L 7 AS 104/06 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 48 AS 123/06 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 104/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 2006 aufgehoben, soweit die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist, dem Antragsteller Leistungen auch für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis zum 8. Februar 2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, Unterkunftskosten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auch ab 1. Februar 2006 in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu zahlen.

Durch Bescheid vom 20. Dezember 2004 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 830,30 EUR monatlich. Dabei legte sie als Bedarf neben dem Regelsatz (345 EUR) die vom Antragsteller tatsächlich geschuldeten Unterkunftskosten in Höhe der Nettomiete (409,27 EUR), eines monatlichen Nebenkostenanteils (52,83 EUR) sowie Heizkosten (39,93 EUR) unter Absetzung des Anteils für Warmwasseraufbereitung (16,73 EUR), somit in Höhe von 23,20 EUR zugrunde.

Mit Bescheid vom 21. März 2005 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, bei einem Haushalt in seiner Größe und den entsprechenden Ausstattungsmerkmalen könne maximal eine Nettomiete in Höhe von 285 EUR als angemessen anerkannt werden. Die vom Antragsteller bewohnte Wohnung liege daher mehr als 50 EUR über den angemessenen Kosten der Unterkunft. Er werde daher aufgefordert, sich unverzüglich um eine Senkung der Nettomiete zu bemühen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Senkung der Nettomiete nicht sofort möglich sei, werde ihm eine Frist bis zum 31. August 2005 gesetzt. Nach Ablauf dieser Frist könne nur noch die angemessene Nettomiete i.H.v. 285 EUR monatlich bei der Berechnung der Leistungen berücksichtigt werden. Dagegen erhob der Antragsteller am 7. April 2005 Widerspruch, weil die Antragsgegnerin ihre Entscheidung nicht ausreichend begründet habe.

Durch Bescheid vom 13. April 2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen zum Lebensunterhalt fortlaufend ab 1. Mai 2005 bis zum 31. Oktober 2005 in Höhe von 830,30 EUR, mithin - wie bisher - unter Berücksichtigung der Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe.

Durch Widerspruchsbescheid vom 28. September 2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers vom 7. April 2005 zurück. Die von ihm angemietete Wohnung liege mit einer Größe von 52 qm knapp über der Grenze der Angemessenheit, jedoch mit einer Nettomiete von 409,27 EUR deutlich darüber. Angesichts der deutlichen Unangemessenheit der Höhe der tatsächlichen Nettomiete sei keine andere Entscheidung möglich. Dagegen erhob der Antragsteller am 28. Oktober 2005 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG).

Am 4. Oktober 2005 teilte der Antragsteller fernmündlich mit, dass er über einen Makler eine geeignete Wohnung gefunden hätte. Die Kaltmiete der Wohnung (drei Zimmer, 50 qm) betrage 360 EUR. Die Antragsgegnerin erklärte daraufhin, dass die Kaltmiete gemäß Mietobergrenzen des Wetteraukreises für eine Person nicht angemessen sei und Maklergebühren nur bei Haushalten mit über fünf Personen darlehensweise übernommen werden könnten. Der Antragsteller teilte daraufhin mit, sich auch weiterhin um eine Wohnung zu bemühen, die so beschaffen sei, dass sein Sohn, der bei ihm tageweise sei, über ein einzelnes Zimmer verfüge. Durch Bescheid vom 6. Januar 2006 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller schließlich Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. Januar 2006 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft in bisheriger Höhe, jedoch für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis zum 28. Februar 2006 lediglich in Höhe von 369,11 EUR (Nettomiete: 285 EUR, Nebenkosten: 52,83 EUR, Heizkosten: 31,28 EUR).

Mit am 9. Februar 2006 eingegangenem Schriftsatz vom 6. Februar 2006 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er habe sich seit dem 12. Juli 2005 beim Wohnungsamt in A-Stadt erfolglos um eine angemessene Wohnung bemüht. Auch über das Internet sei er bei der Wohnungssuche vorgegangen und habe im Bekannten- und Freundeskreis nachgefragt. Zu den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Konditionen gebe es an seinem Wohnort keine Wohnung. Das zeige auch der Inhalt der in seinem Besitz befindlichen 40 Zeitungen und Anzeigenblätter. Auf seine Nachfrage habe eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin (Frau C.) die Übernahme von Maklerkosten ausgeschlossen. Deshalb bewerbe er sich auch nicht mehr auf Wohnungsangebote, die mit Maklerkosten verbunden seien.

Durch Beschluss vom 31. März 2006 hat das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller auch mit Wirkung ab 1. Februar 2006 und fortlaufend noch bis zum 30. September 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Berücksichtigung der dem Antragsteller tatsächlich entstehenden Kosten für Unterkunft und Heizung zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen grundsätzlich nur erbracht, soweit sie angemessen seien. Soweit Angemessenheit nicht gegeben sei, seien die tatsächlich entstehenden Aufwendungen jedoch so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller zwar mit Bescheid vom 21. März 2005 darauf hingewiesen, dass dessen tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft nach ihren Grundsätzen unangemessen hoch seien, und den Antragsteller aufgefordert, diese bis zum 31. August 2005 auf das von ihr vorgegebene Niveau zu senken. Dies dürfe die Antragsgegnerin dem Antragsteller allerdings nicht entgegenhalten. Sie habe den Antragsteller nämlich über die ihm zustehenden Ansprüche auf Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten einerseits fehlerhaft belehrt, so dass ihm andererseits nicht entgegengehalten werden dürfe, er habe sich um die Senkung seiner Unterkunftskosten nicht ausreichend bemüht. Außerdem sei jedenfalls nicht auszuschließen, dass es dem Antragsteller unter Einschaltung eines Maklers gelungen wäre, seine Unterkunftskosten zu senken. Der Antragsteller habe am 4. Oktober 2005 ausweislich eines Vermerks der Antragsgegnerin vom gleichen Tage die Auskunft erhalten, Maklergebühren könnten von der Antragsgegnerin nur bei Haushalten mit über fünf Personen darlehensweise übernommen werden. Deshalb sei der diesbezügliche Vortrag des Antragstellers glaubhaft, wonach er sich um Wohnungen, die seitens eines Maklers angeboten würden, nicht beworben habe. Bei seinem Bemühen um Kostensenkung sei ihm mithin ein nennenswerter Ausschnitt des örtlichen Wohnungsmarkts durch das rechtsfehlerhafte Zutun der Antragsgegnerin verschlossen geblieben. Die von der Antragsgegnerin hinsichtlich der Übernahme von Maklergebühren als Wohnungsbeschaffungskosten vertretene Auffassung sei nämlich unzutreffend. Es sei allgemein anerkannt, dass Maklergebühren den Wohnungsbeschaffungskosten im Sinne des § 22 Abs. 3 SGB II zuzuordnen und, wenn auch unter der Voraussetzung der Angemessenheit einer über einen Makler beschafften Wohnung, erstattungsfähig seien. Zudem habe die Antragsgegnerin durch ihr Verhalten den Antragsteller in seinem Bemühen, angemessenen Wohnraum zu finden, davon abgehalten, eine Erfolg versprechende Beschaffungsmöglichkeit in Anspruch zu nehmen. Die rechtsfehlerhafte Auskunft habe der Antragsteller bereits am 4. Oktober 2005 erhalten, so dass dem Antragsteller bis zum Änderungsbescheid vom 6. Januar 2006 vier Monate zur Verfügung gestanden hätten, in denen er durch Beauftragung eines Maklers zu den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Konditionen eine angemessene Wohnung hätte finden können. Dies sei zumindest nicht auszuschließen. Die Antragsgegnerin sei daher verpflichtet, dem Antragsteller auch ab 1. Februar 2006 die beanspruchten Leistungen zu gewähren. Sie habe dies ab Zustellung des Beschlusses bis zum Ablauf der in § 42 Abs. 1 S. 2 SGB II genannten Frist Ende September 2006 fortzusetzen, damit der Antragsteller nach Kenntnisnahme von dem insoweit bestehenden Anspruch auf Kostenübernahme Gelegenheit habe, zur Beschaffung einer angemessenen Wohnung auch einen Makler zu beauftragen. Ein Anordnungsgrund bestehe schon deshalb, weil eine Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet wäre; im Übrigen bestehe Eilbedürftigkeit, weil der Antragsteller seit Februar 2006 monatlich knapp 120 EUR weniger an Leistungen erhalte, was den Regelsatz in erheblichem Umfang schmälere.

Gegen den ihr am 5. April 2006 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 3. Mai 2006 eingegangenen Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 15. Mai 2006).

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Bemühungen des Antragstellers um eine angemessene Wohnung hätten sich nur auf die Stadt A-Stadt bezogen. Dies sei nicht ausreichend. Leistungsempfänger nach dem SGB II seien gehalten, den gesamten örtlichen Zuständigkeitsbereich des zuständigen Leistungsträgers zu nutzen. Nach dem SGB II könnten Maklerkosten als Wohnungsbeschaffungskosten nur in Ausnahmefällen gewährt werden. Leistungsempfänger seien verpflichtet, sich durch eigene Bemühungen angemessenen Wohnraum zu verschaffen. Nur im Falle bestehender und drohender Obdachlosigkeit, sowie bei Familien ab sechs Personen seien aufgrund des bestehenden Nachteils auf dem Wohnungsmarkt Maklerkosten zu gewähren. Ein solcher Ausnahmefall sei vorliegend nicht gegeben. Auch werde durch den Verzicht auf die Inanspruchnahme der Dienste eines Maklers dem Hilfeempfänger kein wesentlicher Teil des Wohnungsmarktes verschlossen. Bei hinreichenden Eigenbemühungen könne eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum auch ohne die Zusicherung zur Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten gefunden werden.

Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 2006 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Antragsgegnerin verkenne, dass er an 10 Tagen im Monat mit seinem mittlerweile 13-jährigen Sohn in seiner Wohnung lebe. Der Wohnungsbedarf sei somit wesentlich höher als von der Antragsgegnerin angenommen. Deren Auffassung, er müsse sich im gesamten Zuständigkeitsbereich um Wohnraum bemühen, sei fehlerhaft. Vor dem Hintergrund, dass er sein Umgangsrecht mit seinem Sohn, der ebenfalls in A Stadt mit seiner Mutter zusammenlebe, in der bisherigen Form ausüben wolle, erscheine ein Wegzug von A-Stadt unzumutbar. Der Vortrag der Antragsgegnerin zu den Maklerkosten sei nicht nachvollziehbar. Diese verweigere dem Antragsteller jegliche Zuzahlung für die Zeiten, in denen sein Sohn bei ihm lebe und verlange darüber hinaus, dass der Antragsteller auch die Kosten eines Maklers übernehmen solle. Im Übrigen bemühe er sich weiterhin um angemessenen Wohnraum. So habe er jetzt eine Zusage, dass er ab Oktober 2006 in eine aus Sicht der Antragsgegnerin angemessene Wohnung ziehen könne.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist begründet, soweit die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist, dem Antragsteller Leistungen vorläufig auch für den Zeitraum vom 1. bis zum 8. Februar 2006 zu gewähren. Insoweit steht dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zu. Nach der Rechsprechung des Senats (vgl. etwa Beschluss vom 7. August 2006 – L 7 AS 74/06 ER, Beschluss vom 3. Januar 2006 – L 7 SO 35/05 ER) kommen Leistungen für die Vergangenheit, nämlich für eine Zeit vor Eingang des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Gericht, nur in Ausnahmefällen in Betracht, die vorliegend ersichtlich nicht gegeben sind.

Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Das SG hat die Antragsgegnerin für die Zeit ab 9. Februar 2006 mit zutreffenden Erwägungen im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller noch bis zum 30. September 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Berücksichtigung der dem Antragsteller tatsächlich entstehenden Kosten für Unterkunft und Heizung zu zahlen. Da die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe ausführlich und überzeugend sind, nimmt der erkennende Senat auf diese Bezug (vgl. § 142 Abs. 2 S. 3 SGG).

Das Vorbringen der Antragsgegnerin rechtfertigt keine andere Beurteilung. Grundsätzlich können Maklergebühren als Wohnungsbeschaffungskosten im Sinne des § 22 Abs. 3 SGB II übernommen werden. Zwar ist es zutreffend, dass Maklergebühren im Rahmen dieser Vorschrift nicht schlechthin als Wohnungsbeschaffungskosten vom Leistungsträger zu übernehmen sind. Die Ablehnung einer Übernahme der Maklergebühren gegenüber dem Antragsteller anlässlich der Unterredung vom 4. Oktober 2005 war jedoch – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – (ermessens-)fehlerhaft. Eine Übernahme nur dann in Betracht zu ziehen, wenn im Haushalt des Hilfebedürftigen über fünf Personen leben, findet im geltenden Recht keine Grundlage. Sie kommt – entsprechend der jeweiligen Situation auf dem Wohnungsmarkt – nämlich auch dann in Betracht, wenn für den Hilfebedürftigen ohne Einschaltung eines Maklers eine angemessene Wohnung innerhalb der vom Leistungsträger genannten Frist nicht zu erlangen ist (vgl. etwa Berlit, LPK-SGB II § 22 Rn. 61). Wenn die Antragsgegnerin es in Bezug auf den Wohnungsmarkt im Wetteraukreis für möglich hielt, dass der Antragsteller bis Ende Januar 2006 in der Lage sein würde, eine angemessene Wohnung zu erhalten, so hätte sie diesen entsprechend unterrichten und beraten müssen, so dass sich der Antragsteller in seinem Verhalten entsprechend hätte einrichten können. Das hat sie jedoch nicht getan.

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes kann im Beschwerdeverfahren nicht geprüft werden, ob der Vortrag der Antragsgegnerin, wonach dem Antragsteller durch den Verzicht auf die Inanspruchnahme der Dienste eines Maklers kein wesentlicher Teil des Wohnungsmarktes verschlossen sei, zutreffend ist. Die Klärung dieser Frage muss ebenso wie die Frage, ob – wie der Antragsteller meint – zu seinen Gunsten ein höherer Wohnbedarf wegen der Ausübung des Umgangsrechts mit seinem Sohn zu berücksichtigen ist, letztlich dem Verfahren in der Hauptsache vorbehalten bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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