Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 75/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 395/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligen haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Erstattung weiterer Kosten einer Krankenhausbehandlung in einer Privatklinik in der Türkei in Höhe von 1.925,88 Euro.
Die 2002 geborene Klägerin ist über ihre 1971 geborene Mutter, Frau C. A., bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Mit Datum vom 18.03.2014 (Bl. 38 der Gerichtsakte) stellte die Beklagte für die Mutter der Klägerin einen Auslandskrankenschein für die Türkei aus. Die Klägerin reiste dann im April 2014 mit ihrem Onkel, dem Bruder ihrer Mutter, und einem Freund des Bruders in die Türkei. Die Reise war am Sonntag, den 13.04.2014 angetreten worden, die Rückreise war für Sonntag, den 20.04.2014 gebucht. Am Donnerstag, den 17.04.2014 bekam die Klägerin Fieber, war dehydriert, schwach, hatte einen verringerten Hautunterdruck, ferner wurden Rasselgeräusche in der Lunge festgestellt und sie hatte starke Schmerzen (vgl. Arztberichtbericht des Privatkrankenhauses D., Bl. 1 der Verwaltungsakte). Auf Veranlassung des Hotelarztes wurde die Klägerin unverzüglich in die nächste Klinik, nämlich die 2, 7 km entfernte private Klinik D. verbracht. Die Klägerin wurde dort bis zum 19.04.2014 behandelt. Am Entlassungstag (19.04.2014), stellte das Krankenhaus für die Behandlung 6.757,85 Türkische Lira (TL) in Rechnung. Da - so jedenfalls die Mutter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2016 – die Klinik auf sofortige Bezahlung bestand, beglich der Onkel der Klägerin die Rechnung an Ort und Stelle über Kreditkarte.
Am 25.04.2014 beantragte die Mutter der Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Kosten der Auslandskrankenhausbehandlung. Hierzu legte sie die Rechnung Nr. xxx1 des türkischen Krankenhauses vom 19.04.2014 vor, in der 14 Abrechnungspositionen aufgelistet waren. Die Beklagte legte die Krankenhausrechnung der Verbindungsstelle nach dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen (DT-SVA), der "Sosyal Güvenlik Kurumu, Baskanligi" in Antalya/Türkei vor. Diese erteilte die Auskunft, dass bei Erbringung der Krankenhausbehandlung als Sachleistung durch den türkischen Sozialversicherungsträger der Klägerin von der Beklagten 1.094,13 TL zu erstatten gewesen wären, was einem Euro-Betrag in Höhe von 371,79 Euro entspricht.
Daraufhin erstattet die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 25.07.2014 einen Betrag in Höhe von 371,79 Euro. Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 08.08.2014 Widerspruch, der mit Schreiben vom 21.10.2014 begründet wurde. Nach Aussage des vor Ort behandelnden Arztes sei bei der 12-jährigen Klägerin eine sofortige Krankenhausbehandlung notwendig gewesen. Da der Gesamtzustand der Klägerin während des Transportes sich hätte verschlechtern können, habe der behandelnde Arzt entschieden, sie in die nur 2,7 km entfernte Privatklinik D. zu verbringen. Die nächste staatliche Klinik befände sich in E-Stadt. Diese liege 15,4 km vom Hotel entfernt. Aufgrund des lebensbedrohlichen Zustandes der Klägerin und der Tatsache, dass ein Transport in die mehr als 5-mal so weit entfernte staatliche Klinik erhebliche Gesundheitsrisiken beinhaltete, sei die Behandlung in der Privatklinik in jedem Fall unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten. Es sei daher auch der Differenzbetrag der Rechnung der Privatklinik gegenüber dem bisher ausgezahlten Betrag in Höhe von 371,79 Euro zu erstatten. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung bestehe auch aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Mutter der Klägerin habe einen Auslandskrankenschein beantragt und diesen von der Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2014 erhalten. In diesem Zusammenhang sei der Leistungsakte keine weitere Aufklärung über die Grenzen des Erstattungsanspruchs im Ausland erkennbar. Die Beklagte sei jedoch hier in der Aufklärungspflicht gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.07.2014 als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass der Anspruch auf Leistungen ruhe, solange Versicherte sich im Ausland aufhielten. Dies gelte auch, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei bestehe ein Sozialversicherungsabkommen, das die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherung an Versicherte des jeweils anderen Staates regele. Nach dem Deutsch-Türkischen Abkommen über soziale Sicherheit hätten Versicherte, wenn sie während eines vorübergehenden Aufenthaltes in der Türkei erkrankten und ambulante ärztliche oder stationäre Behandlungen benötigten, Anspruch auf sofort notwendige Leistungen. Art und Umfang der Sozialleistungen richteten sich nach den Rechtsvorschriften des Aufenthaltsstaates. Um die Sachleistungen im Wege der Leistungsaushilfe in Anspruch nehmen zu können, sei in der Türkei der Vordruck T/A 11 erforderlich. Das Deutsch-Türkische Abkommen über soziale Sicherheit sehe vor, dass die Versicherten zunächst den Anspruchsausweis T/A 11 bei einem türkischen Krankenversicherungsträger am Aufenthaltsort in einen Behandlungsausweis umtauschen. Sei ein Patient im Besitz eines türkischen Behandlungsausweises, könne er im Notfall auch Privatkliniken, die mit der türkischen Sozialversicherungsanstalt SGK entsprechende Verträge abgeschlossen haben, aufsuchen. Die Kosten in einer privaten Einrichtung könnten die mit der SGK vereinbarten Behandlungskosten übersteigen, wobei die Patienten die Mehrkosten selbst zu tragen hätten. Wenn die Leistungsaushilfe nicht erreicht werden könne und die Versicherten zur Zahlung der Kosten gezwungen seien, sei eine Kostenerstattung durch die Kasse möglich. Grundsätzlich seien Aufwendungen in der Höhe zu vergüten, wie sie vom aushelfenden türkischen Träger übernommen worden wären. Die geltend gemachten Aufwendungen für die Behandlung seien während eines Aufenthaltes in der Türkei entstanden. Die Türkei liege außerhalb der EU und des EWR. Insoweit beurteile sich die Leistungsgewährung nach internationalem Recht – hier dem Deutsch-Türkischen Abkommen über soziale Sicherheit. Die Beklagte habe sich mit dem türkischen Sozialversicherungsträger in Verbindung gesetzt und die Auskunft erhalten, dass von diesem für die Behandlung der Klägerin 1.094,13 TL = 371,79 Euro übernommen worden wären. Dieser Betrag sei der Klägerin auch bewilligt worden. Eine darüber hinausgehende Erstattung komme nicht in Betracht. Soweit die Klägerin geltend mache, die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht in Bezug auf die Risiken eines Auslandsaufenthaltes verletzt, werde darauf verwiesen, dass dem Auslandskrankenschein immer ein entsprechendes Informationsblatt beigefügt sei. Außerdem werde über diese Problematik ständig in der Mitliederzeitschrift, der BARMER GEK, und in den sonstigen Medien berichtet. Aus den genannten Gründen sei es der Beklagten nicht möglich, dem Antrag vollständig zu entsprechen.
Hiergegen richtet sich die am 24.02.2015 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage, mit der die Erstattung weiterer 1.925,88 Euro begehrt werden. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung bestehe auf jeden Fall unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 3 SGB V. Aufgrund des lebensbedrohlichen Zustandes der Klägerin und der Tatsache, dass ein Transport in die mehr als 5mal so weit entfernte staatliche Klinik erhebliche Gesundheitsrisiken beinhaltete, sei die Behandlung in der Privatklinik in jedem Fall unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens zu erstatten. Außerdem ergebe sich ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung auch aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Klägerin habe einen Auslandskrankenschein beantragt und diesen von der Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2014 erhalten. In diesem Zusammenhang sei keine weitere Aufklärung über die Grenzen des Erstattungsanspruchs im Ausland erfolgt. Bei Erhalt des Auslandskrankenscheins sei die Klägerin darüber zu informieren gewesen, dass im Nicht-EUAusland nur staatliche Krankenhäuser vom Sozialversicherungsabkommen erfasst seien und dass auch die Behandlungskosten nur aus Einrichtungen, die diesem Abkommen unterliegen, von der Krankenkasse erstattet werden könnten. Ferner wurde Seitens der Klägerin die Auskunft des ausländischen Versicherungsträgers angezweifelt. Die Behandlungskosten der Privatklinik beliefen sich auf 6.757,85 Türkische Lira und damit 2.297,67 Euro, der von der Beklagten zu übernehmende Betrag bestehe in Höhe von 391,79 Euro. Dies stelle eine hohe, nicht erklärbare Diskrepanz dar.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.07.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin weitere Kosten der Krankenhausbehandlung in der Türkei in der Zeit vom 17.04.2014 bis 20.04.2014 i. H. v. 1.925,88 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, dass sich aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr rekonstruieren lasse, welche Unterlagen der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt zur Verfügung gestellt worden seien. Üblicherweise würden bei Anfragen nach einem Krankenversicherungsschutz in der Türkei jedoch Unterlagen zur Verfügung gestellt, die die Beklagte mit Schreiben vom 09.10.2015 übersandt hat. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könne dann aufgrund der allgemeinen Anweisungslage davon ausgegangen werden, dass die Mutter der Klägerin diese Unterlagen erhalten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte verwiesen, die das Gericht beigezogen hat und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung der Kammer gewesen ist
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da weder der Bescheid der Beklagten vom 25.07.2014 noch der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28.01.2015 rechtswidrig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten, die ihr anlässlich der Behandlung in der türkischen Privatklinik D. entstanden sind. Zu Recht hat die Beklagte den Erstattungsbetrag auf 371,79 EUR begrenzt.
Soweit die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geltend macht, kann sie hiermit nicht durchdringen. Denn dessen Voraussetzungen sind ersichtlich nicht erfüllt. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 18.01.2011, Aktenzeichen B 4 AS 29/10 R), dass der Soziallleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetztes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen.
Dabei konnte das Gericht vorliegend offen lassen, ob die Klägerin über ihre Mutter seitens der Beklagten darüber informiert worden ist, dass im Nicht-EU-Ausland nur staatliche Krankenhäuser vom Sozialversicherungsabkommen erfasst sind und dass die Behandlungskosten nur aus Einrichtungen, die diesen Abkommen unterliegen, von der Krankenkasse erstattet werden können und insofern auch direkt auf eine mögliche Zusatzversicherung hingewiesen worden ist. Das Gericht hat bereits Zweifel daran, ob der Beklagten eine entsprechende Aufklärungspflicht über die Modalitäten der Inanspruchnahme von Leistungserbringern im Nicht EU-Ausland obliegt.
Jedenfalls aber könnte über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nur eine entsprechende Aufklärung fingiert werden, der Abschluss einer entsprechende Zusatzversicherung hingegen nicht.
Insofern müsste die Klägerin einen etwaigen Schadenersatzanspruch jedoch bei dem entsprechenden Zivilgericht geltend machen.
