L 9 AS 201/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 20 AS 331/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 201/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. November 2015 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen der Zuerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung.

Der 54 Jahre alte Kläger bezieht vom Beklagten seit Dezember 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 10. Juni 2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe des Regelbedarfs von 382,00 Euro für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2013 sowie auf den entsprechenden Folgeantrag hin mit weiterem Bescheid vom 23. Dezember 2013 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2014 in Höhe von 391,00 Euro. Am 28. August 2013 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer bei ihm gegebenen Laktoseintoleranz. Nach entsprechenden Sachverhaltsermittlungen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. November 2013 die Gewährung eines Mehrbedarfs ab, da für die beim Kläger bestehende Art der Erkrankung ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II nicht vorgesehen sei. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2014 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 7. April 2014 Klage erhoben, die das Sozialgericht mit Urteil vom 18. November 2015 abgewiesen hat. Das Urteil ist der früheren Bevollmächtigten des Klägers ausweislich des von ihr ausgestellten Empfangsbekenntnisses am 28. Januar 2016 zugestellt worden.

Am Montag, den 29. Februar 2016 ging mittels Computerfax folgende Berufungsschrift beim Hessischen Landessozialgericht ein:

"Arcor Fax 29.02.2016 / 19:42:02

Absender: A. A. A-Straße A-Stadt E-Mailadresse: xxx@arcor.de Fax-Nummer: xxxxx1

Empfänger: Fax-Nummer: 06151804350 Betreff: A .../. ProArbeit Kreis Offenbach // Berufung

Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit lege ich gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18.11.2015 - Az.: S 20 AS 331/14

Berufung ein. Die Berufungsbegründung wird zu gegebener Zeit nachgereicht.

Mit freundlichen Grüßen A. A."

Insoweit handelt es sich bei der Namenswiedergabe des Klägers unterhalb der Grußformel um einen computermäßig verfassten Text, der dem übrigen Text des Computerfaxes gleicht.

Der Senat hat den Kläger und seine sich später zum Verfahren meldende Bevollmächtigte mit Verfügung vom 15. März 2016 auf das Schriftformerfordernis hinsichtlich der Berufungserhebung und die sich im Hinblick hierauf ergebenden Zweifel am fristgerechten Eingang einer Berufung durch den Kläger hingewiesen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch den Senat mittels Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen. Der Kläger hat weder auf den Hinweis des Senats reagiert noch in der Sache einen Berufungsantrag gestellt. Letzteres gilt auch für den Beklagten, welchem die obige Verfügung zur Kenntnis gegeben wurde.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (ein Leitzordner).

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die unzulässige Berufung nach § 158 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen und ehrenamtlicher Richter entscheiden. Die Beteiligten sind vorher gehört worden. Eines Einverständnisses der Beteiligten mit dieser Entscheidungsform bedarf es nicht.

Die Berufung ist unzulässig.

Sie ist nicht innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten eingelegt worden. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. November 2015 wurde damit rechtskräftig. Obwohl im SGG nicht geregelt ist, was unter "schriftlich" im Sinne der zuvor genannten Vorschriften zu verstehen ist, wird dem Schriftformerfordernis in der Regel durch die eigenhändige Unterschrift des Berechtigten Rechnung getragen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 151 Rn. 3a; LSG Berlin Brandenburg, Urteil. v. 10. November 2015, - L 29 AS 68/13 -; Juris). Dies ist bei dem am 29. Februar 2016 beim erkennenden Gericht eingegangenen Fax nicht der Fall. Hierbei handelt sich vielmehr um ein sogenanntes Computerfax, also ein Telefax, welches nicht die Fernkopie eines körperlich vorhandenen Schriftstückes darstellt, sondern unmittelbar aus einem Computer heraus einen Text über die Nutzung eines Telefonanschlusses versendet. Denknotwendig kann ein solcher Text nicht unmittelbar mit einer eigenhändigen Unterschrift versehen worden sein. Auch wenn die Nutzung eines Computerfaxes beispielsweise unter Verwendung einer eingescannten Unterschrift eventuell zulässig sein mag (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 151 Rn. 3e, m. w. N.), ist jedoch von einer wirksamen Rechtsmittelschrift auch in einem solchen Fall nur auszugehen, wenn sich aus den Gesamtumständen zweifelsfrei ergibt, dass das Schriftstück mit Wissen und Willen des Berechtigten übermittelt wurde und der Berechtigte damit die Verantwortung für den Inhalt und die Versendung des Schriftsatzes übernehmen will. Das am 29. Februar 2016 beim erkennenden Gericht eingereichte Computerfax trägt keinerlei Unterschrift im oben genannten Sinne. Wie bereits dargestellt, kommt insoweit eine unmittelbar auf einem Schriftstück angebrachte eigenhändige Unterschrift nicht in Betracht, da es an einem körperlich vorhandenen Schriftstück fehlt. Der Namenszug in der Berufungsschrift ist keine solche eigenhändige Unterschrift, sondern ein mittels Computer erzeugter Text. Dies ist zweifelsfrei erkennbar. Dem entsprechenden Vorhalt des Berichterstatters in der Verfügung vom 15. März 2016 ist der Kläger im Übrigen nicht entgegen getreten. Auch eine eingescannte Unterschrift war auf dieser Berufungsschrift nicht angebracht.

