L 7 AL 4/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 33 AL 394/06 WA
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 4/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 40/13B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2008 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. April 2000 bis 31. Mai 2001 in Höhe von 18.619,80 Euro und von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.912,24 Euro.

Der 1944 geborene Kläger war seit Dezember 1995 auf der Grundlage eines Vertrages vom 29. November 1995 mit der Fa. C. Gesellschaft mbH (C.) C-Stadt, die zu der insbesondere im Bereich der Müllentsorgung tätigen Firmengruppe der Gebrüder D. gehörte, für die Firmen der Gruppe als Rechtsberater tätig.

Im Zusammenhang mit der Verhaftung der Brüder D. und E. D. am 30. November 1998 und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Firmen der D. Gruppe (ca. 300 Aktiengesellschaften und GmbHs) wurde über das Vermögen der C. durch Beschluss des Amtsgerichts Coesfeld am 23. März 1999 das Konkursverfahren eröffnet. Zudem traten diverse Konflikte zwischen verschiedenen führenden Mitarbeitern der Gebrüder D. auf, in welche der Kläger teilweise involviert war, in dem er ab 1999 diverse Strafanzeigen gegen Personen erhob. Er verlor im Jahre 1999 seinen Arbeitsplatz durch Kündigung vom 27. Januar 1999. Die Kündigung griff der Kläger mit einer zum Arbeitsgericht Bocholt erhobenen Kündigungsschutzklage an, in deren Rahmen er u.a. die Feststellung begehrte, mit der C. habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, und mit der er die Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen, die Abführung von Lohnsteuer sowie die Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) geltend machte. Am 10. Februar 1999 meldete sich der Kläger zum 15. Februar 1999 arbeitslos bei der Beklagten. Am 15. Juni 1999 teilte der Kläger - eine Leistungsbewilligung stand im Hinblick auf den offenen Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens noch aus - einen Umzug nach Essen mit. Nach einem erneuten Umzug nach F-Stadt meldete sich der Kläger am 23. März 2000 dort persönlich arbeitslos. Dabei verneinte er die Frage nach der gegenwärtigen Ausübung einer Beschäftigung als Arbeitnehmer oder der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit. Das arbeitsgerichtliche Verfahren endete am 10. März 2000 durch Vergleich, der unter Ziffer 1 die Feststellung enthielt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin C. ab dem 18. Dezember 1995 bestanden habe. Das Arbeitsverhältnis endete nach Ziffer 3 des Vergleichs am 31. März 1999. Eine entsprechende Arbeitsbescheinigung (LA Bl. 129) wurde unter dem 30. März 2000 ausgestellt. Die Beklagte bewilligte daraufhin am 10. Mai 2000 eine Nachzahlung in Höhe von 6.984,45 DM für die Zeit ab 23. März 1999; für die Zeit vom 23. Dezember 1998 bis 22. März 1999 bewilligte sie Konkursausfallgeld. Am 20. Oktober 2000 bewilligte die Beklagte dann Arbeitslosengeld ab 23. März 2000 für 461 Tage in Höhe von 84,41 DM täglich. Auf Grund einer Änderung der Leistungsverordnung erhöhte die Beklagte den täglichen Leistungssatz durch Bescheid vom 11. Januar 2001 auf 87,20 DM täglich ab 01. Januar 2001, durch Bescheid vom 25. April 2001 folgte wegen der Dynamisierung des Bemessungsentgelts eine weitere Erhöhung auf 87,81 DM täglich ab 01. April 2001. Durch Veränderungsmitteilung vom 16. Mai 2001 meldete sich der Kläger zum 01. Juni 2001 in die Selbständigkeit ab. Die vom Kläger gestellten Strafanzeigen führten zu einer Einstellung der Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts. Es wurde jedoch eine Strafanzeige gegen den Kläger wegen Verleumdung, falscher Verdächtigung und Beleidigung gestellt. Die Staatsanwaltschaft nahm daher die Ermittlungen gegen den Kläger auf und sah sein Verhalten insbesondere im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen die Brüder D., denen der Kläger sehr verbunden sei, für welche er tätig sei und daher beabsichtige, deren Ermittlungsverfahren hinauszuzögern und zu verkomplizieren. Am 25. Juli 2001 führte die Staatsanwaltschaft Bielefeld auf Grund von entsprechenden Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen des Amtsgerichts Bielefeld vom 11. Juli 2001 (Bl. 330ff. der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Bielefeld zum Az: 6 Js 86/01 – Akten StA) und 24. Juli 2001 (Bl. 379ff. Akten StA) im Rahmen eines zunächst nur wegen falscher Verdächtigung geführten Ermittlungsverfahrens Durchsuchungen in mehreren dem Kläger zugeordneten Wohn- bzw. Geschäftsräumen in F-Stadt und in G-Stadt durch. Auf Grund der dabei gemachten Zufallsfunde dehnte die Staatsanwaltschaft Bielefeld das Ermittlungsverfahren auf den Vorwurf des Betruges zum Nachteil der Beklagten aus. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht Bielefeld sodann mit Beschluss vom 09. August 2001 (Bl. 626 Akten StA) die Beschlagnahme der für diesen Tatvorwurf relevanten Unterlagen an.

In der Folgezeit erwirkte die Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang weitere Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen wiederum des Amtsgerichts Bielefeld vom 16. November 2001 hinsichtlich der Büroräume einer Fa. H. Beteiligungs GmbH, insbesondere der dort vorhandenen Räumlichkeiten, die von Fr. J. D.-K. genutzt wurden (Bl. 781ff. Akten StA), sowie der Wohnräume der Eheleute D. D. und J. D.-K. (Bl. 785ff. Akten StA). Dabei sollten Unterlagen über Zeitraum, Art und Umfang der selbständigen Tätigkeit des Beschuldigten für D. D. sowie über die an ihn in diesem Zusammenhang geleisteten Zahlungen ermittelt werden. Die Durchsuchungen erfolgten am 22. November 2001. Mit Beschluss vom 29. November 2001 (Bl. 799 Akten StA) bestätigte das Amtsgericht Bielefeld die Beschlagnahme der dabei mitgenommenen Unterlagen. Das Landgericht Bielefeld hob auf entsprechende Beschwerden des Klägers durch Beschluss vom 22. April 2002 die der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Klägers und der Beschlagnahme der dort aufgefundenen Gegenstände zugrunde liegende Beschlüsse des Amtsgerichts vom 11. Juli 2001 und vom 24. Juli 2001 sowie vom 09. August 2001 auf. Weitere Rechtsbehelfe blieben dagegen erfolglos. Die Beschwerden begründete der Kläger vor allem damit, dass er vollständig in seiner Geschäftstätigkeit beschränkt werde. Er bezog sich auf die von ihm gegründeten Firmen L. e.K., M. e.K., N. e.K., Internet O. e.K. und P. e.K. Er führte aus, dass nicht absehbare Schäden in Millionenhöhe eingetreten seien, da er keine Korrespondenz betreiben könne, da alle Computer, Briefe etc. beschlagnahmt worden seien. Zudem betreibe er die Beitreibung einer Forderung der Frau D. in der Schweiz, was fristgebundene Schriftsätze erfordere, an deren Erstellung er aufgrund der Beschlagnahme aller Unterlagen auch gehindert sei. Bei den Hausdurchsuchungen bei den benannten Dritten fanden sich Rechnungen des Klägers und entsprechende Zahlungsbelege für eine Beratungstätigkeit für Herrn D. D. bzw. für seine Ehefrau. Nach diesen Unterlagen hat die Fa L. e.K. Rechnungen für "durchgeführte Auftragsprojekte" in folgendem Umfang gestellt:

