L 8 R 1684/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 329/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 1684/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29.03.2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten; im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des SG.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung seit 28.07.2016 zusteht.

Der 1973 geborene Kläger, türkischer Staatsangehöriger, der bis zur Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1993 auf dem Bauernhof seiner Eltern, im Bundesgebiet dann versicherungspflichtig als Reiniger/Recycler, zuletzt als LKW-Fahrer mit Ladeaufgaben in einem Recycling/Müllabfuhrunternehmen, gearbeitet hatte, beantragte am 28.07.2016 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Seit 04.09.2010 bezog er eine Unfallrente der BG Holz und Metall (zuletzt Minderung der Erwerbsfähigkeit 30. v. H., Bescheid vom 16.02.2016) und seit 26.10.2015 Arbeitslosengeld, zuletzt bezog er Leistungen nach dem SGB II.

Zu seinem Rentenantrag gab der Kläger an, sich seit 04.02.2014 wegen starker chronischer Schmerzen und Bewegungseinschränkungen nach beidseitiger Schulterverletzung für erwerbsgemindert zu halten.

Die Beklagte zog von der BG Unterlagen bei und nahm weitere ärztliche Unterlagen zur Akte. Im Auftrag der Beklagte begutachtete der Unfallchirurg und Orthopäde Dr. S. den Kläger am 12.09.2016. In seinem Gutachten vom 19.09.2016 diagnostizierte Dr. S. eine deutliche Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks bei adhäsiver Kapsulitis nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion 10/2011 (jetzt Re-Ruptur), eine deutliche Funktionseinschränkung des linken Schultergelenkes bei adhäsiver Kapsulitis, Rotatorenmanschettenrekonstruktion 6/2014 sowie 11/2014 wegen Re-Ruptur sowie Schmerzen des rechten Fußes seit 2 Monaten, für die noch keine Abklärung erfolgt sei. Er hielt den Kläger im Beruf als LKW-Fahrer für unter 3-stündig leistungsfähig, für leichte Tätigkeiten sei der Kläger unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen 6 Stunden und mehr täglich leistungsfähig.

Mit Bescheid vom 23.09.2016 lehnte die Beklagte die begehrte Rentengewährung ab. Der Kläger könne noch 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Am 29.09.2016 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und führte zu dessen Begründung u.a. (Schreiben vom 17.10.2016) aus, er habe 2 Arbeitsunfälle erlitten und sei hierdurch in beiden Schultergelenken hochgradig geschädigt und bewegungsbeeinträchtigt, sodass bereits die meisten denkbaren Tätigkeiten wegen der eingeschränkten Funktion der Schultergelenke nicht mehr darstellbar seien. Zwischenzeitlich stelle sich allerdings die Schmerzsituation und die psychische Situation führend für die völlig aufgehobene Arbeitsfähigkeit dar. Der Kläger hat den Bericht der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. vom 18.10.2016 vorgelegt.

Dr. H. , Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Sozialmedizin, führte in seinem im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten vom 10.11.2016 (Untersuchung des Klägers am 10.11.2016) aus, beim Kläger bestehe eine Anpassungsstörung, zum Untersuchungszeitpunkt keine depressive Symptomatik mit Relevanz für das Leistungsvermögen, eine Somatisierung, insbesondere mit somatoformen Schmerzen und weiteren Somatisierungen, Wirbelsäulenbeschwerden, zum Untersuchungszeitpunkt ohne relevante Reiz- und Ausfallsymptomatik sowie ein Übergewicht. Als LKW-Fahrer mit Be- und Entladen sowie für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sei der Kläger unter qualitativen Einschränkungen 6 Stunden und mehr täglich leistungsfähig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Dem Kläger seien noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen, überwiegend im Sitzen, in Tagesschicht, in Frühschicht/Spätschicht, ohne längere Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, ohne häufiges Klettern und Steigen, ohne häufiges Heben, Tragen von lasten (ohne mechanische Hilfsmittel 5 kg zumutbar), ohne Armvorhaltearbeiten sowie häufiges Überkopfarbeiten 6 Stunden und mehr täglich zumutbar.

Der Kläger hat am 02.02.2017 beim Sozialgericht (SG) Heilbronn Klage erhoben. Er hat u.a. seine bisherige Tätigkeit beschrieben und Arztberichte vorgelegt (Blatt 9/11, 23, 29/31, 36/37, 40/41, 42/48, 135 der SG-Akte). Er leide unter den Folgen zweier Arbeitsunfälle mit weitreichender Schädigung der Schultergelenke und einer weitgehenden Schädigung der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung insbesondere ins linke Bein bis in die Zehen. Er leide unter laufenden, unerträglichen Schmerzen. Die Begutachtung durch Dr. H. sei als unzutreffend abzulehnen. Es liege zwischenzeitlich eine gesicherte reaktive Depression vor.

Das SG hat von der BGHM deren Unterlagen beigezogen (dazu vgl. Blatt 52/116 der SG-Akte; zuletzt bezog der Kläger eine Unfallrente wegen 2 Arbeitsunfällen nach MdE von jeweils 30 v. H.) und die behandelnde Ärztin Dr. D. schriftlich als sachverständige Zeugin befragt (Blatt 26/27 der SG-Akte), die jedoch nicht geantwortet hat.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 17.10.2017 (Blatt 119/125 der SG-Akte) einen Bericht aus dem Schmerztherapiezentrum Bad M. vom 16.10.2017 über den Aufenthalt dort vom 25.09.2017 bis zum 16.10.2017 vorgelegt, in dem u.a. eine mittelgradige depressive Episode, Verdacht auf Posttraumatische Belastungsstörung, ein Chronifizierungsgrad (MPSS) III sowie eine Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion diagnostiziert wurden. Leider habe sich der Befund im Rahmen der stationären Schmerztherapie nicht verbessert, sondern durch die durchgeführten Physiotherapien verschlechtert.

Die Beklagte hat die sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie, Sozialmedizin, Dr. B.-K. vom 13.12.2017 (Blatt 128/129 der SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat Bewies erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Neurologie, Facharzt für Psychiatrie, Sozialmedizin u.a., Prof. Dr. R ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 25.07.2018 (Blatt 151/196 der SG-Akte; Untersuchung des Klägers am 26.03.2018) eine mittelgradige depressive Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, einen leichten Nervenwurzelschaden L5 rechts und eine leichte Polyneuropathie beschrieben. Der Kläger sei auch unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nicht mehr in der Lage mindestens 6 Stunden pro Tag zu arbeiten. Es könne ihm nur zugemutet werden mindestens 3 bis unter 6 Stunden täglich beruflich tätig zu sein. Die Leistungseinschränkung bestehe seit Anfang bzw. Mitte 2017.

In seinem vom SG beauftragten Zusatzgutachten vom 18.06.2018 (Blatt 197/265 der SG-Akte; Untersuchung des Klägers am 26.03.2018) hat PD Dr. R. , Facharzt für Orthopädie/Rheumatologie, Sozialmedizin u.a., mäßige Einschränkungen der Bewegungs- und Belastungsfunktion der linken und rechten Schulter nach Schädigung der Rotatorenmanschette, rezidivierende Lumbalgien, mäßige Spreizfuße, Übergewicht und einen Verdacht auf Diabetes mellitus beschrieben. Aus orthopädisch-rheumatologischer Sicht sei der Kläger noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten bei Beachtung qualitativer Einschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.

