S 7 U 1583/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Konstanz (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1583/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3157/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der am 14.10.1953 geborene Kläger ist Rentner und führte im Nebenerwerb einen Elektrobetrieb. Ferner bewirtschaftete er zusammen mit seiner Ehefrau eine Grünfläche und Wald. Er erlitt am 14.08.2017 einen Unfall, als er nach dem Durchgangsarztbericht von Dr. B vom selben Tag beim Laden von Strohballen kopfüber vom Anhänger stürzte. Dabei kam es er unter anderem zu einer Fraktur des 1. und 2. Halswirbels mit Rückenmarksschädigung. Bei dem Kläger besteht eine Querschnittslähmung.

Die Tochter des Klägers, die Zeugin M., teilte in ihrer E-Mail vom 24.09.2017 mit, der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt zusammen mit dem Landwirt W. gearbeitet. W. habe seinen Traktor gefahren und seine Ballenpresse angehängt gehabt. Dahinter sei ein Ladewagen angehängt geworden, auf dem die Ballen nach dem Pressen vom Kläger gestapelt worden seien. Das Feld sei abschüssig, die Ballenladung ins Rutschen gekommen, habe dadurch den Kläger vom Wagen gestoßen. Dieser sei mit dem Kopf voraus auf den Feldboden gestoßen und habe sich entsprechend schwer verletzt. Das Strohfeld besitze der Landwirt R., dieser habe zeitgleich mit seinen Töchtern einen anderen Ladewagen beladen. Sie, M., besitze, versorge und unterhalte drei Freizeitpferde, für die die Heu- und Strohballen bestimmt gewesen seien. Sie habe das Stroh beauftragt und für die Pressung der Ballen gezahlt. Im Schreiben des Polizeipräsidiums K., Verkehrsgruppe S., vom 30.08.2017 wird ausgeführt, dass nach Abschluss der Ermittlungen und Rücksprache mit Beteiligten davon ausgegangen werden könne, dass kein Fremdverschulden zum Sturz des Klägers und den daraus resultierenden schweren Verletzungen geführt habe. Auf Anfrage der Beklagten teilte M. in der weiteren E-Mail vom 03.10.2017 mit, sie habe W. beauftragt und bezahlt, das Stroh zu Ballen zu pressen und für sie zu den Stallungen zu transportieren. Ein Teil des gepressten Strohs werde von R. für sein Vieh genutzt, der andere Teil von ihr für die Pferde und werde zum Tausch gegen Heu verwendet oder bei Bedarf an andere Pferde- /Kleintierhalter verkauft. Ihre Pferdehaltung sei nicht bei einer Berufsgenossenschaft veranlagt. Auf die Frage, weshalb der Kläger beim Heu- und Strohballen pressen dabei gewesen sei und ob er von ihr einen Auftrag erhalten habe, hat M. ausgeführt, R., W. und der Kläger würden bereits seit vielen Jahren ständig zusammenarbeiten, unter anderem bei der Heu- und Strohernte. Die Ernte habe am späten Abend stattgefunden und für die Nacht sei Regen angekündigt gewesen. Daher sei jede helfende Hand gebraucht worden.

R. teilte auf Anfrage der Beklagten mit, der Kläger erhalte seit mehreren Jahren Stroh für die Pferde. Es seien pauschal 50 EUR dafür vereinbart. Der Kläger und W. hätten Stroh gepresst und geladen. W. habe den Auftrag von ihm, R., gehabt, Stroh zu pressen.

W. gab an, es habe sich um einen Auftrag von R. gehandelt, der ihn dafür bezahlt habe. Der Kläger sei dabei gewesen, um Ballen auf den Anhänger zu stapeln. Es sei Regen vorhergesagt gewesen. Die Ballen hätten im Trockenen eingefahren werden sollen. Der Kläger habe ihm, W., geholfen. Die Ballen seien für R. und für Familie M. bestimmt gewesen. Es seien als Entlohnung 0,50 EUR pro Ballen vereinbart gewesen. Die Frage, ob der Kläger schon früher im landwirtschaftlichen Unternehmen des W. ausgeholfen habe, hat dieser verneint. Der Kläger sei Elektromeister und habe in dieser Kapazität Aufträge von ihm erhalten. Die Hilfeleistung am Unfalltag sei nur ausnahmsweise geschehen. Bis zum Eintritt des Unfalls sei der Kläger am Unfalltag ca. zwei Stunden tätig gewesen. Die Tätigkeit hätte ohne den Unfall insgesamt ca. drei Stunden gedauert. Der Kläger sei Rentner seit 2017, aber im Nebenerwerb weiterhin als Elektromeister tätig. Auf die Frage, ob der Kläger die Hilfeleistung von einer Entschädigung oder Bezahlung abhängig gemacht habe, welche Entschädigung gewährt worden sei, hat W. einen Preisnachlass genannt. Die Frage, ob es sich um eine Tätigkeit im Rahmen der Nachbarschaftshilfe auf Gegenseitigkeit gehandelt habe, hat W. verneint. M. hat in ihrer E-Mail vom 05.12.2017 auf die Frage der Beklagten, warum ihre Pferde im Stall der Eltern untergebracht seien, finanzielle Gründe und Gründe der artgerechten Pferdehaltung genannt. Sie zahle keine Boxenmiete und die Pferde hätten in Offenstallhaltung ständig Auslauf. Sie selbst oder ihre Schwester würden die Pferde versorgen und füttern. In Ausnahmefällen (Krankheit, Geschäftsreise, Urlaub etc.) könnten die Pferde in einem befreundeten Stall untergebracht oder für einen beschränkten Zeitraum auch von den Eltern zu Hause gefüttert werden. Füttern dauere ca. 30 Minuten täglich. In Offenstallhaltung belaufe sich der Zeitaufwand für das Misten auf ca. drei Stunden pro Woche. Sie besorge und bezahle das Futter für die Pferde. R. gab auf ergänzende Anfrage der Beklagten an, M. habe die 50 EUR an ihn bezahlt. Sie habe das Stroh von ihm erhalten. W. führte auf Anfrage der Beklagten ergänzend aus, die Aushilfe des Klägers am Unfalltag sei eine Ausnahme gewesen, da die Tochter des Klägers nicht anwesend gewesen sei. Diese habe in der Vergangenheit die Strohballen mit dem Pferdeanhänger selbst geholt, der Kläger habe den Pferdeanhänger mit dem Auto gefahren. Damals sei der Kläger beim Stroh pressen anwesend gewesen, habe ihm, W., aber nicht in seinem eigenen Lohnunternehmen ausgeholfen. 0,50 EUR pro Ballen seien von M. an ihn, W., gezahlt worden. Es sei ein Preisnachlass auf 0,50 EUR gewährt worden, da der Kläger beim Stapeln mitgeholfen habe. Die Bezahlung sei für Ballenpressen und Transport erfolgt.

Im internen Schreiben der Beklagten vom 10.01.2018 wird ausgeführt, die Zuständigkeit der Beklagten für die private Reittierhaltung von M. sei nicht gegeben. Auf die Mitteilung der Beklagten, sie nehme die Zuständigkeit der Beigeladenen gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 9 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) an, teilte diese mit Schreiben vom 12.03.2018 mit, ihre Zuständigkeit nach § 128 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII bestehe nicht. Nach den Akten sei der Kläger entweder für das Unternehmen des W. oder R. als Wie-Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII tätig geworden. Somit sei die Zuständigkeit der entsprechenden Fach- Berufsgenossenschaft gegeben.

Im Telefonvermerk vom 29.03.2018 führte der Mitarbeiter der Beklagten S. aus, W. habe auf Nachfrage mitgeteilt, die Stroh- und Heuballen für R. seien am Unfalltag gepresst worden. Zum Unfallzeitpunkt sei der Pressvorgang für Herrn R. bereits abgeschlossen gewesen. Der Kläger habe beim Pressen der Stroh- und Heuballen für Herrn R. nicht mitgeholfen. Er habe nur beim Pressen der Heu- und Strohballen und dem Beladen des Anhängers für die Tochter M. mitgeholfen. W. habe im Anschluss an diese Tätigkeit noch auf einem weiteren Acker eines anderen Landwirts Heu- und Strohballen pressen wollen. Hierbei hätte der Kläger nicht mitgeholfen. Der Kläger sei von seiner Tochter gebeten worden, W. zu helfen, da nicht vorherzusehen gewesen sei, ob noch Regen komme. Für das Aufladen und Stapeln der Ballen habe M. einen Preisnachlass erhalten.

