sollte.

Mit der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und der Antragsgegnerin hat das Gericht am 29. Oktober 2019 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der erfolgten Erörterungen wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins vom 19. Oktober 2019. Hierin hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin angeboten, sie könne ab dem morgigen Tage bis zum 30. November 2019 in das "Haus K." in K-Stadt (Wetterau, ca. 1,5 Stunden Fahrtzeit von A-Stadt) gemeinsam mit der Mutter und dem 2014 geborenen Bruder D. zur dortigen Pflege ziehen. Der weitere Bruder, der 2008 geborene E., könne dort jedoch nicht einziehen, insbesondere wegen seiner Schulpflicht. Für seine Betreuung in der Zeit bis zum 30. November 2019 könnten ggfs. Verwandte aufkommen. Zum Zeitpunkt des Erörterungstermines am heutigen Tage blieb unklar, ob die Übernahme der Pflege durch den Pflegedienst "L." möglich sein könnte, was eine Teambesprechung des Pflegedienstes klären würde. Die Beteiligten und das Gericht verabredeten ein Abwarten bis 15:00 Uhr am heutigen 29. Oktober 2019. Hiernach hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, ein Pflegedienst könne von ihr nicht benannt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

II.

Der zulässige Antrag ist zum Teil und zwar für die Zeit vom Antragseingang am 22. Oktober 2019 bis zum Ablauf des 30. November 2019 begründet. Darüber hinaus (vor dem 22.Oktober 2019 und nach dem 30. November 2019) ist er nicht begründet. Die Antragsgegnerin ist im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die vom Pflegedienstdienst "H. GmbH" in H-Stadt seit dem 22. Oktober 2019 bereits erbrachten und bis zum 30. November 2019 längstens noch zu erbringenden bzw. erbrachten Leistungen in Höhe eines Stundensatzes von höchstens 38,50 EUR für die häusliche Krankenpflege der Antragstellerin gemäß § 37 Abs. 4 SGB V zu erstatten, um die Versorgung der Antragstellerin mit der bereits von der Antragsgegnerin mit bestandskräftigen Bescheid vom 03. Juli 2019 bewilligten Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu sichern. Insoweit besteht ein Anordnungsanspruch. Nach den Vortrag der Antragstellerin, der neue Pflegedienst werde ohne Kostenzusage ab dem 29. Oktober 2019 die Pflege einstellen, ist auch von einem Anordnungsgrund auszugehen.

Soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind dabei nach Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Nach § 86 b Abs. 4 SGG entscheidet das Gericht durch Beschluss; ein Antrag ist auch schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86 b Abs. 3 SGG). Im vorliegenden Falle ist der Antrag nach § 86 b Abs. 2 SGG statthaft, da nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Verwaltungsaktes begehrt, sondern ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen verfolgt wird, für den in der Hauptsache eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 und 4 SGG zu erheben ist. Sowohl bei der Sicherungs- als auch bei der Regelungsanordnung muss der Antragsteller ein Recht geltend machen, dass ihm zusteht (Anordnungsanspruch) und das durch eine Veränderung gefährdet ist (Anordnungsgrund). Hierbei ist der Anordnungsgrund der Grund für den vorläufigen Rechtsschutz selbst, also die Gefahr vollendeter Tatsachen, die Eilbedürftigkeit etc. Der Anordnungsanspruch ist das zu sichernde Recht hinter der einstweiligen Anordnung, also der materielle Anspruch. Begründet ist der Antrag auf einstweilige Anordnung, wenn der Antragsteller beides Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch – glaubhaft gemacht hat. Demnach ergeht eine einstweilige Anordnung dann, wenn die Klage nach summarischer Prüfung des Gerichtes offensichtlich begründet ist. Sie darf hingegen nicht ergehen, wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Ist weder das eine noch das andere der Fall, muss abgewogen werden zwischen der entstehenden Situation ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung bei letztlich erfolgreicher Klage und derjenigen Situation bei Erlass einer einstweiligen Anordnung und letztlich erfolgloser Klage. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes müssen die Gerichte bei der Auslegung der anzuwendenden Vorschriften die besondere Bedeutung der betroffenen Grundrechte und den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung tragen und die Folgen der Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes berücksichtigen. Je schwerer die Belastungen hieraus wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass diese im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, desto weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung zurückgestellt werden. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei sind, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, a.a.O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 16 d, 16 c und 40; zu allem Hess. LSG, 26.10.2005 – L 7 AS 65/05 ER -).

Der Anspruch der Antragstellerin auf Kostenerstattung der für sie zu erbringenden Pflegeleistungen der häuslichen Krankenpflege ergibt sich aus § 37 Abs. 4 SGB V. Die Voraussetzungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind zwischen den Beteiligten unstreitig und zur Überzeugung des Gerichtes gegeben. Hiernach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort etc. neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. Angesichts der gravierenden Erkrankungen der Antragstellerin, die bis zur Lebensbedrohlichkeit reichen können, seit bereits Anfang 2018 und der Anlage eines Tracheostomas mit Absaug-Notwendigkeit und 24-stündiger Überwachungsnotwendigkeit und angesichts der ärztlichen Verordnung vom 18. Juni 2019 für die Notwendigkeit der häuslichen Krankenpflege vom Juli 2019 bis Dezember 2019 (Dr. G., Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, Bl. 17 der Akte der Antragsgegnerin) besteht kein Zweifel am Bestehen eines Anspruchs auf häusliche Krankenpflege für die Antragstellerin.

Diesen Anspruch hat die Antragsgegnerin im Übrigen mit Bescheid vom 3. Juli 2019 bewilligt, indem sie in diesem Bescheid vom 1. Juli 2019 bis 31. Dezember 2019 unter Beachtung von Nr. 24 der Anlage zur Richtlinie über die häusliche Krankenpflege, die häusliche Krankenpflege für die Antragstellerin im beantragten Umfang bewilligt hat. Damit liegt eine Leistungsbewilligung der Antragsgegnerin zur häuslichen Krankenpflege zum derzeitigen Zeitpunkt und somit für den hier streitgegenständlichen Zeitrahmen des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seit 15. Oktober 2019 vor. Auf die Frage einer Bewilligung der häuslichen Krankenpflege bzw. auf das Vorliegen der Voraussetzungen kommt es daher nicht an.

Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil eine Leistungsbewilligung in Form des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. Juli 2019 vorliegt. Kostenerstattung ist somit alleine aufgrund der Vorschrift des § 37 Abs. 4 SGB V im vorliegenden Fall bei bestehender Leistungsbewilligung der häuslichen Krankenpflege möglich.

Aufgrund der tatsächlichen Umstände in der Vergangenheit und der Notwendigkeit qualifizierter Pflege der Antragstellerin ist die Antragstellerin auch nicht über § 37 Abs. 3 SGB V auf die Durchführung der Pflege und Versorgung durch eine im Haushalt lebende Person der Kranken zu verweisen.

Nach § 37 Abs. 4 SGB V sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen.

Nach dem Vorbringen der Beteiligten im vorliegenden Fall und nach dem sich der Kammer hiernach aufdrängenden Eindruck wird die Bewilligung der Kosten der Krankenpflege durch den nunmehr eingetretenen Pflegedienst "H. GmbH" von der Antragsgegnerin auch nur deswegen verweigert, weil mit diesem Pflegedienst kein Vertrag im Sinne einer Einzelvereinbarung über die häusliche Krankenpflege geschlossen worden ist. Dies trifft zwar zu. Denn gemäß § 2 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 13 Abs. 1 SGB V haben Versicherte im Grundsatz einen Anspruch auf Krankenpflege als Sachleistung gegen ihre Krankenkasse, welche deshalb den Versicherten Krankenpflege durch Stellen einer Pflegekraft zur Verfügung stellen müssen. Hierzu schließen sie in der Regel gemäß § 132a SGB V Verträge mit einzelnen Pflegekräften oder entsprechenden Einrichtungen. Hierbei müssen die Pflegekräfte Personen darstellen, die entsprechende berufliche Qualifikationen erworben haben. Unstreitig ist zwischen der Antragsgegnerin und dem derzeit tätigen Pflegedienst H. kein solcher Vertrag im Sinne von § 132a SGB V geschlossen worden.

Allerdings gibt § 37 Abs. 4 SGB V den Versicherten eine Möglichkeit, für häusliche Krankenpflege Kostenerstattung zu verlangen, wobei die Erstattung auf die angemessenen Kosten beschränkt ist. Die Krankenkasse kann dann die Sachleistung im Sinne der Vorschrift nicht erbringen, wenn ihr die entsprechenden Kapazitäten fehlen, sie also nicht ausreichend Pflegekräfte zur Verfügung hat, die ihr gegenüber vertraglich gebunden sind. Ein solcher Mangel kann vor allem wegen der örtlichen Verhältnisse oder wegen der Spezialität der Erkrankung im Einzelfall auftreten (Padé in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB V, § 37 SGB V, Rn. 76, 77). Hierbei setzt § 37 Abs. 4 SGB V für selbstbeschaffte Pflegekräfte jedoch nicht voraus, dass die selbstbeschaffte Kraft bestimmte formale Voraussetzungen erfüllt, wie für von der Kasse gestellte Pflegekräfte. Sie muss deshalb weder eine bestimmte Ausbildung absolviert, noch eine entsprechende Pflege bereits vorher durchgeführt haben. Allerdings wird man zu fordern haben, dass die selbstbeschaffte Kraft die persönliche Eignung für die fachgerechte Pflege des Versicherten mitbringt. Dies bedeutet, dass sie in der Lage sein muss, die für die Behandlung des konkreten Krankheitsfalles notwendigen Maßnahmen durchzuführen, sofern sie Behandlungspflege leistet. Für die Leistungen der Grundpflege wird sie zumindest in der Lage sein müssen, durch Pflegemaßnahmen die Krankheit nicht negativ zu beeinflussen und den Grundbedürfnissen des Versicherten gerecht zu werden (zum Vorstehenden insgesamt: Padé, a.a.O., Rn. 80). Insbesondere kann die Krankenkasse die Erstattung von Kosten nicht mit der Begründung verweigern, der Versicherte habe sich keinen geeigneten Pflegedienst gesucht, wenn sie selbst die Leistung nicht stellen kann und auf Nachfrage oder bei offensichtlichem Beratungsbedarf ihren Beratungspflichten (§ 14 SGB I) nicht ausreichend nachgekommen ist.

Es ist Aufgabe der Krankenkasse, die angemessene Versorgung mit Leistungen der Krankenpflege sicherzustellen (Padé, a.a.O., Rn. 80.1). Im Sachleistungssystem des SGB V trägt die Krankenkasse die Leistungsverantwortung und nicht die Versicherte oder deren Angehörige. Es ist die Aufgabe der Krankenkasse sicherzustellen, dass die Behandlungspflegeleistungen in dem verordneten Umfang an die Versicherte erbracht werden (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. März 2019, L 1 KR 466/17, juris 20).

Nach den Erkenntnissen der Kammer im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, insbesondere auch nach Abhaltung des Erörterungstermins am heutigen Tage, ist die Antragsgegnerin nicht in der Lage gewesen, die verordneten Leistungen in dem erforderlichen Umfang durch Stellung eigener Pflegekräfte oder mithilfe anderer Pflegekräfte sicherzustellen. Zwar ist einzuräumen, dass der zeitliche Ablauf mit der Mitteilung des bisherigen Pflegedienstes F. GmbH vom 13. Oktober 2019 über das plötzliche Einstellen der Pflegeleistungen (Bl. 20 Verwaltungsakte) die Krankenkasse vor die Aufgabe stellte, von einem Tag auf den anderen einen neuen Pflegedienst zu beauftragen. Mittlerweile sind jedoch seit Ende der Leistungserbringung durch die bisherige F. GmbH am 15. Oktober 2019 zwei Wochen vergangen, ohne dass erkennbar wäre, dass die Antragsgegnerin einen anderen Pflegedienst oder andere Fachkräfte zur Pflege der Antragstellerin zu stellen im Stande wäre. Die Antragsgegnerin hat hierbei die Frage unbeantwortet gelassen, wie die offenkundig entstandene Versorgungslücke aufgrund der faktischen Beendigung der Pflegeleistung durch den bisherigen Pflegedienst F. GmbH von ihr geschlossen werden sollte, seit Ende der Tätigkeit dieses Pflegedienstes am 15. Oktober 2019. Die Antragsgegnerin kann sich angesichts der schwerwiegenden, auch lebensbedrohlichen, Erkrankungen der Antragstellerin jedoch nicht auf die Überlegung zurückziehen, den bisherigen Pflegedienst hätte zunächst rechtlich die weitere Erfüllung des Vertrages bis zum Ende der Kündigungsfrist am 31. Januar 2020 abzuverlangen, wenn dieser Pflegedienst offenkundig faktisch dazu nicht in der Lage ist. Ein Pflegedienst, der die Pflege der Antragstellerin übernehmen könnte, konnte von der Antragsgegnerin nicht benannt werden.

Das Angebot der Antragsgegnerin, die Antragstellerin könne mit der Mutter und dem fünfjährigen Bruder zur Überbrückung der Zwischenzeit bis zum 30. November (somit bis zur Aufnahme der Pflege durch den benannten anderen Pflegedienst, J. Intensiv) in das "Haus K." in K-Stadt einziehen, berücksichtigt nicht, dass häusliche Krankenpflege im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V verordnet ist, kann demnach den Anspruch der Antragstellerin auf diese Leistungen nicht beseitigen. Dabei mag es durchaus zutreffen, dass die Antragstellerin dort qualitativ gut versorgt

Da es bei der Sicherstellung der Pflegeleistung im Rahmen von § 37 Abs. 4 SGB V - wie bereits ausgeführt - nicht auf einen Vertragsschluss der Versicherten mit einem Pflegedienst unter den Anforderungen ankommt, wie sie bei Vertragsschluss der Krankenkasse selbst nach § 132a SGB V zu beachten sind, kann es im Wege des Erlasses dieser einstweiligen Anordnung auch zunächst dahinstehen, inwieweit die vom neuen Pflegedienst H. eingesetzten Pflegekräfte die erforderliche Qualifikation aufweisen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass diese Pflegekräfte - nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin - offensichtlich zum Teil vom bisherigen Pflegedienst F. GmbH an auf den Pflegedienst H. übergegangen sind, so dass das Vorbringen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Nichtsicherstellung der qualifizierten Pflege angesichts der selben Pflegekräfte nicht schlüssig erscheint, sondern widersprüchlich. Faktisch wurde die Pflege zudem durch H. seit dem 15. Oktober 2019 erbracht.

Nach § 37 Abs. 4 SGB V sind die Kosten in angemessener Höhe durch die Antragsgegnerin als Krankenkasse zu erstatten. Hierbei ist im vorliegenden Fall eine erhebliche Steigerung des Kostenbetrages für die Pflegeversorgung der Antragstellerin eingetreten. Die Pflege wurde durch die F. GmbH noch zu einem Stundensatz von 33,50 EUR durchgeführt, hingegen durch den nunmehr tätigen Pflegedienst H. zu einem von ihm angebotenen Stundensatz von 38,50 EUR. Die Kammer hat Verständnis für die Argumentation der Antragsgegnerin, wonach ihr aufgezwungen wird, eine Kostensteigerung von 15 % hinzunehmen. Über die genaue Höhe der angemessenen Kosten ist jedoch zur Überzeugung der Kammer zur Sicherstellung der Pflege der Antragstellerin im akuten Fall erst in einem Hauptsacheverfahren zu entscheiden. Ferner berücksichtigt die Kammer bei ihrer Entscheidung, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist, einen anderen Pflegedienst bzw. andere Pflegekräfte zu einem günstigeren Stundensatz nach Zeitablauf von nunmehr 14 Tagen zu benennen, woraus der Schluss gezogen werden könnte, dass tatsächlich andere Pflegekräfte zu einem geringeren Stundensatz nicht zur Verfügung stehen. Hierbei hat die Kammer beachtet, dass die Kostensteigerung zu monatlichen Mehrkosten von rund 3.600 EUR führt (5 EUR stündlich zu 24 Stunden zu 30 Tagen). Angesichts der ansonsten eintretenden mangelnden Versorgung und der anzunehmenden Lebensbedrohlichkeit dieses Umstandes sind diese Kosten jedoch hinzunehmen, zumal keine andere Abhilfe erkennbar ist und die Antragsgegnerin nicht in der Lage war, einen anderen Pflegedienst oder andere Pflegekräfte im Sinne von § 37 Abs. 4 SGB V zu benennen.

Hierbei hat das Gericht grundgesetzliche Belange und die Grundrechte der Antragstellerin gebührend zu berücksichtigen, so dass es auf eine Preissteigerung von 3.600 EUR nicht ankommt. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG Kammer -, 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 -). Im vorliegenden Falle ist das Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 2 Abs. 2 S. 2, 1. und 2. Alt. Grundgesetz (GG) betroffen, weil durch die bei ihr vorliegende schwerwiegende Erkrankung bei Nichtdurchführung der häuslichen Krankenpflege jedenfalls eine Beeinträchtigung von Leben oder körperlicher Unversehrtheit droht. Hierbei ist es der Antragstellerin nicht zuzumuten, über notfallmedizinische und rettungsmedizinische Intervention gegebenenfalls in ein Krankenhaus verlegt zu werden, wenn die häusliche Krankenpflege - wie bisher - aufrechterhalten werden kann. Das Gericht stellt hierbei ausdrücklich auf die zu beachtende Wertentscheidung des Grundgesetzes aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG in die Abwägungsentscheidung im Rahmen des Erlasses dieser einstweiligen Anordnung ein, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Die Antragstellerin muss sich hierbei nicht zum Objekt finanzieller Erwägungen herabwürdigen lassen. Zur Sicherstellung des Anspruches der Antragstellerin in diesem Rahmen ist daher zur vollen Überzeugung der Kammer eine einstweilige Anordnung unter Verpflichtung der Antragsgegnerin geboten.

Nachdem auch in Anbetracht der Kostenhöhe von 38,50 EUR eine Kostenerstattung nach § 37 Abs. 4 SGB V jedenfalls im Rahmen dieses einstweiligen Anordnungsverfahrens im Rahmen der angemessenen Kosten geboten ist, ist der Anspruch der Antragstellerin jedoch auf den 30. November 2019 zeitlich zu begrenzen, da nach den Ausführungen der Antragsgegnerin, insbesondere auch in ihrem Schreiben an die Antragstellerin vom 15. Oktober 2019 (Bl. 33 f. Akte der Antragsgegnerin) von ihrer Seite darauf hingewiesen wurde, dass von Seiten der Krankenkasse nach alternativen Versorgungen gesucht worden sei und ein Leistungserbringer benannt wurde, welcher eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung ab dem 1. Dezember 2019 sicherstellen könne. Die Antragsgegnerin hat hierbei in ihrer Antragserwiderung den Pflegedienst J. Intensiv benannt (Antragserwiderung vom 25. Oktober 2019, Seite 4, Bl. 51 Gerichtsakte). Die Kammer geht unabhängig von der Benennung von J. Intensiv davon aus, dass die Antragsgegnerin im Laufe des kommenden Monats ihren Verpflichtungen zur Sicherstellung der Versorgung der Antragstellerin nachkommen kann und entsprechend ihrem Schreiben vom 25. Oktober 2019 einen qualifizierten Leistungserbringer benennen kann. Eine von der Antragstellerin nach ihrem Antrag offenbar gewünschte weitergehende, zeitlich zunächst unbegrenzte Versorgung, ist daher nicht geboten, so dass der Antrag insoweit abzulehnen war.

Sofern es der Antragsgegnerin gelingen sollte, noch vor dem 30. November 2019 die häusliche Krankenpflege der Antragstellerin durch eigene Pflegekräfte oder einen anderen Pflegedienst sicherzustellen, ist sie auf einen Abänderungsantrag in Bezug auf diesen Beschluss hinzuweisen.

Das Eilbedürfnis sieht die Kammer in diesem Fall als gegeben an. Ein Anordnungsgrund besteht aus der geltend gemachten Befürchtung heraus, dass der eingesetzte Pflegedienst H. ohne Kostenzusage die Pflege über den 29. Oktober 2019 hinaus nicht fortführt, wie es von der Antragstellerin vorgetragen ist. Es erscheint dem Gericht glaubhaft, dass der Pflegedienst als Wirtschaftsunternehmen eine zeitliche Grenze für seine Tätigkeit gezogen hat, wenn faktisch keine Vergütung zu erwarten ist. Denn die Antragstellerin ist nach ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen nicht in der Lage, in Vorleistung zu treten, wie es der vorgelegte Bescheid der Jobcenters Stadt A Stadt vom 1. Juni 2019 zeigt, mit dem der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II bewilligt wurden, die Hilfebedürftigkeit voraussetzen (§ 9 SGB II). Im Rahmen der nach § 37 Abs. 4 SGB V allein vorgesehenen Kostenerstattung ist daher die Eilbedürftigkeit begründet, soweit eine andere Pflegemöglichkeit nicht aufgezeigt ist. Damit ergibt sich die Eilbedürftigkeit im vorliegenden Falle aus dem Zahlungsverlangen des Pflegedienstes bei angekündigter Einstellung der Leistungen. Ob die Pflege tatsächlich eingestellt würde, kann die Kammer angesichts der aufgezeigten Grundrechtsrelevanz nicht abwarten. Soweit die Frage im Raume steht, ob es tatsächlich zutreffend ist, dass die Ankündigung des neuen Pflegedienstes H. zur Beendigung der häuslichen Krankenpflege am 29. Oktober 2019 der Wahrheit entspricht, vermag die Kammer demnach keine Einschätzung zu treffen. Zur Sicherstellung der häuslichen Krankenpflege der Antragstellerin ist die Kammer daher gehalten, davon auszugehen, dass die Ankündigung des Pflegedienstes der Wahrheit entspricht. Die Kammer hat hierauf keinen Einfluss und kann dies auch nicht mit der gebotenen Sicherheit erkennen, so dass zur Sicherheit zur Wahrung der grundrechtlichen Ansprüche der Antragstellerin aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zur Sicherheit der Erlass einer einstweiligen Anordnung zu ihren Gunsten erforderlich ist. Die Kammer vermag hierbei im Rahmen dieser einstweiligen Anordnung die von der Antragsgegnerin aufgezeigte Zwangssituation nicht zu lösen. Denn im Rahmen der Abwägungsentscheidung überwiegen die Interessen der Antragstellerin. Nach alledem bestehen unzweifelhaft zur Überzeugung der Kammer sowohl ein Anordnungsanspruch auf Erstattung der Leistungen als auch ein Anordnungsgrund. Daher erscheint der Kammer auch die Kostenerstattungsverpflichtung seit Antragseingang bei Gericht am 22. Oktober 2019 geboten. Durch die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Kostenerstattung der Pflege durch den Pflegedienst H. soll sichergestellt werden, dass die Pflege tatsächlich auch weiterhin durchgeführt wird, bis ggfs. die Antragsgegnerin in der Lage ist, eigene Pflegekräfte zu benennen.

Dabei hat sich das Gericht mit der Frage befasst, ob im Rahmen von § 37 Abs. 4 SGB V, welcher als reine Erstattungsvorschrift ausgeprägt ist, die Krankenkasse, hier die Antragsgegnerin, auch für die Zukunft (Zeit bis zum 30. November 2019 längstens), verpflichtet werden kann, obwohl noch keine Kosten angefallen sind. Die Kammer hat hierbei auch in Erwägung gezogen, eine in der Zukunft noch zu verwirklichende Kostenerstattungsforderung der Antragstellerin im Wege eines feststellenden Ausspruches zur Hauptsache zu treffen, erachtet hierin jedoch keine für die Antragstellerin erforderliche Vollstreckbarkeit. Die in der Zukunft, bis zum 30. November 2019, durch die zu erbringende häusliche Krankenpflege entstehenden Leistungen sind also zu einem Zeitpunkt der Beschlussfassung zu antezipieren, so dass zur Sicherstellung der Leistungsversorgung der Antragstellerin die Antragsgegnerin bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch für den bis zum 30. November 2019 und somit noch in der Zukunft liegenden Zeitraum zur Kostenerstattung zu verpflichten ist, da nicht erkennbar ist, dass die Pflege anderweitig erbracht werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG, wobei die Kammer hierbei sehr wohl berücksichtigt hat, dass eine Verpflichtung der Antragsgegnerin alleine bis zum 30. November 2019 erfolgt ist. Da die einstweilige Anordnung jedoch ergehen musste aufgrund einer vollständigen Leistungsverweigerung der Antragsgegnerin, stellt sich zur Überzeugung der Kammer die vorliegende Anordnung als ein volles Obsiegen der Antragstellerin dar, so dass die Kammer bei der Kostenentscheidung die Zeit ab 1. Dezember 2019 unberücksichtigt lassen konnte.
Rechtskraft
Aus
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