Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 456/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3851/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 23.10.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Kosten des nach § 109 SGG bei Dr. R. eingeholten Gutachtens vom 20.03.2019 sowie die der Klägerin in diesem Zusammenhang entstandenen baren Auslagen werden nicht auf die Staatskasse übernommen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf (Erst-)Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) ab 23.11.2011 zusteht.
Die 1968 geborene Klägerin beantragte am 23.11.2011 beim Landratsamt K. (LRA) die Feststellung des GdB (Blatt 175 der Beklagtenakte). Zu diesem Antrag verwies sie auf eine Schilddrüsenerkrankung, Rheuma/Arthrose, ein Wirbelsäulenleiden und ein chronisches Schmerzsyndrom.
Das LRA zog von der Allgemeinmedizinerin Dr. H.-F. Befundbeschreibungen bei (dazu vgl. Blatt 10/18 der Beklagtenakte), woraufhin der Versorgungsarzt J. in seiner Stellungnahme vom 26.01.2012 (Blatt 19/20 der Beklagtenakte) den GdB auf 20 schätzte (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Chronisches Schmerzsyndrom, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 20); Schilddrüsenerkrankung (GdB 10)). Das LRA hat weiters vom Arzt für Orthopädie Dr. S. Befundbeschreibungen beigezogen (dazu vgl. Blatt 23/29 der Beklagtenakte). Der Versorgungsarzt Dr. B. schätzte den GdB weiterhin auf 20 (Stellungnahme vom 24.02.2012, Blatt 29/30 der Beklagtenakte).
Mit Bescheid vom 07.03.2012 (Blatt 31/32 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB bei der Klägerin seit 23.11.2011 mit 20 fest.
Mit ihrem Widerspruch vom 10.04.2012 (Blatt 35 der Beklagtenakte) machte die Klägerin geltend (Blatt 41 der Beklagtenakte), an der Wirbelsäule seien alle Segmente negativ betroffen. Zumindest an der HWS und der LWS dürften mittelgradige Beeinträchtigungen vorliegen, sodass zumindest ein GdB von 30 in Ansatz zu bringen sei. Darüber hinaus sei die chronifizierte Schmerzkrankheit als eigenständige Erkrankung mit einem GdB von 20 zu bewerten, sodass der GdB mit wenigstens 40 in Ansatz zu bringen sei.
Nachdem die Versorgungsärztin Dr. M.-K. in ihrer Stellungnahme vom 02.04.2013 (Blatt 43 der Beklagtenakte) einen höheren GdB nicht veranlasst sah, wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.04.2013, Blatt 45/46 der Beklagtenakte).
Hiergegen hat die Klägerin am 28.05.2013 beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben. In der Zwischenzeit habe sich auch eine erhebliche Beeinträchtigung des linken Kniegelenks aufgrund eines Unfalles ergeben.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. hat dem SG am 16.09.2013 (Blatt 22/32 der SG-Akte) geschrieben, dass aufgrund der verschlechterten Gesamtsituation eine Verschlechterung des GdB als adäquat anzusehen sei. Dr. H. vom MVZ K. Bereich Neurologie/Psychiatrie hat dem SG am 23.09.2013 (Blatt 33/40 der SG-Akte) geschrieben, der derzeitige GdB von 20 werde schon den Funktionsstörungen auf ihrem Fachgebiet nicht gerecht; ein GdB von 60 sei angemessen. Dr. H.-F. , Ärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapie, hat in ihrem Schreiben vom 23.10.2013 (Blatt 43/79 der SG-Akte) den GdB bei 50 oder mehr gesehen. Dr. S. hat mitgeteilt (Blatt 80 der SG-Akte), die Klägerin seit 4 Jahren nicht mehr gesehen zu haben.
Der Beklagte hat die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 11.02.2014 (Blatt 88/90 der SG-Akte) vorgelegt, der einen Gesamt-GdB von 20, eigentlich 10, gesehen hat.
Das SG hat nunmehr Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.06.2014 (Blatt 99/117 der SG-Akte; Untersuchung der Klägerin am 16.06.2014) eine undifferenzierte Somatisierungsstörung, eine Knieverletzung links, einen Bluthochdruck sowie eine behandelte Schilddrüsenerkrankung diagnostiziert. Den Bluthochdruck und die Schilddrüsenerkrankung hat er mit einem GdB von jeweils 10 bewertet, die psychiatrische Erkrankung hat er mit einem GdB von 20 bewertet.
Nachdem die Klägerin weitere Befundberichte vorgelegt hat, hat der Beklagte hierzu mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 14.11.2014 (Blatt 140/141 der SG-Akte) Stellung genommen.
Das SG hat nunmehr Dr. G. , Arzt für Psychiatrie, Neurologie, Psychotherapie als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Antwort vom 09.01.2015 (Blatt 150 der SG-Akte) mitgeteilt, die Klägerin habe die Termine bei der in seinem Haus tätigen Psychologin nur unregelmäßig wahrgenommen und die Therapie vor kurzem abgebrochen.
Nach Erörterung im Termin am 28.05.2015 (zur Niederschrift vgl. Blatt 155 der SG-Akte) hat das SG durch Beschluss vom 28.05.2105 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Mit Schreiben vom 26.02.2016 (Blatt 161/224 der SG-Akte) hat die Klägerin das Verfahren wieder aufgenommen und ärztliche Unterlagen (Gutachten vom Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. vom 19.01.2015 sowie der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N.-S. vom 20.05.2015) vorgelegt.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 01.04.2016 (Blatt 228/230 der SG-Akte) angeboten, den Rechtsstreit vergleichsweise mit einem GdB von 30 ab 20.04.2015 zu beenden (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 10); Funktionsbehinderungen des linken Kniegelenks (GdB 10)).
Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen (Schreiben vom 14.10.2016, Blatt 234/257 der SG-Akte) und den Reha-Bericht der Klinik "A. s. M. " vom 04.07.2016 vorgelegt. Sie befinde sich jetzt in engmaschiger Psychotherapie mit wöchentlichen Sitzungen, auch sei eine maskenpflichtige Schlafapnoe festgestellt.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung weiterer die Klägerin behandelnder Ärzte als sachverständige Zeugen. Dr. Z. , Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, hat dem SG am 03.11.2016 geschrieben (Blatt 266/269 der SG-Akte), es bestehe bei der Klägerin eine obstruktive Schlafapnoe mit obstruktivem Schnarchen und Wiedereinleitung einer apparativen CPAP-Therapie seit August 2015 mit 7 mbar. Dr. H. vom MVZ Bereich Neurologie Psychiatrie, hat mit Schreiben vom 09.11.2016 (Blatt 270/291 der SG-Akte) geantwortet, er würde den GdB auf psychiatrischem Fachgebiet für eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive Störung auf 20 einschätzen. Die Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin H. hat unter dem Datum des 21.11.29016 (Blatt 292/313 der SG-Akte) auf ihrem Fachgebiet einen GdB von 50 gesehen.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 27.01.2017 (Blatt 314/315 der SG-Akte) angeboten, den Rechtsstreit vergleichsweise mit einem GdB von 30 ab 20.04.2015 und einem GdB von 40 ab 01.08.2015 zu beenden (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Depression, seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30); Schlafapnoe-Syndrom (GdB 20); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 20); Funktionsbehinderungen des linken Kniegelenks (GdB 10)).
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 03.05.2017 (zur Niederschrift vgl. Blatt 320/321 der SG-Akte) hat das SG weitere Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie Dr. S. hat dem SG am 11.05.2017 Befunde mitgeteilt (Blatt 326/359 der SG-Akte). Die Psychotherapeutin W. hat dem SG am 18.05.2017 (Blatt 360/361 der SG-Akte) geschrieben, sie könne keine genauen Angaben über Funktionsbeeinträchtigungen machen. Die Klägerin habe ständig über Schmerzen geklagt und sich im Alltag dadurch eingeschränkt gefühlt. Der Krankengymnast A. hat dem SG geschrieben (Blatt 362/363 der SG-Akte, die Klägerin sei vom 06.04. bis zum 20.04. bei ihm in Behandlung gewesen. Ihr sei es danach subjektiv besser gegangen.
Der Beklagte hat an dem Vergleichsangebot vom 27.01.2017 festgehalten (Schreiben vom 21.11.2017, Blatt 369/372 der SG-Akte) und die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 09.11.2017 vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2018 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 07.03.2012 in der "Form" des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2013 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 20.05.2015 einen GdB von 30, ab dem 01.08.2015 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 26.10.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09.10.2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie wende sich gegen die Bewertung des orthopädischen Sachverhaltes. Gerade nach der umfassenden Liste, die der behandelnde Orthopäde S. eingereicht habe, hätte eigentlich erwartet werden dürfen, dass sich das SG zur Einholung eines orthopädischen Gutachtens durchringt. Bei ihr seien sämtliche 3 Segmente der Wirbelsäule negativ betroffen, weshalb das nur einen Einzel-GdB von 20 ausmachen soll, erscheine wenig nachvollziehbar. Entsprechendes gelte auch für den Schaden am linken Kniegelenk, der allen Ernstes lediglich mit einem Placebo-GdB von 10, also im Grunde überhaupt nicht, zu Buche schlagen solle.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 23.10.2018 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 07.03.2012 in der "Fassung" des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2013 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von wenigstens 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Nach § 109 SGG hat der Senat nach Bestimmung durch die Klägerin beim Facharzt für Orthopädie, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Dr. R. ein Gutachten eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.03.2019 (Blatt 25/51 der Senatsakte) aufgrund einer Untersuchung der Klägerin ein chronisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom in 3 Abschnitten (Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule) leichter bis mittelgradiger Ausprägung bei Skoliose (BWS)/ Kyphose (BWS) und vermehrter Lordose (LWS) mit Funktionsdefiziten und häufigen und lange anhaltenden Schmerzsyndromen, ein Funktionsdefizit bei Impingementsyndrom und V. a. (Partial)Läsion der Rotatorenmanschette der linken Schulter, eine Coxarthrose beidseits mit Funktionsdefizit, eine Gonarthrose beidseits mit Funktionsdefizit, links ausgeprägter als rechts bei Z. n. Arthroskopie bei Meniskus- und Knorpelriss sowie abgeheilter Tibiakopffraktur und eine Knick-Senkfußdeformität beidseits mit ausgeprägtem Hallux valgus ohne statische Beeinträchtigung dargestellt. Die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule mit Funktionsdefiziten und häufigen und lange anhaltenden Schmerzsyndromen hat er mit einem GdB von 20, das Funktionsdefizit der Schulter hat er mit einem GdB von 20, die Coxarthrose beidseits hat er mit einem GdB von 10, die Gonarthrose beidseits hat er mit einem GdB von 20 und die Knick-Senkfußdeformität beidseits mit einem GdB von 0 bewertet. Auf orthopädisch-unfallchirurgischem Gebiet hat er den GdB mit 40 angegeben.
Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 03.07.2019 (Blatt 54/56 der Senatsakte) vorgelegt, der keinen höheren Gesamt-GdB als 40 für gegeben ansah (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Depression, depressive Verstimmung, chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30); Schlafapnoe-Syndrom (GdB 20) ab 08/2015; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 20); Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Knorpelschäden am linken Kniegelenk, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke (GdB 10); Bluthochdruck (GdB 10); Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks (GdB 10); Gesamt-GdB 30 ab 20.04.2015, Gesamt-GdB 40 ab 01.08.2015).
Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 28.08.2019 die Berufung nach § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter übertragen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 60, 61 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Über die Berufung konnte der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem das SG mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2018 entschieden hatte und die Berufung dem Berichterstatter durch Beschluss des Senates nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden war. Der Senat hat keine Gründe feststellen können, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen, solche waren auch weder in der schriftlichen Anhörung noch der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten nicht mitgeteilt worden.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 07.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2013. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren gdB als 30 bzw. 40.
Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen be-gehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.
Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zuvor § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktions-beeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 30 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 30 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen noch deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsur-teil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit keinen Gesamt-GdB von mehr als 30 (ab 20.04.2015) und von mehr als 40 (ab 01.08.2015) rechtfertigen; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen.
Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Dr. R. hat aus seiner Untersuchung folgendes berichtet:
"Unauffällige Schädelkonfiguration. Keine Gesichtsasymmetrie. Seitengleiche Innervation der mimischen Muskulatur. Unauffällige Augen- und Pupillenmotorik. Über den Nervenaustrittspunkten der Trigeminusäste kein Druckschmerz. Keine Klopfschmerzangabe über den Nasenhöhlen. An den Halsdreiecken und am Kieferwinkel lassen sich keine Lymphknoten tasten. Kein Meningismus. Der Kopf wird nahezu gerade gehalten. Die Dornfortsätze der Halswirbelsäule verlaufen lotgerecht. Ausgeprägter Druck- und Klopfschmerz über der Dornfortsatzreihe der HWS. Dabei werden aber heute keine ausstrahlenden Sensationen/Beschwerden angegeben. Die paravertebrale HWS-Muskulatur ist verhärtet und verspannt im Sinne von ausgeprägten Myogelosen. Der M. trapezius ist seitengleich ausgebildet, deutlich druckdolent. Die Querfortsätze der HWS lassen sich symmetrisch tasten. Beweglichkeit des Kopfes: Bei der Inklination erreicht die Kinnspitze das Brustbein bis auf einen Abstand von 3,5cm. Abstand der Kinnspitze zum Brustbein bei maximaler Rückneigung 15cm.