Im Schreiben vom 13.04.2018 teilte W. mit, im Telefonvermerk seien wichtige Zusammenhänge nicht erwähnt worden. Er habe auf dem Strohfeld zuerst die Strohballen für Herrn R. gepresst, damit dieser mit der Beladung beginnen könne. Danach habe er die Ballen für M. gepresst. Vom Strohfeld des Unfalltags habe M. nicht die gesamte Menge abgenommen, die für sie gepresst worden sei. Einen Anhänger ihres Strohs habe er, W., in den Stall von Familie M.gebracht, einen zweiten Anhänger ihres Strohs habe R. übernommen. M. habe auch in der Vergangenheit manchmal nicht das ganze Stroh genommen, wenn die Menge überschätzt worden sei. Er, W., habe den Kläger auf dem Strohfeld um seine Mithilfe gebeten und ihn auf den Ladewagen geschickt, um die Ballen zu stapeln. Mit M. sei vereinbart worden, dass sie ihm seine Arbeit je nach Stückzahlen der gepressten und geladenen Ballen bezahle. Er habe auch mit dem Kläger auf dem Strohfeld kurz abgesprochen, dass seine Mithilfe von ihm finanziell entschädigt werde. Genaue Details seien aufgrund des Zeitdrucks nicht festgelegt worden, aber es sei beiden Seiten klar gewesen, dass man sich auf das Wort des anderen verlassen können. Eine Möglichkeit der finanziellen Entschädigung sei ein Preisnachlass für seine Arbeit im Wald des Klägers gewesen. Barzahlung für geleistete Arbeitszeit wäre eine weitere Option gewesen. Nach dem Pressen der Strohballen und nach dem Unfall des Klägers habe M. ihn für seine Arbeit bezahlt. Da er die Ballen nicht selbst gestapelt habe und ihm nach dem Unfall nicht klar gewesen sei, ob er ihren Vater für die geleistete Arbeit überhaupt noch finanziell entschädigen könne, habe er sich dazu entschlossen, M. einen Preisnachlass für das Stroh einzuräumen und habe nur das Ballenpressen berechnet. Eine Mithilfe des Klägers sei für die Heuernte ursprünglich nicht vorgesehen gewesen.

Mit Bescheid vom 18.04.2018 lehnte die Beklagte die Entschädigung des Unfalls vom 14.08.2017 ab, weil es sich hierbei nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe. Die private Reittierhaltung der Tochter M. stelle kein landwirtschaftliches Unternehmen dar und sei nicht bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft versichert. Die unfallbringende Tätigkeit habe im Wesentlichen weder dem landwirtschaftlichen Betrieb des R. noch dem landwirtschaftlichen Lohnunternehmen des W., sondern der privaten Reittierhaltung der Tochter gedient. Die Tätigkeit stelle keine betriebsdienliche oder arbeitnehmerähnliche Tätigkeit dar und stehe nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Kläger legte mit am 26.04.2018 bei der Beklagten eingegangenem Telefax Widerspruch ein. Er trug vor, er sei als Wie-Beschäftigter für den Betrieb W. tätig gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2018 zurück.