Zeitraum abgerechnete Stundenzahl Bruttoentgelt (in DM) Rechnung vom Bl. der LA
03.08.-21.08.2000 136 11.832,- 21.08.2000 222
28.08.-30.09.2000 110 9.570,- 05.10.2000 224
01.10.-31.10.2000 nicht ausgewiesen 7.308,- 27.10.2000 226
01.11.-30.11.2000 nicht ausgewiesen 7.308,- 28.11.2000 228
01.12.-31.12.2000 nicht ausgewiesen 7.308,- 02.01.2001 230
01.01.-31.01.2001 nicht ausgewiesen 7.772,- 06.02.2001 232
01.02.-28.02.2001 nicht ausgewiesen 7.772,- 08.03.2001 234
01.03.-31.03.2001 nicht ausgewiesen 7.772,- 04.04.2001 236
01.04.-30.04.2001 nicht ausgewiesen 7.772,- 24.04.2001 238

Darüber hinaus vernahm die Staatsanwaltschaft diverse Personen, nachdem der Kläger Anzeigen erstattet hatte. So teilte Herr Q. mit, dass der Kläger weiterhin für Herrn D. D. als Berater tätig sei seit dem "Crash" bei der D.-Gruppe. Ebenso sei er aktiv in "Verbänden" gewesen, die Zertifikate im Entsorgungsbereich verteilen (Bl. 1050 ff. Akten StA). Ein anderer Zeuge berichtete über weitere Aktivitäten des Klägers hinsichtlich eines Prozesses der R. R-Stadt, für welche er ein Erfolgshonorar in Höhe von 30.000 DM vereinbart hatte und im Jahr 2000 und 2001 die Vertretung durchgeführt hatte. Er legte eine entsprechende Vereinbarung des Klägers vor. Er trat als Generalbevollmächtigter auf. Letztlich führte der Kläger in einem Schreiben gegenüber der Staatsanwaltschaft im April 2002 an, dass er alle bisherigen Eingaben und Schriftsätze zur Verteidigung des D. D. erstellt habe.

Am 13. März 2002 teilte die Staatsanwaltschaft Bielefeld der Beklagten mit, dass der Kläger seit mindestens 01. April 2000 bis Mai 2001 in erheblichem Umfang selbständig tätig gewesen sei.

Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 26. März 2002 zu der streitgegenständlichen Entscheidung an. Der Kläger äußerte sich dazu mit einem Schreiben vom 10. April 2002. Dabei rügte er, dass ihm im Anhörungsschreiben kein konkreter nachvollziehbarer Sachverhalt eröffnet worden sei, zu dem er dann auch konkret hätte Stellung nehmen können. Er sei jedoch seit dem 01. April 2000 nicht wöchentlich mindestens 15 Stunden selbständig tätig gewesen, er habe der Beklagten auch in der gesamten Zeit als Arbeitsuchender zur Verfügung gestanden. Er wisse, dass die Beklagte ihre nicht beweisbaren Behauptungen aus im Wege einer rechtswidrig erfolgten Durchsuchung seiner Räume in F-Stadt durch Beamte der Staatsanwaltschaft Bielefeld angeblich vorgefundenen Indizien ableite, die aber für die Behauptungen der Beklagten, die einen Rückforderungsanspruch auslösen sollten, noch nicht einmal im Ansatz tauglich seien.

Die Beklagte hob daraufhin durch Bescheid vom 25. Juni 2002 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 01. April 2000 auf; für die von der Rücknahme betroffene Zeit vom 01. April 2000 bis 31. Mai 2001 habe der Kläger 18.619,80 EUR ohne Rechtsanspruch erhalten. Dieser Betrag sei von ihm zu erstatten. Nach § 335 Abs. 1 SGB III habe der Kläger zudem die von der Beklagten für den oben angegebenen Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.912,24 EUR zu ersetzen. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, der Kläger sei selbstständig tätig gewesen. Er sei daher nicht arbeitslos gewesen und habe somit keinen Leistungsanspruch gehabt. Er habe die unzutreffende Leistungsbewilligung durch Unterlassung von Angaben herbeigeführt.

Der Kläger legte am 24. Juli 2002 Widerspruch ein und verwies darauf, dass die unbewiesene Behauptung, dass er in der Zeit vom 01. April 2000 bis zum 31. Mai 2001 so selbständig tätig gewesen sein soll, dass er nach §§ 118, 119 SGB III keinen Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertragsverhältnis nach dem SGB III habe, falsch sei. Die Beklagte übersehe, dass er aus dem Versicherungsvertragsverhältnis nach SGB einen absoluten Rechtsanspruch auf Leistungen habe, nachdem er aus seinem Vermögen vertragsrechtliche Vorleistungen erbracht habe. Die Beklagte übersehe bei ihrer Entscheidung, dass er keinerlei Gewerbetätigkeiten oder andere freiberufliche Tätigkeiten ausgeübt habe, welche es ihm unmöglich gemacht hätten, eine volle tarifliche unselbständige Tätigkeit eines Angestelltenverhältnisses auszuüben. Soweit er in dieser Zeit jeweils einmal wöchentlich circa drei bis vier Stunden abends im Großraum Münster mit der Person D. D. gesprochen habe, liege keine freiberufliche Tätigkeit in dem Sinn vor, dass seine versicherungsrechtlichen Leistungsansprüche nach SGB berührt sein könnten. Im Übrigen seien die dort angegebenen Stunden und Stundensätze rein fiktiv festgesetzt: Er habe lediglich einmal wöchentlich drei bis vier Stunden mit Herrn D. D. im Münsterland gesprochen. Soweit er vom 06. November 2000 bis 12. März 2001 Generalbevollmächtigter des erkrankten S. gewesen sei, liege ebenfalls keine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit vor. Eben dasselbe gelte für seine Generalbevollmächtigung für Herrn T. vom 01. Juni 2000 bis 30. Mai 2001.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2002 führte die Beklagte dem Kläger gegenüber danach aus, es sei zutreffend, dass mit dem Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 10. April 2002 ein Verwertungsverbot festgestellt worden sei. Allerdings werde darin auch festgestellt, dass das Verwertungsverbot nicht daran hindere, aus der Verwertung gewonnene Zufallserkenntnisse zur Grundlage von weiteren Ermittlungen zu machen. Nach den vorliegenden Honorarrechnungen sei er selbständig/freiberuflich tätig gewesen. In seinem Widerspruch habe er jedoch mitgeteilt, er sei in erheblich geringerem Umfang tätig gewesen. Daher werde er gebeten, nochmals zum zeitlichen Umfang seiner Tätigkeit und zu den daraus erzielten Entgelten Stellung zu nehmen. Der Kläger meldete sich daraufhin mit Schreiben vom 14. März 2003. Darin führte er unter anderem aus, es stehe fest, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum, soweit er nicht erkrankt oder verreist gewesen sei, wöchentlich jeweils einmal nach G-Stadt gefahren sei. Dort habe ihn Herr D. am Bahnhof abgeholt. Anschließend hätten sie jeweils nur circa zwei Stunden miteinander über verschiedene Rechtsangelegenheiten diskutiert. Nur für diese mündlichen Gespräche mit Herrn D. habe er Honorare erhalten. Da die Gespräche stets nach 19:00 Uhr stattgefunden hätten - also außerhalb aller nach Tarif- und Arbeitsrecht üblichen Arbeitszeiten gelegen hätten -, sei die Betrachtungsweise im angefochtenen Bescheid außerhalb jeglicher rechtlicher Relevanz.

Unterdessen erhob die Staatsanwaltschaft Bielefeld u.a. wegen Betruges zum Nachteil der Beklagten durch Anklageschrift vom 22. Oktober 2003 Anklage zum Amtsgericht Schöffengericht – Bielefeld (siehe Bl. 1538 ff. Akten StA).

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2004 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, der Kläger habe für seine selbständige Tätigkeit im streitigen Zeitraum mindestens 15 Stunden wöchentlich aufgewendet. Die entsprechenden Abrechnungen lägen in der Leistungsakte vor. Der Widerspruchsführer habe zumindest ab 01. April 2000 für D. D. diverse selbständige Beratungsleistungen (Gesamtvolumen in der Zeit vom 01. April 2000 bis 31. Mai 2001: Honorar von rund. 90.675 DM netto für 1173 Stunden) erbracht. Unter der dem Kläger gehörenden Einzelfirma L. e.K. habe der Kläger die genannten Beratungsleistungen gegenüber der Ehefrau des D. D., Frau J. D., abgerechnet.

Der Kläger erhob am 09. August 2004 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main. Das zunächst unter dem Aktenzeichen S 33 AL 2598/04 geführte Verfahren wurde durch Beschluss der Kammer vom 01. August 2005 bis zur Erledigung des Strafverfahrens ausgesetzt und anschließend unter dem Aktenzeichen S 33 AL 394/06 WA fortgeführt.

Das Amtsgericht Bielefeld eröffnete - nachdem der Kläger in der Schweiz verhaftet und nach der Auslieferung nach Deutschland in Untersuchungshaft genommen worden war – durch Beschluss vom 02. Januar 2006 (Bl. 1613 Akten StA) das Hauptverfahren. Im Rahmen der Hauptverhandlung am 03. Februar 2006 erklärte der Verteidiger, der Anklagevorwurf zu Ziffer 1. der Anklage - also der Betrug zum Nachteil der Beklagten - werde eingeräumt. Das erweiterte Schöffengericht verurteilte den Kläger daraufhin mit Urteil vom gleichen Tag u.a. wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Durch Beschluss vom gleichen Tage wurde die Bewährungszeit auf vier Jahre festgesetzt und u.a. zur Bewährungsauflage gemacht, dass der Kläger der Beklagten den entstanden Schaden ersetzt, wobei nachgelassen blieb, den Schaden in monatlichen Raten zu je mindestens 500,- Euro zu tilgen, beginnend mit dem auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monat. Der Verteidiger des Klägers und der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärten Rechtsmittelverzicht. Der Haftbefehl wurde aufgehoben. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 1655 - wegen des Hauptverhandlungsprotokolls - und Bl. 1681 ff. - wegen des Urteils - der Akten der StA verwiesen. Der Kläger versuchte anschließend, seine in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen zu widerrufen und eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu erreichen, was - bis heute - erfolglos blieb.

Zur Begründung im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main wiederholte und vertiefte er sein Vorbringen aus dem Anhörungs- und Widerspruchsverfahren. Er bestritt, in der Zeit vom 01. April 2000 bis zum 31. Mai 2001 eine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 118 Abs. 3 SGB III ausgeübt zu haben. Er habe nur mit Hr. D. D. einmal in der Woche außerhalb jeglicher tariflicher Arbeitszeit in verschiedenen Restaurants im Münsterland - dabei sei er jeweils mit der Bahn angereist - gesellschaftspolitische, umweltpolitische und rechtspolitische Gespräche geführt. Es handele sich also um Entgelte für Nichtarbeit. Daher habe er im Übrigen jedenfalls nicht bösgläubig falsche Angaben gemacht. Soweit er von der Familie D. im streitigen Zeitraum Gelder erhalten habe, habe es sich zudem um Leistungen aus einem außergerichtlichen Vergleich aus einem Verfahren zwischen ihm und Hr. D. D. vor dem Arbeitsgericht Bielefeld im Jahre 1999 gehandelt. Mit dem außergerichtlichen Vergleich mit einem Ausgangsvolumen von mehr als 100.000 DM - dabei habe es sich um eine Prämie gehandelt, die Hr. D. für die Erstellung eines Entlohnungssystems zugesagt habe - seien Leistungen des Klägers aus dem Zeitraum 1997/1998 erledigt worden. Außerdem handele es sich um reine Aufwandsentschädigungen für den Aufwand, den er dadurch gehabt habe, dass er als Zessionar für Frau J. D. Schadensersatzansprüche in der Schweiz verfolgt habe. Die Verfolgung eigener Ansprüche eines Arbeitslosen vor Gerichten im In- oder Ausland habe keinerlei Auswirkungen auf Ansprüche auf Arbeitslosengeld. Er vertrat im Übrigen insbesondere die Auffassung, dass die Durchsuchungen im Jahre 2001 und die Beschlagnahme der dabei aufgefundenen Gegenstände rechtswidrig gewesen seien. Daraus folge ein absolutes Verwertungsverbot nicht nur der bei ihm aufgefundenen Unterlagen, sondern auch der nachfolgend auf dieser Grundlage gewonnenen Erkenntnisse. Das gesamte Verfahren habe deswegen von der Beklagten nicht durchgeführt werden dürfen, und zwar schon weil die Staatsanwaltschaft die Beklagte während des noch laufenden Beschwerdeverfahrens über ihre Zufallsfunde informiert habe. Er berief sich zudem auf einen Entreicherungseinwand entsprechend § 818 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Er erklärte schließlich vorsorglich gegenüber der Erstattungsforderung die Aufrechnung mit sämtlichen von ihm getätigten Einzahlungen an die Beklagte. Er habe seit 1964 erhebliche Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Es handele sich um Beiträge, die allein ihm gemäß Artikel 14 Grundgesetz (GG) zustünden. Diese Beiträge seien jederzeit aufrechenbar gegen rechtlich berechtigte oder auch rechtswidrige Zahlungsansprüche der Beklagten. Dies gelte umso mehr, als die gesamten Vorschriften des SGB III gegen Artikel 14 GG verstießen.

