L 10 R 1508/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 4224/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1508/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.04.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 1964 geborene Kläger, deutscher Staatsbürger, erlernte von Mitte September 1980 bis Mitte September 1983 den Beruf des Bäckers und ließ sich - so seine Angaben (S. 81 Renten-VerwA) - während seines Wehrdienstes von Anfang Juli bis Ende September 1985 zum Koch fortbilden. Zuletzt war er von 1989 bis 1994 sozialversicherungspflichtig als Arbeiter in einer Metallschlauchfabrik beschäftigt (vgl. Versicherungsverlauf S. 134 Renten-VerwA und Angaben des Klägers S. 32 ÄT Renten-VerwA). Seit Juli 1994 ist er im Wesentlichen - von zeitweisen geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen Beschäftigungen u.a. als Regalauffüller in den Jahren 2000 und 2001 (vgl. Bl. 14 SG-Akte) abgesehen - arbeitsunfähig bzw. ohne Beschäftigung und arbeitsuchend. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 festgestellt.

Im März 2013 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Reha Klinik O. in Bad M. (Abt. Innere Medizin/Gastroenterologie) teil, aus der er arbeitsfähig und mit einem Leistungsvermögen für mittelschwere Arbeiten von sechs Stunden und mehr täglich (Einschränkungen: keine Belastungsfaktoren wie Nacht- und Akkordarbeit, keine besonderen Anforderungen an Konzentration, Reaktion und Anpassung, ohne Verantwortung für Personen und Maschinen bzw. für die Überwachung/Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge) entlassen wurde (Diagnosen s. S. 127 ÄT Renten-VerwA).

Am 15.02.2017 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen holte die Beklagte das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. ein, die beim Kläger nach Untersuchung eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und zwanghaften Anteilen sowie eine somatoforme Schmerzstörung, differentialdiagnostisch Cönästhesien bei schizophrener Psychose ohne Hinweise auf eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, diagnostizierte. Leichte Tätigkeiten seien dem Kläger sechs Stunden und mehr pro Tag möglich. Mit Bescheid vom 24.04.2017 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könne und daher keine Erwerbsminderung vorliege. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 16.11.2017). Hiergegen hat der Kläger am 08.12.2017 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, dass nicht alle bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen berücksichtigt worden seien, namentlich nicht sein Müdigkeitssyndrom.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Die Praxis der Fachärzte für Neurologie und Nervenheilkunde Dres. K. und S. hat mitgeteilt, dass der Kläger dort nur bis Ende 2013 behandelt worden sei. Der Nervenarzt Dr. H. hat bekundet, dass der Kläger ihn zuletzt Anfang September 2016 wegen "Hilfe in Bezug auf das Arbeitsamt" aufgesucht habe. Während der fünf Behandlungen in der Zeit von Ende 2015 bis September 2016 habe die Grunderkrankung einer Psychose mit zönästhetischen Missempfindungen im Vordergrund gestanden, ohne dass sich wesentliche Änderungen ergeben hätten. Er halte den Kläger für nicht mehr in der Lage, drei Stunden regelhaft zu arbeiten. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie V. hat (u.a.) über eine beim Kläger seit Mitte der 1990er Jahre chronifizierte, auf das eigene Körpererleben fixierte psychische Erkrankung (coenästhetische Psychose) berichtet, wobei sich an den körperlichen Beeinträchtigungen über die Jahre nichts Wesentliches geändert habe. Seine Konzentrations- und Umstellungsfähigkeit sei eingeschränkt, seine Leistungsfähigkeit liege unter drei Stunden pro Tag. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Z. hat u.a. mitgeteilt, dass der Kläger aus orthopädischer Sicht in der Lage sei, leichte Tätigkeiten mit überwiegendem Sitzen, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen und ohne Nässe-, Kälte- und Zugluftexposition mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Allgemeinmediziner und Diabetologe Dr. F. hat angegeben, er sehe beim Kläger keinerlei Einschränkungen, insbesondere sei er aus diabetologischer Sicht genauso leistungsfähig wie ein Gesunder.

Nach sozialmedizinischer Stellungnahme der Beklagten durch die Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizinerin MUDr. H. (Bl. 42 f. SG-Akte) hat das SG von Amts wegen das Sachverständigengutachten des Facharztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. eingeholt. Dieser hat nach Untersuchung beim Kläger eine Somatisierungsstörung und eine Persönlichkeitsakzentuierung diagnostiziert. Der Ausprägungsgrad sei leicht bis allenfalls mittelgradig einzustufen bei lediglich leicht niedergeschlagener Grundstimmung, erhaltener affektiver Resonanzfähigkeit und ohne Störungen des Bewusstseins, des formalen und inhaltlichen Denkens, der Orientierung, der Auffassung, der Konzentration und des Gedächtnisses (Bl. 67, 73 f. SG-Akte). Eine zoenästhetische Schizophrenie liege nicht vor, ebenso wenig eine hirnorganisch bedingte psychische Symptomatik (Bl. 67, 73 f. SG-Akte); es bestehe - namentlich im Hinblick auf das Kontaktverhalten des Klägers - ebenfalls kein ausreichender Anhalt für eine Persönlichkeitsstörung, auch wenn seine Grundpersönlichkeit einzelgängerisch bzw. schizoid veranlagt sei (Bl. 67, 74 SG-Akte). Es erfolge auch keine hochfrequente ambulante psychiatrische Behandlung (Bl. 71 SG-Akte) bzw. keine hochpotente Psychopharmakotherapie - aktuell würden nicht einmal antidepressive Medikamente eingenommen (Bl. 72 SG-Akte) -, wozu auch keine unbedingte Indikation bestehe (Bl. 81 SG-Akte). Seine geistige Flexibilität sei gut, relevante kognitive oder mnestische Defizite bestünden nicht (Bl. 73 SG-Akte), ebenso wenig Sinnestäuschungen, Ich-Störungen, dissoziative Störungen, eine endogene circadiane Rhythmik der Stimmungslage (Bl. 67 SG-Akte), eine soziale Phobie oder eine Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit bzw. eine auffallende Erschöpftheit (Bl. 77 f. SG-Akte). Auch liege keine Antriebsminderung oder gar eine psychomotorische Hemmung vor, was sich auch aus den klägerischen Tagesablaufaktivitäten (vgl. Bl. 60 ff. SG-Akte: Bewerbungen schreiben, Haushaltstätigkeiten, kochen, lesen, fernsehen, Computer, regelmäßiger Kontakt mit "mehreren Kumpels", intakte Beziehung zur Lebensgefährtin, angeln und Mitgliedschaft im Anglerverein, Besuch der Eltern am Wochenende) ergebe (Bl. 77 SG-Akte). Die neurologische Untersuchung habe keine wesentlichen Auffälligkeiten erbracht (vgl. Bl. 74 SG-Akte). Leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne vermehrt seelische Belastungen, etwa emotionaler Art oder mit erhöhtem Konfliktpotential, ohne vermehrtem Publikumsverkehr, ohne Nachtschicht und ohne vermehrte Lärmexposition seien dem Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich möglich. Der Leistungseinschätzung des Facharztes V. sei nicht zu folgen, auch nicht der des Dr. H. , zumal kein Anhalt für eine "wahnhafte" Störung bestünde (vgl. Bl. 83 f. SG-Akte).

Zu dem Sachverständigengutachten des Dr. S. hat die Klägerseite Stellung genommen (Bl. 94 SG-Akte) und gemeint, dass den Einschätzungen der behandelnden Fachärzte V. und Dr. H. eine "größere Aussagekraft" zukomme.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.04.2019 abgewiesen. Nach Darstellung der rechtlichen Grundlagen für die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 und 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) hat es ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfülle, weil er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr täglich arbeiten könne. In orthopädischer Hinsicht ist es der Leistungseinschätzung des Dr. Z. gefolgt, in internistischer Hinsicht der des Dr. F. bzw. der Ärzte in Bad M ... In psychiatrischer (ebenso wie in neurologischer) Hinsicht hat es sich im Wesentlichen auf das Sachverständigengutachten des Dr. S. gestützt - der die Leistungseinschätzung der Gutachterin Dr. E. bestätigt habe - und auf Grundlage des vom Sachverständigen erhobenen klinischen Befunds im Einzelnen dargelegt, dass und warum dessen Leistungsbeurteilung überzeuge, nicht hingegen die der Fachärzte V. und Dr. H ...

Gegen den den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.04.2019 zugestellten Gerichtsbescheid haben diese am 02.05.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und sich weiterhin auf die Einschätzung der Fachärzte V. und Dr. H. berufen. Der Sachverständige Dr. S. habe die seit Jahren beim Kläger diagnostizierte Persönlichkeitsstörung "ohne weitere Begründung abgelehnt".

Der Kläger beantragt (vgl. Bl. 14 Senats-Akte),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.04.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2017 zu verurteilen, ihm ab 01.02.2017 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2017 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 und 1 SGB VI) zu.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich ausüben kann. Das SG hat ausführlich und zutreffend, insbesondere auf der Grundlage des vom Sachverständigen Dr. S. erstatteten Gutachtens, dargelegt, dass und warum auf dem - vom Kläger in den Vordergrund gerückten - psychiatrischen Fachgebiet keine rentenrelevante zeitliche Leistungsminderung resultiert und dass bzw. warum den Leistungseinschätzungen der behandelnden Fachärzte V. und Dr. H. nicht gefolgt werden kann; gleichermaßen überzeugend hat es auf der Grundlage der Auskunft des Dr. Z. für das orthopädische und auf der Grundlage der Auskunft des Dr. F. bzw. des Entlassungsberichts der Ärzte in Bad M. für das internistische Fachgebiet dargelegt, dass auch im Hinblick auf die somatischen Gesundheitsstörungen keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens resultiert. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den oben zusammengefassten Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zugunsten des Klägers legt der Senat über die vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. S. im Einzelnen benannten - oben im Tatbestand wiedergegebenen - qualitativen Einschränkungen auch die von den Ärzten in Bad M. zusätzlich genannten (s.o.) sowie die von Dr. Z. aufgeführten (s.o.) zu Grunde.

Wie bereits das SG verneint somit auch der Senat eine rentenrelevante Leistungseinschränkung. Vielmehr ist der Kläger in der Lage, jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der angeführten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Er ist damit nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI).

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Soweit die Klägerseite gemeint hat, der gerichtliche Sachverständige Dr. S. habe eine Persönlichkeitsstörung "ohne weitere Begründung abgelehnt", ist darauf hinzuweisen, dass er sich sehr wohl - unter Annahme einer Persönlichkeitsakzentuierung - mit dieser Diagnose auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt hat, dass sich auf Grund des von ihm erhobenen Befunds (namentlich auch im Hinblick auf das Kontaktverhalten des Klägers, s. Bl. 74 SG-Akte, vgl. auch Bl. 62 f., 66 f. SG-Akte: kann sich freuen, u.a. über das Angeln und die Freundin, kann Essen "ein bisschen" genießen, beschreibt sich selbst als "ruhig und humorvoll", Wunsch nach einem Nebenjob, Gestik und Mimik angemessen, auskunftsbereit und kooperativ, Sprache ausreichend moduliert und fest bei angemessenem Sprachverständnis und Ausdrucksvermögen, spontanes und authentisches Lächeln in der Untersuchungssituation, formales Denken nicht verlangsamt und folgerichtig, keine inhaltlichen Denkstörungen, keine Sinnestäuschungen, keine Ich-Störungen, keine dissoziativen Störungen) kein sicherer Anhalt für eine derartige Störung ergibt.

Ungeachtet dessen erschließt sich schon nicht, welche (zusätzlichen) Einschränkungen beim Kläger aus einer Persönlichkeitsstörung - über eine Somatisierungsstörung mit Persönlichkeitsakzentuierung hinaus - folgen sollten. Für die rentenrechtliche Beurteilung von Erwerbsminderung kommt es nämlich nicht entscheidend auf eine bestimmte Diagnosestellung an, sondern maßgeblich auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris, Rdnr. 15), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen, weswegen auch die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht relevant sind (BSG, a.a.O.). Nur am Rande merkt der Senat an, dass auch die Gutachterin Dr. E. unter der Annahme einer Persönlichkeitsstörung nicht zu einer zeitlichen Leistungsminderung beim Kläger gelangte und dass MUDr. H. (Bl. 42 f. SG-Akte) - unter ausdrücklichem Hinweis auf die bereits in der Vergangenheit nicht gesicherte psychiatrische Diagnostik - schlüssig und nachvollziehbar die beim Kläger bestehenden Funktionsstörungen als nicht derart schwerwiegend erachtet hat, dass daraus eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens resultiert. Der gerichtliche Sachverständige hat dies bestätigt. Soweit sich die Klägerseite weiterhin auf die Einschätzung der Fachärzte V. und Dr. H. beruft, hat das SG auf der Grundlage des vom Sachverständigen Dr. S. erhobenen - oben zusammengefasst wiedergegebenen - klinischen Befunds (sowie der vom Kläger geschilderten Tagesablaufaktivitäten) und dessen Auseinandersetzung mit den Einschätzungen dieser Ärzte im Einzelnen dargelegt, warum der Auffassung der Fachärzte V. und Dr. H. nicht gefolgt werden kann. Der Senat merkt daher insoweit nur noch am Rande ergänzend an, dass Dr. H. (s. seine Auskunft gegenüber dem SG, Bl. 22 SG-Akte) den Kläger ohnehin nur fünfmal - zuletzt Anfang September 2016 wegen "Hilfe in Bezug auf das Arbeitsamt", weil dieses "Druck mache", er solle sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen - untersuchte und dass beide Fachärzte ihre jeweilige Leistungseinschätzung gar nicht weiter begründet haben, wohl aber ausführlich der gerichtliche Sachverständige Dr. S. die seine. Bereits MUDr. H. hat überdies überzeugend darauf hingewiesen (vgl. Bl. 42 f. SG-Akte), dass der von dem Facharzt V. mitgeteilte psychopathologische Befund (Auskunft gegenüber dem SG, Bl. 31 SG-Akte) eine quantitative Leistungsminderung überhaupt nicht trägt.

Soweit die Klägerseite noch lediglich pauschal gemeint hat, der Einschätzung der behandelnden Ärzte (Dr. H. wie dargelegt sowieso nur bis Anfang September 2016) komme gegenüber der des Sachverständigen eine "größere Aussagekraft" zu, wird damit eine (abstrakte) Beweisregel geltend gemacht, die nicht existiert (vgl. nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128 Rdnr. 4a m.w.N.). Das Tatgericht hat vielmehr das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der Beweisaufnahme frei nach seiner Überzeugungskraft unter Abwägung aller Umstände zu würdigen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG). Dass und warum vorliegend der Leistungsbeurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. S. - der die Einschätzung der Gutachterin Dr. E. bestätigt hat - und nicht der der Fachärzte V. und Dr. H. zu folgen ist, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen. Deren Einschätzung im Rahmen ihrer dem SG erteilten Auskünfte als sachverständige Zeugen ist im Übrigen gerade Anlass für das SG gewesen, zur Verifizierung Beweis zu erheben durch die Einholung des Sachverständigengutachtens, wobei ein gerichtlicher Sachverständiger - anders als ein ärztlicher Therapeut, der in der Regel die Beschwerdeschilderungen seines Patienten seiner Beurteilung zu Grunde legt - eine kritische Distanz zum Probanden einzunehmen hat, um so zu einer möglichst objektiven Leistungsbeurteilung zu gelangen (Senatsbeschluss vom 26.11.2015, L 10 R 2946/14).

Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass auch der Umstand, dass beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 80 festgestellt ist, zu keiner anderen Bewertung führt, denn dem kommt hinsichtlich der zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit keinerlei Aussagekraft zu (BSG, Beschluss vom 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris, Rdnr. 5). Ebenso ist unerheblich, ob dem Kläger überhaupt ein freier Arbeitsplatz angeboten werden kann, denn dieses Risiko trägt die Arbeitsverwaltung, nicht jedoch die gesetzliche Rentenversicherung, welche ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94, in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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