Am 23.07.2018 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Konstanz erhoben. Der Kläger hat vorgetragen, seine Tochter habe W. und R. beauftragt, die Strohernte für sie abzuwickeln. W. sei es dann ohne Wissen der Tochter gewesen, der den Kläger angerufen und gebeten habe, bei der Ernte zu helfen. Bei seiner Tätigkeit am Unfalltag habe es sich um eine Wie-Beschäftigung für W. gehandelt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2018 zu verurteilen, das Ereignis vom 14.08.2017 als Arbeitsunfall anzuerkennen, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, das Ereignis vom 14.08.2017 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat am 17.04.2019 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. In dem Termin sind W., M. und R. als Zeugen vernommen worden. Der Zeuge W. hat erklärt, R. habe ihn angerufen, als er morgens bei der Arbeit gewesen sei, und gefragt, ob er Stroh pressen könne. Er habe gesagt, dass er das nach der Arbeit machen könne. R. habe ihn darauf hingewiesen, dass er auch für Familie M. das Stroh pressen solle. M. sei nicht da gewesen. Er habe den Kläger angerufen, um zu klären, ob das Stroh so in Ordnung sei, da es für die Pferde anders sein müsse als für die Kühe. Er habe ihn nicht erreicht, aber das Auto am Stall gesehen. Plötzlich habe der Kläger mit dem Auto auf dem Feld gestanden. Wahrscheinlich habe der Kläger gesehen, dass er ihn versucht habe ihn anzurufen. Nachdem der Kläger das Stroh für die Pferde als geeignet befunden habe, habe er, W., ihn gebeten, schnell den Anhänger zu holen, damit es schneller gehe. Er selbst habe derweil die Rutsche holen müssen, damit das Stroh auf den Anhänger komme. Es sei in diesem Fall darum gegangen, möglichst schnell die Dinge bereitzustellen. Das Stroh für R. lasse er auf dem Feld liegen, auf den Anhänger werde nur das Stroh für M. geladen. R. zahle ihm 0,50 EUR für das Pressen von einem Strohballen. Wenn er das Stroh, so wie es für M. vorgesehen gewesen sei, dann zum Stall fahre, werde es teurer. Es sei so besprochen gewesen, dass M. die 0,50 EUR für das Pressen auch an ihn zahle und außerdem 0,30 EUR fürs Aufladen und Hinfahren jeweils pro Ballen zusätzlich. Nach dem Unfall sei nicht so abgerechnet worden. Seine Überlegungen sei gewesen, dass er bei normalem Aufladen vermutlich zwei- bis dreimal hätte fahren müssen, dass aber weniger Fuhren notwendig seien, wenn der Anhänger ordentlich dicht beladen sei. Da er das während des Pressens nicht gut alleine machen könne, habe er den Kläger gebeten zu helfen. Er habe dann gesagt, er könnte ihm ja auch mal im Wald helfen. Die Tätigkeit des Klägers, wenn sie entsprechend hätte durchgeführt werden können, hätte vielleicht insgesamt eineinhalb bis zwei Stunden gebraucht. Man habe die erste Fuhre beladen und dann transportieren müssen. Vielleicht hätte er den Rest auch alleine geschafft. Grundsätzlich sei es so gewesen, dass er dem Kläger mal im Wald helfe, zum Beispiel einen dicken Baum umzusägen, außerdem sei der Kläger Elektromeister und habe einen Betrieb gehabt. Wenn etwas an seinem, W., Haus gewesen sei, habe er ihn darum gebeten. Man habe sich gegenseitig geholfen. Erforderliches Material habe man bezahlt. Ansonsten sei es so gewesen, er habe ihm mal eine Stunde geholfen, der Kläger ihm auch. Wenn es aber mehr geworden sei zum Beispiel bei Elektroarbeiten, habe er das entsprechend bezahlt. Die Situation wie auf dem Feld am Unfalltag habe es vorher eigentlich so nicht gegeben. In der Landwirtschaft habe ihm der Kläger eigentlich so nicht geholfen.

Die Zeugin M. hat erklärt, sie sei am Unfalltag nicht beteiligt gewesen. Sie sei beruflich an ihrem Erstwohnsitz in W. gewesen. Die Pferde würden von ihr hobbymäßig gehalten. Sie habe mit R. und W. besprochen gehabt, dass sie in diesem Jahr wieder Stroh brauche. Es sei klar gewesen, dass sie zu dem Zeitpunkt dann nicht zu Hause sein würde. Es sei besprochen gewesen, dass die Strohernte für sie erledigt werde und sie das dann bezahle. Sie habe R. gefragt wegen Stroh, sie brauche 100 bis 150 Ballen. Dieser habe das bestätigt und ihr mitgeteilt, dass W. für ihn Stroh presse. Sie habe W. gebeten, für sie das Stroh zu pressen, zu laden und in den Stall zu bringen. Es sei insgesamt an einen Betrag von mindestens 0,80 EUR pro Ballen dafür gedacht gewesen. Das wäre die Bezahlung für die Arbeit von W. gewesen. Für das Stroh selbst, das Material, hätte sie pauschal 50 EUR an R. bezahlt. An R. habe sie den Betrag tatsächlich bezahlt, an W. letztlich weniger. Er sei nach dem Unfall persönlich sehr angegriffen und psychisch belastet gewesen. Sie habe ihm letztlich als Ausgleich für seine Arbeit 0,50 EUR pro Ballen bezahlt. Sie habe nicht gewusst, wann die Strohernte sein würde. Es habe auch keine Absprache vorher mit ihrem Vater über eine Tätigkeit von ihm gegeben. Die Konstellation wie konkret am Unfalltag habe es vorher noch nicht gegeben. Zum Unfallzeitpunkt seien die Pferde nicht aktiv als Turnierpferde gemeldet gewesen. Sie sei zu dem Zeitpunkt nicht mehr sportlich unterwegs gewesen. Zu gegenseitigen Unterstützungen zwischen W. und dem Kläger könne sie im Einzelnen nichts sagen. Sie wisse, dass ihr Vater immer auch die Einstellung habe, auch in der Verwandtschaft müsse man sich bezahlen, sonst gibt es Ärger. Sich einfach nur zu helfen, gehe eben nur bis zu einem gewissen Grad.