Vorliegend fehlt es also daran, dass überhaupt eine irgendwie geartete Unterschrift dem oben zitierten Computerfax entnommen werden kann, so dass sich hierüber eine Zuordnung des Schriftstücks zu einer bestimmten Person schon nicht sicher herstellen lässt. Gleiches gilt damit auch für die Tatsache, dass dieses Schriftstück mit dem Wissen und Willen zur Teilnahme am Rechtsverkehr versandt wurde.

Die eigenhändige Unterschrift ist in der Berufungsschrift im vorliegenden Fall auch nicht aus anderen Gründen heraus entbehrlich. Zweck des Schriftformerfordernisses ist es zu gewährleisten, dass die abzugebende Erklärung dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen und außerdem festgestellt werden kann, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Betreffenden dem Gericht zugeleitet worden ist (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl. § 151 Rdnr. 3a ff. m. w. N., insbes. auf die entsprechende Rechtsprechung des BSG). Das Schriftformerfordernis kann deshalb auch dann erfüllt sein, wenn es zwar an einer Unterschrift fehlt, wenn sich jedoch aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt. Dies ist bei dem am 29. Februar 2016 eingegangenen Computerfax nicht der Fall, da die Urheberschaft für dieses Schreiben nicht überprüft werden kann. So ist keine Rufnummer erkennbar, von welcher aus das Schriftstück gefaxt wurde. Zwar wird eine "Fax-Nummer" im Text des Schriftstückes angegeben, hierdurch wird jedoch der tatsächliche Absender des Schriftstückes nicht erkennbar. Denn anders als auf klassischem Weg übermittelte Telefaxe, die üblicherweise am oberen oder unteren Rand eine Kennung enthalten, die die Zuordnung zu einem bestimmten Telefonanschluss möglich macht, trägt die Berufungsschrift vom 29. Februar 2016 ein solches Individualisierungsmerkmal nicht. Die Angabe einer Fax-Nummer im Text des Faxes, welche eine Vorwahl ("xxx") enthält, die keinem bestimmten Ort zugeordnet werden kann, trägt ebenfalls nicht dazu bei, um das Fax einer bestimmten Person zuzuordnen und die Ernsthaftigkeit der Erklärung nachzuweisen. Insoweit bleibt vielmehr völlig unklar, wer dieses Fax versandt hat. Es ist insoweit nicht auszuschließen, dass jede beliebe Person, die von der Entscheidung des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. November 2015 auf welche Art auch immer Kenntnis erlangt hat, dieses an das erkennende Gericht richtete.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den zwischenzeitlich gegebenen Möglichkeiten des sogenannten elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit. Zwar sieht § 65a SGG das Schriftformerfordernis beispielsweise bei Versendung eines Computertextes unter Verwendung einer elektronischen Signatur als ausreichend an. Aber auch bei dieser Form der Schriftlichkeit wird durch die Regelungen über die elektronische Signatur gewährleistet, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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