Beweglichkeit der gesamten Halswirbelsäule in Grad: Flexion/Extension 30/0/45 Seitneigung re./li. 30/0/30 Rotation re./li. 70/0/65 Es findet sich ein Schulter- und Schulterblattgeradstand. Seitengleiches Muskelrelief der Schulter- und Rückenmuskulatur. Bei freiem Zwei-Bein-Stand findet sich ein deutlicher Beckentiefstand links. Klopfschmerz über der Dornfortsatzreihe der Wirbelsäule vor allem im Bereich der mittleren und unteren BWS sowie der gesamten LWS, vorstehend bereits genannter ausgeprägter Druckschmerz über der HWS. Kein erkennbarer Rippenbuckel, kein erkennbarer Lendenwulst. Keine vermehrte Seitschwingung der HWS erkennbar. Im oberen Bereich der oberen BWS deutlich verstärkte Kyphose ("Rundrücken"). Die BWS zeigt über den gesamten Verlauf einen rechtskonvexen Verlauf. Die Lendenwirbelsäule zeigt einen lotgerechten Aufbau. Fingerspitzen-Boden-Abstand bei durchgedrückten Kniegelenken und vornübergeneigtem Rumpf (Prüfung der Funktionskette Wirbelsäule/Hüftgelenk): 39cm. Langsitz nicht vollständig durchführbar, es fehlen 21cm zum Erreichen der Fußspitzen. Lumbaler Schober 10,10,5cm, Ott-Maß 30,31cm.
Beweglichkeit der Wirbelsäule in Grad: Rechts Links Seitneigung 15 15 Rotation 25 25"
Zu diesen Befunden passt auch die Beurteilung des Gutachters R. , dass es sich um ein chronisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom in 3 Abschnitten leichter bis mittelgradiger Ausprägung bei Skoliose (BWS), Kyphose (BWS) und vermehrter Lordose (LWS) mit Funktionsdefiziten und häufigen und lange anhaltenden Schmerzsyndromen handelt. Der Senat konnte mithin Wirbelsäulenschäden nur in leichter bis mittelgradiger Ausprägung feststellen. Damit kommt ein höherer GdB als 20 nicht in Betracht, denn mehrfach mittelgradige Beeinträchtigungen sind nicht festgestellt. Auch unter Berücksichtigung eines Schmerzsyndroms ergibt sich keine Erhöhung des GdB.
Im Funktionssystem der Arme ist das Funktionsdefizit bei Impingementsyndrom und V.a. (Partial)Läsion der Rotatorenmanschette der linken Schulter zu bewerten. Der Senat stellt mit dem Gutachten von Dr. R. fest, dass alleine die linke Schulter bewegungseingeschränkt (90/0/45o) ist. Zwar hat Dr. R. aus seiner Untersuchung berichtet, dass aktiv eingeschränkte Bewegungsausmaße vorliegen. Er hat die Beweglichkeit der Schultergelenke bei fixiertem Schulterblatt (aktiv) wie folgt angegeben: Vor-/Rückneigung re. 150/0/40 li. 90/0/45 Ab-/Adduktion re. 120/0/30 li. 85/0/30 IRO/ARO bei 90 Grad Abduktion des Oberarmes re. 60/0/70 li. 60/0/70 IRO/ARO bei angelegtem Oberarm und 90° gebeugtem Ellenbogen re. 90/0/60 li. 90/0/45 Passiv könne die Klägerin selbst den Arm bis etwa 120 Grad anheben, jedoch der den Arm losgelassen werde, falle er umgehend auf die 90 Grad ab.
Zwar deuten die von Dr. R. gemessenen Bewegungsmaße auf eine bereits die Schwelle zum GdB von 20 erreichende Bewegungsbeeinträchtigung hin. Jedoch hat Dr. R. bei seiner Bewegungsprüfung das Schulterblatt der Klägerin fixiert hat. Der Versorgungsarzt Dr. W. hat dazu zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die VG in B 18.13 für die Schultergelenke angegebenen GdB-Werte auf die Bewegungseinschränkung des Schultergelenks einschließlich Schultergürtel, also bei freigegebenem Schulterblatt, beziehen. Das entspricht auch den rechtlichen Vorgaben des § 2 SGB IX. Denn danach sind Teilhabebeeinträchtigungen im Leben in der Gesellschaft zu bemessen. Bei der Alltagsteilhabe ist aber das Schulterblatt nicht fixiert, sondern frei. Bei nicht fixiertem Schulterblatt ist aber – wie Dr. W. ausgeführt hat - von besseren Bewegungsmäßen auszugehen. Damit sind höhergradige Funktionsbehinderungen nicht nachgewiesen, sodass der Senat konnte sich nicht vom Vorliegen eines GdB von 20 für die Schulter nicht überzeugen, sodass der GdB nur mit 10 zu bewerten ist.
Auch im Funktionssystem der Beine konnte der Senat den GdB nur mit 10 feststellen. In diesem Funktionssystem sind die Coxarthrose beidseits, die Gonarthrose beidseits, links ausgeprägter als rechts, sowie der Knick-Senkfußdeformität beidseits mit ausgeprägtem Hallux valgus ohne statische Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Letzterer bedingt, da ohne statische Auswirkungen keinen GdB von 10.
An den Knien hat der Gutachter Dr. R. eine Beweglichkeit von 0/0/115o bzw. 0/5/90o mitgeteilt. Damit ergibt sich nach B 18.14 VG ein GdB von 10. Die Gonarthrose bedingt keinen höheren GdB, da auch von Dr. R. keine anhaltenden Reizerscheinungen beschrieben sind. Solche lassen sich auch dem Gutachten von Dr. K. und den Befunden des Orthopäden S. nicht entnehmen. Aber selbst wenn man solche annehmen wollte ist mit dem MRT vom 18.01.2016 (Blatt 336 der SG-Akte) keine Gonarthrose in einem Stadium I belegt, sodass kein höherer GdB als 10 anzunehmen ist.
An den Hüften besteht nach Dr. R. eine Beweglichkeit von 95/0/90 bzw. 90/0/0o. Eine Einschränkung für Streckung/Beugung auf 0-10-90, die einen GdB von 10 bis 20 begründen würde, liegt damit nicht vor.
Damit kann der Senat im Funktionssystem der Beine allenfalls ein GdB von 10 feststellen.
Die Funktionsbehinderung im Funktionssystem der Atmung ist mit einem GDb von 20 zu bewerten (B 8.7 VG). Hier besteht eine maskenbeatmete Schlaf-Apnoe-Erkrankung (vgl. Aussage des behandelnden Arztes Dr. Z. gegenüber dem SG). Diese ist nach B 8.7 VG mit einem GdB von 20 zu bewerten. Diese Bewertung gilt ab Erstfeststellung im August 2015.
Die Funktionsbehinderung im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs (dazu B 9.3 VG) ist mit einem GdB von 10 zu bewerten. Hier ist der Bluthochdruck zu berücksichtigen. Dieser ist schwer einzustellen, wie Dr. H.-F. mitgeteilt hat. Dauerhafte Leistungsbeeinträchtigungen mit sekundären Organveränderungen sind nicht ersichtlich. Insgesamt handelt es sich aber noch um eine leichtere Form der Hypertonie; Folgeerscheinungen sind nicht dokumentiert, sodass der GdB mit 10 zu bewerten ist.
Die Funktionsbehinderungen im Funktionssystem des Stoffwechsels/innere Sekretion (B 15.6 VG) in Form von Schilddrüsenbeschwerden der Klägerin bedingen keinen Einzel-GdB von mindestens 10. Nach B 15.6 VG sind Schilddrüsenfunktionsstörungen gut behandelbar, so dass in der Regel anhaltende Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Selten auftretende Organkomplikationen (z.B. Exophthalmus, Trachealstenose) sind gesondert zu beurteilen. Die Einstellung der Schilddrüsenhormone wird bei der Klägerin nach Entfernung der Schilddrüse zwar als langwierig und schwierig beschrieben, dass dauerhaft lediglich eine insuffiziente Substitution erfolgen konnte, ist jedoch nicht ersichtlich, sodass ein GdB von 10 oder mehr nicht anzunehmen ist.
Die Funktionsbehinderung im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (B 3.7 VG) ist mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Nach den B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Das SG und der Beklagten haben die hier vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 30 bewertet. Die Klägerin hat diese Bewertung akzeptiert. Auch die Überprüfung durch den Senat hat keine Hinweise ergeben, die auf eine höhere Bewertung hindeuten. Zuletzt hatte auch Dr. H. den GdB insoweit sogar nur auf 20 angenommen. Das SG hat hierzu folgendes im Urteil geschrieben: "Die psychischen Leiden der Klägerin sind mit einem Einzel-GdB von 30 zu bemessen. Nach Teil B Nr. 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist für leichtere psychovegetative und psychische Störungen ein Einzel-GdB von 0 - 20, für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ein Einzel-GdB von 30-40, für schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten ein Einzel-GdB von 50-70 sowie für schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten ein Einzel-GdB von 80 -100 angemessen. Dr. S. geht in seinem Gutachten lediglich von einer sehr leichten seelischen Störung im Sinne einer undifferenzierten Somatisierungsstörung ohne wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten, ohne Kontaktschwäche, ohne Vitalitätseinbußen, ohne wesentliche Eheprobleme und ohne Beeinträchtigung von Freundschaften aus. Eine Berufstätigkeit wäre der Klägerin möglich. Frau Dr. N.-S. diagnostiziert ebenfalls eine Somatisierungsstörung bei subjektiv geäußerter Grübelneigung, eingeengtem Gedankengang, unangemessenen katastrophisierenden Gedanken, dominierendem ängstlich besorgtem Affekt mit leichtgradig erhöhter Affektinkontinenz, schwergradigem Insuffizienzerleben, leicht reduziertem Antrieb und leichtgradigem sozialen Rückzug. Herr Dr. H. hat im Verlauf seiner Behandlung bis Mai 2016 eine Verbesserung des psychischen Befindens feststellen können. Die Klägerin hat er besser geordnet und organisierter erlebt. Er geht von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer rezidivierenden depressiven Störung aus. In die Rehabilitationsmaßnahme im Juni 2016 wurde die Klägerin mit deutlicher Antriebsminderung, Niedergeschlagenheit, Ängsten, somatoformen Beschwerden und starkem Leidensdruck aufgenommen. Bei Entlassung hat die Klägerin weiterhin starke Niedergeschlagenheit und Ängste angegeben. Es bestand immer noch eine starke Antriebsminderung und eine negative Selbstbewertung bei kaum reduziertem angstbesetzten Verhalten. Das Gericht geht in der Zusammenschau dieser Befände und dem persönlichen Gespräch mit der Klägerin im Termin zur Erörterung des Rechtsstreits davon aus, dass bei der Klägerin zumindest seit der Untersuchung durch Frau Dr. N.-S. im Mittel von einer stärker behindernden Störung auszugeben ist, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist. Die bei der Klägerin bestehende somatoforme Schmerzstörung, die depressive Erkrankung, die Angst- und auch möglicherweise Zwangserkrankung ist ersichtlich einer Schwankung unterworfen, die jedoch die Klägerin auch erheblich in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einschränkt. So ist sie zwar noch in der Lage, ihren Haushalt und die Familie mit Einschränkungen aber auch ausreichend zu versorgen und sich um die jüngste Tochter zu kümmern, die Freizeitgestaltung und die Teilhabe in der Gesellschaft ist jedoch erheblich eingeschränkt. So war auch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme notwendig, eine antidepressive Medikation wird eingenommen und eine ambulante Psychotherapie ist durchgeführt worden."
Auch Dr. R. hat in seinem Gutachten im psychischen Befund keine Umstände mitgeteilt, die auf einen höheren GdB hindeuten. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat in diesem Funktionssystem einen höheren GdB als 30 nicht feststellen.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit dem vom eingeholten Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs, - 0 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Stoffwechsel/innere Sekretion und - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche. Nachdem bei der Klägerin vorliegend von einem zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30, zwei GdB-Werten von 20 und weiteren GdB-Werten von 10 auszugehen ist, und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen GdB von mehr als 30 bzw. ab 01.08.2015 von 40 nicht feststellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Bewertung der Funktionsbehinderungen im Funktionssystem des Rumpfes bereits ein chronisches Schmerzsyndrom berücksichtigt ist, dieselben Schmerzen aber auch im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche bewertet sind. Im Hinblick darauf, dass eine Doppelbewertung der Schmerzen nicht möglich ist, ergibt sich aus dem Zusammentreffen der beiden Einzel-GdB keine GdB-relevante Erhöhung des GdB, eine Schwerbehinderteneigenschaft kann daraus auch nicht abgeleitet werden.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 oder mehr vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht entsprechend schwer funktionell in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. In seiner Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen der Klägerin weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen. Der Senat vermag daher nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, die gestützt auf einige ihrer behandelnden Ärzte, einen GdB von 50 oder wenigstens 60 annimmt. Denn insoweit stützen die Befunde der behandelnden Ärzte im gesamten Streitzeitraum nicht einen höheren GdB als 30 bzw. ab 01.08.2015 von 40.
Die Berufung war daher in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Hinsichtlich der Kostenentscheidung im SG-Verfahren verbleibt es bei der Entscheidung des SG.
Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. R. vom 20.03.2019 sowie die baren Auslagen der Klägerin, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens auch im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B -, juris; Senatsurteil 23.11.2012 -L 8 U 3868/11-, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Die Klägerin hat diese daher endgültig selbst zu tragen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel der Klägerin, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).
Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. R. sowie die baren Auslagen der Klägerin auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat den Rechtsstreit nicht objektiv gefördert und nicht zu seiner Erledigung beigetragen. Denn der GdB-Bewertung von Dr. R. im Gutachten kann nicht gefolgt werden, wie bereits oben ausgeführt wurde, weshalb die Kosten nicht auf die Staatskasse zu übernehmen sind.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Kosten des nach § 109 SGG bei Dr. R. eingeholten Gutachtens vom 20.03.2019 sowie die der Klägerin in diesem Zusammenhang entstandenen baren Auslagen werden nicht auf die Staatskasse übernommen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf (Erst-)Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) ab 23.11.2011 zusteht.
Die 1968 geborene Klägerin beantragte am 23.11.2011 beim Landratsamt K. (LRA) die Feststellung des GdB (Blatt 175 der Beklagtenakte). Zu diesem Antrag verwies sie auf eine Schilddrüsenerkrankung, Rheuma/Arthrose, ein Wirbelsäulenleiden und ein chronisches Schmerzsyndrom.
Das LRA zog von der Allgemeinmedizinerin Dr. H.-F. Befundbeschreibungen bei (dazu vgl. Blatt 10/18 der Beklagtenakte), woraufhin der Versorgungsarzt J. in seiner Stellungnahme vom 26.01.2012 (Blatt 19/20 der Beklagtenakte) den GdB auf 20 schätzte (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Chronisches Schmerzsyndrom, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 20); Schilddrüsenerkrankung (GdB 10)). Das LRA hat weiters vom Arzt für Orthopädie Dr. S. Befundbeschreibungen beigezogen (dazu vgl. Blatt 23/29 der Beklagtenakte). Der Versorgungsarzt Dr. B. schätzte den GdB weiterhin auf 20 (Stellungnahme vom 24.02.2012, Blatt 29/30 der Beklagtenakte).
Mit Bescheid vom 07.03.2012 (Blatt 31/32 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB bei der Klägerin seit 23.11.2011 mit 20 fest.
Mit ihrem Widerspruch vom 10.04.2012 (Blatt 35 der Beklagtenakte) machte die Klägerin geltend (Blatt 41 der Beklagtenakte), an der Wirbelsäule seien alle Segmente negativ betroffen. Zumindest an der HWS und der LWS dürften mittelgradige Beeinträchtigungen vorliegen, sodass zumindest ein GdB von 30 in Ansatz zu bringen sei. Darüber hinaus sei die chronifizierte Schmerzkrankheit als eigenständige Erkrankung mit einem GdB von 20 zu bewerten, sodass der GdB mit wenigstens 40 in Ansatz zu bringen sei.
Nachdem die Versorgungsärztin Dr. M.-K. in ihrer Stellungnahme vom 02.04.2013 (Blatt 43 der Beklagtenakte) einen höheren GdB nicht veranlasst sah, wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.04.2013, Blatt 45/46 der Beklagtenakte).
Hiergegen hat die Klägerin am 28.05.2013 beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben. In der Zwischenzeit habe sich auch eine erhebliche Beeinträchtigung des linken Kniegelenks aufgrund eines Unfalles ergeben.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. hat dem SG am 16.09.2013 (Blatt 22/32 der SG-Akte) geschrieben, dass aufgrund der verschlechterten Gesamtsituation eine Verschlechterung des GdB als adäquat anzusehen sei. Dr. H. vom MVZ K. Bereich Neurologie/Psychiatrie hat dem SG am 23.09.2013 (Blatt 33/40 der SG-Akte) geschrieben, der derzeitige GdB von 20 werde schon den Funktionsstörungen auf ihrem Fachgebiet nicht gerecht; ein GdB von 60 sei angemessen. Dr. H.-F. , Ärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapie, hat in ihrem Schreiben vom 23.10.2013 (Blatt 43/79 der SG-Akte) den GdB bei 50 oder mehr gesehen. Dr. S. hat mitgeteilt (Blatt 80 der SG-Akte), die Klägerin seit 4 Jahren nicht mehr gesehen zu haben.
Der Beklagte hat die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 11.02.2014 (Blatt 88/90 der SG-Akte) vorgelegt, der einen Gesamt-GdB von 20, eigentlich 10, gesehen hat.
Das SG hat nunmehr Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.06.2014 (Blatt 99/117 der SG-Akte; Untersuchung der Klägerin am 16.06.2014) eine undifferenzierte Somatisierungsstörung, eine Knieverletzung links, einen Bluthochdruck sowie eine behandelte Schilddrüsenerkrankung diagnostiziert. Den Bluthochdruck und die Schilddrüsenerkrankung hat er mit einem GdB von jeweils 10 bewertet, die psychiatrische Erkrankung hat er mit einem GdB von 20 bewertet.
Nachdem die Klägerin weitere Befundberichte vorgelegt hat, hat der Beklagte hierzu mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 14.11.2014 (Blatt 140/141 der SG-Akte) Stellung genommen.
Das SG hat nunmehr Dr. G. , Arzt für Psychiatrie, Neurologie, Psychotherapie als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Antwort vom 09.01.2015 (Blatt 150 der SG-Akte) mitgeteilt, die Klägerin habe die Termine bei der in seinem Haus tätigen Psychologin nur unregelmäßig wahrgenommen und die Therapie vor kurzem abgebrochen.
Nach Erörterung im Termin am 28.05.2015 (zur Niederschrift vgl. Blatt 155 der SG-Akte) hat das SG durch Beschluss vom 28.05.2105 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Mit Schreiben vom 26.02.2016 (Blatt 161/224 der SG-Akte) hat die Klägerin das Verfahren wieder aufgenommen und ärztliche Unterlagen (Gutachten vom Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. vom 19.01.2015 sowie der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N.-S. vom 20.05.2015) vorgelegt.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 01.04.2016 (Blatt 228/230 der SG-Akte) angeboten, den Rechtsstreit vergleichsweise mit einem GdB von 30 ab 20.04.2015 zu beenden (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 10); Funktionsbehinderungen des linken Kniegelenks (GdB 10)).
Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen (Schreiben vom 14.10.2016, Blatt 234/257 der SG-Akte) und den Reha-Bericht der Klinik "A. s. M. " vom 04.07.2016 vorgelegt. Sie befinde sich jetzt in engmaschiger Psychotherapie mit wöchentlichen Sitzungen, auch sei eine maskenpflichtige Schlafapnoe festgestellt.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung weiterer die Klägerin behandelnder Ärzte als sachverständige Zeugen. Dr. Z. , Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, hat dem SG am 03.11.2016 geschrieben (Blatt 266/269 der SG-Akte), es bestehe bei der Klägerin eine obstruktive Schlafapnoe mit obstruktivem Schnarchen und Wiedereinleitung einer apparativen CPAP-Therapie seit August 2015 mit 7 mbar. Dr. H. vom MVZ Bereich Neurologie Psychiatrie, hat mit Schreiben vom 09.11.2016 (Blatt 270/291 der SG-Akte) geantwortet, er würde den GdB auf psychiatrischem Fachgebiet für eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive Störung auf 20 einschätzen. Die Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin H. hat unter dem Datum des 21.11.29016 (Blatt 292/313 der SG-Akte) auf ihrem Fachgebiet einen GdB von 50 gesehen.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 27.01.2017 (Blatt 314/315 der SG-Akte) angeboten, den Rechtsstreit vergleichsweise mit einem GdB von 30 ab 20.04.2015 und einem GdB von 40 ab 01.08.2015 zu beenden (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Depression, seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30); Schlafapnoe-Syndrom (GdB 20); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 20); Funktionsbehinderungen des linken Kniegelenks (GdB 10)).
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 03.05.2017 (zur Niederschrift vgl. Blatt 320/321 der SG-Akte) hat das SG weitere Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie Dr. S. hat dem SG am 11.05.2017 Befunde mitgeteilt (Blatt 326/359 der SG-Akte). Die Psychotherapeutin W. hat dem SG am 18.05.2017 (Blatt 360/361 der SG-Akte) geschrieben, sie könne keine genauen Angaben über Funktionsbeeinträchtigungen machen. Die Klägerin habe ständig über Schmerzen geklagt und sich im Alltag dadurch eingeschränkt gefühlt. Der Krankengymnast A. hat dem SG geschrieben (Blatt 362/363 der SG-Akte, die Klägerin sei vom 06.04. bis zum 20.04. bei ihm in Behandlung gewesen. Ihr sei es danach subjektiv besser gegangen.
Der Beklagte hat an dem Vergleichsangebot vom 27.01.2017 festgehalten (Schreiben vom 21.11.2017, Blatt 369/372 der SG-Akte) und die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 09.11.2017 vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2018 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 07.03.2012 in der "Form" des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2013 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 20.05.2015 einen GdB von 30, ab dem 01.08.2015 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 26.10.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09.10.2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie wende sich gegen die Bewertung des orthopädischen Sachverhaltes. Gerade nach der umfassenden Liste, die der behandelnde Orthopäde S. eingereicht habe, hätte eigentlich erwartet werden dürfen, dass sich das SG zur Einholung eines orthopädischen Gutachtens durchringt. Bei ihr seien sämtliche 3 Segmente der Wirbelsäule negativ betroffen, weshalb das nur einen Einzel-GdB von 20 ausmachen soll, erscheine wenig nachvollziehbar. Entsprechendes gelte auch für den Schaden am linken Kniegelenk, der allen Ernstes lediglich mit einem Placebo-GdB von 10, also im Grunde überhaupt nicht, zu Buche schlagen solle.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 23.10.2018 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 07.03.2012 in der "Fassung" des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2013 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von wenigstens 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Nach § 109 SGG hat der Senat nach Bestimmung durch die Klägerin beim Facharzt für Orthopädie, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Dr. R. ein Gutachten eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.03.2019 (Blatt 25/51 der Senatsakte) aufgrund einer Untersuchung der Klägerin ein chronisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom in 3 Abschnitten (Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule) leichter bis mittelgradiger Ausprägung bei Skoliose (BWS)/ Kyphose (BWS) und vermehrter Lordose (LWS) mit Funktionsdefiziten und häufigen und lange anhaltenden Schmerzsyndromen, ein Funktionsdefizit bei Impingementsyndrom und V. a. (Partial)Läsion der Rotatorenmanschette der linken Schulter, eine Coxarthrose beidseits mit Funktionsdefizit, eine Gonarthrose beidseits mit Funktionsdefizit, links ausgeprägter als rechts bei Z. n. Arthroskopie bei Meniskus- und Knorpelriss sowie abgeheilter Tibiakopffraktur und eine Knick-Senkfußdeformität beidseits mit ausgeprägtem Hallux valgus ohne statische Beeinträchtigung dargestellt. Die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule mit Funktionsdefiziten und häufigen und lange anhaltenden Schmerzsyndromen hat er mit einem GdB von 20, das Funktionsdefizit der Schulter hat er mit einem GdB von 20, die Coxarthrose beidseits hat er mit einem GdB von 10, die Gonarthrose beidseits hat er mit einem GdB von 20 und die Knick-Senkfußdeformität beidseits mit einem GdB von 0 bewertet. Auf orthopädisch-unfallchirurgischem Gebiet hat er den GdB mit 40 angegeben.
Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 03.07.2019 (Blatt 54/56 der Senatsakte) vorgelegt, der keinen höheren Gesamt-GdB als 40 für gegeben ansah (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Depression, depressive Verstimmung, chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30); Schlafapnoe-Syndrom (GdB 20) ab 08/2015; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 20); Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Knorpelschäden am linken Kniegelenk, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke (GdB 10); Bluthochdruck (GdB 10); Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks (GdB 10); Gesamt-GdB 30 ab 20.04.2015, Gesamt-GdB 40 ab 01.08.2015).
Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 28.08.2019 die Berufung nach § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter übertragen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 60, 61 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Über die Berufung konnte der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem das SG mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2018 entschieden hatte und die Berufung dem Berichterstatter durch Beschluss des Senates nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden war. Der Senat hat keine Gründe feststellen können, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen, solche waren auch weder in der schriftlichen Anhörung noch der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten nicht mitgeteilt worden.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 07.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2013. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren gdB als 30 bzw. 40.
Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen be-gehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.
Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zuvor § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktions-beeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 30 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 30 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen noch deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsur-teil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit keinen Gesamt-GdB von mehr als 30 (ab 20.04.2015) und von mehr als 40 (ab 01.08.2015) rechtfertigen; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen.
Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Dr. R. hat aus seiner Untersuchung folgendes berichtet:
"Unauffällige Schädelkonfiguration. Keine Gesichtsasymmetrie. Seitengleiche Innervation der mimischen Muskulatur. Unauffällige Augen- und Pupillenmotorik. Über den Nervenaustrittspunkten der Trigeminusäste kein Druckschmerz. Keine Klopfschmerzangabe über den Nasenhöhlen. An den Halsdreiecken und am Kieferwinkel lassen sich keine Lymphknoten tasten. Kein Meningismus. Der Kopf wird nahezu gerade gehalten. Die Dornfortsätze der Halswirbelsäule verlaufen lotgerecht. Ausgeprägter Druck- und Klopfschmerz über der Dornfortsatzreihe der HWS. Dabei werden aber heute keine ausstrahlenden Sensationen/Beschwerden angegeben. Die paravertebrale HWS-Muskulatur ist verhärtet und verspannt im Sinne von ausgeprägten Myogelosen. Der M. trapezius ist seitengleich ausgebildet, deutlich druckdolent. Die Querfortsätze der HWS lassen sich symmetrisch tasten. Beweglichkeit des Kopfes: Bei der Inklination erreicht die Kinnspitze das Brustbein bis auf einen Abstand von 3,5cm. Abstand der Kinnspitze zum Brustbein bei maximaler Rückneigung 15cm.
Beweglichkeit der gesamten Halswirbelsäule in Grad: Flexion/Extension 30/0/45 Seitneigung re./li. 30/0/30 Rotation re./li. 70/0/65 Es findet sich ein Schulter- und Schulterblattgeradstand. Seitengleiches Muskelrelief der Schulter- und Rückenmuskulatur. Bei freiem Zwei-Bein-Stand findet sich ein deutlicher Beckentiefstand links. Klopfschmerz über der Dornfortsatzreihe der Wirbelsäule vor allem im Bereich der mittleren und unteren BWS sowie der gesamten LWS, vorstehend bereits genannter ausgeprägter Druckschmerz über der HWS. Kein erkennbarer Rippenbuckel, kein erkennbarer Lendenwulst. Keine vermehrte Seitschwingung der HWS erkennbar. Im oberen Bereich der oberen BWS deutlich verstärkte Kyphose ("Rundrücken"). Die BWS zeigt über den gesamten Verlauf einen rechtskonvexen Verlauf. Die Lendenwirbelsäule zeigt einen lotgerechten Aufbau. Fingerspitzen-Boden-Abstand bei durchgedrückten Kniegelenken und vornübergeneigtem Rumpf (Prüfung der Funktionskette Wirbelsäule/Hüftgelenk): 39cm. Langsitz nicht vollständig durchführbar, es fehlen 21cm zum Erreichen der Fußspitzen. Lumbaler Schober 10,10,5cm, Ott-Maß 30,31cm.
Beweglichkeit der Wirbelsäule in Grad: Rechts Links Seitneigung 15 15 Rotation 25 25"
Zu diesen Befunden passt auch die Beurteilung des Gutachters R. , dass es sich um ein chronisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom in 3 Abschnitten leichter bis mittelgradiger Ausprägung bei Skoliose (BWS), Kyphose (BWS) und vermehrter Lordose (LWS) mit Funktionsdefiziten und häufigen und lange anhaltenden Schmerzsyndromen handelt. Der Senat konnte mithin Wirbelsäulenschäden nur in leichter bis mittelgradiger Ausprägung feststellen. Damit kommt ein höherer GdB als 20 nicht in Betracht, denn mehrfach mittelgradige Beeinträchtigungen sind nicht festgestellt. Auch unter Berücksichtigung eines Schmerzsyndroms ergibt sich keine Erhöhung des GdB.
Im Funktionssystem der Arme ist das Funktionsdefizit bei Impingementsyndrom und V.a. (Partial)Läsion der Rotatorenmanschette der linken Schulter zu bewerten. Der Senat stellt mit dem Gutachten von Dr. R. fest, dass alleine die linke Schulter bewegungseingeschränkt (90/0/45o) ist. Zwar hat Dr. R. aus seiner Untersuchung berichtet, dass aktiv eingeschränkte Bewegungsausmaße vorliegen. Er hat die Beweglichkeit der Schultergelenke bei fixiertem Schulterblatt (aktiv) wie folgt angegeben: Vor-/Rückneigung re. 150/0/40 li. 90/0/45 Ab-/Adduktion re. 120/0/30 li. 85/0/30 IRO/ARO bei 90 Grad Abduktion des Oberarmes re. 60/0/70 li. 60/0/70 IRO/ARO bei angelegtem Oberarm und 90° gebeugtem Ellenbogen re. 90/0/60 li. 90/0/45 Passiv könne die Klägerin selbst den Arm bis etwa 120 Grad anheben, jedoch der den Arm losgelassen werde, falle er umgehend auf die 90 Grad ab.
Zwar deuten die von Dr. R. gemessenen Bewegungsmaße auf eine bereits die Schwelle zum GdB von 20 erreichende Bewegungsbeeinträchtigung hin. Jedoch hat Dr. R. bei seiner Bewegungsprüfung das Schulterblatt der Klägerin fixiert hat. Der Versorgungsarzt Dr. W. hat dazu zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die VG in B 18.13 für die Schultergelenke angegebenen GdB-Werte auf die Bewegungseinschränkung des Schultergelenks einschließlich Schultergürtel, also bei freigegebenem Schulterblatt, beziehen. Das entspricht auch den rechtlichen Vorgaben des § 2 SGB IX. Denn danach sind Teilhabebeeinträchtigungen im Leben in der Gesellschaft zu bemessen. Bei der Alltagsteilhabe ist aber das Schulterblatt nicht fixiert, sondern frei. Bei nicht fixiertem Schulterblatt ist aber – wie Dr. W. ausgeführt hat - von besseren Bewegungsmäßen auszugehen. Damit sind höhergradige Funktionsbehinderungen nicht nachgewiesen, sodass der Senat konnte sich nicht vom Vorliegen eines GdB von 20 für die Schulter nicht überzeugen, sodass der GdB nur mit 10 zu bewerten ist.
Auch im Funktionssystem der Beine konnte der Senat den GdB nur mit 10 feststellen. In diesem Funktionssystem sind die Coxarthrose beidseits, die Gonarthrose beidseits, links ausgeprägter als rechts, sowie der Knick-Senkfußdeformität beidseits mit ausgeprägtem Hallux valgus ohne statische Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Letzterer bedingt, da ohne statische Auswirkungen keinen GdB von 10.
An den Knien hat der Gutachter Dr. R. eine Beweglichkeit von 0/0/115o bzw. 0/5/90o mitgeteilt. Damit ergibt sich nach B 18.14 VG ein GdB von 10. Die Gonarthrose bedingt keinen höheren GdB, da auch von Dr. R. keine anhaltenden Reizerscheinungen beschrieben sind. Solche lassen sich auch dem Gutachten von Dr. K. und den Befunden des Orthopäden S. nicht entnehmen. Aber selbst wenn man solche annehmen wollte ist mit dem MRT vom 18.01.2016 (Blatt 336 der SG-Akte) keine Gonarthrose in einem Stadium I belegt, sodass kein höherer GdB als 10 anzunehmen ist.
An den Hüften besteht nach Dr. R. eine Beweglichkeit von 95/0/90 bzw. 90/0/0o. Eine Einschränkung für Streckung/Beugung auf 0-10-90, die einen GdB von 10 bis 20 begründen würde, liegt damit nicht vor.
Damit kann der Senat im Funktionssystem der Beine allenfalls ein GdB von 10 feststellen.
Die Funktionsbehinderung im Funktionssystem der Atmung ist mit einem GDb von 20 zu bewerten (B 8.7 VG). Hier besteht eine maskenbeatmete Schlaf-Apnoe-Erkrankung (vgl. Aussage des behandelnden Arztes Dr. Z. gegenüber dem SG). Diese ist nach B 8.7 VG mit einem GdB von 20 zu bewerten. Diese Bewertung gilt ab Erstfeststellung im August 2015.
Die Funktionsbehinderung im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs (dazu B 9.3 VG) ist mit einem GdB von 10 zu bewerten. Hier ist der Bluthochdruck zu berücksichtigen. Dieser ist schwer einzustellen, wie Dr. H.-F. mitgeteilt hat. Dauerhafte Leistungsbeeinträchtigungen mit sekundären Organveränderungen sind nicht ersichtlich. Insgesamt handelt es sich aber noch um eine leichtere Form der Hypertonie; Folgeerscheinungen sind nicht dokumentiert, sodass der GdB mit 10 zu bewerten ist.
Die Funktionsbehinderungen im Funktionssystem des Stoffwechsels/innere Sekretion (B 15.6 VG) in Form von Schilddrüsenbeschwerden der Klägerin bedingen keinen Einzel-GdB von mindestens 10. Nach B 15.6 VG sind Schilddrüsenfunktionsstörungen gut behandelbar, so dass in der Regel anhaltende Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Selten auftretende Organkomplikationen (z.B. Exophthalmus, Trachealstenose) sind gesondert zu beurteilen. Die Einstellung der Schilddrüsenhormone wird bei der Klägerin nach Entfernung der Schilddrüse zwar als langwierig und schwierig beschrieben, dass dauerhaft lediglich eine insuffiziente Substitution erfolgen konnte, ist jedoch nicht ersichtlich, sodass ein GdB von 10 oder mehr nicht anzunehmen ist.
Die Funktionsbehinderung im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (B 3.7 VG) ist mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Nach den B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Das SG und der Beklagten haben die hier vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 30 bewertet. Die Klägerin hat diese Bewertung akzeptiert. Auch die Überprüfung durch den Senat hat keine Hinweise ergeben, die auf eine höhere Bewertung hindeuten. Zuletzt hatte auch Dr. H. den GdB insoweit sogar nur auf 20 angenommen. Das SG hat hierzu folgendes im Urteil geschrieben: "Die psychischen Leiden der Klägerin sind mit einem Einzel-GdB von 30 zu bemessen. Nach Teil B Nr. 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist für leichtere psychovegetative und psychische Störungen ein Einzel-GdB von 0 - 20, für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ein Einzel-GdB von 30-40, für schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten ein Einzel-GdB von 50-70 sowie für schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten ein Einzel-GdB von 80 -100 angemessen. Dr. S. geht in seinem Gutachten lediglich von einer sehr leichten seelischen Störung im Sinne einer undifferenzierten Somatisierungsstörung ohne wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten, ohne Kontaktschwäche, ohne Vitalitätseinbußen, ohne wesentliche Eheprobleme und ohne Beeinträchtigung von Freundschaften aus. Eine Berufstätigkeit wäre der Klägerin möglich. Frau Dr. N.-S. diagnostiziert ebenfalls eine Somatisierungsstörung bei subjektiv geäußerter Grübelneigung, eingeengtem Gedankengang, unangemessenen katastrophisierenden Gedanken, dominierendem ängstlich besorgtem Affekt mit leichtgradig erhöhter Affektinkontinenz, schwergradigem Insuffizienzerleben, leicht reduziertem Antrieb und leichtgradigem sozialen Rückzug. Herr Dr. H. hat im Verlauf seiner Behandlung bis Mai 2016 eine Verbesserung des psychischen Befindens feststellen können. Die Klägerin hat er besser geordnet und organisierter erlebt. Er geht von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer rezidivierenden depressiven Störung aus. In die Rehabilitationsmaßnahme im Juni 2016 wurde die Klägerin mit deutlicher Antriebsminderung, Niedergeschlagenheit, Ängsten, somatoformen Beschwerden und starkem Leidensdruck aufgenommen. Bei Entlassung hat die Klägerin weiterhin starke Niedergeschlagenheit und Ängste angegeben. Es bestand immer noch eine starke Antriebsminderung und eine negative Selbstbewertung bei kaum reduziertem angstbesetzten Verhalten. Das Gericht geht in der Zusammenschau dieser Befände und dem persönlichen Gespräch mit der Klägerin im Termin zur Erörterung des Rechtsstreits davon aus, dass bei der Klägerin zumindest seit der Untersuchung durch Frau Dr. N.-S. im Mittel von einer stärker behindernden Störung auszugeben ist, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist. Die bei der Klägerin bestehende somatoforme Schmerzstörung, die depressive Erkrankung, die Angst- und auch möglicherweise Zwangserkrankung ist ersichtlich einer Schwankung unterworfen, die jedoch die Klägerin auch erheblich in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einschränkt. So ist sie zwar noch in der Lage, ihren Haushalt und die Familie mit Einschränkungen aber auch ausreichend zu versorgen und sich um die jüngste Tochter zu kümmern, die Freizeitgestaltung und die Teilhabe in der Gesellschaft ist jedoch erheblich eingeschränkt. So war auch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme notwendig, eine antidepressive Medikation wird eingenommen und eine ambulante Psychotherapie ist durchgeführt worden."
Auch Dr. R. hat in seinem Gutachten im psychischen Befund keine Umstände mitgeteilt, die auf einen höheren GdB hindeuten. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat in diesem Funktionssystem einen höheren GdB als 30 nicht feststellen.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit dem vom eingeholten Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs, - 0 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Stoffwechsel/innere Sekretion und - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche. Nachdem bei der Klägerin vorliegend von einem zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30, zwei GdB-Werten von 20 und weiteren GdB-Werten von 10 auszugehen ist, und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen GdB von mehr als 30 bzw. ab 01.08.2015 von 40 nicht feststellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Bewertung der Funktionsbehinderungen im Funktionssystem des Rumpfes bereits ein chronisches Schmerzsyndrom berücksichtigt ist, dieselben Schmerzen aber auch im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche bewertet sind. Im Hinblick darauf, dass eine Doppelbewertung der Schmerzen nicht möglich ist, ergibt sich aus dem Zusammentreffen der beiden Einzel-GdB keine GdB-relevante Erhöhung des GdB, eine Schwerbehinderteneigenschaft kann daraus auch nicht abgeleitet werden.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 oder mehr vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht entsprechend schwer funktionell in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. In seiner Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen der Klägerin weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen. Der Senat vermag daher nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, die gestützt auf einige ihrer behandelnden Ärzte, einen GdB von 50 oder wenigstens 60 annimmt. Denn insoweit stützen die Befunde der behandelnden Ärzte im gesamten Streitzeitraum nicht einen höheren GdB als 30 bzw. ab 01.08.2015 von 40.
Die Berufung war daher in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Hinsichtlich der Kostenentscheidung im SG-Verfahren verbleibt es bei der Entscheidung des SG.
Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. R. vom 20.03.2019 sowie die baren Auslagen der Klägerin, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens auch im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B -, juris; Senatsurteil 23.11.2012 -L 8 U 3868/11-, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Die Klägerin hat diese daher endgültig selbst zu tragen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel der Klägerin, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).
Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. R. sowie die baren Auslagen der Klägerin auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat den Rechtsstreit nicht objektiv gefördert und nicht zu seiner Erledigung beigetragen. Denn der GdB-Bewertung von Dr. R. im Gutachten kann nicht gefolgt werden, wie bereits oben ausgeführt wurde, weshalb die Kosten nicht auf die Staatskasse zu übernehmen sind.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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