Die Beklagte ist unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahmen der Dr. B.-K. vom 08.10.2018 und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialmedizin, Dr. N. vom 11.10.2018 (Blatt 269, 270/271 der SG-Akte) den Gutachten entgegengetreten, weil der Kläger 2017 eine spaßbetonte Reise in die Türkei habe absolvieren können. Prof. Dr. R. ist in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.12.2018 (Blatt 273/279 der SG-Akte) unter Aufrechterhaltung seiner gutachterlichen Einschätzung des Leistungsvermögens den Einwendungen der Beklagten entgegen getreten und hat darauf hingewiesen, dass er wegen einer erst im Jahr 2017 aufgetretenen mittelschweren depressiven Störung ein gemindertes Leistungsvermögen angenommen habe. Dem ist die Beklagte unter Vorlage der weiteren Stellungnahme des Dr. N. vom 15.01.2019 (Blatt 282/283 der SG-Akte) entgegengetreten. Der Kläger hat sich gegen die Wertungen der Beklagten gewandt (Schreiben vom 01.02.12019, Blatt 284 der SG-Akte).

Mit Urteil vom 29.03.2019 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2017 verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.10.2018 bis 31.03.2020 zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nach Überzeugung der Kammer aufgrund der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet derzeit nur noch in der Lage, auch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beachtung qualitativer Einschränkungen in einem Umfang von 3 bis unter 6 Stunden täglich zu verrichten, wobei durch eine Anpassung der medikamentösen Therapie innerhalb von 6 bis 12 Monaten eine Besserung der quantitativen Leistungseinschränkungen zu erwarten sei. Auf orthopädischem Fachgebiet lägen hingegen keine Gesundheitsstörungen vor, die eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens bedingten.

Gegen das ihr am 29.04.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.05.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Entgegen der im Urteil des SG getroffenen Entscheidung, vertrete sie die Auffassung, dass dem Kläger keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zustehe. Die Beurteilung des Gutachters Prof. Dr. R. überzeuge nicht. Insbesondere gehe er nicht auf die Verdeutlichungstendenzen ein, die sich aus den Gutachten von Dr. H. und PD Dr. R. ergäben. Auch falle auf, dass die Schmerzen und die Depression nur minimal behandelt würden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG würden psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugeben sei, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden könne - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe. In der vorliegenden Angelegenheit sei es daher auch von zentraler Bedeutung, dass der Kläger trotz der geltend gemachten Einschränkungen Behandlungsoptionen tatsächlich nicht ausgeschöpft habe und somit auch ein nicht mehr beeinflussbarer Gesundheitszustand in dieser Hinsicht nicht bestehen könne. Es sei dem Kläger zuzumuten, dass er alle verfügbaren Mittel zur Behandlung seines Leidenszustands einsetze um seine Leistungsfähigkeit zu erhalten, weil es ansonsten dem Sinn und Zweck der Rentengewährung zuwiderlaufe, dass gerade eine Rentengewährung den Zustand aufrechterhalte, dessen nachteilige Folgen sie ausgleichen solle. So falle auf, dass trotz anhaltender somatoformen Schmerzstörungen keine Schmerztherapie stattfinde. Daher sei nicht erwiesen, dass beim Kläger die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter 6 Stunden gesunken sei. Die Beklagte hat die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. N. vom 13.05.2019 vorgelegt (Blatt 6/7 der Senatsakte).

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29.03.2019 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Er sei erwerbsgemindert, weswegen ihm die zugesprochene Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.10.2018 bis zum 31.03.2020 zustehe. Die Einwände der Beklagten überzeugten nicht. Soweit die Beklagte meine, bei psychischen Erkrankungen stehe eine Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich nur zu, sofern sämtliche Behandlungsalternativen ausgeschöpft seien, treffe dies nicht zu. Die dieser Rechtsauffassung zugrundeliegende Rechtsprechung des 5. Senats des LSG Baden-Württemberg sowie des Bayerischen LSG halte er nicht für zutreffend. Ein Grund für die unterschiedliche Bewertung von somatischen und psychischen Erkrankungen hinsichtlich der Ausschöpfung von Behandlungsoptionen sei nicht mehr ersichtlich. Seines Erachtens komme bei nicht ausgeschöpften Behandlungsoptionen allenfalls eine kürzere Befristung der Rente oder ein Vorgehen des Rentenversicherungsträgers gemäß §§ 60 ff. SGB I in Betracht, wozu auf den Aufsatz von Kahlert "Psychische Krankheiten im Recht der Erwerbsminderungsrenten - Ende einer Sonderstellung" (NZS 2016, 563 ff.) verwiesen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.10.2018 bis zum 31.03.2020. Denn der Senat konnte feststellen, dass der Kläger zwar in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an fünf Tagen pro Woche (arbeitstäglich) mindestens 3 Stunden, jedoch nicht mehr 6 Stunden zu verrichten. Da der Kläger aber nicht über eine entsprechende Teilzeitbeschäftigung verfügt, ist dem Kläger aus Arbeitsmarktgründen und im Hinblick auf das durch eine Anpassung bzw. Umstellung der Behandlung besserbare Leistungsvermögen eine zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 31.03.2020 zu gewähren. Daher ist das Urteil des SG vom 29.03.2019 zutreffend und die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen; nachdem der Kläger keine Berufung eingelegt hat, war über die Abweisung der Klage im Übrigen nicht weiter zu entscheiden.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Senat konnte feststellen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Leistungsbeschränkungen arbeitstäglich 6 Stunden, jedoch noch mehr als 3 Stunden auszuüben.