Der rechtliche Ausgangspunkt für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch der Klägerin können demnach nur die Vorschriften des SGB V in Verbindung mit den Vorschriften des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens (DT-SVA) sein.
Allerdings sieht das SGB V eine Leistungspflicht der Krankenkassen bei einer im Ausland stattfindenden Krankenbehandlung nur ausnahmsweise vor. Der Anspruch auf Leistungen, zu denen auch die Krankenhausbehandlung gehört (§ 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 SGB V), ruht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, "soweit in diesem Gesetzbuch nichts abweichendes bestimmt ist." Aus dem "soweit"-Halbsatz ergibt sich, dass die nationale Rechtsordnung durch Regelungen des internationalen Rechts überlagert oder ergänzt werden kann, dies mit der Folge, dass Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen auch Ansprüche haben können, die unter Berücksichtigung allein der nationalen Rechtsordnung nicht bestünden (BSG, Urteil vom 24.05.2007 - B 1 KR 18/06 R). Dies gilt auch im Fall der Klägerin. Die Vorschriften des SGB V werden durch die Vorschriften des DT-SVA überlagert und ergänzt.
Der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens erstreckt sich auf Leistungen der Krankenversicherung (Artikel 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a DT-SVA), um die es hier geht. Als bei der beklagten Krankenkasse versicherte deutscher Staatsangehörige fällt die Klägerin grundsätzlich unter den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens (vgl. Artikel 3 Buchstabe a DT-SVA). Da das DT-SVA insoweit Anwendung findet, folgt unter den Voraussetzungen des Artikel 4a DT-SVA eine so genannte Gebietsgleichstellung. Danach gelten, soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Gebiet dieser Vertragspartei abhängig ist, nicht für die Personen, die sich im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhalten. Für den Fall der Krankheit wird die Anwendung der Gebietsgleichstellungsklausel des Artikel 4a durch Artikel 12 des DT-SVA eingeschränkt. Nach Artikel 12 Abs. 1 Buchstabe b DT-SVA gilt Artikel 4a für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet in der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigt.
Ein solcher Notfall hier auch vor. Die Voraussetzungen des Artikel 12 Abs. 1 Buchstabe b DT-SVA sind erfüllt, weil die Klägerin wegen ihres Zustandes am 17.04.2014 "sofort" Leistungen benötigte.
Aufgrund der Gebietsgleichstellung durch das Abkommensrecht ruhten die sich grundsätzlich aus dem SGB V ergebenden Leistungsansprüche der Klägerin nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V während einer Krankenhausbehandlung in der Türkei also nicht. Daraus folgt jedoch nicht, dass das Leistungsrecht des SGB V uneingeschränkt Anwendung fände. Vielmehr wird der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Leistungsrechts des SGB V durch Artikel 15 DT-SVA als Spezialnorm für Sachleistungen modifiziert. Der Anspruch der Versicherten und damit die Leistungspflicht der Krankenkassen in der Türkei richtet sich nach türkischem Recht. Nach Artikel 15 DT-SVA werden die Leistungen im Wege der so genannten Leistungsaushilfe von dem nach türkischem Recht zuständigen Träger, der (Sozialversicherungsanstalt) Sosyal Sigortalar Kurumu (vgl. Artikel 15 Abs. 1 DTSVA) nach dem für diesen geltenden - türkischen - Recht mit Wirkung für die deutschen Krankenkassen erbracht (vgl. für das insoweit vergleichbare deutsch-tunesische Sozialversicherungsabkommen: BSG, Urteil vom 24.05.2007 B 1 KR 18/06 R).
Nach Artikel 15 Abs. 2 DT-SVA gelten für die Erbringung der Sachleistungen die für den Träger des Aufenthaltsortes maßgebenden Rechtsvorschriften (mit Ausnahme der Rechtsvorschriften über die Dauer der Leistungsgewährung, den Kreis der zu berücksichtigenden Angehörigen sowie der sich hierauf beziehenden Rechtsvorschriften über das Leistungsstreitverfahren). Nach Artikel 15 Abs. 4 DT-SVA sind Personen und Einrichtungen, die mit der Sosyal Sigortalar Kurumu (SSK) Verträge über die Erbringung von Sachleistungen für deren Versicherte abgeschlossen haben, verpflichtet, die Sachleistungen auch für die in Artikel 4a DT-SVA genannten Personen zu erbringen, und zwar unter denselben Bedingungen, wie wenn diese Personen bei der SSK versichert oder Angehörige solcher Versicherten wären und als ob die Verträge sich auch auf diese Personen erstreckten. Der krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsanspruch der Klägerin war mithin bei dem in der Türkei eingetretenen Leistungsfall wirksam durch Artikel 15 DTSVA auf die nach dem türkischen Krankenversicherungssystem zustehenden Leistungen beschränkt.
Auch wenn sich Artikel 15 DT-SVA lediglich mit "Sachleistungen" befasst, nicht aber mit Kostenerstattungsansprüchen, bezieht er sich seinem Sinn und Zweck nach auch auf sachleistungsersetzende Kostenerstattungsansprüche. Solche Ansprüche dienen der Ergänzung des Sachleistungssystems - etwa bei Systemmängeln - und sind dessen integraler Bestandteil (vgl. für das deutsch-tunesische Sozialversicherungsabkommen: BSG, a.a.O.).
