L 10 U 4038/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 18 U 1939/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4038/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13.09.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Verletztenrente auf Grund eines Überprüfungsantrages des Klägers im Streit.

Der am.1960 geborene Kläger ist als Feinmechaniker bei der Firma A. S. -Kontakt GmbH in H. beschäftigt und wurde am 08.05.2006 auf dem Nachhauseweg von der Arbeitsstelle, in seinem Pkw, dessen Faltdach geöffnet war, von Teilen einer von einer Baustelle herabfallenden Fertigisolierplatte aus Styropor am Kopf getroffen. Tags darauf stellte er sich zunächst bei seinem Hausarzt Dr. von R. vor, der eine Prellung an der rechten Stirn diagnostizierte. Anschließend wurde er bei den Durchgangsärzten Dres. H. und K. (Orthopädische Gemeinschaftspraxis) vorstellig, die eine erheblich verspannte und in der Beweglichkeit eingeschränkte Halswirbelsäule (HWS) ohne neurologische Ausfälle, eine Prellmarke im Bereich der rechten Orbita ohne Commitiozeichen befundeten und eine Schädelprellung sowie eine HWS-Distorsion diagnostizierten (Bl. 7 der Verwaltungsakte, im Folgenden VwA). Bereits in der Vergangenheit war der Kläger in zwei Verkehrsunfälle involviert, die zu HWS-Distorsionen geführt hatten (am 10.10.2001 (siehe u.a. Bl. 94 LSG-Akte) sowie am 28.03.2004 (Bl. 153 SG-Akte).

Im Anschluss an den Unfall vom 08.05.2006 befand sich der Kläger bis Juni 2012 durchgehend in orthopädischer Behandlung bei Dr. K. , bei dem er bereits seit Oktober 1998 wegen orthopädischen Leiden in Behandlung stand. Dr. K. diagnostizierte in der Zeit nach dem Wegunfall einen Zustand nach HWS-Distorsion sowie anhaltende Kopfschmerzen und HWS-Beschwerden. Konkrete Ausmaße der Bewegungseinschränkungen dokumentierte er nicht (siehe u.a. Bericht vom 26.07.2006, Bl. 17 VwA, Bericht vom 17.10.2006, Bl. 62 VwA, Bericht vom 30.11.2006, Bl. 87 VwA, Bericht vom 11.01.2007, Bl. 102 VwA). Dr. K. verordnete dem Kläger krankengymnastische und Akupunkturbehandlungen. Außerdem begab sich der Kläger in neurologisch-psychiatrische Behandlung bei Dr. W. , der im Auftrag der Beklagten auf Grund einer Untersuchung im September 2006 auch ein nervenärztliches Gutachten erstellte (Diagnosen: Zustand nach Schädelprellung, Verdacht auf HWS-Beschleunigungstrauma, Verdacht auf Bing-Horton-Syndrom, somatoforme Schmerzstörung, Bl. 30 VwA) und Spannungskopfschmerzen sowie eine somatoforme Schmerzstörung als Unfallfolgen einstufte. Dr. W. erhob einen regelrechten neurologischen Befund und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 10 v.H. ein. Die HWS des Klägers einschränkenden Bewegungsmaße teilte Dr. W. nicht mit. Ende November 2006 begab sich der Kläger in Behandlung der BG-Unfallklinik L ... Dort wurden starke Schmerzen im Bereich der oberen HWS ausstrahlend nach occipital, ohne Sehstörungen, ohne Sensibilitätsausfälle im Bereich der Extremitäten, ohne Kraftminderung in den oberen Extremitäten, mit muskulärer Verspannung im oberen Bereich der HWS paravertebral, mit muskulärer Verspannung im Bereich des lateralen linken Trapezius bei einem Kinn-Jugulum-Abstand von drei cm und einer schmerzhaft auf 45° limitierten Rotation der HWS nach rechts dokumentiert (Bl. 93 VwA). Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger arbeitsunfähig (Bl. 93 VwA und Bl. 90 LSG-Akte). Anlässlich einer weiteren Vorstellung am 05.12.2006 - der Kläger war zu diesem Zeitpunkt wieder arbeitsfähig (Bl. 95 VwA und Bl. 90 LSG-Akte) - stellte die BG-Unfallklinik L. denselben Befund wie Ende November 2006 fest und verneinte einen Unfallzusammenhang (Bl. 95 VwA), woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2007 (Bl. 91 VwA) einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles ablehnte, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalles bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruches nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert sei. Hierbei berücksichtigte die Beklagte als gesundheitliche Beeinträchtigungen des Klägers einen Spannungskopfschmerz und somatoforme Schmerzstörungen nach Beschleunigungstrauma der HWS mit Schädelprellung. Vom 16.01.2007 bis 12.02.2007 und vom 11.06.2007 bis 22.06.2007 war der Kläger erneut arbeitsunfähig. Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Auswertung eines Befundberichtes des Dr. K. (Bl. 102 VwA), in dem nach wie vor chronisch rezidivierende Spannungskopfschmerzen mit Verspannung der paravertebralen Nackenmuskulatur und der Schultergürtelmuskulatur beidseits beschrieben wurden, sowie Berichten des Dr. W. (Bl. 115 und 125 VwA), in denen kein Befund dargestellt wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2007 (Bl. 129 VwA) zurück. Diese Bescheide wurden bestandskräftig. Ein im August 2007 gefertigtes Schädel-CT brachte ein unauffälliges Ergebnis (Bl. 177 SG-Akte).