Die Beklagte verwies auf ihre Bescheide.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main wies durch Urteil vom 26. September 2008 die Klage ab. Es führte aus, dass der angefochtene Bescheid vom 25. Juni 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2004 rechtmäßig sei. Die Beklagte sei berechtigt und verpflichtet gewesen, die Bewilligung von Arbeitslosengeld rückwirkend ab der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (spätestens) am 01. April 2000 bis zum Ende des Leistungsbezugs am 31. Mai 2001 aufzuheben und die Erstattung der bereits gezahlten Leistungen sowie der von ihr getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu verlangen. Der Bescheid sei nicht aus formellen Gründen rechtswidrig. Aus der dem Strafprozessrecht widersprechenden Durchsuchung in den Räumen des Klägers und der Beschlagnahme ergebe sich kein Verfahrenshindernis hinsichtlich der Durchführung des hier zu beurteilenden Aufhebungs- und Erstattungsverfahrens. Eine gesetzliche Grundlage, die ausdrücklich oder aus dem Normzusammenhang ein Verfahrenshindernis für den hiesigen Fall erkennen lasse, sei nicht ersichtlich. Die Annahme eines Verfahrenshindernisses sei aber auch sonst nicht, namentlich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen geboten. Ein Verfahrenshindernis werde auch im Strafprozessrecht - in dessen Zusammenhang die Annahme eines Verfahrenshindernisses vergleichsweise häufig diskutiert werde, für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren seien entsprechende Entscheidungen nicht ersichtlich - nur bei schwersten Verfahrensmängeln angenommen (abgelehnt etwa für Einsatz eines so genannten Lockspitzels, der den Beschuldigten mit List zur Tatbegehung oder Einreise in den Gerichtsstaat veranlasst hat, in: BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 1994, Az.: 2 BvR 435/87; auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2008, Az.: 22978/05 die Durchführung [sogar] eines Strafverfahrens nach einem Verstoß gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung nach Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - es ging um die Androhung von Misshandlungen durch Polizeibeamte - nicht für ausgeschlossen gehalten). So führten namentlich Grundrechtsverletzungen, zu denen es außerhalb der Hauptverhandlung komme, nicht zwingend dazu, dass auch das auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruhende Strafurteil gegen Verfassungsrecht verstoße (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01. März 2000, Az.: 2 BvR 2017/94 und BVerfG, Beschuss vom 14. Dezember 2004, Az.: 2 BvR 1249/04 - wobei es sich im letztgenannten Verfahren um den gleichen Sachverhalt handelte, der auch der Entscheidung des EGMR zugrunde lag). Dementsprechend - bzw. umso mehr, weil es sich hier nicht um den im besonderen Maße an verfahrensrechtliche Grenzen zu bindenden Strafanspruch des Staates, sondern um den Ausgleich potentiell zu Unrecht erhaltener Sozialleistungen handele - werde in aller Regel ein außerhalb des eigentlichen Verwaltungsverfahrens liegender Verfahrensverstoß dieses nicht in einer Weise belasten können, dass dieses gar nicht mehr durchgeführt werden könnte. Eine rechtswidrige Durchsuchung und Beschlagnahme in einem vorgelagerten bzw. parallelen Strafverfahren reiche dazu nach Überzeugung der Kammer jedenfalls nicht aus, selbst wenn die Verwaltungsbehörde nur durch dieses Strafverfahren und während des noch laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem Landgericht Bielefeld gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen Kenntnis von den relevanten Tatsachen erhalten habe. Hier komme hinzu, dass der Kläger entsprechende Rügen in der strafrechtlichen Hauptverhandlung nicht mehr erhoben, sondern durch Rechtsmittelverzicht das Urteil des AG Bielefeld vom 03. Februar 2006 habe rechtskräftig werden lassen. Darüber hinaus sei ein Verfahrenshindernis von vornherein dann nicht anzuerkennen, wenn der Grundrechtsverstoß durch ein Verwertungsverbot ausgeglichen werden könne. Das sei hier der Fall. Die Grundrechtsverletzung, von der das LG Bielefeld im Beschluss vom 22. April 2002 ausgegangen sei, habe zur Sicherstellung von Beweismitteln geführt, die ohne den Grundrechtsverstoß nicht aufgefunden worden wären. Der Grundrechtsverstoß könne daher durch ein Verwertungsverbot hinsichtlich der dabei aufgefundenen Unterlagen ausgeglichen werden. Die streitgegenständliche Entscheidung entspreche darüber hinaus auch materiellem Recht. Die Beklagte sei auf der Grundlage von §§ 330 Abs. 2 SGB III, 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X verpflichtet gewesen, die Leistungsbewilligung ab 01. April 2000 aufzuheben. Der (Wieder-)Bewilligungsbescheid vom 20. Oktober 2000 (nur hinsichtlich der Höhe später noch geändert durch die Bescheide vom 11. Januar 2001 und 25. April 2001) sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da jedenfalls ab 01. April 2000 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der selbständigen Tätigkeit nicht (mehr) vorgelegen hätten. Davon sei die Kammer auch unter Außerachtlassung der Beweismittel, hinsichtlich derer sie von einem Verwertungsverbot ausgeht, überzeugt. Die Kammer sei der Auffassung, dass nicht regelmäßig eine Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots bestehe, also andere Beweismittel, deren Vorhandensein erst bei der unverwertbaren Beweiserhebung bekannt geworden sei, nicht grundsätzlich unverwertbar seien. So habe auch das Bundessozialgericht (Urteil vom 05. Februar 2008, Az.: B 2 U 8/07 R unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 01. März 2006, Az.: XII ZR 210/04) formuliert, ebenso wenig wie ein in rechtswidriger Weise entstandenes oder erlangtes Beweismittel automatisch ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehe, wirke sich das für ein solches Beweismittel geltende Verwertungsverbot automatisch auf alle späteren Beweismittel aus. Maßstab für die Reichweite oder "Fernwirkung" eines Beweisverwertungsverbotes müsse, so das Bundessozialgericht weiter, vielmehr sein, ob durch das weitere Beweismittel das Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des ersten Beweismittels umgangen würde, ob das zweite Beweismittel auch ohne das erste - unzulässige und verbotene - Bestand hätte oder inwieweit das zweite Beweismittel auf dem ersten aufbaut (wobei es bei der Entscheidung um die Auswirkungen eines unverwertbaren Gutachtens ging, auf dem die nachfolgenden inhaltlich aufbauten). Nach Auffassung der Kammer "infiziere" daher ein unzulängliches Beweismittel zumindest nicht regelmäßig im Sinne der so genannten "fruit of the poisonous tree-doctrine" alle nachfolgend gewonnenen Erkenntnisse, nur weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese andernfalls nicht erlangt worden wären. So sei nach Auffassung der Kammer beispielsweise ein Geständnis nicht deswegen unverwertbar, weil möglicherweise der Geständige ohne die Erhebung des unverwertbaren Beweismittels nie in eine Situation geraten wäre, die ihn zu einem Geständnis hätte veranlassen können. Im Übrigen folge aus dem Gebot, bei der Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG), dass mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung ein Verwertungsverbot nur in Betracht komme, wenn die Berücksichtigung eines Beweismittels ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht eines Beteiligten verletze, ohne dass dies zur Gewährleistung eines im Rahmen der Güterabwägung als höherwertig einzuschätzenden Interesses der anderen Partei oder eines anderen Rechtsträgers nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt erscheine (vgl. BGH, Urteil vom 01. März 2006, Az.: XII ZR 210/04; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. September 2006, Az.: 2 BvR 2115/01 u.a., außerdem: Pfeiffer/Hannich, KK-StPO, Einl. Rn. 120ff.). Bei der Interessenabwägung sei im hiesigen Verfahren wiederum zu berücksichtigen, dass dem Kläger hier nicht der seine Strafgewalt in Anspruch nehmende Staat gegenüber stehe, sondern ein - wenn auch öffentlich-rechtlich organisierter - Versicherungsträger, der die Rückzahlung von potentiell betrügerisch erlangten Leistungen geltend mache. Schon dies ändere die Struktur der zu beachtenden Interessen im Vergleich zum Strafverfahren deutlich; hinzu komme, dass der Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit, der zu berücksichtigen sei, wenn die Staatsanwaltschaft als - untechnisch gesprochen - "Gegenüber" des Beschuldigten sich ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel zunutze mache, hier ebenso wenig verfange wie das für die Entwicklung der fruit of the poisonous tree-Doktrin in den USA maßgebliche Ziel, die Ermittlungsbehörden zu disziplinieren (vgl. dazu Herrmann, JZ 1985, 608f.). Im Ergebnis lägen ausreichend verwertbare Erkenntnismittel vor, die es der Kammer erlaubten, zu der Überzeugung zu gelangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum mehr als 15 Stunden pro Woche selbständig tätig gewesen sei. So habe der Kläger über seinen Anwalt im Rahmen des Strafverfahrens den Betrugsvorwurf zu Lasten der Beklagten eingeräumt. Auch seien nach Auffassung der Kammer die bei der Fa. H. bzw. dem Ehepaar D. aufgefundenen Unterlagen und damit auch die dort sichergestellten Rechnungen im hiesigen Verfahren verwertbar. Eine mögliche Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung habe der Kläger von vornherein nicht rügen können, da es sich nicht um seine Wohnung handelte, er also insofern nicht in eigenen Rechten verletzt werden konnte. Zudem seien die Unterlagen anlässlich der Durchsuchungen freiwillig herausgegeben worden. Selbst wenn es sich dabei um Unterlagen handeln würde, deren Doppel beim Kläger selbst aufgefunden worden seien, nach dem Beschluss des Landgerichts vom 22.04.2002 aber unverwertbar waren, wirke sich dies nach Auffassung der Kammer nicht auf die Verwertbarkeit der bei der Fa. H. bzw. dem Ehepaar D. gefundenen Unterlagen im hiesigen Verfahren aus. Grund für die Unverwertbarkeit der beim Kläger aufgefundenen Unterlagen sei nicht etwa, dass diese zur Beweisführung ungeeignet wären, seine Intimsphäre beträfen oder sonstige Umstände, die den Unterlagen selbst anhafteten, sondern die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung, also der Art ihres Auffindens. Wenn nun Unterlagen identischen Inhalts ohne Rechtsverstoß, jedenfalls ohne vom Beschuldigten rügbaren Rechtsverstoß, von den Strafverfolgungsbehörden sichergestellt werden, so vermöge die Kammer nicht zu erkennen, warum der Beschuldigte sich darauf berufen können sollte, diese seien nicht verwertbar. Umso weniger sehe die Kammer auch einen Grund, warum diese Unterlagen für die Beklagte bzw. das erkennende Gericht unverwertbar sein könnten: Insbesondere hänge das Verständnis der Unterlagen nicht von den beim Kläger aufgefundenen ab, baue insofern auch inhaltlich nicht auf diesen auf, entspreche diesen vielmehr. Selbst wenn in den Rechnungen ab Oktober 2000 die gearbeiteten Stunden nicht mehr im Einzelnen ausgewiesen seien, sondern ein "Nettogrundhonorar" abgerechnet werde, müsse angesichts der Höhe davon ausgegangen werden, dass regelmäßig eine erhebliche Stundenzahl für Beratung, also eine selbständige Tätigkeit, erbracht worden sei. Zu den Rechnungen existierten passende Zahlungsunterlagen, wobei diese mit dem Endrechnungsbetrag nach Abzug von Vorschusszahlungen und Miete für eine Büronutzung und ggf. zuzüglich von Reisekosten o.Ä. entsprächen. Dabei deuteten die Reisekosten die regelmäßig etwa wöchentliche Fahrten von F-Stadt nach U-Stadt erkennen lassen - darauf hin, dass die Rechnungsunterlagen im Kern sogar mit dem Vortrag des Klägers, er sei einmal in der Woche zu Gesprächen mit Hr. D. gefahren, übereinstimmten, nur dass zu den reinen Gesprächszeiten - wie in den Rechnungen für August und September 2000 erkennbar - erhebliche weitere Zeiten der Vor-, Nach- und Zuarbeit hinzukamen. Die Aussagekraft der Unterlagen hinsichtlich einer selbständigen Tätigkeit des Klägers werde auch nicht dadurch entwertet, dass die Rechnungen unter der Fa. L. e.K. erstellt sind. Bei der Firma handele es sich um den bloßen Namen, unter dem der Kaufmann im Rechtsverkehr auftritt. Für die Frage, ob der Arbeitslose eine den Anspruch auf Arbeitslosengeld ausschließende Tätigkeit ausübe, sei aber ohne jeden Belang, unter welchem Namen er dies tue. Die vom Kläger für die Zahlungen angebotenen Erklärungen - Prämienzahlung für ein Entlohnungssystem bzw. Aufwandsentschädigung für die Verfolgung einer von Fr. D. an ihn abgetretenen Forderung - seien demgegenüber wenig überzeugend oder entlasteten den Kläger nicht: Die Zahlung von Aufwandsentschädigungen durch einen anderen für die Verfolgung einer eigenen Forderung sei nur dann plausibel, wenn die Rechtsverfolgung im Rahmen einer fremdnützigen Treuhand geschieht. Nachdem dies aber offenbar auch nicht unentgeltlich geschehen sei - die Zahlungen seien für reine Reisekostenentschädigungen u.Ä. viel zu hoch -, handele es sich auch bei diesem Vorgang nach Auffassung der Kammer um eine selbständige Tätigkeit. Der einzige nachvollziehbare Grund für die gewählte Konstruktion sei der Versuch, die nach Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 des damals geltenden Rechtsberatungsgesetzes verbotene Rechtsbesorgung nach außen nicht erkennbar werden zu lassen. Für die Frage, ob eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliege, sei dieser mögliche Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz ohne Belang, so dass die Tätigkeit für Frau D. zu den vom Kläger ja eingeräumten wöchentlichen Gesprächen mit Herrn D. hinzukomme. Die als Erklärung für die Zahlungen im Jahr 2000 angebotene Prämienzahlung für frühere Tätigkeiten sei dagegen nicht glaubhaft: Weder habe der Kläger diesbezüglich irgendwelche Belege vorgelegt, noch stimme die Behauptung ratierlicher Zahlung mit den unter Berücksichtigung der unterschiedlich hohen, als Aufwand abgerechneten Reisekosten wechselnden Rechnungsbeträgen überein. Im Grunde könne dies sogar dahinstehen: Der Kläger habe wiederholt eingeräumt, im fraglichen Zeitraum regelmäßig einmal in der Woche zu Gesprächen mit Hr. D. D. ins Münsterland gereist zu sein. Sogar unabhängig davon, ob die Gespräche mit Hr. D. drei bis vier Stunden - wie etwa im Rahmen der Widerspruchsbegründung (Bl. 207/208 der Leistungsakte) vorgetragen - oder nur zwei Stunden - wie es im Schreiben an die Beklagte vom 14. März 2003 (Bl. 288 der Leistungsakte) heißt - gedauert hätten, führe im Grunde bereits dies zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Bei der Bemessung des zeitlichen Umfangs seien bei Selbständigen nämlich auch Wegezeiten - neben Zeiten der Abstimmung mit Kollegen, der Fortbildung bzw. Einweisung oder der Vor- und Nachbereitung - einzubeziehen. Nachdem der Kläger nach eigenen Angaben zu den Gesprächen von F-Stadt ins Münsterland jeweils mit der Bahn gereist sei, führe bereits dies zum Wegfall eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Die Frage, zu welchen Zeiten die Gespräche stattgefunden haben, sei für die hier zu treffende Entscheidung, ob die als Voraussetzung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld geforderte Beschäftigungslosigkeit vorlag, entgegen der Auffassung des Klägers ohne Bedeutung, da gerade bei einer selbständigen Tätigkeit die Zeiteinteilung nicht durch einen Arbeitgeber vorgegeben sein dürfe. Zudem existierten auch Tarifverträge, die Nachtarbeit vorsehen. Hinzu kämen weitere Indizien für eine über 15-stündige selbständige Tätigkeit im fraglichen Zeitraum: So habe der Kläger eingeräumt, als Generalbevollmächtigter für die R. R-Stadt tätig gewesen zu sein. Schon im Hinblick auf die vom Kläger ebenfalls eingeräumte, sich aber auch aus einer Zeugenvernehmung des Geschäftsführers der R. Herrn Q. und einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Kläger und der R. vom 31. Januar 2001 (Bl. 1058 StA) ergebende Erfolgsprovision könne von einer Unentgeltlichkeit keine Rede sein, so dass die für eine selbständige Tätigkeit kennzeichnende Gewinnerzielungsabsicht auch für diese Tätigkeit vorliege. Diese sei dabei immerhin für die Zeit ab Mitte November belegt, wie sich aus einem Schreiben des Klägers an die Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 14. November 2001 (Bl. 1061/1062 der beigezogenen Akten) ergebe, und sei bis mindestens Ende März 2001 fortgeführt worden: So habe der von der Staatsanwaltschaft vernommene Zeuge V. angegeben, mit dem Kläger in dieser Eigenschaft am 27. März 2001 ein Gespräch geführt zu haben. Auch habe der Kläger im fraglichen Zeitraum neben seinem Büro in F-Stadt weiter ein Büro in Nordrhein-Westfalen unterhalten. Die dafür in der mündlichen Verhandlung angebotene Erklärung, er habe dort (nur) seine Bibliothek untergebracht, sei so unplausibel, dass die Kammer hier von einer Schutzbehauptung überzeugt sei: Gerade eine Bibliothek werde durch die Verteilung auf zwei weit entfernte Standorte nicht besser nutzbar, so dass - wenn nicht eben doch ein Büro in der Nähe von Herrn D. für die selbständige Tätigkeit sinnvoll gewesen wäre - nichts näher gelegen hätte, als das Büro aufzulösen. Aus den beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Akten ergäben sich weitere (verwertbare) Hinweise auf eine mehr als 15-stündige selbständige Tätigkeit. So habe der Kläger im Rahmen einer Vernehmung am 13. April 2000, deren Protokoll zu den beigezogenen Akten genommen wurde und das hier im Wege des Urkundsbeweises verwertbar ist, im Verfahren gegen die Gebrüder D. als Beruf Volljurist und Unternehmer angegeben und zur Person ausgeführt, derzeit sei er freier Unternehmer, betreibe verschiedene Unternehmen, auch als Unternehmensberater und betätige sich als Schriftsteller (Bl. 219 Akten StA). In einem Schreiben an das Oberlandesgericht Hamm vom 31. Oktober 2005 (Bl. 3360/3364 Akten StA) habe der Kläger ausgeführt, es sei seit 1999/2000 bis Spätherbst 2004 sachlich unternehmerisch geboten gewesen, wöchentlich mehrmals zwischen den beiden Bürostandorten F-Stadt v.d.H. und G-Stadt-U. hin- und herzupendeln. Auch die subjektiven Voraussetzungen für eine rückwärtige Aufhebung lägen vor, da der Kläger die Aufnahme der Tätigkeit nicht mitgeteilt und damit ihm obliegende Angaben vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Am Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen habe die Kammer bei dem Kläger – der ausgebildeter Volljurist ist - keine Zweifel. Auf Grund des Gesamtergebnisses des Verfahrens - und hier insbesondere auf Grund des Geständnisses in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens - sei die Kammer vielmehr überzeugt, dass der Kläger hier nicht nur grob fahrlässig, sondern vorsätzlich seinen Mitteilungspflichten nicht genügt habe. Auf dieser Grundlage ergebe sich die Erstattungsentscheidung bezüglich der erbrachten Leistungen zwingend aus § 50 Abs. 1 SGB X. Der auf § 818 Abs. 3 Bürgerlichen Gesetzesbuches (BGB) - ggf. in entsprechender Anwendung - gestützte Entreicherungseinwand, auf den sich der Kläger hier berufen hat, greife im Rahmen der Aufhebungs- und Erstattungsvorschriften der §§ 44ff. SGB X nicht ein. Die dem § 818 Abs. 3 BGB zu Grunde liegenden Wertungsgesichtspunkte seien in diesem rechtlichen Kontext an anderer Stelle eingeflossen, im Rahmen von § 45 SGB X unter dem Gesichtspunkt, ob das Vertrauen des Betroffenen auf die Bestandskraft schutzwürdig sei (§ 45 Abs. 2 SGB X), was aber gerade dann nicht der Fall sei, wenn der Leistungsempfänger - wie hier - vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe und der Bescheid hierauf beruhe; eine Wertung, die sich im Übrigen auch im Bereicherungsrecht finde (§ 819 Abs. 1 BGB). Für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ergebe sich die Erstattungspflicht aus § 335 Abs. 1 SGB III. Die Erstattung sei dabei auch nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil die Forderung durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung erloschen wäre. Es sei keine Forderung ersichtlich, mit der der Kläger hätte aufrechnen können: Die gezahlten Beiträge als solche stellten zunächst keine Forderung dar. Die Aufrechnungserklärung sei daher offenbar so zu verstehen, der Kläger meine, er habe einen Anspruch auf Erstattung der Beiträge. Dafür sei aber eine Grundlage nicht ersichtlich, Ansatzpunkte für eine Verfassungswidrigkeit des gesamten Systems der Arbeitslosenversicherung, auf die sich der Kläger insoweit beruft, seien nicht ersichtlich.

Der Kläger hat gegen das ihm am 08. Dezember 2008 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main am 17. Dezember 2008 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger hat zwischenzeitlich die Bewährungsauflage der Erstattung der streitgegenständlichen Forderung nicht mehr erfüllt, so dass er die ausgeurteilte Freiheitsstrafe in Haft verbüßt hat.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Sozialgericht Frankfurt am Main nicht örtlich zuständig gewesen sei, weshalb das Urteil aufzuheben sei. Zudem ist er der Ansicht, dass es sich bei den von ihm ausgeübten Tätigkeiten nicht um Beschäftigungen im Sinne des Sozialgesetzbuches gehandelt habe. Darüber hinaus behauptet er, dass er nicht im streitgegenständlichen Zeitraum mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig gewesen sei. Er sei vielmehr im streitgegenständlichen Zeitraum über das Wochenende oder für maximal drei Werktage ins Ausland verreist gewesen, nämlich nach Irland, Dänemark, Kanada, Schweiz, Luxemburg, Österreich, Italien, Griechenland, Rumänien, Ungarn, Türkei, Ägypten und Zypern, ohne dass dadurch seine Arbeitslosigkeit unterbrochen worden sei. Letztlich missachte die Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt am Main das ausgesprochene Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der bei ihm beschlagnahmten Beweisstücke, von welchen nämlich eine Fernwirkung ausgehe. Zudem behauptet er, dass die Zahlungen der Eheleute D. für eine durch ihn erbrachte Arbeitsleistung in den Jahren 1997 und 1998 erfolgte. Der Kläger ist außerdem der Ansicht, dass das System der Arbeitslosenversicherung aufgrund seiner Finanzierung verfassungswidrig sei, weil die Beitragserhebung einem enteignungsgleichen Eingriff gleichstehe und darüber hinaus der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Grundgesetz verletzt werde.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2004 aufzuheben,

ferner beantragt der Kläger unter Erweiterung seiner bisherigen Klage,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger und seine ehemaligen Arbeitgeber in der Zeit vom 1.10.1975 bis zum 31.3.1999 die je hälftigen Arbeitslosengeldbeiträge zurückzuzahlen, in der Zeit vom 1.10.1975 bis 22.2.1977 an die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände an den Kläger vom 1.3.1977 bis zum 30.9.1977 an den Arbeitgeberverband der Deutschen Binnenschiffer, vom 1.7.1978 bis 30.9.1978 Druckverband Niedersachsen, vom 1.10.1978 bis zum 31.12.1980 W., vom 1.10.1981 bis 28.2.1982 Spezialgerätebau X-Stadt, vom 17.12.1995 bis 31.3.1999 Y. GmbH.

Die Beklagte zu verpflichten, für den Zeitraum 1.10.1975 bis 31.3.1999 für den Kläger ein personenbezogenes Einnahmenbeitrags- und Ausgabenleistungskonto zu erstellen.

Die Beklagte zur Abgabe der Willenserklärung zu verpflichten, welche Rückstellungen, sie bezogen auf den Kläger für die Zeit vom 1.10.1975 bis 31.3.1999, gebildet hat.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klageerweiterung als unzulässig abzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Leistungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Bielefeld Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhoben.

Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger rügt zu Unrecht die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Frankfurt am Main, denn diese ist in der Berufungsinstanz nicht zu überprüfen, wenn das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit bejaht hat, § 98 Satz 1 SGG iVm § 17 a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage 2012, § 57 Rn. 12). Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat seine örtliche Zuständigkeit ausdrücklich bejaht.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn der streitgegenständliche Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung ist § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nach § 45 Abs. 2 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Leistungsbescheides der Beklagten vom 20. Oktober 2000 und hinsichtlich der Anpassungsbescheide vom 01. Januar 2001 und 24. April 2001 bezüglich der Gewährung von Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) vor. Die Beklagte ist zudem gemäß § 330 Abs. 2 SGB III verpflichtet, die Leistung auch für die Vergangenheit aufzuheben. Sie hat kein Ermessen auszuüben.

Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld setzte nach § 117 Abs. 1 SGB III (in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594 - a. F.) voraus, dass der Betroffene,
1. arbeitslos war,
2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet
3. und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.
Arbeitslos war dabei nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a. F. nur, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand. § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB III a. F. stellte diesbezüglich selbständige Tätigkeiten den Beschäftigungsverhältnissen gleich. Die Aufnahme einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit führte dabei nach § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. nur dann nicht zum Wegfall der Arbeitslosigkeit wenn sie weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasste. Mehrere Beschäftigungen oder Tätigkeiten wurden zusammengerechnet, § 118 Abs. 2 S. 2 SGB III a. F.

Der Kläger war zur Überzeugung des Senats im streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitslos, denn er war nicht beschäftigungslos. Es ergibt sich für den Senat unter Würdigung aller, nicht vom ausgesprochenen Beweisverwertungsverbot erfassten, in den beigezogenen Strafakten (24 Bände) vorhandenen Urkunden, Zeugenprotokollen und eigenen Eingaben des Klägers, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum eine selbständige Tätigkeit als Unternehmer und Berater ausübte. Es ist unerheblich, ob und welches Einkommen er mit dieser Tätigkeit erzielte. Maßgeblich ist allein, dass er diese Tätigkeit in einem Umfang ausübte, die die Grenze von 15 Stunden pro Woche überschritt. Dies war zur Überzeugung des Senats der Fall. Es wird zunächst zur Begründung im vollen Umfang auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main Bezug genommen. Der Senat macht sie sich zu eigen und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs. 2 SGG. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Ausführungen zu den Auswirkungen des Beweisverwertungsverbotes im vorliegenden Verfahren und hinsichtlich der Ausführungen bezüglich der Bewertung der Aktivitäten des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum als selbständige Tätigkeit, welche den Umfang von 15 Stunden wöchentlich überschritt.

Ergänzend ist auszuführen: Der Kläger selbst gab im Jahr 2000 anlässlich einer Zeugenvernehmung an, dass er als Unternehmer, Inhaber diverser Unternehmen, auch als Unternehmensberater, und Schriftsteller tätig sei. Er war zur Überzeugung des Senats noch als selbständiger Berater für D. D. nach dessen Verhaftung 1998 und auch noch im streitgegenständlichen Zeitraum tätig. Der Kläger bezeichnete sich selbst in diversen Schreiben als ehemaliger "Chefjurist" der Firmengruppe D. und kündigte an, dass er die Hauptversammlungen einzelner Aktiengesellschaften, die zur vormaligen Z. AG (Gebrüder D. Gruppe) gehörten, besuchen und dort erhebliche Vorwürfe erheben werde. Er habe Herrschaftswissen und rechtliche Kenntnisse und könne alle Aktivitäten blockieren und Geschäftstätigkeiten verhindern. Er drohte in Schreiben diversen agierenden Geschäftsführern, Vorständen und Gesellschaftern, ihn nicht auszuschließen und diverse Aktivitäten zu unterlassen. Zugleich kündigte er an, dass er aus diversen Gründen der Familie D. helfen werde und für sie agieren werde, was er im Folgenden auch tat, unter anderem, in dem er Strafanzeigen gegen eine Vielzahl von Personen erhob, teilweise im zeitlichen Zusammenhang mit anstehenden Hauptversammlungen. Er wandte viel Zeit für Eingaben an Dritte und Strafermittlungsbehörden auf. So ergibt sich aus einer Einlassung des Klägers an die StA Bielefeld, dass er seit dem 05. August 2001 alle Schriftsätze und Eingaben für Herrn D. D. als Verteidiger angefertigt habe (Bl. 1534 Akten StA). Der Senat geht daher davon aus, dass der Kläger auch nach der Verhaftung und Wiederfreilassung des D. D. seine Kenntnisse für diesen als selbständig tätiger Berater einsetzte. Der Senat konnte sich nach Würdigung aller Umstände nicht davon überzeugen, dass der Kläger dies nicht als selbständiger Unternehmer, sondern im Rahmen eines Freundschaftsdienstes tat. Hiergegen spricht, dass der Kläger für die Firma L. e. K. von Frau D1. D. in F-Stadt, F-Straße Büroräume angemietet hatte. Ebenso spricht gegen einen Freundschaftsdienst, dass er ein Honorar erhielt. Dies ergibt sich aus Rechnungen, die bei einer Untersuchung in den Räumen der H. Beteiligungs GmbH gefunden wurden, die nicht rechtswidrig war (Bl. 1501 Akten StA).

Zudem verfolgte er auch die Durchsetzung einer Forderung der Frau D. im eigenen Namen, auch hierbei handelt es sich um eine fremde Geschäftsbesorgung im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit. Er erhielt dafür ebenfalls ein Entgelt. Zudem übte er diverse andere Aktivitäten aus. Letztlich war der Kläger mit diversen Aktivitäten mit diversen weiteren Firmen in weiteren Branchen tätig. Der Kläger selbst hielt sich zudem im streitgegenständlichen Zeitraum an diversen Orten in der BRD und im Ausland auf. Auch diese Reiseaktivitäten standen im Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten. Der Kläger begründete seine Beschwerde gegen die Durchsuchungsbeschlüsse vor allem damit, dass bei den Durchsuchungen auch Unterlagen beschlagnahmt wurden, die er für seine geschäftsmäßigen Tätigkeiten benötigt. Er führte aus, dass es rechtswidrig sei, dass eine Person wegen des Verdachts der falschen Anschuldigung einer Person geschäftsmäßig handlungsunfähig gemacht werde. Er verwies auch darauf, dass er wegen der Beschlagnahme aller Computer nicht in der Lage sei, dringend erforderliche geschäftsmäßige Korrespondenz seiner Firmen L. e. K., N. e. K., M. e. K. und P. e. K. zwischen dem 01. August und 05. August 2001 zu erledigen, bevor er am 06. August 2001 stationär ins Krankenhaus müsse. So habe er noch die Steuererklärungen für die Jahre 1998 bis 2000 fertig stellen wollen. Es entstehe hierdurch ein Schaden, den er im Wege der Amtshaftung geltend machen werde. Dieser werde in einer Größenordnung in Höhe von ca. 12.000.000 DM liegen. Sein Anwalt verlautbarte, dass der Kläger nicht in der Lage sei, seiner regelmäßigen Geschäftstätigkeit nachzugehen, insbesondere sei der Rechner für seine Tätigkeit bezüglich der Firma "Inter-O. e. K." erforderlich. Die Mitnahme des Internetportals dieser Firma habe dazu geführt, dass diese Firma seit dem 25. Juli 2001 nicht mehr betrieben werden könne, so dass schon bis zum 03. August 2001 ein kaum abschätzbarer Schaden entstanden sei. Er erbrachte außerdem Beratungsleistungen für die E1. Immobilen GmbH, E-Stadt im Zeitraum von Juni 2000 bis April 2001. Es existiert ein entsprechender Beratervertrag, der ein Erfolgshonorar in Höhe von 5.000 DM und ein stundenmäßiges Honorar vorsah. Ebenso hatte er mit seiner Firma N. e. K. einen Beratungsvertrag mit der Firma T. Systembau GmbH abgeschlossen. Zudem ergab sich aus den strafrechtlichen Ermittlungen, dass der Kläger weitere Prozesse für Dritte führte im streitgegenständlichen Zeitraum und auch für diese Tätigkeit ein Entgelt erhielt. So zum Beispiel hinsichtlich Kosten für Mietwagen (Urteil AG Düsseldorf vom 19. Februar 2001, Kläger klagte aus abgetretenem Recht, Bl. 903 Akten StA). Er gründete Verbände im Entsorgungsbereich und führte Prozesse (Bl. 901 Akten StA). Zudem agierte er in einem Prozess der R. Speiserestverwertung GmbH und vereinbarte ein Erfolgshonorar in Höhe von 30.000 DM im Jahr 2001. Er trat als Generalbevollmächtigter im Jahr 2001 auf und vertrat die GmbH.

Der Kläger war zudem nicht arbeitslos, da er nicht verfügbar war. Nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a. F. war arbeitslos nur, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung suchte (Beschäftigungssuche). Eine Beschäftigung suchte nach § 119 Abs. 1 SGB III a. F., wer
1. alle Möglichkeiten nutzte und nutzen wollte, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und
2. den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stand (Verfügbarkeit).
Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes stand nach § 199 Abs. 2 SGB III a. F. zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist. Arbeitsfähig war gemäß § 119 Abs. 3 SGB III a. F. ein Arbeitsloser, der
1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden den wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben,
2. an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und
3. Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten konnte und durfte.
Dies setzte voraus, dass der Kläger den Voraussetzungen der Erreichbarkeitsanordnung (in der Fassung vom 23. Oktober 1997, ANBA 1997, 1685-1686) (EAO) genügte. Nach § 1 EAO konnte Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wer in der Lage ist, unverzüglich
1. Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen,
2. das Arbeitsamt aufzusuchen,
3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und
4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Der Arbeitslose hatte deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.

Über Ausnahmen von diesem Grundsatz entschied das Arbeitsamt im Rahmen der nachfolgenden Vorschriften. Nach § 2 EAO konnte sich der Arbeitslose vorübergehend auch von seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt entfernen, wenn
1. er dem Arbeitsamt rechtzeitig seine Anschrift für die Dauer der Abwesenheit mitgeteilt hat,
2. er auch an seinem vorübergehenden Aufenthaltsort die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 erfüllen kann und
3. er sich im Nahbereich des Arbeitsamtes aufhält. Zum Nahbereich gehören alle Orte in der Umgebung des Arbeitsamtes, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, das Arbeitsamt täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen.
Nach § 3 EAO stand, wenn der Arbeitslose nicht die Voraussetzungen des § 2 Nrn. 1 bis 3 EOA erfüllte, dies der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn das Arbeitsamt vorher seine Zustimmung erteilt hat. Der Kläger genügte diesen Anforderungen nach seinem eigenen Vortrag nicht. Er reiste entsprechend seinen schriftlichen Ausführungen vom 08. Januar 2013 im streitgegenständlichen Zeitraum in 78 ausländische Städte weltweit in 14 Ländern, ohne zuvor eine Genehmigung der Beklagten einzuholen.

Hinsichtlich des Beweisverwertungsverbots ist ergänzend festzustellen, dass seitens der Staatsanwaltschaft Bielefeld keinesfalls – entgegen der vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat erhobenen Behauptung – die später vom Beweisverwertungsverbot umfassten Unterlagen und Gegenstände gesichtet, ausgewertet und verwendet wurden. Vielmehr wurde die Auswertung der beschlagnahmten Beweisstücke mit Eingang der Beschwerden des Klägers gestoppt, sodann nicht wieder aufgenommen und die Beweisstücke herausgegeben. Es liegen dementsprechend auch keinerlei Auswertungen in den vorhandenen Strafakten vor. Weder die Beklagte noch der erkennende Senat haben folglich Kenntnis von diesen Beweisstücken erlangt.

Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 4, Abs. 2 Satz 3 SGB X hinsichtlich einer Aufhebung für die Vergangenheit sind gegeben. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger aufgrund seiner persönlichen Kenntnisse als Jurist vorsätzlich handelte, in dem er bei Beantragung von Arbeitslosengeld angab, er übe keinerlei Tätigkeit aus.

Die Jahresfrist gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X wurde eingehalten.

Da Arbeitslosengeld somit im streitgegenständlichen Zeitraum zu Unrecht gewährt wurde, ist dieses nach § 50 SGB X zu erstatten. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung fehlerhaft berechnet wurde. Gleiches gilt für die sich aus § 335 SGB III ergebende Erstattungspflicht bezüglich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

Die Klageänderung ist gemäß § 99 SGG unzulässig. Grundsätzlich ist eine Klageänderung auch im Berufungsverfahren möglich, da § 99 SGG nach § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren zur Anwendung gelangt. Nach § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Als eine Änderung der Klage ist es nach § 99 Abs. 3 SGG nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds
1. die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2. der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3. statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.
Es handelt sich zunächst um eine Klageänderung, da die Voraussetzungen der in § 99 Abs. 3 SGG aufgezählten Alternativen nicht gegeben sind, da es sich bei der Geltendmachung von Erstattungsforderungen gegen die Beklagte und damit im Zusammenhang stehenden Erklärungen um einen neuen Streitgegenstand handelt, der mit der Aufhebungs- und Erstattungsforderung der Beklagten gegen den Kläger nicht in Verbindung steht. Die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit der Klageänderung liegen nicht vor, da die Beklagte zum einen der Klageänderung widersprochen hat und dieser ausdrücklich nicht zugestimmt hat. Zum anderen ist sie nach Auffassung des Senats nicht sachdienlich. Das Begehren des Klägers hinsichtlich der Erstattung seiner Beiträge setzt grundsätzlich einen Antrag auf Erstattung voraus, der an die sich aus § 351 SGB III ergebende Stelle zu richten ist. Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren hinsichtlich der Beitragserstattung die Aufrechnung gegenüber der Beklagten erklärt und im Berufungsverfahren die streitgegenständlichen Klageanträge gestellt. Die Beklagte oder eine dritte Stelle hat jedoch bisher nicht über einen Erstattungsantrag entschieden, da ein solches Begehren explizit nicht formuliert wurde. Die Klageänderung ist damit nicht sachdienlich, da es an einem entsprechenden Bescheid und der Durchführung eines Vorverfahrens fehlt, die Klage insoweit folglich unzulässig ist. Da die weiteren, ebenfalls erstmals im Berufungsverfahren gestellten Anträge mit dem Erstattungsbegehren im Zusammenhang stehen, sind auch diese nicht sachdienlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved