L 10 R 1718/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 2005/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1718/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27.04.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 1968 geborene Kläger, mazedonischer Staatsbürger, erlernte keinen Beruf und zog im Dezember 1996 aus M. in das Bundesgebiet zu. Von Anfang Mai 1997 - unterbrochen durch Zeiten der Arbeitsunfähig- und Arbeitslosigkeit - war er bis Mitte November 1999 als Bauarbeiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Am 04.08.1997 erlitt er als Beifahrer eines Lkw auf dem Weg nach Hause einen Unfall, bei dem er sich - neben einem leichten Schädelhirntrauma, einer Risswunde im Bereich der linken Ohrmuschel, einer Kopfplatzwunde am Hinterkopf und diversen Prellungen und kleinerer Wunden - eine Schultergelenkskontusion rechts (bei weitgehend freier Beweglichkeit und ohne neurologische Ausfälle) sowie Frakturen der Halswirbelkörper (HWK) 3 bis 5 zuzog (vgl. Nachschaubericht des Chirurgen Dr. M. , Leitender Arzt der Unfallchirurgie des Kreiskrankenhauses L. , S. 45 ÄT Renten-VerwA). Nach Abbruch einer Belastungserprobung erstattete der LMD a.D. Prof. Dr. S. Anfang des Jahres 1999 für die BG ein Gutachten und führte nach Untersuchung des Klägers u.a. aus, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorliege. Der Kläger stehe nach eigener Angabe auch nicht mehr in Behandlung. Die von ihm geklagten Beschwerden seien überwiegend subjektiver Natur und entsprächen nur teilweise dem klinischen Befund, zumal neurologische Schäden nicht bestünden. In seinem anschließenden Ersten Rentengutachten (S. 125 ff. ÄT Renten-VerwA) berichtete der Facharzt für Orthopädie Dr. A. nach Untersuchung des Klägers Anfang Juni 1999, bei der der Kläger weder über Beschwerden an der Schulter klagte noch bei der Untersuchung Auffälligkeiten bestanden, u.a., dass die beim Unfall hinzugezogenen multiplen Prellungen sowie die Platzwunden am linken Hinterkopf und beim linken Ohr folgenlos ausgeheilt seien, die HWK-Frakturen knöchern fest konsolidiert. Als Unfallfolgen bestünden noch eine leichte Subluxationsstellung der Halswirbelsäule (HWS) mit Steilstellung und leichter kyphotoischer Knickbildung, eine eingeschränkte Seitneigung der HWS nach links ohne Hinweise auf eine cervicalspinale Wurzelläsion, außerdem - unfallunabhängig - eine diskrete Bandscheibendegeneration im Bereich der HWK 5/6 und 6/7 mit diskreter Retrospondylose. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe eine vollschichtige Erwerbsfähigkeit; in Ansehung der nur noch sehr diskret verbliebenen Unfallfolgen sei nicht nachvollziehbar, warum eine Wiedereingliederung in den bisherigen Beruf gescheitert sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage dauerhaft 10 v.H.

Von Ende November 1999 befristet bis Ende November 2001 war der Kläger nach eigener Angabe (S. 1 ÄT Renten-VerwA) - allerdings mit Unterbrechungen - als Lagerarbeiter und von Anfang Juni 2002 befristet bis Ende Mai 2004 als Arbeiter in einer Textilfabrik beschäftigt. In den Zwischenzeiten bezog er Arbeitslosengeld. Anschließend arbeitete er - wiederum nach eigenen Angaben (s. S. 3 f. ÄT Renten-VerwA) - von Ende Mai 2005 mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähig- und Arbeitslosigkeit bis Mitte Dezember 2015 (zuletzt befristet) als Bauhelfer für ein Leiharbeitsunternehmen in der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Mitte April 2016 trat Arbeitsunfähigkeit ein. Eine Beschäftigung nahm der Kläger seither nicht mehr auf. Zuletzt bezog er von Mitte Dezember 2015 bis Mitte Mai 2016 Arbeitslosengeld und von Anfang Juni 2016 bis zu seiner Inhaftierung Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Wegen der weiteren Einzelheiten der vom Kläger zurückgelegten Versicherungszeiten wird auf den Versicherungsverlauf (Bl. 55 Senats-Akte) Bezug genommen.

Im Dezember 2013 - während seiner Vollzeitbeschäftigung (vgl. Bl. 31 Senats-Akte: 40 Stunden pro Woche) als Bauarbeiter in der S. - nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der B. -Klinik in Bad K. teil, aus der er ausweislich des Entlassungsberichts (Bl. 46 ff. Senats-Akte) zwar arbeitsunfähig, aber mit einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich für mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (ohne monotone Wirbelsäulenzwangshaltungen und häufige In-/Reklinationsbelastun-gen) entlassen wurde (Diagnose: persistierende Cervicobrachialgien links bei Bandscheibenschaden). Diese Leistungseinschätzung teilte der Kläger (s. Bl. 47 Senats-Akte).

Im Juli/August 2016 nahm der Kläger erneut an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme teil, dieses Mal in der Rehaklinik Ü. (Abt. Orthopädie) in I. im A ... Ausweislich des Entlassungsberichts wurde er wiederum zwar arbeitsunfähig aber mit einem Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich (Einschränkungen: keine lang andauernden Wirbelsäulenzwangshaltungen, kein überdurchschnittlich häufiges Bücken, Heben und Tragen, keine Überkopfarbeiten, keine besondere Beanspruchung der oberen Extremitäten) entlassen (Diagnosen: Belastbarkeits- und Bewegungsdefizit bei persistierendem Cervicobrachialsyndrom linksbetont bei Zustand nach HWS-Kontusion im August 1997 mit Fraktur der HWK 3/4/5 und knöcherner Konsolidierung einer leichten Subluxationsstellung von C4 zu C5; Bewegungs- und Belastbarkeitsdefizit der LWS bei Bandscheibenprotrusion L3 bis L5). Eine Tätigkeit als Bauarbeiter sei (weiterhin) nicht mehr leidensgerecht; relevante Einschränkungen bei der Selbstversorgung oder bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bestünden nicht. Mit dieser Beurteilung zeigte sich der Kläger einig (s. Bl. 1a-2 des Entlassungsberichts, unblattiert ÄT Reha-VerwA).

Am 27.10.2016 beantragte der Kläger (erneut) Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab u.a. an (S. 5 ÄT Renten-VerwA), sich seit Anfang 2016 für erwerbsgemindert zu halten. Seit seinem "Arbeitsunfall 1999" sei seine Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und er habe "starke Schmerzen". Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei (u.a. die oben bereits aufgeführten) und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.01.2017 und der Begründung ab, dass im Versicherungskonto des Klägers nicht die erforderlichen 36 Monate an Pflichtbeiträgen im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 26.10.2016 erreicht - sondern lediglich 24 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt - seien, vorliegend keine Ausnahmebestimmung eingreife und deswegen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Erwerbsminderungsrente nicht vorlägen. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass seine "schwere Erkrankung" von einem Arbeitsunfall im Jahr 1997 herrühre und sich seither stetig verschlimmert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend zu den Ausführungen im Ausgangsbescheid wies sie darauf hin, dass auch der Zeitraum vom 01.01.1984 bis 30.09.2016 nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sei und dass die in der S. zurückgelegten Zeiten nicht berücksichtigt werden könnten, da das deutsch-schweizerische Sozialversicherungsabkommen auf Drittstaatsangehörige keine Anwendung finde.

Hiergegen hat der Kläger am 29.05.2017 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen - unter Hinweis auf bereits aktenkundige ärztliche Unterlagen und solche aus den Jahren 2017 (namentlich den Arztbrief des Chefarztes der Klinik für Orthopädische Chirurgie des Kreiskrankenhauses R. Prof. Dr. E.: u.a. Subacrominalsyndrom der linken Schulter bei Rotatorenmanschettenruptur links, fortgeschrittene OsteochondR. C5/C6 unterhalb der ehemals frakturierten Wirbel, Bl. 93 SG-Akte) und 2018 (Arztbrief des Chefarztes der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie des Kreiskrankenhauses L.: u.a. "schicksalhafte deg. Veränderungen der HWS", "deutliches Compliance-Problem", "maximale Klagsamkeit", Bl. 103 SG-Akte) - geltend gemacht, dass bei ihm schon "zu einem deutlich früheren Zeitpunkt" eine Erwerbsminderung eingetreten sei, nachdem er im August 1997 einen schweren (Wege-)Unfall erlitten habe. Die Rehabilitationsmaßnahmen hätten keinen Erfolg gebracht.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. M. hat u.a. darauf hingewiesen, dass beim Kläger ab Mitte März 1999 Arbeitsfähigkeit festgestellt worden sei. Zum Leistungsvermögen im Zeitraum der stattgehabten Behandlung von August 1997 bis Anfang 1999 hat er sich nicht zu äußern vermocht. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. hat u.a. angegeben, den Kläger zwischen März 2010 und Mai 2011 behandelt zu haben. Der Kläger sei in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden pro Tag zu verrichten. Der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopäde Dr. R. hat im Wesentlichen bekundet, den Kläger zweimal im Jahr 2009 wegen HWS-Beschwerden untersucht zu haben. Eine Aussage zum beruflichen Leistungsvermögen sei ihm nicht möglich. Die Hausärztin des Klägers, Allgemeinmedizinerin Dr. K. , hat auf die behandelnden Orthopäden verwiesen; bei ihr stehe der Kläger erst seit Juli 2013 in Behandlung.

Nach sozialmedizinischer Stellungnahme der Beklagten durch die Fachärztin für Chirurgie und Sozialmedizinerin Dr. L. (Bl. 105 f. SG-Akte) und Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.04.2018 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 und 5 bzw. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 und 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) zuletzt Ende Februar 2012 vorgelegen hätten. Es sei aber weder ersichtlich noch nachgewiesen, dass beim Kläger spätestens zu diesem Zeitpunkt Erwerbsminderung eingetreten sei. Das SG hat sich dabei im Wesentlichen auf die Stellungnahme der Dr. L. und auf die Einschätzung des Dr. S. gestützt. Die vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen aus jüngerer Zeit ließen keine Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand vor fünf Jahren zu. Es liege auch kein Ausnahmefall im Hinblick auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vor. Dies wäre vorliegend nur dann der Fall, wenn eine Erwerbsminderung als Folge eines Arbeitsunfalls eingetreten sei. Indes hätten die Folgen des Arbeitsunfalls des Klägers Anfang August 1997 nach Abschluss der Behandlung nur noch in diskretem Umfang bestanden und er sei ab Mai 1999 wieder arbeitsfähig gewesen. Insoweit hat sich das SG u.a. auf das Erste Rentengutachten des Dr. A. gestützt. Darüber hinaus hat es darauf hingewiesen, dass der Kläger auch nach dem Unfall noch über viele Jahre gearbeitet habe.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27.04.2018 zugegangenen Gerichtsbescheid hat dieser am 14.05.2018 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, dass bei ihm bereits vor Februar 2012 Erwerbsminderung eingetreten und diese auch Folge des Arbeitsunfalls sei. Er hat sich dazu auf das im Schwerbehindertenklageverfahren beim SG (S 19 SB 2229/18) auf seinen Antrag nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholte Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. B. von Mai 2019 berufen (Bl. 26 ff. Senats-Akte; zu den Diagnosen auf psychiatrischem Fachgebiet s. Bl. 34 Senats-Akte).

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27.04.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2017 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und hat auf die sozialmedizinische Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizinerin MUDr. H. (Bl. 38 Senats-Akte) verwiesen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 24.01.2017 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die geltend gemachten Ansprüche richten sich nach § 43 SGB VI. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr. 2; sog Drei-Fünftel-Belegung bzw. besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75, in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach diesen Maßstäben steht dem Kläger weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu. Der Senat kann sich schon nicht davon überzeugen, dass beim Kläger Erwerbsminderung im obigen Sinne eintrat bzw. eingetreten ist.

Dies stützt der Senat namentlich auf den Entlassungsbericht der Ärzte in I ... Diese kamen (noch) im August 2016 auf der Grundlage der im Tatbestand wiedergegebenen orthopädischen Gesundheitsstörungen - die im Wesentlichen auch bereits zweieinhalb Jahre zuvor von den Ärzten in Bad K. diagnostiziert worden waren - beim Kläger lediglich zu den oben bereits genannten qualitativen Einschränkungen, nicht jedoch zu einer zeitlichen Einschränkung des klägerischen Leistungsvermögens für jedenfalls leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Diese Leistungseinschätzung, der der Kläger ausdrücklich - wie auch zuvor derjenigen der Ärzte in Bad K. - zustimmte, ist auf der Grundlage der von den Ärzten in I. erhobenen Befunds schlüssig und nachvollziehbar. Der Kläger konnte trotz der gravierend eingeschränkten HWS-Rotation und -inklination bzw. Lateralflexion den Rumpf beugen und sich "ohne Probleme" wiederaufrichten; der Finger-Boden-Abstand betrug 5 cm, die Brust- und Lendenwirbelsäulenrotation bzw. -lateralfunktion war ohne Einschränkung. Die Leistungsfähigkeit seiner ventralen Rumpfmuskulatur lag zwischen 80 und 100 v.H. der Norm. Seine Schultergelenksbeweglichkeit war allenfalls mäßiggradig eingeschränkt (Abduktion/Adduktion rechts 150-0-40°, links 120-0-40°; Außen-/Innenrotation rechts 50-0-80°, links 50-0-70°; Normwerte: 170-0-40° bzw. 60-0-90°, s. Deutsche Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e.V., Obere Extremität - Supplement 1, 2012, S. 11), Muskelumfangsverminderungen lagen nicht vor. Der Schürzengriff war lediglich links eingeschränkt, der Nackengriff möglich (Bl. 2-4 f. des Entlassungsberichts, unblattiert ÄT Reha-VerwA). Die neurologische Untersuchung erbrachte keine wesentlichen Auffälligkeiten (keine Sensibilitätsstörungen, keine Koordinationsstörungen, keine Minderung der groben Kraft, vgl. Bl. 2-3 und 2-5 des Entlassungsberichts, unblattiert ÄT Reha-VerwA; s. auch bereits Arztbrief der Neurologen Dres. K. , S. und J. von August 1998: strukturelle Wurzelschädigung neurophysiologisch und neurologisch nicht nachweisbar, Bl. 78 SG-Akte). Der Kläger gab (u.a.) an, dass es ihm schwerfalle, "schwere Dinge" zu heben, längere Arbeiten über Kopf sowie Tätigkeiten mit freien Armvorhalten zu verrichten. Stehen und Gehen könne er "einigermaßen gut", nach einer Stunde Sitzen müsse er sich bewegen. Namentlich bei (schnellen) Kopfdrehungen träten vermehrt Schmerzen auf, Ibuprofen nehme er aber nicht ständig, sondern nur bei Bedarf. Die Krankengymnastik führe zu einer Schmerzreduktion, die ambulante Behandlung zu Hause würde ihm helfen (Bl. 2-1, 2-3 f. des Entlassungsberichts, unblattiert ÄT Reha-VerwA).

Unter Zugrundelegung dessen überzeugt es den Senat, dass die Ärzte in I. zu der Einschätzung gelangten, dass den beim Kläger bestehenden Funktionseinschränkungen mit den oben näher genannten qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen wird, diese jedoch keine zeitliche Leistungseinschränkung bedingen. Sie bestätigten damit die Leistungsbeurteilung der Ärzte in Bad K. von Ende 2013 und die des Dr. S. (Auskunft gegenüber dem SG, Bl. 88 SG-Akte), die bzw. der den Kläger für leistungsfähig im Umfang von sechs Stunden täglich - also einschließlich sechs Stunden - erachtete(n), was Erwerbsminderung ausschließt (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI: "mindestens").