Im Februar 2008 erstellte der Neurologe und Psychiater Dr. J. im Auftrag der Beklagten ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten (Bl. 210 VwA), in dem er einen muskulären cervicalen Spannungskopfschmerz mit Druckschmerzhaftigkeit der HWS und schmerzreflektorischer Bewegungseinschränkung der HWS dokumentierte. Als Verletzungsfolgen stellte er eine abnorme posttraumatische Belastungsreaktion sowie einen muskulären cervicalen Spannungskopfschmerz fest und schätzte die MdE auf 10 v.H. ein. Obwohl Dr. J. die Fortsetzung einer psychotherapeutischen Behandlung sowie die Einleitung eines orthopädisch-psychosomatischen Heilverfahrens als erforderlich ansah, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.09.2008 und Widerspruchsbescheid vom 23.01.2009 (Bl. 292 VwA) die Übernahme weiterer Heilbehandlungskosten ab (Bl. 260 VwA). Die hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 14 U 483/09) nahm der Kläger nach Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Nervenkrankheiten Prof. Dr. F. (Bl. 54 der SG-Akte S 14 U 483/09) und einem Sachverständigengutachten auf Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. (Bl. 96 SG-Akte S 14 U 483/09), die beide keine Unfallfolgen auf ihrem Fachgebiet feststellten, zurück. Im Rahmen dieses Verfahrens zog das SG auch ein für das vom Kläger gegen den Malerbetrieb, dessen Styroporteil ihn am Kopf verletzte, geführte zivilrechtliche Verfahren erstellte traumatomechanische Gutachten des Ärztlichen Direktors, Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin, Universitätsklinikum H. Prof. Dr. M. bei (Bl. 19 SG-Akte S 14 U 483/09).