Der Zeuge R. hat mitgeteilt, W. habe sein Stroh gepresst. Irgendwann habe er, R., die Menge entsprechend abgeschätzt und gesagt, für ihn würde es so reichen. Dann habe W. gesagt, er rufe den Kläger an, er solle schauen, ob das Stroh so für die Pferde passe. Sein Stroh nehme er ja nur als Streu für die Schweine. Der Unfall selbst habe er, R., nicht gesehen. Er sei mit dem Aufladen beschäftigt gewesen, zwischendurch auch mal weg gewesen, um eine Ladung wegzubringen.

In der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2019 hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Landwirtschaft über die Ehefrau des Klägers versichert sei. Das Gericht hat nochmals die Zeugen W. und M. vernommen. Der Zeuge W. hat ausgeführt, er habe mit dem Kläger ein Jahr vorher auch schon zusammen Stroh gepresst. Er habe in Erinnerung, dass es damals um Stroh für Pferde des Klägers gegangen sei. Arbeitsstunden hätten der Kläger und er gegenseitig nicht abgerechnet. Bei seinen Arbeiten für den Kläger im Wald habe es sich insgesamt ca. um einen halben Tag pro Jahr gehandelt. Die Stunden für seine Elektroarbeiten habe der Kläger ihm nicht berechnet, lediglich das Material. Der Preisnachlass für die Arbeiten am Unfalltag sei erst im Nachhinein erfolgt. Vorher sei es eher so angedacht gewesen, dass der Kläger ihm helfe und er ihm dann in seinem Wald helfe. Wenn der Wetterbericht anders gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich normal das Stroh gepresst. Die Frage, ob das Stroh für die Pferde geeignet gewesen sei, habe er einfach zur zusätzlichen Sicherheit gestellt. Wenn er mit dem Kläger darüber nicht hätte sprechen können, hätte er es wahrscheinlich selbst entschieden und das Stroh für M. gepresst. Der Anhänger habe M. gehört. Zum Einen sei dieser größer als sein Anhänger, zum Anderen könne er dann die letzte Fuhre bei ihr im Stall auf dem Anhänger stehen lassen und müsse nur die vorhergehende Fuhre im Stall abladen. Die Zeugin M. hat erklärt, sie habe ihre Eltern nur in Ausnahmefällen um Unterstützung bei der Versorgung der Pferde gebeten. Primär habe sie dann ihre Mutter gefragt, die mehr zu Hause gewesen sei als der Kläger. Der Kläger habe ihr vielleicht insgesamt ca. zwei Tage im Jahr geholfen. Früher sei bei der Strohernte teilweise auch so verfahren worden, dass W. das Stroh gepresst, sie selbst aufgeladen und der Kläger den Anhänger gefahren habe. Den Kläger habe sie dafür nicht bezahlt. Die Frage, ob das Stroh für die Pferde geeignet sei, sei ihr aus früheren Fällen so nicht bekannt. Allerdings sei es vor der Strohernte am 14.08.2017 feucht gewesen und es sei wieder Regen angekündigt gewesen, so dass man sich vielleicht deswegen habe vergewissern wollen, damit man nicht diese schwere Arbeit verrichte und das Stroh später nicht verwerten könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 8 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versichertenschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind kraft Gesetzes Beschäftigte versichert. Ferner sind nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Zweck dieser Bestimmung ist es, solche Personen unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen, die fremdnützig für ein anderes Unternehmen handeln, ohne dass eine Beschäftigung nach Absatz 1 Satz 1 vorliegt, da dann die Zurechnung des Haftungsrisikos zum nutznießenden Unternehmen gerechtfertigt ist. Entscheidend ist dabei das Gesamtbild des ausgeführten und beabsichtigten Vorhabens (vgl. jurisPK-SGB VII § 2 SGB VII Rn. 379). § 2 Abs. 2 SGB VII erfasst Tätigkeiten, die ihrer Art nach zwar nicht sämtliche Merkmale der Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer solchen ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichen Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.03.2014 – L 17 U 370/12 m.w.N.). Die Tätigkeit muss dem unterstützten Unternehmen wesentlich zu dienen bestimmt sein. Entscheidend ist die Handlungstendenz des Tätigen, die fremdwirtschaftlich auf die Belange des als unterstützt geltend gemachten Unternehmens gerichtet sein muss. Hieran fehlt es, wenn wesentlich eigene Belange verfolgt werden (vgl. jurisPK-SGB VII § 2 SGB VII Rn. 384). Dies kann der Fall sein, wenn der Helfende bei der Tätigkeit die Erwartung hat, dass ihm die unterstützte Person später im Rahmen der Nachbarschaftshilfe bei eigenen Vorhaben zur Hand geht (vgl. Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.08.2014 – L 5 U 35/07). Versicherungsschutz als Wie-Beschäftigter kommt bei Gefälligkeitsleistungen unter Verwandten nicht in Betracht, wenn die Tätigkeit im Wesentlichen durch die familiären Beziehungen zwischen den Verwandten geprägt ist. Dabei sind neben der Stärke der verwandtschaftlichen Beziehungen die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere Art, Umfang und Zeitdauer der vorgesehenen Tätigkeit (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.02.2018 – L 3 U 4257/17 m.w.N.). Je geringfügiger eine Tätigkeit ist und je enger die Beziehung, desto weniger besteht Versicherungsschutz und umgekehrt. Ein Kriterium kann dabei sein, ob in häuslicher Gemeinschaft gelebt wird (vgl. jurisPK-SGB VII § 2 SGB VII Rn. 413). Ein weiteres wesentliches Abgrenzungskriterium ist die Gefährlichkeit der Tätigkeit (vgl. jurisPK-SGB VII § 2 SGB VII Rn. 416).

Der Unfall des Klägers vom 14.08.2017 war kein gemäß § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB VII versicherter Arbeitsunfall. Ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII lag nicht vor. Der Kläger war weder bei R., noch bei M. oder W. beschäftigt.

Der Kläger war auch nicht als Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII tätig. Das Gericht ordnet die Tätigkeit des Klägers beim Aufladen des Strohs dem Verhältnis zwischen dem Kläger und W. zu. Es handelte sich nicht um eine Tätigkeit für R. Dieser ist zwar Inhaber des Feldes, auf dem die Arbeit erbracht wurde. Das Beladen des Anhängers erfolgte jedoch nicht für R. Das für R. bestimmte Stroh war nämlich, wie sich aus den Angaben des Zeugen W. ergibt, bereits gepresst und lag absprachegemäß in Ballen auf dem Feld. Die Mithilfe des Klägers beim Beladen des Anhängers begann nach Abschluss der von W. für R. erbrachten Arbeiten. Ob im Nachhinein, wie W. in dem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 13.04.2018 ausgeführt hat, ein Teil des Strohs auf dem Anhänger von R. übernommen wurde, kann offenbleiben. Denn maßgebend ist - wie bereits ausgeführt - die Handlungstendenz. Beabsichtigt war, den Anhänger mit Strohballen für die Pferde von M. zu beladen.

Der Kläger führte die Tätigkeit auch nicht für M. aus. Zwar waren die Strohballen für die Pferde von M. bestimmt, die auf dem Hof des Klägers und seiner Ehefrau untergebracht waren. Bezüglich der Strohlieferung gab es jedoch keine Absprachen zwischen dem Kläger und seiner Tochter. Vielmehr hatte diese insoweit eine Vereinbarung mit R. und W. getroffen. Es entsprach zwar dem mutmaßlichen Willen der Zeugin M., das Stroh für ihre Pferde trocken einzubringen. Die Tätigkeit des Klägers beim Aufladen der Ballen, die letztlich zu dem Unfall führte, erfolgte aus Sicht des Gerichts jedoch wesentlich nicht im Rahmen familienhafter Mithilfe für die am Unfalltag nicht vor Ort anwesende Tochter, sondern aufgrund der kurzfristigen Anfrage von W. Der Umstand, dass W. den Kläger zunächst wegen der Qualität des Strohs befragte, ändert daran nichts. Denn hierbei handelte es sich lediglich um eine kurze Einschätzung, die der Kläger aufgrund seiner Fachkenntnis am besten treffen konnte. Selbst wenn man diese Einschätzung dem Verhältnis zwischen dem Kläger und seiner Tochter im Rahmen familienhafter Mithilfe zurechnen würde, ergäbe sich daraus nicht eine gleichartige Zurechnung des wesentlich länger dauernden Vorgangs der Aufladung der Ballen.

Die Tätigkeit auf dem Anhänger selbst wurde somit aufgrund der Bitte von W. für diesen vorgenommen. Hierbei handelte es sich jedoch ebenfalls nicht um eine Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 SGB VII. Die Arbeit des Klägers wäre nach den Ausführungen von W. insgesamt mit maximal ca. drei Stunden zu veranschlagen gewesen (Angaben im Verwaltungsverfahren: Ca. drei Stunden, Zeugenaussage im Gerichtsverfahren: Eineinhalb bis zwei Stunden). Eine genaue Absprache bezüglich etwaiger Gegenleistungen gab es nicht. Das Gericht geht auf der Grundlage der Beweiswürdigung davon aus, dass bei Aufnahme der gemeinsamen Tätigkeit im 14.08.2017 zwischen W. und dem Kläger eine Unterstützung des Klägers durch W. im Wald des Klägers bzw. seiner Ehefrau in Aussicht genommen war. Zwar hat W. zunächst vorgetragen, es sei klar gewesen, dass entweder eine Gegenleistung oder eine Bezahlung erfolgen sollte. Aufgrund der Kürze der Zeit sei dies nicht im Einzelnen abgesprochen worden. Jedoch folgt insbesondere auch aus der Aussage des Zeugen W. in der mündlichen Verhandlung, dass Arbeitsleistungen zwischen diesem und dem Kläger in der Vergangenheit grundsätzlich nicht abgerechnet, sondern in etwa gegenseitig ausgeglichen worden waren. Ob in der Vergangenheit größere Elektroarbeiten am Haus des Zeugen W. durch den Kläger abgerechnet wurden, wie der Zeuge im Erörterungstermin angegeben hat, kann letztlich offenbleiben. Im Regelfall jedenfalls bemühte man sich um eine in etwa gleichgewichtete gegenseitige Hilfe. Dabei war der zeitliche Umfang der Unterstützung auch bei früheren Tätigkeiten im Allgemeinen eher gering, wie sich aus der Zeugenaussage von W. in der mündlichen Verhandlung ergibt, es habe sich um ca. einen halben Tag Arbeit im Wald pro Jahr gehandelt. Ferner lag es der aufgrund der jeweiligen beruflichen Tätigkeiten von W. in der Landwirtschaft bzw. des Klägers als Elektromeister nahe, sich gegenseitig zu helfen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des - wenn auch nicht ganz nahen - Verwandtschaftsverhältnisses zwischen W. und dem Kläger. Die Kammer geht daher nach der Beweisaufnahme davon aus, dass vor dem Unfall angedacht war, dass W. dem Kläger im Gegenzug zu der Hilfeleistung beim Beladen der Strohballen bei anderer Gelegenheit im Wald helfe. Dass die Abrechnung zwischen W. und M. im Hinblick auf die Arbeitsleistung des Klägers im Nachhinein anders erfolgte als ursprünglich geplant, indem M. lediglich 0,50 EUR und nicht die vorgesehenen 0,80 EUR an W. zahlte, ist für die Einordnung des Unfallereignisses unerheblich. Denn der später an M. gewährte Preisnachlass erfolgte aufgrund der nach dem Unfall gegebenen Situation, ändert aber nichts an der für die Beurteilung des Unfalls entscheidenden Handlungstendenz. Nach der von W. geschilderten Praxis und unter Berücksichtigung der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Zeugen und dem Kläger geht das Gericht davon aus, dass diese Tätigkeit im Rahmen gegenseitiger Unterstützung erfolgte und der Kläger sie in der Erwartung erbrachte, dass W. ihm bei anderer Gelegenheit in etwa entsprechendem Umfang helfen würde. Damit handelte es sich wesentlich nicht um eine fremdnützige Tätigkeit des Klägers für das Lohnunternehmen W. (vgl. auch Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern a.a.O.). Auch unter Berücksichtigung des angedachten Umfangs der Tätigkeit von maximal drei Stunden und der zwischen W. und dem Kläger geübten Praxis über gegenseitige Hilfe ist die Tätigkeit als unversicherte Gefälligkeitshandlung zwischen Verwandten anzusehen.

Da es sich bei dem Unfall vom 14.08.2017 nicht um einen Arbeitsunfall handelte, war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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