Der Senat stellt die orthopädisch bestehenden Erkrankungen des Klägers auf der Grundlage des Gutachtens von PD Dr. R. als Schulterverletzung links durch Arbeitsunfall 04.02.2014 mit Schädigung der Rotatorenmanschette und vollständiger Ruptur der Supraspinatussehne (Zustand nach arthroskopischer Operation 26.04.2014 mit Rekonstruktion der Supraspinatussehne und Tenodese der langen Bizepssehne; wegen Reruptur erneute Rekonstruktion der Rotatorenmanschette und Arthrolyse am 05.11.2014; Impingement; schmerzhafte Muskelverspannungen; mäßige nachweisbare Einschränkungen der Bewegungs- und Belastungsfunktion der linken Schulter), als Schulterverletzung rechts durch Arbeitsunfall 28.06.2010 mit Teilruptur der Supraspinatussehne (Operation mit Rekonstruktion der Rotatorenmanschette 10/2011; radiologisch leichte Arthrose im Schultergelenk, subakromiale Enge und knöchernes Impingement; im MRT 27.04.2016 war die Supraspinatussehne nicht mehr nachweisbar; Reruptur, subakromiale Enge, Impingement; schmerzhafte Muskelverspannungen; mäßige nachweisbare Einschränkung der Bewegungs- und Belastungsfunktion der rechten Schulter), als rezidivierende Lumbalgien mit pseudoradikulärer Ausstrahlung in das rechte Becken, das rechte Bein und den rechten Fuß (radiologisch geringe degenerative Veränderungen der Bandscheibenfächer der Brustwirbelsäule; an der Lendenwirbelsäule geringe linkskonvexe Skoliose, lumbosakrale Übergangsstörung und leichte degenerative Veränderungen mit Arthrosen der Zwischengelenke der unteren LWS; im MRT der Lendenwirbelsäule degenerative Veränderungen, Osteochondrosen LWK 2 bis LWK 5 und Bandscheibenvorwölbung LWK 3/4 ohne Wurzelkompression; keine signifikante Spinalkanalstenose; schmerzhafte Muskelverspannungen; geringe nachweisbare Einschränkungen der Bewegungs- und Belastungsfunktion der Rumpfwirbelsäule, rechtes Becken und rechtes Bein) und als mäßige Spreizfüße beidseits ohne wesentliche nachweisbare Funktionseinschränkungen fest. PD Dr. R. hat zusätzlich noch eine Adipositas bei BMI 33 kg/m2 und den Verdacht auf Diabetes mellitus geäußert.

Diese Gesundheitsstörungen führen dazu, dass der Kläger, wie der Senat auf der Grundlage des Gutachtens von PD Dr. R. feststellt, schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen oder Bewegen von Lasten mehr als 5 bis 6 kg oder mehr als 2 bis 3 kg mit einem Arm bzw. einer Hand, Zwangshaltungen mit Rumpfvorhaltung, Rumpfseithaltung, häufiges Bücken und Knien, Anheben von Lasten aus diesen Körperpositionen heraus, Gehen auf unebenem Gelände, häufiges Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und mit Absturzgefahr, Zwangshaltungen mit Armvor- und Armseithaltung, Arbeiten mit beiden Händen über Schulterniveau, länger andauernde Haltearbeiten mit beiden Händen und Armen, Akkord- und Fließbandarbeiten, Arbeiten in Nässe und Kälte ohne Schutzkleidung zu vermeiden hat. Noch möglich sind unter Berücksichtigung der orthopädischen Erkrankungen leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von 5 bis 6 kg oder 2 bis 3 kg mit einem Arm bzw. einer Hand, grob- und feinmotorische Arbeiten mit beiden Händen, Arbeiten an Schalttafeln, Tastengeräten, Büromaschinen, Schreibmaschinen und Personalcomputern. Damit sind dem Kläger leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen mit einem Gewicht von weniger als 5 kg im Hinblick auf die orthopädisch bestehenden Gesundheitsstörungen zumutbar und möglich, wie der Senat im Anschluss an PD Dr. R. feststellt. Die noch möglichen Tätigkeiten können ständig im Sitzen, teilweise im Stehen und teilweise im Gehen verrichtet werden. PD Dr. R. hat insoweit als ideal einen möglichen Wechsel der Körperpositionen in einem über halbstündigen Wechsel beschrieben. Aus den aus dem Verwaltungsverfahren vorliegenden Berichten der Ärzte ergibt sich für den Senat kein abweichendes Leistungsbild, wie auch PD Dr. R. bestätigt. Der Senat schließt sich auch im Hinblick auf die sonst vorliegenden ärztlichen Befunde und Einschätzungen aus dem Verwaltungsverfahren und dem SG-Verfahren, insbesondere den Unterlagen der BGHM, dieser quantitativen und qualitativen Leistungseinschätzung der orthopädischen Erkrankungen an.

Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestehen beim Kläger, wie der Senat auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. R. , beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein leichter Nervenwurzelschaden L5 rechts und eine leichte Polyneuropathie.

Der Senat stellt des Weiteren auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. R. fest, dass es dem Kläger aus neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischer Sicht noch möglich ist, leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord- oder Fließbandtätigkeiten auszuführen. Auch kann es dem Kläger noch zugemutet werden, Tätigkeiten wie das Zureichen, das Abnehmen, das Transportieren, das Reinigen, und das Bedienen von Maschinen sowie das Kleben, das Sortieren, das Verpacken und das Zusammensetzen von Teilen durchzuführen. Prof. Dr. R. hat aber ausgeführt, der Kläger solle keine Lasten mehr mit einem Gewicht von mehr als 5 bis 6 kg oder 2 bis 3 kg pro Arm heben bzw. tragen. Diese Einschätzung deckt sich mit der Einschätzung des orthopädischen Zusatzgutachters PD Dr. R. , wie vom Senat oben dar- und festgestellt. Diese Tätigkeiten sollten, so Prof. Dr. R. , vorzugsweise im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ausgeführt werden. Falls dieser wünschenswerte Positionswechsel berufsbedingt nicht möglich sein sollte, so könne es dem Kläger noch auferlegt werden, ständig zu sitzen, zeitweise zu stehen oder zeitweise zu gehen. Zwangshaltungen der Wirbelsäule, wie dies z.B. beim Bücken oder bei knienden Tätigkeiten der Fall sei, sollten vermieden werden, ebenso Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, wie Prof. Dr. R. auch im Hinblick auf die Schmerzerkrankung angibt. Treppensteigen sei jedoch noch zumutbar, Arbeiten unter der Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe sollten vermieden werden, während Tätigkeiten im Freien unter günstigen Witterungsbedingungen nicht grundsätzlich auszuschließen seien, wie Prof. Dr. R. mitgeteilt hat. Arbeiten an Büromaschinen oder an Computertastaturen könnten auch noch verrichtet werden, ebenso kämen Tätigkeiten in der Früh- bzw. in der Spätschicht noch in Frage, während Nachtschichten aufgrund der Gefahr einer Verschlimmerung der Schlafstörungen zu vermeiden seien, wie Prof. Dr. R. mitteilt. Eine durchschnittliche Beanspruchung des Gehörs und des Sehvermögens sei zumutbar, eine besondere geistige Beanspruchung mit höherer oder hoher Verantwortung, wie dies z.B. beim Überwachen komplexer oder laufender Maschinen bzw. beim Beaufsichtigen mehrerer Mitarbeiter der Fall sei, könne dem Kläger wegen des durchgehend depressiven Stimmungsbilds und der kognitiven Einschränkungen nicht mehr zugemutet werden. Dieser qualitativen Leistungseinschätzung hat auch die Beklagte nichts entgegengesetzt, weshalb der Senat diese so feststellt.

Der Senat stellt jedoch auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. R. fest, dass der Kläger diese Tätigkeiten arbeitstäglich nur noch unter 6 Stunden aber mehr als 3 Stunden verrichten kann. So hat Prof. Dr. R. zum quantitativen Leistungsvermögen ausgeführt, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, mindestens 6 Stunden pro Tag zu arbeiten. Vielmehr könne es ihm nur noch zugemutet werden, mindestens 3 bis unter 6 Stunden täglich beruflich tätig zu sein. Als Grund hat Prof. Dr. R. vor allem die vorzeitige Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen, das Nachlassen des Antriebs und des formalen Denktempos sowie das durchgehend depressive Stimmungsbild angegeben und dem Kläger am ehesten eine Tätigkeit für ca. 4 Stunden pro Tag zugemutet.

Prof. Dr. R. hat insoweit angegeben, bei seiner psychischen Untersuchung des Klägers sei vor allem ein Nachlassen des Antriebs und der kognitiven Leistungsfähigkeit nach 2 Stunden, ein durchgehend depressives Stimmungsbild, eine mittelgradige Einschränkung der affektiven Modulationsfähigkeit und die Angabe von Todeswünschen aufgefallen. Die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Klägers im Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung liege im unterdurchschnittlichen Bereich und sei Ausdruck der mangelnden Anstrengungsbereitschaft im Rahmen der Depression. Im Freiburger Persönlichkeitsinventar fielen vor allem eine Gehemmtheit, eine Unsicherheit, eine psychosomatische Störung, eine emotionale Labilität und eine Ängstlichkeit auf. Im Schmerzfragebogen der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin bestätige der Kläger im Wesentlichen die bei der mündlichen Exploration gemachten Aussagen. Im HADS fänden sich keine Hinweise für eine Inkongruenz der Beschwerden. Bei der elektroenzephalographischen Untersuchung werde ein unauffälliger Befund erhoben. Somit sei nicht von einer vermehrten Tagesmüdigkeit auszugeben. Bei der Ultraschalluntersuchung zeigten sich keine pathologischen Auffälligkeiten, weshalb anzunehmen sei, dass der angegebene Schwindel keinen organischen Ursprung habe, sondern Symptom der Depression sei. Ausweislich des bei der Untersuchung bei Prof. Dr. R. erhobenen psychiatrischen Befunds sei es inzwischen zum Auftreten einer mittelschweren depressiven Episode gekommen. So finde sich in der Untersuchungssituation ein durchgehend depressives Stimmungsbild und eine vorzeitige Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen nach 2 Stunden. Anders als der Verwaltungsgutachter Dr. H. , der eine Anpassungsstörung und keine mittelschwere oder schwere Depression festgestellt habe, sei in Kenntnis seines psychopathologischen Befunds, so Prof. Dr. R. , mit einem durchgehend depressiven Stimmungsbild, einer mittelschweren Einschränkung der affektiven Schwingungsfähigkeit, einer vorzeitigen Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen und einem Nachlassen des Antriebs nach 2 Stunden festzustellen, dass es inzwischen zum Auftreten einer mittelschweren Depression gekommen sei. Insofern könne der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Dr. H. nicht mehr gefolgt werden. Vielmehr könne es dem Kläger nur noch zugemutet werden, 3 bis unter 6 Stunden pro Tag zu arbeiten. Auch Dr. H. , Facharzt für Neurologie und Facharzt für Psychiatrie, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen, Klinische Geriatrie und Spezielle Schmerztherapie aus Sonthofen, habe in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2016 für die BGHM ausgeführt, dass beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vorliege. Diese Diagnose lasse sich auch in Kenntnis der Ergebnisse der aktuellen neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischen Untersuchung bestätigen, so Prof. Dr. R ... Insofern sei zum jetzigen Zeitpunkt davon auszugeben, dass die anhaltende somatoforme Schmerzstörung schon vor dem Auftreten der aktuell zu diagnostizierenden mittelschweren Depression bestanden habe. Auch aus dem Entlassungsbericht vom 16.10.2017 über den stationären Aufenthalt vom 25.09. bis zum 16.10.2017 in der Abteilung Orthopädie im Schmerztherapie-Zentrum Bad M. gingen die Diagnosen einer mittelgradigen depressiven Episode und des Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung hervor.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat der Leistungseinschätzung von Prof. Dr. R. folgen und stellt fest, dass der Kläger lediglich leistungsfähig ist für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der zuvor vom Senat festgestellten und von PD Dr. R. und Prof. Dr. R. angegebenen qualitativen Leistungseinschränkungen im Umfang von arbeitstäglich mehr als 3 Stunden aber weniger als 6 Stunden.

Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagte durch Dr. N. überzeugen nicht, verursachen beim Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel an der vom Gutachter Prof. Dr. R. , der als gewissenhafter, neutraler und strenger Gutachter dem Gericht bekannt ist, geäußerten Leistungseinschätzung; die Stellungnahme der Dr. B.-K. steht nicht entgegen, diese hat als Fachärztin für Chirurgie und Sozialmedizin sich alleine mit dem Gutachten des PD Dr. R. zustimmend auseinandergesetzt.

Der Senat kann schon nicht nachvollziehen, weshalb Dr. N. aus der im Jahr 2016 stattgefundenen Türkeireise des Klägers ableitet will, dass die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und das Leistungsvermögen des Klägers auch in den Jahren 2017 und 2018 sowie nachfolgend nicht gemindert war; zwar hat Prof. Dr. R. die Reise ins Jahr 2017 verlegt, doch war die Reise des Klägers zur Hochzeit seiner Tochter in der Türkei bereits im Jahr 2016, wie sich aus dem Gutachten von Dr. H. vom 10.11.2016 ergibt, in dem dieser von der Hochzeit der Tochter "dieses Jahr im August" berichtet. Dass mit der Hochzeitsreise 2017 nicht eine Hochzeit der zweiten Tochter des Klägers gemeint war, ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. R. (Blatt 163 der SG-Akte = Seite 13 des Gutachtens), wonach der Kläger 3 Kinder hat, die in der Türkei lebende, verheiratete älteste Tochter sowie eine weitere Tochter und ein Sohn, die bei ihm und seiner Ehefrau im Haus lebten. Hat aber Dr. H. in seinem Gutachten vom 10.11.2016 die Hochzeit schon für August 2016 beschrieben, so kann die Reise nicht im August 2017 stattgefunden haben und der Kläger sich bei der Jahresangabe 2017 geirrt haben.

Insoweit weist Prof. Dr. R. darauf hin, dass der Kläger – wie auch schon von Dr. H. angenommen – im Jahr 2016 noch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes leistungsfähig war im Umfang von 6 Stunden und mehr arbeitstäglich. Weshalb sich die von Prof. Dr. R. 2018 festgestellte mittelschwere depressive Erkrankung mit kognitiven Beeinträchtigungen nicht nach dem Jahr 2016 entwickelt haben können, ist der Stellungnahme des Dr. N. nicht zu entnehmen, weshalb seine Einwendungen insoweit nicht überzeugen.

Auch soweit Dr. N. darauf hinweist, dass im Hinblick auf das 2016 im Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten von Dr. H. nur von einer leichtgradigen Anpassungsstörung ausgegangen ist und auch die sachverständige Zeugenaussage der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie D. vom 18.10.2016 ohne nachvollziehbare Befunde geblieben sei, folgt ihm der Senat nicht. Denn aus den Berichten der Jahre 2016 und 2017 kann nicht zur Überzeugung des Senats führend darauf geschlossen werden, dass die im Jahr 2018 von Prof. Dr. R. dargestellte mittelschwere depressive Erkrankung nicht besteht. Ob aber überhaupt im Jahr 2016, wie von Dr. H. im Verwaltungsgutachten angenommen keine depressive Erkrankung vorhanden war, kann insbesondere deswegen fraglich sein, weil Dr. D. im Attest vom 18.10.2016 schon eine schwere Depression mit Suizidgedanken und intensiven Physio- und Schmerztherapien beschrieben hat, auch ist dem Bericht der BG-Klinik vom 24.05.2016 (Blatt 102 RS/103 RS der SG-Akte) eine ausgeprägte depressive Symptomatik und dem Bericht der BG-Klinik vom 25.05.2016 (Blatt 104/106 der SG-Akte) eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion sowie der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 15.11.2016 (Blatt 108/111 der SG-Akte) ein chronifizierter Schmerzzustand mit stärkergradiger, körperlich funktioneller Einschränkung und psychisch-emotionaler Beeinträchtigung – Dr. K. (Bericht vom 23.08.2016 Blatt 107 der SG-Akte) spricht von einer Angst und depressiven Störung gemischt, einer Anpassungs- und einer Schlafstörung – zu entnehmen ist. Aber selbst wenn man das Gutachten des Dr. H. für zutreffend hielte, hätte es dann auch nur geringer therapeutischer Maßnahmen bedurft, was aber auch für medizinische Laien durchaus nachvollziehbar nichts darüber aussagt, wie die psychiatrische Gesundheitssituation ab dem Jahr 2017 war. Denn bei all seinen Überlegungen ignoriert Dr. N. geflissentlich, dass Prof. Dr. R. ab dem Jahr 2017 eine Verschlimmerung der psychiatrischen Gesundheitssituation beim Kläger beschrieben hat. Gleiches gilt auch, soweit Dr. N. auf die ebenfalls im Jahr 2016 für das BG-Verfahren erstellte beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. abstellt.

Der Senat kann auch dem Vorwurf des Dr. N. , das Gutachten Prof. Dr. R. benenne in der "speziellen Anamnese" überhaupt keine wesentlichen psychischen Erkrankungen, es werde keine wie auch immer geartete Symptomatik geschildert, weshalb unklar sei, wie Prof. Dr. R. zur Diagnose einer Depression gekommen sei, nicht folgen. Denn in derselben Stellungnahme führt Dr. N. dann aber aus, dass der psychopathologische Befund zwar eine durchgehende depressive Stimmungslage mit einer verzögerten Stimmungsaufhellung und einer eingeschränkten Modulationsfähigkeit ergebe. Weshalb er dann dennoch eine depressive Erkrankung in Frage stellt, erschließt sich dem Senat nicht – für den Senat nachvollziehbare Argumente bleibt Dr. N. dann auch schuldig. Schon der Ansatz, das Gutachten Prof. Dr. R. verfüge nicht über ausreichende anamnestische Angaben zu einer Depression, ist aus Sicht des Senats schlichtweg falsch. Denn aus dem Gutachten von Prof. Dr. R. ist zu entnehmen, worauf dieser in seiner ergänzenden Stellungnahme nochmals hingewiesen hat, dass der Kläger angegeben hatte, sich seit dem Jahr 2014 depressiv zu fühlen; das entspricht auch den Angaben der oben zitierten anderen Berichte. Darüber hinaus ist dem Beck‘schen Depressionsinventar zu entnehmen, dass sich der Kläger mit einem Wert von 53 als schwer depressiv eingeschätzt hatte. Insofern benannte der Kläger sehr wohl aus seiner subjektiven Sicht Symptome einer schweren Depression. Jene Selbsteinschätzung wurde dann, so Prof. Dr. R. , relativiert durch den objektiv erhobenen psychischen Befund, der eine mittelschwere Depressivität zu Tage förderte, was Prof. Dr. R. überzeugend ausgeführt hat. Soweit Dr. N. dann angibt, die Kriterien einer mittelgradigen depressiven Episode nach dem ICD-10 seien nicht erfüllt, weshalb die diagnostische Einschätzung des Gutachters nicht nachvollzogen werden könne, folgt der Senat nicht der Beurteilung des Dr. N. , sondern dem Gutachter Prof. Dr. R ... Denn dass der Gutachter vorliegend eine unzutreffende Diagnose und Leistungseinschätzung gestellt hätte, konnte der Senat anhand der vorliegenden Befunde nicht feststellen. So Prof. Dr. R. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, wie der Unterschied zwischen einer leichten und einer mittelschweren Depression nach ICD-10 durch die Anzahl der Zusatzsymptome definiert werde. Bei einer leichten Depression würden zwei Hauptsymptome und zwei Zusatzsymptome gefordert, während eine mittelschwere Depression durch zwei Hauptsymptome und durch drei bis vier Zusatzsymptome gekennzeichnet sei. Als Hauptsymptome gelte eine depressive Stimmungslage, ein Interessenverlust, eine Freudlosigkeit und ein Antriebsmangel, während als Zusatzsymptome eine verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, ein reduziertes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken, Schlafstörungen, ein verminderter Appetit und ein somatisches Syndrom in Frage kommen. Insofern erfüllt der Kläger schon anhand dieser Angaben die Voraussetzungen zur Diagnosestellung einer mittelschweren Depression, was der Senat mit dem Gutachter Prof. Dr. R. feststellt.

Das Gutachten des Prof. Dr. R. , der als bekannter, bewährter erfahrener Gerichtsgutachter tätig ist und dessen Qualitäten als Gutachter von der Beklagten, vor allem von Dr. N. , nur dann in Frage gestellt werden, wenn sich dessen Leistungseinschätzung von derjenigen des Dr. N. , der zudem die zu beurteilenden Versicherten nie gesehen hat, unterscheidet, überzeugt den Senat. Die dagegen argumentierenden Stellungnahmen des Dr. N. weisen - über das auch für die Überzeugungskraft seiner Ausführungen nicht gerade förderliche Beharrung des Dr. N. an den Befunden des Jahres 2016, obwohl Prof. Dr. R. ab dem Jahr 2017 eine Änderung beschrieben und eine gemindertes Leistungsvermögen erst ab dem Jahr 2017 angenommen hatte, - auch weitere Qualitätsmängel auf. Denn soweit Dr. N. annimmt, kognitive Leistungseinschränkungen ließen sich im Hinblick darauf, dass der Kläger selbst die Anreise zwischen dem Heimatort T. und dem Untersuchungsort Bad Schönborn im Berufsverkehr von mindestens zwei Stunden selbst mit dem PKW zurückgelegt habe – mithin selbst gefahren sei – nicht annehmen, ist zu entgegnen, dass der Kläger zum Untersuchungszeitpunkt sowohl bei PD Dr. R. als auch bei Prof. Dr. R. angegeben hatte, seit 4 bis 5 Monaten nicht mehr am Steuer gesessen zu sein und zur Begutachtung von seiner Schwägerin chauffiert worden zu sein, bei sonstigen Fahrten fahre seine Ehefrau, sich also – worauf Prof. Dr. R. hingewiesen hat - während der Fahrt ausruhen konnte. Soweit Dr. N. dann kognitive Einschränkungen überhaupt in Frage stellt und dazu angibt, der Kläger sei in der Lage, "ein türkisches Buch zu lesen, in die Moschee zu gehen, Spaziergänge zu unternehmen, Besuche zu empfangen, mit dem Handy zu telefonieren ...", was nicht so den rechten Eindruck einer wesentlichen Depressivität erzeuge, zudem die mitgeteilten Anknüpfungstatsachen eher an ein subsyndronales Krankheitsbild im Sinne einer Anpassungsstörung oder Dysthymia erinnerten, knüpft er nicht an den von Prof. Dr. R. mitgeteilten Befund an. So ist dem Gutachten von Prof. Dr. R. zu entnehmen, dass der Kläger dort angegeben hatte, "gelegentlich" ein türkisches Buch zu lesen, Besuch einmal pro Woche zu empfangen, aber eigentlich niemanden sehen wolle, zuletzt vor einigen Monaten in der Moschee gewesen zu sein und nur gelegentlich einen Spaziergang über 5 bis 10 Minuten mit seiner Ehefrau zu machen; er habe ein Handy ohne Internetzugang. Diese Angaben entsprechen auch den Angaben bei PD Dr. R ... Daraus abzuleiten, dass der Kläger in seiner Konzentration bzw. den kognitiven Fähigkeiten nicht eingeschränkt ist, überzeugt den Senat nicht. Vielmehr hat Prof. Dr. R. aufgrund seiner persönlichen Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass seine Testung des Klägers und der aktuelle psychische Befund ein Nachlassen des Antriebs und der kognitiven Leistungsfähigkeit nach 2 Stunden ergeben habe. Es habe sich ein durchgehend depressives Stimmungsbild und eine mittelgradige Einschränkung der affektiven Modulationsfähigkeit gezeigt. Die intellektuelle Leistungsfähigkeit im Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung lag ebenfalls im unterdurchschnittlichen Bereich und brachte die mangelnde Anstrengungsbereitschaft im Rahmen der Depression zum Vorschein. Der Senat kann aus der krankhaft mangelnden Anstrengungsbereitschaft aber nicht ableiten, dass eine Aggravation bzw. Simulation vorliegt, was auch Prof. Dr. R. bestätigt hat. Soweit Dr. N. dagegen hält, dass wenn jemand eine mangelnde Anstrengungsbereitschaft aufweise, so weise dies auf eine mangelnde Motivation zur Erbringen von Leistung hin, nicht auf eine wesentliche psychische Erkrankung, eine mangelnde Anstrengungsbereitschaft sei nicht gleichzusetzen mit einer psychischen Erkrankung, so übersieht er völlig, dass die Ursache der fehlenden Motivation in den Fällen des § 43 SGB VI nicht durch pauschale Unterstellungen und Annahmen bzw. Erfahrungen festzustellen ist; vielmehr ist durch den medizinischen Untersuchenden festzustellen, ob es sich bei der fehlenden Mitarbeit bzw. Motivation um eine krankhafte Erscheinung, mithin der Folge z.B. einer psychiatrischen Erkrankung handelt, oder um ein Hilfsmittel zur Erreichung des streitigen Rentenbegehrens. Vorliegend konnte der Senat, auch wenn Dr. N. insoweit Simulation oder Aggravation annimmt, dies aus dem Gutachten des Prof. Dr. R. nicht ableiten. Vielmehr hat der Gutachter auch in seiner ergänzenden Stellungnahme auf den entsprechenden Vorwurf von Dr. N. hin, sich nochmals kritisch mit seinem Gutachten auseinandergesetzt und nochmals verdeutlicht, dass vorliegend von einer krankhaften Ursache auszugehen ist. Auch soweit Dr. N. zur Stützung der Verdeutlichungstendenzen bzw. einer Aggravation auf das Gutachten des PD Dr. R. hinweist, so geht er fehl. Denn PD Dr. R. neben seinen Hinweisen auf Aggravation (vgl. Blatt 252 der SG-Akte = Seite 56 des Gutachtens: " Wiederholt widersprüchliche Angaben, diskrepante Befunde, erhebliche übermäßige Verdeutlichungstendenzen und eine teilweise reduzierte Compliance. Viele Bewegungen auch nach wiederholter Aufforderung des Untersuchers nur sehr zögerlich, langsam und oft unvollständig ausgeführt. Dabei keine schmerzreflektorischen Muskelinnervationsunterbrechungen und an beiden Schultern und Armen und Beinen seitengleiche kräftige Muskelprofile, ohne einseitige Schonungszeichen. Die Mitwirkung bei der Untersuchung nur sehr zögerlich und unvollständig bei bekannter Depression und vermutlich psychomotorischer Verlangsamung. Eine Aggravation ist aus orthopädisch-rheumatologischer Sicht nicht auszuschließen.") auch ausgeführt, dass sich Hinweise auf psychische Gesundheitsstörung ergeben hätten, die einen Teil der Diskrepanz zwischen den subjektiv als sehr schwer geschilderten Schmerzen und Behinderungen und den eher geringeren objektiven Befunden und Funktionseinschränkungen bei der körperlichen Untersuchung im Fachbereich Orthopädie/Rheumatologie erklären könnten, hierzu werde sich aber Prof. Dr. R. im neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischen Hauptgutachten äußern. Damit hat PD Dr. R. eben gerade keine Aggravation oder Simulation nachgewiesen. Vielmehr hat er diese Beurteilung dem psychiatrischen Fachgebiet überlassen, wo Prof. Dr. R. diese Umstände als Folge der bestehenden depressiven Erkrankung verstanden hatte.

Dazu passt auch, dass Prof. Dr. R. im Hinblick auf den Vorwurf, im Hinblick auf die Medikamentenanamnese sei nur eine niedrig dosierte Schmerzmitteleinnahme angegeben worden, die nicht durch einen Plasmaspiegel überprüft worden sei, ausgeführt hat, dass psychisch kranke Patienten trotz eines vorhandenen Leidensdrucks oft nicht die innere Kraft aufbringen könnten, ihre Krankheiten selbständig zu managen. So lasse sich aus der Literatur belegen, dass leicht Depressive den Arzt häufiger wechselten oder aufsuchten als Personen mit einer mittelschweren oder einer schweren Depression. Insoweit übersieht Dr. N. aber auch, dass der Kläger mit Antidepressiva - Mirtazapin abends – behandelt wird, also nicht nur Schmerzmittel einnimmt.

Was Dr. N. dann mit dem Hinweis auf die Nationale Versorgungsleitlinie Depression sagen will, aus der rasch klar werde, dass sämtliche Behandlungsmöglichkeiten des Faches Psychiatrie und Psychotherapie noch völlig offen seien, "also nicht von einem überdauernden Charakter einer nur punktuell (ansonsten aber nicht) erklärten Störung nachzuvollziehen ist", erschließt sich dem Senat nicht. Soweit er damit davon ausgeht, dass eine psychiatrische Erkrankung grds. behandelbar und damit besserbar ist, so stimmt er mit dem Gutachten von Prof. Dr. R. , das angenommen hatte, bei Umstellung bzw. Anpassung der Therapie sei eine Besserung in 6 bis 12 Monaten anzunehmen, überein. Zwar ist Dr. N. insofern Recht zu geben, dass die therapeutischen Möglichkeiten bisher noch nicht vollständig ausgeschöpft sind. Doch ist gerade dies der Grund für die vom Gutachter Prof. Dr. R. vorgeschlagene Therapieanpassung und beseitigt nicht das tatsächliche Leistungsvermögen in einem nur auf unter 6 Stunden arbeitstäglich eingeschränkten Umfang. Zugleich weist der Gutachter darauf hin, dass nicht die Schmerzerkrankung bei niedrig dosierter Schmerzmitteleinnahme die Reduktion der quantitativen beruflichen Leistungsfähigkeit bedinge, sondern vor allem die mittelschwere Depression und die damit verbundene vorzeitige Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen. Insoweit verkennt die Beklagte die von ihr selbst zitierte Rechtsprechung (dazu siehe unten), die auch bei besserbaren psychischen Erkrankungen nicht die tatsächlich vorhandene Minderung der Erwerbsfähigkeit verneint, sondern sich die Frage stellt, ob bei gemindertem aber besserbarem Leistungsvermögen dennoch ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente i.S.d. § 43 SGB VI besteht; beide Fragen sind aber zu trennen.

Auch soweit die Beklagte die Berufung unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. N. vom 13.05.2019 führt, kann der Senat auch bei kritischer Prüfung des Gutachtens von Prof. Dr. R. hieraus keine Anhaltspunkte feststellen, die die Überzeugungskraft des Gutachtens in Frage zu stellen geeignet sind. So kann der Senat den von Dr. N. als logischen Bruch bezeichneten Umstand, dass das SG eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und des Leistungsvermögens vor dem laufendem Klageverfahren angenommen habe, während sich dies in der Aktenlage nicht abbilde, da aus der Zeit zuvor ebenfalls die Kombination von Depression und Schmerz in gleicher Krankheitsschwere belegt sei und die notwendige Krankheitsschwere im Sinne einer Krankheitsprogression oder überhaupt eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens so nicht nachvollzogen werden könne, nicht folgen. Denn letztlich geht es vorliegend um die zwischen Dr. N. und Prof. Dr. R. streitige Frage einer quantitativ geminderten Erwerbsfähigkeit bei von Prof. Dr. R. ab dem Jahr 2017 angenommener Verschlechterung des psychiatrischen Gesundheitszustandes des Klägers. Insoweit stellt Dr. N. seine subjektive Sicht gegen die Begutachtungsergebnisse des Prof. Dr. R ... Dass Prof. Dr. R. die subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers ohne wesentliche Befundschwere kritiklos übernommen hätte, konnte der Senat nicht feststellen. Soweit Dr. N. anführt, dass die Konzentration nach einiger Zeit nachlasse sei ein ganz normaler und physiologischer Vorgang und könne als einziges der akzessorischen Kriterien für die Beurteilung der Krankheitsschwere der Depression herangezogen werden, während ansonsten kein Beleg für die notwendige Zahl von Symptomen zu sehen sei, die eine leichte Depressivität übersteigen, folgt der Senat dem Beratungsarzt der Beklagten nicht. Wie oben ausgeführt, ist auch hier nicht mit allgemeinen Erfahrungen zu argumentieren, sondern festzustellen, ob das Nachlassen der Konzentration im konkreten Einzelfall krankhafte Ursachen hat oder anderen – rentenrechtlich nicht relevanten – Ursachen geschuldet ist. Das übersieht Dr. N. in seiner Kritik gegen das Gutachten des Prof. Dr. R ... Denn Dr. N. zieht insoweit zur Stützung seiner Auffassung lediglich allgemeine Erfahrungen heran, setzt sich aber nicht ausreichend mit den konkreten Befunden des Klägers auseinander.

Zwar haben Dr. H. und PD Dr. R. ein übersteigerndes Verhalten mit diskrepanten Befunden, übermäßigen Verdeutlichungstendenzen und reduzierter Compliance beschrieben, PD Dr. R. hat hierzu aber auch angegeben, dass dies auf der Grundlage einer psychischen Erkrankung gesehen werden könne. Prof. Dr. R. hat sich in seinem Gutachten damit auseinandergesetzt und ist dennoch zu dem Ergebnis eines auf unter 6 Stunden arbeitstäglich geminderten Leistungsvermögens gekommen. Der Senat schließt sich seiner Beurteilung als überzeugend an und stellt fest, dass der Kläger auch unter Beachtung der oben dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen arbeitstäglich nur noch in der Lage ist, weniger als 6 aber mehr als 3 Stunden erwerbstätig zu sein.

Der Senat stellt auch fest, dass dieses so geminderte Leistungsvermögen erst bei der Untersuchung durch Prof. Dr. R. objektiviert werden konnte. Zuvor mag das Leistungsvermögen möglicherweise bereits gemindert gewesen sein, Art und Ausmaß dieser Leistungsminderung konnten jedoch erst durch die Untersuchung bei Prof. Dr. R. am 26.03.2018 mit einer an Gewissheit grenzenden Sicherheit festgestellt werden, sodass der Senat den Eintritt des Leistungsfalles am 26.03.2018 feststellt. Zu diesem Zeitpunkt sind, wie sich aus dem Versicherungsverlauf vom 16.02.2017 ergibt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (allgemeine Wartezeit von fünf Jahren [§ 50 Abs. l SGB VI] und 3/5 Belegung) erfüllt, was auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat. Ob daher, wie Dr. N. annimmt, vor diesem Tag kein gemindertes Leistungsvermögen bestanden hatte, ist insoweit ohne Bedeutung, denn jedenfalls am 26.03.2018 und seither ununterbrochen konnte der Senat beim Kläger ein auf unter 6 aber mehr als 3 Stunden arbeitstäglich gemindertes Leistungsvermögen feststellen.

Diese Minderung der zeitlichen Leistungsfähigkeit kann jedoch behoben werden. Prof. Dr. R. hat mitgeteilt, dass der Kläger nach Umstellung bzw. Anpassung der Therapie seiner Depression gesundheitlich wieder gebessert sein wird und die Minderung der Leistungsfähigkeit voraussichtlich ganz oder teilweise wegfallen werde. Nach einer solchen Therapieumstellung bzw. –anpassung – der Senat schließt sich der Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. R. an, wonach die Therapie unter Berücksichtigung von ungünstigen Einflüssen durch die körperlichen Erkrankungen und der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung insgesamt zwischen 6 und 12 Monate dauern wird - kann der Kläger voraussichtlich wieder leichte körperliche Arbeiten, mit den bereits oben dargestellten qualitativen Einschränkungen an einem leidensadäquaten Arbeitsplatz und unter einer zumutbaren Willensanstrengung vollschichtig verrichten. Damit ist nicht unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).

Auch aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich nichts Anderes. Die Entscheidung des BSG 29.03.2006 – B 13 RJ 31/05 R - befasst sich mit der Frage, wann eine rentenrechtlich relevante Besserungsaussicht im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI mit der Folge besteht, dass eine Befristung der Rente nicht in Betracht kommt (dazu vgl. auch Senatsurteil vom 03.12.2018 – L 8 R 1640/18 -). In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben. Diese schließen alle Therapiemöglichkeiten nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ein, also auch Operationen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese duldungspflichtig sind, da sich die Frage der Duldungspflicht allein im Bereich der Mitwirkungsobliegenheiten des Versicherten stellt, der Gedanke aus § 65 Absatz 2 SGB I jedoch nicht in das Rentenrecht übertragen werden kann, da die §§ 60 ff. SGB I verfahrensrechtliche Konsequenzen betreffen, aber einen materiell-rechtlichen Anspruch voraussetzen und § 102 SGB VI gerade den materiell-rechtlichen Anspruch betrifft (BSG 29.03.2006 – B 13 RJ 31/05 R - juris). Nachdem der Senat vorliegend aufgrund der Besserungsmöglichkeit nur über eine befristete Rente zu entscheiden hatte, kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Dauerrente vorgelegen haben.

In der Entscheidung des BSG vom 12.09.1990 (BSG 12.09.1990 – 5 RJ 88/89 - juris) ist dargelegt, dass seelisch bedingte Störungen wie eine körperliche Krankheit anzusehen sind, wenn sie durch Willensentschlüsse des Betroffenen nicht oder nicht mehr zu beheben sind, wobei zu prüfen ist, ob der Versicherte die seelischen Hemmungen entweder aus eigener Kraft (vgl. auch BSG 21.10.1969 – 11 RA 219/66- juris) oder unter ärztlicher Mithilfe überwinden kann. Wenn das möglich ist, muss der Versicherte alle verfügbaren Mittel einsetzen, die Rente ist nur dann abzulehnen, wenn im Einzelfall die Prognose zuverlässig gestellt werden kann, dass die Ablehnung der Rente bei dem betroffenen Versicherten die neurotischen Erscheinungen ohne weiteres verschwinden lässt, da es mit dem Sinn und Zweck der Rentengewährung unvereinbar wäre, dass gerade die Rentengewährung den Zustand aufrecht erhält, dessen nachteilige Folge sie ausgleichen soll (BSG 12.09.1990 – 5 RJ 88/89 - juris). Insoweit konnte der Senat, gestützt auf das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. R. , feststellen, dass die beim Kläger festzustellende Gesundheitsstörung nicht ohne Therapie überwunden werden kann, sodass sich durch eine bloße Willensanstrengung weder die Grunderkrankung noch aus ihr resultierende Funktionsdefizite überwinden lassen. Eine zuverlässige Prognose dahingehend, dass auch ohne weitere Therapien im Fall der Ablehnung der Rente auch die krankhaften Erscheinungen entfallen, lässt sich daher gerade nicht stellen, sodass sich hierauf, auch nach der Rechtsprechung des BSG, gerade keine Rentenablehnung stützen lässt.

Soweit die Entscheidungen des Bayrischen LSG (21.01.2015 – L 19 R 394/10, juris, und vom 21.03.2012 – L 19 R 35/08, juris) bzw. des LSG Baden-Württemberg (LSG Baden-Württemberg 27.04.2016 – L 5 R 458/15 – juris) darauf abstellen, dass bei den Erkrankungen die Behandlungsoptionen nicht ausgeschöpft seien und somit kein nicht mehr beeinflussbarer Gesundheitszustand bestehe oder festzustellen war, dass die psychische Erkrankung unter zumutbarer Anstrengung des eigenen Willens, jedenfalls aber durch ärztliche und therapeutische Hilfe überwunden werden kann, rechtfertigt dies vorliegend keine andere Entscheidung (dazu vgl. auch Senatsurteile vom 26.10.2018 - L 8 R 1679/17 – und 26.10.2018 03.12.2018 – L 8 R 1640/18 -). Zwar geht auch der Senat grundsätzlich davon aus, dass bei einer fehlenden nachhaltigen Behandlung eine psychische Erkrankung nicht als rentenrechtlich relevant angesehen werden kann (Senatsurteil vom 23.03.2018 – L 8 R 1479/16 -, n.v.), jedoch liegt ein solcher Fall beim Kläger nicht vor. Denn der Kläger ist erst nach Durchführung der von Prof. Dr. R. angegebenen und auf 6 Monate bis ein Jahr geschätzten Therapien bzw. Therapieumstellungen in der Lage, wieder erwerbstätig zu sein. Daher kann er nicht darauf verwiesen werden, dass sein Leistungsvermögen bereits innerhalb von 6 Monaten gebessert werden kann, denn das konnte der Senat mit dem Gutachter gerade nicht feststellen (dazu vgl. auch Senatsurteile vom 03.12.2018 – L 8 R 1640/18 – und vom Senatsurteil vom 26.10.2018 – L 8 R 1679/17 -).

Damit liegt bei einem Leistungsvermögen von mehr als 3 aber weniger als 6 Stunden arbeitstäglich Erwerbsminderung vor. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann - jedoch nicht innerhalb von 6 Monaten – sodass weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderungsrente unbefristet anzunehmen ist. Damit ist dem Kläger an sich eine befristete Rente wegen teilweiser, wegen der noch immer angenommenen Verschlossenheit des allgemeinen Teilzeitarbeitsmarktes, jedoch wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Rente war nach § 102 Abs. 2 SGB VI zu befristen, denn der Anspruch besteht nicht unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage, auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Prof. Dr. R. hat insoweit dargelegt, dass beim Kläger, der zum Zeitpunkt der Untersuchung nur das Antidepressivum Mirtazapin in einer Dosierung von 50 mg abends eingenommen hatte, im Rahmen einer Medikamentenumstellung bzw. Dosiserhöhung – was der Senat im Anschluss an Prof. Dr. R. feststellt – davon auszugeben ist, dass es innerhalb von 6 bis 12 Monaten zu einem Abklingen der mittelschweren depressiven Episode kommen wird. Gleichzeitig ist damit eine so nachhaltige Besserung im Gesundheitszustand des Klägers zu erwarten, dass die quantitative Leistungseinschränkung voraussichtlich ganz oder teilweise wegfallen wird. Nach Überzeugung des Senats ist damit bei adäquater Therapie, deren Inanspruchnahme dem Kläger zumutbar ist, innerhalb eines Jahres nach dem Urteil des SG mit einer nachhaltigen Besserung des quantitativen Leistungsvermögens zu rechnen, weshalb die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31.03.2020 zu befristen ist. Der Senat stimmt den Ausführungen des SG insoweit auch zu.

Nach § 101 Abs. 1 SGB VI war die Rente daher ab dem 01.10.2018 befristet bis zum 31.03.2020 zu leisten. Die Berufung der Beklagten war daher nicht erfolgreich und in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des SG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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