Nur am Rande merkt der Senat an, dass auch bereits Dr. A. in seinem Ersten Rentengutachten von einer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit ausging, dass der Kläger noch bis Ende 2015 in der S. den (später auch von den Ärzten in I. als nicht mehr leidensgerecht erachteten) Beruf des Bauhelfers in Vollzeit ausübte und er diese Berufstätigkeit nach eigenen Angaben (lediglich) wegen der mangelnden Auftragslage nicht mehr fortführte (Bl. 2-3 des Entlassungsberichts, unblattiert ÄT Reha-VerwA). Die Wiederaufnahme bzw. Fortführung einer Erwerbstätigkeit lässt regelmäßig den Schluss zu, dass der Versicherte zur Ausübung dieser Tätigkeit in der Lage ist (Senatsurteil vom 19.09.2013, L 10 R 772/12). Keiner der im Verfahren gehörten Ärzte hat eine zeitliche Leistungseinschränkung beim Kläger angenommen. Ungeachtet dessen ging der Kläger bei Rentenantragstellung im Oktober 2016 auch selbst davon aus, (erst) seit Anfang 2016 erwerbsgemindert zu sein (s. S. 5 ÄT Renten-VerwA), was indes durch den Entlassungsbericht der Ärzte in I. widerlegt ist.

Auf der Grundlage dessen, des Vorbringens des Klägers und der übrigen aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ist für den Senat auch nicht ersichtlich, dass es beim Kläger seither von Seiten des orthopädischen Fachgebiets zu einer wesentlichen Verschlimmerung seiner Leiden mit Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen gekommen ist.

Zum einen hat dies der Kläger gar nicht geltend gemacht (er hat sich jetzt vielmehr bereits seit Februar 2012 für erwerbsgemindert gehalten, s. Bl. 2, 41 Senats-Akte), zum anderen berücksichtigten die Ärzte in I. im Rahmen ihrer Leistungsbeurteilung namentlich bereits eine eingeschränkte Schulterbeweglichkeit links (qualitative Einschränkungen: kein überdurchschnittlich häufiges Heben und Tragen über leichte bis mittelschwere Arbeiten hinaus, keine Überkopfarbeiten, keine besondere Beanspruchung der oberen Extremitäten). Insoweit vermag der Senat auch eine sozialmedizinisch relevante Verschlimmerung der Funktionseinbußen im Bereich der linken Schulter auf Grundlage der beim Kläger im September 2017 erstmals diagnostizierten Ruptur der linken Supraspinatussehne (s. Arztbrief des Nuklearmediziners Dr. G. von September 2017, Bl. 28 SG-Akte) nicht zu erkennen, zumal Dr. H. (Chefarzt der Unfallchirurgie des Kreiskrankenhauses L. ) noch im September 2017 von einer "ordentlichen" Funktion des linken Schultergelenks ausgegangen ist (s. Bl. 29 SG-Akte) und Prof. Dr. P. (Chefarzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie des Kreiskrankenhauses L. ) im Februar 2018 gar eine freie Schultergelenksbeweglichkeit mit nur geringgradiger Krafteinschränkung der Rotatorenmanschette links (s. Bl. 102 SG-Akte) beschrieben hat. Ohnehin waren die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (s.o.) schon zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung im Oktober 2016 längst nicht mehr erfüllt, weil auch unter Berücksichtigung von Anrechnungszeiten im Zeitraum von 2010 bis zum letzten Pflichtbeitrag im Mai 2016 allenfalls 24 (und nicht 36) Monate mit Pflichtbeiträgen (auf Grund des Bezugs von Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit, vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) im Versicherungskonto des Klägers hinterlegt sind (s. Versicherungsverlauf, B. 57 Senats-Akte), wobei - darauf wies die Beklagte bereits im Widerspruchsbescheid hin - die vom Kläger in der S. zurückgelegten Versicherungszeiten nicht zu berücksichtigen sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28.08.1991, 13/5 RJ 40/89, in juris, Rdnr. 17).

Was die HWS-Leiden anbelangt, vermag der Senat eine relevante Verschlimmerung - auch dies vom Kläger gar nicht konkret geltend gemacht (s.o.) - seit der Rehabilitationsmaßnahme in I. ebenfalls nicht zu erkennen, nachdem Prof. Dr. P. (u.a.) darauf hingewiesen hat, dass der klinische Befund (namentlich keine Entzündungen der Facettengelenke und keine Lähmungen) bei deutlichen "Compliance-Problemen" und "maximaler Klagsamkeit" die vom Kläger angegebenen (diffusen) Beschwerden nicht erkläre, weswegen er auch keine Operationsindikation sehe.

Nur ergänzend merkt der Senat insoweit noch an, dass Dr. S. auf seinem Fachgebiet ausweislich des Gutachtens des Prof. Dr. B. (vgl. Bl. 28 Senats-Akte) - auf das sich der Kläger berufen hat - zuletzt im Ergebnis lediglich von mittelgradigen Funktionseinschränkungen im Bereich der HWS und nur von geringgradigen Funktionseinschränkungen im Bereich der Schulter ausgegangen ist, dass seitens des JVA-Anstaltsarztes (vgl. Bl. 28 Senats-Akte) Vollzugstauglichkeit und eine "volle Arbeitsfähigkeit" bestätigt worden ist - der Kläger hat überdies ausdrücklich darum gebeten, in der Anstaltsküche arbeiten zu dürfen (vgl. Bl. 28 Senats-Akte) - und dass er in der JVA eine Krankenbehandlung nicht in Anspruch genommen hat (s. Angabe Bl. 31 f. Senats-Akte).

Was das im Rechtsmittelverfahren in den Vordergrund gerückte psychiatrische Fachgebiet anbelangt, diagnostizierte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. beim Kläger erstmals Anfang 2017 - noch während der Rehabilitationsmaßnahme in I. lagen keine Hinweise für eine Erkrankung aus dem psychologisch-psychiatrischen Formenkreis vor (Bl. 2-3 des Entlassungsberichts, unblattiert ÄT Reha-VerwA), ebenso wenig wurden solche im Entlassungsbericht der Ärzte in Bad K. beschrieben (vgl. Bl. 51 Senats-Akte) - eine "Depression auf dem Hintergrund eines chronifizierten Schmerzes" (Bl. 85 SG-Akte); auch der Kläger hat angegeben (vgl. Bl. 29 Senats-Akte), dass seine Depression "2017 losgegangen sei" und er vorher keine Probleme "mit der Psyche" gehabt habe. Zu diesem Zeitpunkt (Anfang 2017) waren indes die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - wie oben bereits dargelegt - schon längst nicht mehr erfüllt.

Insoweit merkt der Senat nur noch am Rande an, dass MUDr. H. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme (Bl. 38 Senats-Akte) - auf die hier wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird - auf der Grundlage des Akteninhalts und des von Prof. Dr. B. im Frühjahr 2019 erhobenen objektiv-klinischen Befunds (wach, bewusstseinsklar, voll orientiert, im Kontaktverhalten freundlich und kooperativ, nur subdepressiv wirkend, Aufmerksamkeit und Konzentration ausreichend bzw. nur leicht eingeschränkt, affektive Auslenkbarkeit gering, aber vorhanden, Antrieb ausreichend und nur subjektiv gemindert, keine Hinweise auf manifeste Ängste, Zwänge oder Halluzinationen, keine Zeichen für Depersonalisation oder Derealisation, Bl. 33 Senats-Akte) überzeugend dargelegt hat, dass eine schwere seelische Störung mit Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen beim Kläger ohnehin nicht besteht und erst recht nicht - wie vom Kläger zuletzt geltend gemacht - bereits vor Februar 2012 vorlag. Auch Prof. Dr. B. ist im Übrigen klinisch lediglich von einer mittelgradigen (und nicht schweren) depressiven Störung ausgegangen (s. Bl. 34 Senats-Akte). Seinen (bloßen) Verdacht auf eine beginnende Hirnleistungsstörung bzw. Pseudodemenz hat er nicht begründet und er hat auch keinen dem entsprechenden objektiv-klinischen Befund mitgeteilt (im Gegenteil: keine konkreten Hinweise für neuropsychologische Defizite, keine peripher neurologischen Symptome, keine Hirnnervenausfälle, kein Tremor, keine Halbseitensymptomatik, Bl. 35 Senats-Akte), sodass seine Ausführungen, worauf MUDr. H. zutreffend hingewiesen hat, insoweit nicht nachvollziehbar sind.

Unter Zugrundelegung all dessen kann sich der Senat mithin nicht davon überzeugen, dass beim Kläger - weder im Jahr 2012 noch seither (durchgehend) - eine zeitliche Leistungseinschränkung für jedenfalls leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der im Tatbestand wiedergegebenen qualitativen Einschränkungen vorlag bzw. vorliegt.

Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die Rehabilitationsmaßnahmen hätten zu keiner Besserung seines Gesundheitszustands geführt, begründet dies keine Erwerbsminderung; für die Frage der Erwerbsminderung ist nicht maßgeblich, ob wegen Krankheit oder Behinderung (weiter) Behandlungsbedürftigkeit oder - auch häufige - Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B, in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19), zumal eine rentenbegründende Leistungsminderung nicht bereits dann vorliegt, wenn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht weiterhin verrichtet werden kann, sondern erst dann, wenn selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen nicht wenigstens sechs Stunden täglich ausgeübt werden können, was beim Kläger - wie ausgeführt - jedoch nicht der Fall ist. Die fehlende Fähigkeit, die zuletzt verrichtete Tätigkeit eines Bauhelfers weiter auszuüben, begründet daher auch keinen Anspruch des Klägers auf eine Erwerbsminderungsrente.

Verneint der Senat somit eine Erwerbsminderung, kommt es auf die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente hier nicht entscheidend an. Demgemäß ist (mangels Eintritt von Erwerbsminderung) auch nicht maßgeblich, ob der Kläger wegen eines Arbeitsunfalls vermindert erwerbsfähig geworden ist (§ 43 Abs. 5 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 SGB VI).

Lediglich am Rande merkt der Senat diesbezüglich noch an, dass eine Erwerbsminderung von psychiatrischer Seite auf Grund des im August 1997 stattgehabten Unfalls ohnehin fernliegend ist, nachdem sich der Kläger erstmals Anfang 2017 (wegen der depressiven Störung) in eine fachpsychiatrische Behandlung begab und selbst angegeben hat, zu diesem Zeitpunkt - und nicht früher (s. erneut Bl. 29 Senats-Akte) - seien seine Probleme "mit der Psyche" losgegangen. Schon aus diesem Grund der langen zeitlichen Diskrepanz zwischen Unfallgeschehen und Auftreten der depressiven Störung vermag der Senat einen ursächlichen (naturwissenschaftlichen) Zusammenhang nicht zu erkennen. Nämliches gilt hinsichtlich der erstmals im September 2017 diagnostizierten Rotatorenmanschettenruptur links, die unfallunabhängig auftrat (vgl. nur Erstes Rentengutachten des Dr. Albers: "Rotatorenmanschettenprovokationsteste beidseits negativ", S. 130 ÄT Renten-VerwA). Im Hinblick auf die HWS-Leiden wies bereits LMD a.D. Prof. Dr. S. in seinem Gutachten auf die nur teilweise Objektivierbarkeit hin und Dr. A. führte in seinem Ersten Rentengutachten aus, dass die diskrete Bandscheibendegeneration im Bereich der HWK 5/6 und 6/7 mit diskreter Retrospondylose unfallunabhängig sei (S. 133 ÄT Renten-VerwA); im Übrigen beschrieb er nur noch sehr diskret verbliebene Unfallfolgen (S. 134 ÄT Renten-VerwA). Prof. Dr. P. hat demgemäß die vom Kläger geklagten HWS-Beschwerden unter Zugrundelegung kernspintomografisch nachgewiesener breitbasiger Bandscheibenprotrusionen im Bereich C4/4, C6/7 sowie C5/6 mit OsteochondR. auch nicht auf den Unfall zurückgeführt ("Zust. n. für die HWS-Symptomatik nicht entscheidender Wirbelbogenfraktur der HWS vor Jahrzehnten"), sondern diese als schicksalhafte degenerative Veränderungen beurteilt (Bl. 103 f. SG-Akte).

Da der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist, hat der Senat keine Veranlassung gesehen, noch ein Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. B. einzuholen, wie es die Klägerseite zunächst noch angeregt hatte. Die aktenkundigen medizinischen Unterlagen, namentlich der Entlassungsbericht der Ärzte in I. und die beratungsärztliche Stellungnahme der MUDr. H., haben dem Senat die notwendigen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved