S 2 KR 145/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 2 KR 145/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 372/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Walk Aide Myoorthese als Sachleistung vom 14.01.2014 gemäß § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V als genehmigt gilt.

2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten die Klägerin mit einer Walk Aide Myoorthese zu versorgen.

Die 1966 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie ist Rentnerin und erhält Leistungen der Pflegestufe I.

Die Klägerin erlitt im Jahr 2002 einen linksseitigen Hirninfarkt und leidet seitdem an einer rechtsseitigen Hemiparese mit Fußheberschwäche. Dies bedingt eine deutliche Gehbehinderung mit Unsicherheit und Sturzneigung.

Mit ärztlicher Verordnung vom 02.01.2014 der hausärztlichen Praxis Dr. D./E. beantragte die Klägerin am 14.01.2014 bei der Beklagten die Versorgung mit einer Walk Aide Myoorthese. Dem Antrag war ein Kostenvoranschlag der Fa. F. GmbH in Höhe von 4.726,08 EUR beigefügt.

Die Beklagte beauftragte am 30.01.2014 den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Ausweislich der in dem Gerichtsverfahren vorgelegten Verwaltungsakte erfolgte hierrüber seitens der Beklagten keine Information an die Klägerin.

Unter dem 03.02.2014 gab der MDK eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage ab und kam zu dem Ergebnis, dass das beantragte Hilfsmittel nicht geeignet und nicht notwendig sei. Weiter sei das Hilfsmittel nicht zur Behandlung einer Krankheit erforderlich und diene auch nicht dem Ausgleich einer Behinderung. Zur Begründung führte der Gutachter, Dr. G., Arzt für Orthopädie aus, dass eine konfektionierte Fußheberorthese ausreichend sei. Ein therapeutischer Nutzen und die Wirksamkeit bzw. Überlegenheit des verordneten Produkts sei nicht belegt.

Am 13.02.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Der therapeutische Nutzen und die Wirksamkeit des verordneten Produkts gegenüber herkömmlicher Fußheberorthesen sei nicht belegt. Eine konfektionierte Fußheberorthese, zB. im Sinne einer Carbonfederorthese nach vorheriger Erprobung sei ausreichend und zweckmäßig.

Hiergegen legte die Klägerin am 17.03.2014 Widerspruch ein, welchen sie ausführlich begründete. Unter anderem wies die Klägerin darauf hin, dass die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V erfüllt seien.

Die Beklagte holte im Widerspruchsverfahren erneut eine medizinische Stellungnahme des MDK ein, welche dieser am 08.05.2014 abgab. Zusammenfassend kam der Gutachter nach ausführlicher Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass der Beklagten die Kostenübernahme für das verordnete WalkAide System nicht als sachgerecht und begründet angeraten werden könne. Der therapeutische Nutzen des Produkts bzw. die Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Unterschenkelorthesen/Fußheberorthesen sei nicht belegt. Eine medizinische Indikation für diese Versorgung könne nicht nachvollzogen werden. Die Versorgung sei nicht notwendig im Sinne von unverzichtbar und entbehrlich. Sie übersteige das Maß des Notwendigen.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Hilfsmittel diene nicht dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, sondern dem mittelbaren Behinderungsausgleich. Der therapeutische Nutzen und die Wirksamkeit seien nicht belegt. Als Alternative komme eine konfektionierte Fußheberorthese, zB. im Sinne einer Carbonfederorthese in Betracht. Die Genehmigungsfiktion sei nicht eingetreten, da der ablehnende Bescheid innerhalb der 5-Wochen-Frist ergangen sei.

Die Klägerin hat am 14.04.2015 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Die Klägerin trägt vor, es handele sich bei dem Hilfsmittel um ein solches, welches dem unmittelbaren Behinderungsausgleich diene. Denn durch die Walk Aide Myoorthese werde die beeinträchtigte Körperfunktion, nämlich die Fußheberschwäche, ausgeglichen. Im Übrigen ist sie der Ansicht, es handele sich bei dem begehrten Hilfsmittel um ein solches, welches den vorgeschlagenen Alternativen weit überlegen sei.

Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Walk Aide Myoorthese als Sachleistung vom 14.01.2014 gemäß § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V als genehmigt gilt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und hält an ihrer Rechtsauffassung fest.

Auf Anordnung des Gerichts hat die Hausärztin der Klägerin Dr. D. am 13.07.2015 und Dr. H., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie am 29.06.2015 je einen Befundbericht erstattet, welcher zur Gerichtsakte gelangten. Bezüglich des Inhalts der Befundberichte wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beklagte hat im Nachgang zur mündlichen Verhandlung am 28.06.2016 ein Schreiben an die Klägerin vom 30.01.2014 zur Vervollständigung der Verwaltungsakte vorgelegt. Darin heißt es: "Ihre Anfrage haben wir erhalten. Gerne teilen wir Ihnen mit, dass wir bereits für Sie aktiv sind. Erst wenn wir die fehlenden Informationen des medizinischen Beraters erhalten haben, können wir endgültig entscheiden. Wir benachrichtigen Sie dann umgehend. Wir bedanken uns für lhr Verständnis und bitten Sie noch um etwas Geduld."

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Klägers bei der Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Die Klägerin hat insbesondere ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass ihr Antrag vom 14.01.2014 auf Versorgung mit einer Walk Aide Myoorthese als genehmigt gilt. Ein Interesse ist hierbei berechtigt, wenn es nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigt ist; es kann rechtlicher oder als schutzwürdig anzuerkennender tatsächlicher, insbesondere wirtschaftlicher oder ideeller Art sein (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 55 Randnummern 15 f.). Die Klägerin hat ein solches Feststellungsinteresse, weil mit der gerichtlichen rechtskräftigen Feststellung des Eintritts der Genehmigungsfiktion die Klägerin sich die begehrten Leistungen ohne Kostenrisiko selbst beschaffen und Kostenerstattung gegenüber der Beklagten geltend machen kann. Ohne rechtskräftige gerichtliche Feststellung der Genehmigungsfiktion trägt sie im Hinblick auf die grundsätzliche Einhaltung des Beschaffungsweges im Sinne von § 13 SGB V das Risiko, die Kosten für die Maßnahme selbst tragen zu müssen (so auch SG Heilbronn, Urteil vom 10. März 2015, Az. S 11 KR 2425/14, juris, Randnummer 24; SG Koblenz, Urteil vom 23. März 2015, Az. S 13 KR 977/14, juris, Randnummer 20, SG Marburg, Urteil vom 15. Januar 2015, Az. S 6 KR 160/13, juris, Randnummer 23; SG Detmold, Urteil vom 18. Juni 2015, Az. S 3 KR 493/14, juris, Randnummer 22). Dies gilt insbesondere, da die Beklagte am 13.02.2014 den Antrag der Klägerin abgelehnt hat. Zwar können von der Ablehnung keine Rechtswirkungen mehr ausgehen, denn eine bereits bewilligte Leistung und sei es auch durch die eingetretene Genehmigungsfiktion, kann nicht mehr abgelehnt werden, sondern nur nach den §§ 45 ff. SGB X aufgehoben werden. Jedoch handelt es sich bei dem ablehnenden Bescheid um einen zwar rechtswidrigen, aber nicht unwirksamen Bescheid. Die Klägerin hat daher ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Genehmigungsfiktion, denn die Fiktion der Genehmigung ist im Gegensatz zu einem schriftlichen Verwaltungsakt nicht nach außen gerichtet erkennbar.

Vorliegend ist auch nicht grundsätzlich vorrangige Gestaltungsklage oder Leistungsklage zulässig. Daher steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage entgegen. Denn im vorliegenden Fall wäre eine auf Verurteilung der Beklagten zur Versorgung mit einer Walk Aide Myoorthese als Sachleistung gerichteten (reinen) Leistungsklage unzulässig, da die Beklagte ihre Leistungspflicht durch Verwaltungsakt abgelehnt hat. Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage kann in dem hier vorliegenden besonderen Fall nicht den einfacheren und effektiveren Rechtschutz bieten. Denn in den Fällen in denen auf Beklagtenseite eine juristische Person des öffentlichen Rechts steht, kann davon ausgegangen werden, dass die an Recht und Gesetz gebundene Verwaltung auch ohne den Druck der Vollstreckung aus einem Leistungsurteil den festgestellten Anspruch der Klägerin befriedigt (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 55 Randnummer).

Die Klage ist auch begründet. Die von der Klägerin bei der Beklagten am 14.01.2014 beantragte Versorgung mit einer Walk Aide Myoorthese gilt gemäß § 13 Absatz 3 a Satz 6 SGB als genehmigt.

Nach § 13 Absatz 3 a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Kann die Krankenkasse diese Frist nicht einhalten, teilt sie dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit, § 13 Absatz 3 a Satz 5 SGB V. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist gemäß § 13 Absatz 3 a Satz 6 SGB V als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet, § 13 Absatz 3 a Satz 7 SGB V.

Die Regelung ist nach ihrem Geltungszeitraum anzuwenden. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen. Die Klägerin stellte nach dem 25.2.2013, am 14.01.2014, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung der Walk Aide Myoorthese.

Das Bundessozialgericht führt hinsichtlich des Eintritts der Genehmigungsfiktion in seiner Entscheidung vom 08.03.2015, B 1 KR 25/15 insoweit aus:

"Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet."

Die von der Klägerin beantragte Versorgung mit der Walk Aide Myoorthese galt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn die Klägerin stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag auf Versorgung mit der Walk Aide Myoorthese, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a S 1 SGB V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen.

Das Bundessozialgericht führt in seiner Entscheidung vom 08.03.2015 weiter aus:

"Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl zur Kostenfreistellung zB BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 16 mwN und Leitsatz 2). Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine "erforderliche" Leistung (entsprechend der fingierten Genehmigung; dazu II. 3. a) selbst beschaffen.

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die KK auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30; im Ergebnis ähnlich etwa LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 9; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 20.1.2016 L 5 KR 238/15 B ER - Juris RdNr 23 ff; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; Vogl, NZS 2014, 210, 211; Werner, SGb 2015, 323, 325; aA etwa LSG NRW Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 74; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 13 RdNr 29; Knispel, SGb 2014, 374, 376; Rieker, NZS 2015, 294, 297; Preis/Schneider, NZS 2013, 281, 288; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 43)."

Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen ausdrücklich an. Vorliegend unterfällt die beantragte Leistung ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV und die Klägerin konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung ihres Antrags durch die behandelnde Neurologin das beantragte Hilfsmittel für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern.

Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen nach § 13 Abs. 3a S 1 SGB V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen. Nach der bei der mündlichen Verhandlung durch die Beklagte vorgelegte Verwaltungsakte, die aufgrund der Blattierung auch als vollständig angesehen werden durfte, teilte die Beklagte der Klägerin keine Gründe mit. Damit ist die Frist von drei Wochen maßgeblich, weil die Beklagte die Klägerin nicht über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme unterrichtete. Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 3a S 2 SGB V. Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15, juris). Die Frist begann nach § 26 Abs. 1 SGB X iVm § 187 Abs. 1 BGB am 15.01.2014. Denn der Antrag der Klägerin ging der Beklagten am 14.01.2014 zu. Die Frist endete demnach gemäß § 26 Abs. 1 SGB X iVm § 188 Abs. 2 BGB am 04.02.2014. Die Beklagte entschied erst später, am 13.02.2014, über den Antrag. Soweit die Beklagte im Nachgang zur mündlichen Verhandlung das Schreiben an die Klägerin vom 30.01.2014 vorgelegt hat, konnte dies bei der Entscheidungsfindung keine Berücksichtigung mehr finden. Denn das Urteil war bereits verkündet. Es sei jedoch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Vorsitzende davon ausgeht, dass dies an der Entscheidung der Kammer nichts geändert hätte. Denn das Schreiben der Beklagten vom 30.01.2014 ist nicht geeignet, um die Frist des § 13 Abs. 3 a S. 1 Alt. 2 SGB V auszulösen. Denn es fehlt an einer ausdrücklichen und verständlichen Mitteilung eines Grundes für die fehlende Einhaltung der Frist. Aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 3a S 2 SGB V ergibt sich, dass der Leistungsberechtigte über die Einholung der gutachterlichen Stellungnahme informiert werden muss. Vorliegend hat die Beklagte aber nicht über die Einholung der gutachterlichen Stellungnahme informiert, sondern der Klägerin lediglich allgemein mitgeteilt, dass erst wenn die Beklagte die fehlenden Informationen des medizinischen Beraters erhält, endgültig entscheiden könne. Dies ist ohne genauere Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften nicht geeignet einen Leistungsberechtigten darauf hinzuweisen, dass noch eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt wird und daher innerhalb von 5 Wochen über den Antrag entschieden werden muss. Auch fehlt der Hinweis, dass die Beklagte innerhalb der 5 Wochen-Frist zu entscheiden hat. Es ist also - entgegen dem Gesetzeswortlaut - weder klargestellt, dass die gesetzliche vorgesehene 5-Wochen-Frist hier überhaupt einschlägig ist noch dass sie nicht eingehalten werden kann.

Somit war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem vollständigen Obsiegen der Klägerin Rechnung. Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 143 SGG
Rechtskraft
Aus
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