Die Ermittlungen der Beklagten bei der türkischen Sozialversicherungsanstalt haben ergeben, dass das maßgebliche türkische Recht sachleistungsersetzende Kostenerstattungsansprüche zur Zeit der Behandlung der Klägerin vorgesehen hat. Dem türkischen Sozialversicherungsträger hat die Rechnung des Krankenhauses D. vorgelegen. Er hat der Beklagten auf dieser Grundlage mitgeteilt, dass ihm Kosten in Höhe von 371,79 EUR entstanden wären, wenn die Leistungen durch ihn erbracht worden wären. Angesichts der Differenziertheit der türkischen Krankenhausrechnung hat die Kammer keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Kostenauskunft des türkischen Sozialversicherungsträgers zutreffend ist. Allein der Umstand, dass die Differenz zwischen dem mitgeteilten Kostenbetrag und dem tatsächlichen Rechnungsbetrag fast 2.000,00 EUR beträgt, bedeutet nicht, dass der vom türkischen Sozialversicherungsträger mitgeteilte Betrag falsch ist. Zu einem handelt es sich bei dem Krankenhaus um eine Privatklinik; die privatärztliche Behandlung in einer solchen Privatklinik ist üblicherweise um ein Vielfaches höher als die Behandlung in einem (staatlichen) Vertragskrankenhaus, nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Türkei. Zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tatsächlich der Klägerin in Rechnung gestellten und von ihr bezahlten Kosten von 2.297,60 EUR eine irgendwie nachvollziehbare rechtliche Grundlage hat, wie sie etwa in Deutschland die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) darstellt. Maßstab für den Kostenerstattungsanspruch ist aber nicht eine - wie auch immer begründete (oder unbegründete) - Kostenforderung der türkischen Privatklinik, sondern der Kostenansatz, den die türkische Sozialversicherungsanstalt bei einer vergleichbaren Behandlung in einem Vertragskrankenhaus zu zahlen gehabt hätte. Dies wären 371,79 EUR gewesen. Und diesen Betrag hat die Beklagte der Klägerin auch erstattet.
Außerhalb des Kostenerstattungsanspruchs nach dem DT-SVA könnte die Klägerin eine weitergehende Kostenerstattung nur nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGB V verlangen, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies wäre der Fall, wenn der türkische Sozialversicherungsträger seinen Pflichten im Rahmen der Leistungsaushilfe mit Sachleistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Denn dessen Verhalten müssen sich die Krankenkassen aufgrund der Einwirkungsmöglichkeiten Deutschlands auf den Abkommenspartner Türkei zurechnen lassen (vgl. für das deutschtunesische Recht: BSG, a.a.O.). Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Klägerin bei der Umsetzung des DT-SVA abkommenswidrig dasjenige vorenthalten worden ist, was nach türkischem Recht auch einem gegenüber der SSK leistungsberechtigten türkischen Staatsangehörigen in der Situation der Klägerin vor Ort zu gewähren gewesen wäre, und wenn die Klägerin durch die (deshalb) notwendige privatärztliche Krankenhausbehandlung einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt war. Das beruht darauf, dass grundsätzlich in Deutschland wohnende Versicherte, die in der Türkei erkranken und dem persönlichen und mit ihren Ansprüchen dem sachlichen Anwendungsbereich des DT-SVA unterfallen, hinsichtlich ihrer Berechtigung auf Sachleistungen auf dasjenige beschränkt sind, was ihnen das türkische Recht - auch an sachleistungsersetzenden Erstattungsansprüchen - zur Verfügung stellt. Die Garantiefunktion, die § 13 Abs. 3 SGB V bei Naturalleistungsstörungen ("Systemversagen") in Deutschland übernimmt, ist damit bereits weitgehend abgedeckt. Soweit das von Artikel 15 DT-SVA berufene türkische Sachleistungsrecht keine Regelungen zu Fällen des "Systemversagens" wegen spezifischer Verletzungen des DT-SVA enthält, ist diese verbliebene Lücke über den Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V zu schließen. Nur in diesem Umfang bleibt Raum für Kostenerstattung außerhalb von Artikel 15 DT-SVA (vgl. für das deutsch-tunesische Sozialversicherungsrecht: BSG, a.a.O. und Urteil vom 11.09.2012 - B 1 KR 21/11 R).
Ausgangspunkt des Anspruchs aus § 13 Abs. 3 SGB V ist auch in diesem Fall der Primärleistungsanspruch, also das, worauf die Klägerin nach türkischem Sachleistungsrecht nach Aufnahme in einer staatlichen Klinik Anspruch gehabt hätte. Ist ihr dies gewährt worden, fehlt es an den Anspruchsvoraussetzungen für eine weitergehende als die erfolgte - Erstattung. Denn die Beklagte hat die geschuldete - Leistung erbracht. Dem steht es gleich, wenn die Beklagte den nach Artikel 15 DT-SVA bestehenden sachleistungsersetzenden Kostenerstattungsanspruch nach türkischem Recht erfüllt hat. Dies war hier der Fall.
Dahin stehen kann, ob sich der von der Klägerin geltend gemachte weitergehende Kostenerstattungsanspruch dann noch aus dem Gesichtspunkt eines verbleibenden Systemversagens ergeben könnte, wenn die Beklagte durch die SSK eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte, die der Klägerin nach türkischem Sach- und dem Abkommensrecht zustand (so wohl aber SG Aachen vom 11.06.2013, S 13 KR 192/12). Denn nach Auffassung der Kammer war es der Klägerin durchaus zumutbar, das 15,4 km entfernte staatliche Krankenhaus aufzusuchen. Ein weitergehender Kostenerstattungsanspruch gegenüber der beklagten Krankenkasse besteht dementsprechend nicht.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Die Beteiligen haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Erstattung weiterer Kosten einer Krankenhausbehandlung in einer Privatklinik in der Türkei in Höhe von 1.925,88 Euro.
Die 2002 geborene Klägerin ist über ihre 1971 geborene Mutter, Frau C. A., bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Mit Datum vom 18.03.2014 (Bl. 38 der Gerichtsakte) stellte die Beklagte für die Mutter der Klägerin einen Auslandskrankenschein für die Türkei aus. Die Klägerin reiste dann im April 2014 mit ihrem Onkel, dem Bruder ihrer Mutter, und einem Freund des Bruders in die Türkei. Die Reise war am Sonntag, den 13.04.2014 angetreten worden, die Rückreise war für Sonntag, den 20.04.2014 gebucht. Am Donnerstag, den 17.04.2014 bekam die Klägerin Fieber, war dehydriert, schwach, hatte einen verringerten Hautunterdruck, ferner wurden Rasselgeräusche in der Lunge festgestellt und sie hatte starke Schmerzen (vgl. Arztberichtbericht des Privatkrankenhauses D., Bl. 1 der Verwaltungsakte). Auf Veranlassung des Hotelarztes wurde die Klägerin unverzüglich in die nächste Klinik, nämlich die 2, 7 km entfernte private Klinik D. verbracht. Die Klägerin wurde dort bis zum 19.04.2014 behandelt. Am Entlassungstag (19.04.2014), stellte das Krankenhaus für die Behandlung 6.757,85 Türkische Lira (TL) in Rechnung. Da - so jedenfalls die Mutter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2016 – die Klinik auf sofortige Bezahlung bestand, beglich der Onkel der Klägerin die Rechnung an Ort und Stelle über Kreditkarte.
Am 25.04.2014 beantragte die Mutter der Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Kosten der Auslandskrankenhausbehandlung. Hierzu legte sie die Rechnung Nr. xxx1 des türkischen Krankenhauses vom 19.04.2014 vor, in der 14 Abrechnungspositionen aufgelistet waren. Die Beklagte legte die Krankenhausrechnung der Verbindungsstelle nach dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen (DT-SVA), der "Sosyal Güvenlik Kurumu, Baskanligi" in Antalya/Türkei vor. Diese erteilte die Auskunft, dass bei Erbringung der Krankenhausbehandlung als Sachleistung durch den türkischen Sozialversicherungsträger der Klägerin von der Beklagten 1.094,13 TL zu erstatten gewesen wären, was einem Euro-Betrag in Höhe von 371,79 Euro entspricht.
Daraufhin erstattet die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 25.07.2014 einen Betrag in Höhe von 371,79 Euro. Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 08.08.2014 Widerspruch, der mit Schreiben vom 21.10.2014 begründet wurde. Nach Aussage des vor Ort behandelnden Arztes sei bei der 12-jährigen Klägerin eine sofortige Krankenhausbehandlung notwendig gewesen. Da der Gesamtzustand der Klägerin während des Transportes sich hätte verschlechtern können, habe der behandelnde Arzt entschieden, sie in die nur 2,7 km entfernte Privatklinik D. zu verbringen. Die nächste staatliche Klinik befände sich in E-Stadt. Diese liege 15,4 km vom Hotel entfernt. Aufgrund des lebensbedrohlichen Zustandes der Klägerin und der Tatsache, dass ein Transport in die mehr als 5-mal so weit entfernte staatliche Klinik erhebliche Gesundheitsrisiken beinhaltete, sei die Behandlung in der Privatklinik in jedem Fall unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten. Es sei daher auch der Differenzbetrag der Rechnung der Privatklinik gegenüber dem bisher ausgezahlten Betrag in Höhe von 371,79 Euro zu erstatten. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung bestehe auch aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Mutter der Klägerin habe einen Auslandskrankenschein beantragt und diesen von der Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2014 erhalten. In diesem Zusammenhang sei der Leistungsakte keine weitere Aufklärung über die Grenzen des Erstattungsanspruchs im Ausland erkennbar. Die Beklagte sei jedoch hier in der Aufklärungspflicht gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.07.2014 als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass der Anspruch auf Leistungen ruhe, solange Versicherte sich im Ausland aufhielten. Dies gelte auch, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei bestehe ein Sozialversicherungsabkommen, das die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherung an Versicherte des jeweils anderen Staates regele. Nach dem Deutsch-Türkischen Abkommen über soziale Sicherheit hätten Versicherte, wenn sie während eines vorübergehenden Aufenthaltes in der Türkei erkrankten und ambulante ärztliche oder stationäre Behandlungen benötigten, Anspruch auf sofort notwendige Leistungen. Art und Umfang der Sozialleistungen richteten sich nach den Rechtsvorschriften des Aufenthaltsstaates. Um die Sachleistungen im Wege der Leistungsaushilfe in Anspruch nehmen zu können, sei in der Türkei der Vordruck T/A 11 erforderlich. Das Deutsch-Türkische Abkommen über soziale Sicherheit sehe vor, dass die Versicherten zunächst den Anspruchsausweis T/A 11 bei einem türkischen Krankenversicherungsträger am Aufenthaltsort in einen Behandlungsausweis umtauschen. Sei ein Patient im Besitz eines türkischen Behandlungsausweises, könne er im Notfall auch Privatkliniken, die mit der türkischen Sozialversicherungsanstalt SGK entsprechende Verträge abgeschlossen haben, aufsuchen. Die Kosten in einer privaten Einrichtung könnten die mit der SGK vereinbarten Behandlungskosten übersteigen, wobei die Patienten die Mehrkosten selbst zu tragen hätten. Wenn die Leistungsaushilfe nicht erreicht werden könne und die Versicherten zur Zahlung der Kosten gezwungen seien, sei eine Kostenerstattung durch die Kasse möglich. Grundsätzlich seien Aufwendungen in der Höhe zu vergüten, wie sie vom aushelfenden türkischen Träger übernommen worden wären. Die geltend gemachten Aufwendungen für die Behandlung seien während eines Aufenthaltes in der Türkei entstanden. Die Türkei liege außerhalb der EU und des EWR. Insoweit beurteile sich die Leistungsgewährung nach internationalem Recht – hier dem Deutsch-Türkischen Abkommen über soziale Sicherheit. Die Beklagte habe sich mit dem türkischen Sozialversicherungsträger in Verbindung gesetzt und die Auskunft erhalten, dass von diesem für die Behandlung der Klägerin 1.094,13 TL = 371,79 Euro übernommen worden wären. Dieser Betrag sei der Klägerin auch bewilligt worden. Eine darüber hinausgehende Erstattung komme nicht in Betracht. Soweit die Klägerin geltend mache, die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht in Bezug auf die Risiken eines Auslandsaufenthaltes verletzt, werde darauf verwiesen, dass dem Auslandskrankenschein immer ein entsprechendes Informationsblatt beigefügt sei. Außerdem werde über diese Problematik ständig in der Mitliederzeitschrift, der BARMER GEK, und in den sonstigen Medien berichtet. Aus den genannten Gründen sei es der Beklagten nicht möglich, dem Antrag vollständig zu entsprechen.
Hiergegen richtet sich die am 24.02.2015 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage, mit der die Erstattung weiterer 1.925,88 Euro begehrt werden. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung bestehe auf jeden Fall unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 3 SGB V. Aufgrund des lebensbedrohlichen Zustandes der Klägerin und der Tatsache, dass ein Transport in die mehr als 5mal so weit entfernte staatliche Klinik erhebliche Gesundheitsrisiken beinhaltete, sei die Behandlung in der Privatklinik in jedem Fall unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens zu erstatten. Außerdem ergebe sich ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung auch aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Klägerin habe einen Auslandskrankenschein beantragt und diesen von der Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2014 erhalten. In diesem Zusammenhang sei keine weitere Aufklärung über die Grenzen des Erstattungsanspruchs im Ausland erfolgt. Bei Erhalt des Auslandskrankenscheins sei die Klägerin darüber zu informieren gewesen, dass im Nicht-EUAusland nur staatliche Krankenhäuser vom Sozialversicherungsabkommen erfasst seien und dass auch die Behandlungskosten nur aus Einrichtungen, die diesem Abkommen unterliegen, von der Krankenkasse erstattet werden könnten. Ferner wurde Seitens der Klägerin die Auskunft des ausländischen Versicherungsträgers angezweifelt. Die Behandlungskosten der Privatklinik beliefen sich auf 6.757,85 Türkische Lira und damit 2.297,67 Euro, der von der Beklagten zu übernehmende Betrag bestehe in Höhe von 391,79 Euro. Dies stelle eine hohe, nicht erklärbare Diskrepanz dar.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.07.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin weitere Kosten der Krankenhausbehandlung in der Türkei in der Zeit vom 17.04.2014 bis 20.04.2014 i. H. v. 1.925,88 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, dass sich aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr rekonstruieren lasse, welche Unterlagen der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt zur Verfügung gestellt worden seien. Üblicherweise würden bei Anfragen nach einem Krankenversicherungsschutz in der Türkei jedoch Unterlagen zur Verfügung gestellt, die die Beklagte mit Schreiben vom 09.10.2015 übersandt hat. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könne dann aufgrund der allgemeinen Anweisungslage davon ausgegangen werden, dass die Mutter der Klägerin diese Unterlagen erhalten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte verwiesen, die das Gericht beigezogen hat und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung der Kammer gewesen ist
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da weder der Bescheid der Beklagten vom 25.07.2014 noch der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28.01.2015 rechtswidrig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten, die ihr anlässlich der Behandlung in der türkischen Privatklinik D. entstanden sind. Zu Recht hat die Beklagte den Erstattungsbetrag auf 371,79 EUR begrenzt.
Soweit die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geltend macht, kann sie hiermit nicht durchdringen. Denn dessen Voraussetzungen sind ersichtlich nicht erfüllt. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 18.01.2011, Aktenzeichen B 4 AS 29/10 R), dass der Soziallleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetztes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen.
Dabei konnte das Gericht vorliegend offen lassen, ob die Klägerin über ihre Mutter seitens der Beklagten darüber informiert worden ist, dass im Nicht-EU-Ausland nur staatliche Krankenhäuser vom Sozialversicherungsabkommen erfasst sind und dass die Behandlungskosten nur aus Einrichtungen, die diesen Abkommen unterliegen, von der Krankenkasse erstattet werden können und insofern auch direkt auf eine mögliche Zusatzversicherung hingewiesen worden ist. Das Gericht hat bereits Zweifel daran, ob der Beklagten eine entsprechende Aufklärungspflicht über die Modalitäten der Inanspruchnahme von Leistungserbringern im Nicht EU-Ausland obliegt.
Jedenfalls aber könnte über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nur eine entsprechende Aufklärung fingiert werden, der Abschluss einer entsprechende Zusatzversicherung hingegen nicht.
Insofern müsste die Klägerin einen etwaigen Schadenersatzanspruch jedoch bei dem entsprechenden Zivilgericht geltend machen.
Der rechtliche Ausgangspunkt für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch der Klägerin können demnach nur die Vorschriften des SGB V in Verbindung mit den Vorschriften des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens (DT-SVA) sein.
Allerdings sieht das SGB V eine Leistungspflicht der Krankenkassen bei einer im Ausland stattfindenden Krankenbehandlung nur ausnahmsweise vor. Der Anspruch auf Leistungen, zu denen auch die Krankenhausbehandlung gehört (§ 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 SGB V), ruht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, "soweit in diesem Gesetzbuch nichts abweichendes bestimmt ist." Aus dem "soweit"-Halbsatz ergibt sich, dass die nationale Rechtsordnung durch Regelungen des internationalen Rechts überlagert oder ergänzt werden kann, dies mit der Folge, dass Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen auch Ansprüche haben können, die unter Berücksichtigung allein der nationalen Rechtsordnung nicht bestünden (BSG, Urteil vom 24.05.2007 - B 1 KR 18/06 R). Dies gilt auch im Fall der Klägerin. Die Vorschriften des SGB V werden durch die Vorschriften des DT-SVA überlagert und ergänzt.
Der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens erstreckt sich auf Leistungen der Krankenversicherung (Artikel 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a DT-SVA), um die es hier geht. Als bei der beklagten Krankenkasse versicherte deutscher Staatsangehörige fällt die Klägerin grundsätzlich unter den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens (vgl. Artikel 3 Buchstabe a DT-SVA). Da das DT-SVA insoweit Anwendung findet, folgt unter den Voraussetzungen des Artikel 4a DT-SVA eine so genannte Gebietsgleichstellung. Danach gelten, soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Gebiet dieser Vertragspartei abhängig ist, nicht für die Personen, die sich im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhalten. Für den Fall der Krankheit wird die Anwendung der Gebietsgleichstellungsklausel des Artikel 4a durch Artikel 12 des DT-SVA eingeschränkt. Nach Artikel 12 Abs. 1 Buchstabe b DT-SVA gilt Artikel 4a für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet in der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigt.
Ein solcher Notfall hier auch vor. Die Voraussetzungen des Artikel 12 Abs. 1 Buchstabe b DT-SVA sind erfüllt, weil die Klägerin wegen ihres Zustandes am 17.04.2014 "sofort" Leistungen benötigte.
Aufgrund der Gebietsgleichstellung durch das Abkommensrecht ruhten die sich grundsätzlich aus dem SGB V ergebenden Leistungsansprüche der Klägerin nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V während einer Krankenhausbehandlung in der Türkei also nicht. Daraus folgt jedoch nicht, dass das Leistungsrecht des SGB V uneingeschränkt Anwendung fände. Vielmehr wird der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Leistungsrechts des SGB V durch Artikel 15 DT-SVA als Spezialnorm für Sachleistungen modifiziert. Der Anspruch der Versicherten und damit die Leistungspflicht der Krankenkassen in der Türkei richtet sich nach türkischem Recht. Nach Artikel 15 DT-SVA werden die Leistungen im Wege der so genannten Leistungsaushilfe von dem nach türkischem Recht zuständigen Träger, der (Sozialversicherungsanstalt) Sosyal Sigortalar Kurumu (vgl. Artikel 15 Abs. 1 DTSVA) nach dem für diesen geltenden - türkischen - Recht mit Wirkung für die deutschen Krankenkassen erbracht (vgl. für das insoweit vergleichbare deutsch-tunesische Sozialversicherungsabkommen: BSG, Urteil vom 24.05.2007 B 1 KR 18/06 R).
Nach Artikel 15 Abs. 2 DT-SVA gelten für die Erbringung der Sachleistungen die für den Träger des Aufenthaltsortes maßgebenden Rechtsvorschriften (mit Ausnahme der Rechtsvorschriften über die Dauer der Leistungsgewährung, den Kreis der zu berücksichtigenden Angehörigen sowie der sich hierauf beziehenden Rechtsvorschriften über das Leistungsstreitverfahren). Nach Artikel 15 Abs. 4 DT-SVA sind Personen und Einrichtungen, die mit der Sosyal Sigortalar Kurumu (SSK) Verträge über die Erbringung von Sachleistungen für deren Versicherte abgeschlossen haben, verpflichtet, die Sachleistungen auch für die in Artikel 4a DT-SVA genannten Personen zu erbringen, und zwar unter denselben Bedingungen, wie wenn diese Personen bei der SSK versichert oder Angehörige solcher Versicherten wären und als ob die Verträge sich auch auf diese Personen erstreckten. Der krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsanspruch der Klägerin war mithin bei dem in der Türkei eingetretenen Leistungsfall wirksam durch Artikel 15 DTSVA auf die nach dem türkischen Krankenversicherungssystem zustehenden Leistungen beschränkt.
Auch wenn sich Artikel 15 DT-SVA lediglich mit "Sachleistungen" befasst, nicht aber mit Kostenerstattungsansprüchen, bezieht er sich seinem Sinn und Zweck nach auch auf sachleistungsersetzende Kostenerstattungsansprüche. Solche Ansprüche dienen der Ergänzung des Sachleistungssystems - etwa bei Systemmängeln - und sind dessen integraler Bestandteil (vgl. für das deutsch-tunesische Sozialversicherungsabkommen: BSG, a.a.O.).
Die Ermittlungen der Beklagten bei der türkischen Sozialversicherungsanstalt haben ergeben, dass das maßgebliche türkische Recht sachleistungsersetzende Kostenerstattungsansprüche zur Zeit der Behandlung der Klägerin vorgesehen hat. Dem türkischen Sozialversicherungsträger hat die Rechnung des Krankenhauses D. vorgelegen. Er hat der Beklagten auf dieser Grundlage mitgeteilt, dass ihm Kosten in Höhe von 371,79 EUR entstanden wären, wenn die Leistungen durch ihn erbracht worden wären. Angesichts der Differenziertheit der türkischen Krankenhausrechnung hat die Kammer keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Kostenauskunft des türkischen Sozialversicherungsträgers zutreffend ist. Allein der Umstand, dass die Differenz zwischen dem mitgeteilten Kostenbetrag und dem tatsächlichen Rechnungsbetrag fast 2.000,00 EUR beträgt, bedeutet nicht, dass der vom türkischen Sozialversicherungsträger mitgeteilte Betrag falsch ist. Zu einem handelt es sich bei dem Krankenhaus um eine Privatklinik; die privatärztliche Behandlung in einer solchen Privatklinik ist üblicherweise um ein Vielfaches höher als die Behandlung in einem (staatlichen) Vertragskrankenhaus, nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Türkei. Zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tatsächlich der Klägerin in Rechnung gestellten und von ihr bezahlten Kosten von 2.297,60 EUR eine irgendwie nachvollziehbare rechtliche Grundlage hat, wie sie etwa in Deutschland die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) darstellt. Maßstab für den Kostenerstattungsanspruch ist aber nicht eine - wie auch immer begründete (oder unbegründete) - Kostenforderung der türkischen Privatklinik, sondern der Kostenansatz, den die türkische Sozialversicherungsanstalt bei einer vergleichbaren Behandlung in einem Vertragskrankenhaus zu zahlen gehabt hätte. Dies wären 371,79 EUR gewesen. Und diesen Betrag hat die Beklagte der Klägerin auch erstattet.
Außerhalb des Kostenerstattungsanspruchs nach dem DT-SVA könnte die Klägerin eine weitergehende Kostenerstattung nur nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGB V verlangen, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies wäre der Fall, wenn der türkische Sozialversicherungsträger seinen Pflichten im Rahmen der Leistungsaushilfe mit Sachleistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Denn dessen Verhalten müssen sich die Krankenkassen aufgrund der Einwirkungsmöglichkeiten Deutschlands auf den Abkommenspartner Türkei zurechnen lassen (vgl. für das deutschtunesische Recht: BSG, a.a.O.). Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Klägerin bei der Umsetzung des DT-SVA abkommenswidrig dasjenige vorenthalten worden ist, was nach türkischem Recht auch einem gegenüber der SSK leistungsberechtigten türkischen Staatsangehörigen in der Situation der Klägerin vor Ort zu gewähren gewesen wäre, und wenn die Klägerin durch die (deshalb) notwendige privatärztliche Krankenhausbehandlung einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt war. Das beruht darauf, dass grundsätzlich in Deutschland wohnende Versicherte, die in der Türkei erkranken und dem persönlichen und mit ihren Ansprüchen dem sachlichen Anwendungsbereich des DT-SVA unterfallen, hinsichtlich ihrer Berechtigung auf Sachleistungen auf dasjenige beschränkt sind, was ihnen das türkische Recht - auch an sachleistungsersetzenden Erstattungsansprüchen - zur Verfügung stellt. Die Garantiefunktion, die § 13 Abs. 3 SGB V bei Naturalleistungsstörungen ("Systemversagen") in Deutschland übernimmt, ist damit bereits weitgehend abgedeckt. Soweit das von Artikel 15 DT-SVA berufene türkische Sachleistungsrecht keine Regelungen zu Fällen des "Systemversagens" wegen spezifischer Verletzungen des DT-SVA enthält, ist diese verbliebene Lücke über den Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V zu schließen. Nur in diesem Umfang bleibt Raum für Kostenerstattung außerhalb von Artikel 15 DT-SVA (vgl. für das deutsch-tunesische Sozialversicherungsrecht: BSG, a.a.O. und Urteil vom 11.09.2012 - B 1 KR 21/11 R).
Ausgangspunkt des Anspruchs aus § 13 Abs. 3 SGB V ist auch in diesem Fall der Primärleistungsanspruch, also das, worauf die Klägerin nach türkischem Sachleistungsrecht nach Aufnahme in einer staatlichen Klinik Anspruch gehabt hätte. Ist ihr dies gewährt worden, fehlt es an den Anspruchsvoraussetzungen für eine weitergehende als die erfolgte - Erstattung. Denn die Beklagte hat die geschuldete - Leistung erbracht. Dem steht es gleich, wenn die Beklagte den nach Artikel 15 DT-SVA bestehenden sachleistungsersetzenden Kostenerstattungsanspruch nach türkischem Recht erfüllt hat. Dies war hier der Fall.
Dahin stehen kann, ob sich der von der Klägerin geltend gemachte weitergehende Kostenerstattungsanspruch dann noch aus dem Gesichtspunkt eines verbleibenden Systemversagens ergeben könnte, wenn die Beklagte durch die SSK eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte, die der Klägerin nach türkischem Sach- und dem Abkommensrecht zustand (so wohl aber SG Aachen vom 11.06.2013, S 13 KR 192/12). Denn nach Auffassung der Kammer war es der Klägerin durchaus zumutbar, das 15,4 km entfernte staatliche Krankenhaus aufzusuchen. Ein weitergehender Kostenerstattungsanspruch gegenüber der beklagten Krankenkasse besteht dementsprechend nicht.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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