Am 18.05.2012 stellte der Kläger einen Antrag auf Überprüfung des Verwaltungsaktes vom 05.01.2007 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und legte zur Begründung einen Befundbericht des Wirbelsäulenchirurgen und Facharztes für Unfallchirurgie und Orthopädie Prof. Dr. J. H. vom 22.06.2012 (Bl. 443 VwA) vor, in welchem auf der Grundlage spezieller radiologischer Untersuchungen eine posttraumatische Rotationsluxation C1/C2 diagnostiziert wurde. Prof. Dr. H. führte diese Rotationsluxation C1 gegenüber C2 auf das Unfallereignis aus dem Jahr 2006 zurück, da bereits auf einer Röntgenaufnahme vom 09.05.2006 (einen Tag nach dem Unfall) eine beginnende Rotationssubluxation vermutet werden könne, da die rechte Massa lateralis sehr gut zur Darstellung komme, die linke jedoch nur sehr verschwommen, was bedeute, dass sie nicht in der gleichen Ebene liege wie die rechte. Außerdem vermutete er, dass sich schon damals eine beginnende Dezentrierung des Dens abgezeichnet habe. Der Gelenkspalt C1/C2 auf der linken Seite sei gegenüber der rechten Seite massiv verschmälert, was auch in diese Richtung zu deuten sei. Da zwischenzeitlich keine weiteren Unfälle vorgelegen hätten und auch keine wesentlichen Entzündungen im Bereich des Nasenrachenraumes, müsse davon ausgegangen werden, dass die jetzt bestehende Rotationssubluxation Folge des Unfalles vom 08.05.2006 sei. Den Überprüfungsantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.10.2012 ab, da u.a. die in dem Verfahren S 14 U 483/09 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis gekommen seien, dass die Behandlungsbedürftigkeit wegen der Unfallfolgen drei Monate nach dem 08.05.2006 abgeschlossen gewesen sei. Prof. Dr. H. hätten bei der Untersuchung und für die Beurteilung nur die ab dem 09.05.2006 gefertigten Röntgenbilder vorgelegen. Bei seinen Beurteilungen habe er die bestehenden Kopfschmerzen und die bestehenden Halswirbelsäulenerkrankungen vor dem Unfall vom 08.05.2006 nicht berücksichtigen können, da ihm hierzu keine Informationen vorgelegen hätten, insbesondere nicht zu den am 15.06.1999 und am 10.10.2001 stattgehabten HWS-Distorsionen. Er gehe bei seiner Beurteilung also von unvollständigen Informationen aus, so dass seine Beurteilung unzutreffend sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2013 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17.06.2013 Klage beim SG erhoben, welches zunächst auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ein Gutachten bei dem Facharzt für Chirurgie, Wirbelsäulenchirurgie, Medizinischer Sachverständiger CPU Dr. M. eingeholt hat. Dieser hat u.a. beschrieben, dass der Kopf des Klägers in ca. 20° Seitneigung rechts stehe, ein deutlicher Muskelhartspann in der Schulternackenregion beidseits mit fixierter Stellung der HWS bestehe, die bei allen Bewegungen erhalten bleibe und Ausweichbewegungen über vermehrte Rotation der BWS und LWS durchgeführt würden. Das Vorneigen/Rückneigen der HWS hat er mit 20/0/35°, das Seitneigen rechts/links mit 10/20/25° und das Drehen rechts links mit 15/0/10° angegeben. Den Kinnspitze-Schulterhöhenabstand bei maximaler Drehseitneigung rechts links sei nicht prüfbar. Dr. M. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass unmittelbar vor dem Unfallereignis die Disposition zur Entwicklung einer Subluxation C1/C2 als Anlage vorgelegen habe, der vor dem Unfall ohne Krankheitswert gewesen sei, da zu diesem Zeitpunkt der Bereich der HWS frei von Schmerzen sowie altersgerecht frei beweglich gewesen sei. Durch den Unfall sei es dann zu einer Subluxationsstellung der Gelenkflächen C1/C2 (posttraumatische Dislokation) gekommen. Der einzige Anhaltspunkt für den Beweis dieser Rekonstruktion sei in dem direkt posttraumatisch erstellten Röntgenbild der HWS zu sehen, da die Gelenke C1/C2 nicht in derselben Ebene abgebildet worden seien, sondern die rechte Massa lateralis sehr gut zur Darstellung komme, die linke jedoch nur sehr verschwommen wahrgenommen werden könne. Es habe sich eine posttraumatische Atlasdislokation entwickelt, also eine unfallbedingte Atlasfehlstellung (Bl. 101 SG-Akte). Die MdE hat er auf 50 v.H. eingeschätzt (Bl. 103 SG-Akte). Auf dieses Gutachten hin hat der Chirurg/Unfallchirurg Dr. T. im Auftrag der Beklagten eine fachärztliche Stellungnahme abgegeben (Bl. 135 SG-Akte), in der er die Kausalitätsbewertung durch Dr. M. in Zweifel gezogen und zu einer radiologischen/neuroradiologischen Beurteilung/Begutachtung geraten hat. Überdies hat er die von Dr. M. angesetzte MdE von 50 v.H. als zu hoch angesehen, da eine unvollständige leichte Halsmarkschädigung mit beiderseits geringen motorischen und sensiblen Restausfällen ohne Störung der Blasen- und Mastdarmfunktion in Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit) mit einer Untergrenze von 30 v.H. und einer Obergrenze von 60 v.H. bewertet werde. Das SG hat daraufhin weitere medizinische Unterlagen, insbesondere solche bildgebender Verfahren vom Kläger und der ihn behandelnden Ärzte beigezogen.

Sodann hat das SG ein Gutachten bei dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Prof. Dr. C. sowie ein Zusatzgutachten bei dem Facharzt für Radiologie Prof. Dr. F. in Auftrag gegeben. Prof. Dr. F. sind Röntgenaufnahmen der HWS in zwei Ebenen sowie Zielaufnahmen des Dens axis vom 16.06.1999, Röntgenaufnahmen der HWS in zwei Ebenen, Zielaufnahme des Dens axis sowie Funktionsaufnahmen im seitlichen Strahlengang vom 28.03.2004, Röntgenaufnahmen der HWS in zwei Ebenen vom 09.05.2006, Röntgenaufnahmen der HWS in zwei Ebenen vom 24.06.2010, eine cervicale Myelographie mit Postmyelo-CT vom 16.04.2012, ein MRT der HWS vom 20.04.2012, eine Computertomographie der HWS vom 07.03.2013 sowie Röntgenaufnahmen der HWS in zwei Ebenen und Zielaufnahmen des Dens axis vom 28.03.2015 vorgelegt worden (Bl. 229 f. SG-Akte). In seinem Zusatzgutachten hat Prof. Dr. F. ausgeführt (Bl. 232 SG-Akte), dass die Röntgenaufnahmen der HWS vom 09.05.2006 keine Hinweise auf eine frische knöcherne Verletzung gegeben hätten. Ebenso sei die Stellung des Dens axis in Relation zur Massa lateralis des Atlas regulär gewesen. Auffällig seien eine Verschmälerung des Gelenkspaltes zwischen dem ersten und zweiten Halswirbelkörper links sowie eine Unschärfe der Gelenkkontur des ersten Halswirbelkörpers links gewesen. Diese Befunde seien als Projektionsphänomen bei im Seitenvergleich veränderter Stellung der Massa lateralis des ersten Halswirbelkörpers links zu deuten. Bereits auf Röntgenaufnahmen der HWS vom 16.06.1999 und 28.03.2004 seien diese Befunde in gleichartiger Weise erkennbar gewesen, weshalb die Stellungsanomalie nicht auf das Unfallereignis vom 08.05.2006 zurückgeführt werden könne, sondern diesem Ereignis vorzuordnen sei. In Übereinstimmung mit den Darstellungen des Prof. Dr. H. liege als aussagekräftigste Untersuchung die cervicale Myelographie mit Postmyelo-CT vom 16.04.2012 vor, da bei dieser Untersuchung das zu diesem Zeitpunkt vorhandene Ausmaß der Stellungsanomalie sowie die Funktionsstörung der HWS eindeutig und nachvollziehbar dokumentiert worden sei (Bl. 233 SG-Akte). Prof. Dr. F. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Konfigurations- und Stellungsanomalie im Bereich C1/C2 dem Unfallereignis vorzuordnen sei und im zeitlichen Gefolge des Unfallereignisses eine Rotationsfehlstellung im Atlantodentalgelenk entstanden sei (Bl. 233 SG-Akte).

Im Rahmen seiner Begutachtung im April 2016 hat Prof. Dr. C. eine Schiefhaltung der HWS nach rechts mit einer Neigung von ca. 30°, eine in dieser Stellung völlig aufgehobene Beweglichkeit hinsichtlich der Seitneigung und Seitdrehung sowie die mehr als hälftig eingeschränkte Beweglichkeit hinsichtlich der Vor- und Rückneigung (Bl. 219 SG-Akte) sowie einen Kinn-Jugulum-Abstand von 9 cm bei Vorneigung und von 13 cm bei Rückneigung (Bl. 209 SG-Akte) beschrieben. Prof. Dr. C. hat ausgeführt, dass diesem klinischen Befund der radiologische Befund einer Rotationsfehlstellung zwischen dem ersten und zweiten Halswirbelkörper entspreche (Bl. 219 SG-Akte). Er hat sich gleichfalls die Auffassung des Prof. Dr. F. zu eigen gemacht, wonach zum Zeitpunkt des Unfalles vom 08.05.2006 bereits eine angeborene Stellungsanomalie zwischen dem ersten und zweiten Halswirbelkörper vorgelegen habe, die sich im Beobachtungszeitraum zwischen dem 09.05.2006 und dem 16.04.2012 zu einer Rotationsfehlstellung fortentwickelt habe (Bl. 221 und 222 SG-Akte). Die vorbestehende Stellungsanomalie zwischen dem ersten und zweiten Halswirbelkörper (Atlas und Axis) hat Prof. Dr. C. als Konkurrenzursache bezeichnet, der jedoch im Vergleich zum Unfallereignis keine wesentliche Bedeutung zukomme (Bl. 224 SG-Akte). Dies hat Prof. Dr. C. daraus geschlossen, dass die vom Kläger im Oktober 2001 sowie im März 2004 erlittenen HWS-Distorsionen trotz auch zu diesem Zeitpunkt vorhandener Stellungsanomalie folgenlos ausgeheilt seien, weshalb der Unfall vom 08.05.2006 und die damit auf die HWS des Klägers einwirkenden Kräfte als wesentlich für die Verursachung des Gesundheitserstschadens angesehen werden müssten (Bl. 224 f. SG-Akte). Prof. Dr. C. hat die beim Kläger vorliegende MdE mit 30 v.H. bewertet (Bl. 227 SG-Akte).

Mit Urteil vom 13.09.2016, welches der Beklagten am 05.10.2016 zugestellt worden ist, hat das SG - nachdem der Kläger sein Leistungsbegehren auf den Hinweis, ein Rentenanspruch sei nach den Gutachten ab dem 16.04.2012 gegeben, entsprechend auf die Zeit ab 16.04.2012 beschränkt hat - den Bescheid vom 30.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2013 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 05.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 auf Grund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 08.05.2006 ab dem 16.04.2012 eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. Zur Begründung hat sich das SG im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. C. sowie das Zusatzgutachten von Prof. Dr. F. gestützt und die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 05.01.2007 in einer nicht als Unfallfolge anerkannten beginnenden Rotationsfehlstellung gesehen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 03.11.2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass sich das SG dem Gutachten des Prof. Dr. C. , in dem dieser von einer im Vollbeweis gesicherten HWS-Distorsion als Gesundheitserstschaden ausgehe, anschließe, was jedoch nicht den Tatsachen entspreche. Mit dem Durchgangsarztbericht vom 09.05.2006 sei eine Verletzung der HWS gerade nicht nachgewiesen worden. Auch der im Rahmen des vom Kläger geführten Zivilprozesses gehörte sachverständige Rechtsmediziner Prof. Dr. M. habe in seinem Gutachten vom 10.04.2009 eine HWS-Distorsion ebenfalls nicht bestätigt. Lediglich die Schädelprellung sei als Gesundheitserstschaden im Bericht des Durchgangsarztes vom 09.05.2006 gesichert worden. Prof. Dr. C. lege zwar eine Konfigurations- und Stellungsanomalie als vorbestehend zu Grunde, gehe dann jedoch von einer richtungsgebenden Veränderung durch das Unfallereignis aus. Sofern die Stellungsanomalie, wie vom Gutachter angenommen, jedoch keinen Krankheitswert und keine Behandlungsbedürftigkeit gehabt habe, so sei diese rechtlich als Schadensanlage und nicht als Vorschaden zu werten und könne sich somit auch nicht verschlimmern, weder vorübergehend noch richtungsgebend. Überdies sei nicht nachvollziehbar, weshalb die vom Kläger zu früheren Zeitpunkten erlittenen HWS-Distorsionen nicht dazu in der Lage gewesen seien, die Schadensanlage aus ihrer Latenz zu heben, zumal das Unfallereignis vom 08.05.2006 nicht zu einer im Vollbeweis nachgewiesenen HWS-Distorsion geführt habe. Auch habe Prof. Dr. C. übersehen, dass die in dem Verfahren S 14 U 483/09 befassten neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen - Prof. Dr. F. und Dr. S. - die Beschwerden des Klägers als unfallunabhängige somatoforme Schmerzstörung gewertet hätten. Auch habe das SG die Tatsache nicht berücksichtigt, dass Prof. Dr. C. aus dem Verlauf der Beschwerden auf die Ursache schließe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13.09.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass sich die Rotationsfehlstellung C1/C2 unmittelbar nach dem Unfallereignis am 08.05.2006 bis zum 05.06.2007 entwickelt hat und bereits auf der Röntgenaufnahme vom 09.05.2006 sichtbar ist, die ergänzende Befragung der 1. Prof. Dr. H., H., 2. Prof. Dr. F., B., 3. Prof. Dr. C., H ...

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass sich sein Gesundheitszustand in der Folgezeit nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 immer weiter verschlechtert habe und er sich in eine Ärzteodyssee begeben habe, bis schließlich von Prof. Dr. H. die Rotationssubluxation C1 gegenüber C2 diagnostiziert worden sei, die dieser ursächlich auf das Unfallereignis vom 08.05.2006 zurückführe. Dieses Ergebnis sei auch von den gerichtlichen Sachverständigen - Dr. M., Prof. Dr. C. und Prof. Dr. F. - bestätigt worden. Die bei ihm bestehende Schadensanlage habe durch den Unfall zur Entwicklung einer Subluxation C1/C2 geführt.

Der Senat hat die den Kläger behandelnden Ärzte (Dr. G., Dr. von R., Dr. K. , Dr. S. ) schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf die Senatsakte verwiesen. Überdies hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. C. und dieser wiederum von Prof. Dr. F. eingeholt (Bl. 178 f. LSG-Akte), worauf der Beratungsarzt Dr. T. ergänzend Stellung genommen hat (Bl. 190 LSG-Akte).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten sowie auf die Prozessakten der ersten und zweiten Instanz und die Prozessakten des Verfahrens S 14 U 483/09 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das SG hätte die Beklagte nicht unter Aufhebung des Bescheides vom 30.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2013 zur teilweisen Rücknahme des Bescheides vom 05.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 und auf Grund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 08.05.2006 ab dem 16.04.2012 zur Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. verurteilen dürfen. Denn die Ablehnung einer Verletztenrente mit Bescheid vom 05.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 war nicht rechtswidrig. Deshalb lehnte die Beklagte die Rücknahme dieser Bescheide mit Bescheid vom 30.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2013 zu Recht ab. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben.

Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist ausschließlich § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Einzig dieses Begehren machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend ("beantrage ich die Überprüfung der Verwaltungsakte vom 05.01.2007 gemäß § 44 SGB X", vgl. Bl. 440 VwA), allein hierüber entschied die Beklagte ("Ihr Antrag auf Rücknahme ... nach § 44 ... wird abgelehnt") und allein dieses Begehren hat der Kläger vor dem SG verfolgt (vgl. Bl. 25 ff. SG-Akte)

Indessen ist der Bescheid vom 05.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 nicht rechtswidrig. Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist dabei nach der im Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht zu beurteilen (BSG, Urteil vom 14.11.2002, B 13 RJ 47/01 R, juris; Senatsurteil vom 03.05.2019, L 10 U 929/19).

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 - auf diesen Zeitpunkt ist hier abzustellen, da der Bescheid vom 05.01.2007 durch den Widerspruchsbescheid vom 05.06.2007 seine abschließende Gestalt fand (vgl. § 95 SGG und BSG, Urteil vom 04.11.1998, B 13 RJ 27/98 R, juris Rdnr. 15) - stand dem Kläger ein Anspruch auf Verletztenrente nicht zu, da jedenfalls im Juni 2007 beim Kläger noch keine MdE eingetreten war.

Anspruch auf eine Rente haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGBVII gehört zu den versicherten Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (sogenannter Wegeunfall). Einen solchen Wegeunfall erlitt der Kläger am 08.05.2006, als er auf dem Nachhauseweg von der Arbeit in seinem Kfz bei geöffnetem Faltdach von einer Styroporplatte, die von einer Baustelle herabfiel, am Kopf getroffen wurde und sich hierdurch verletzte, indem er sich jedenfalls eine Prellung am Kopf zuzog (vgl. den Bericht des Durchgangsarztes Dr. H. vom 09.05.2006: Prellmarke im Bereich der rechten Orbita ohne Commotiozeichen, Bl. 7 VwA). Das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob ein weiterer Gesundheitsschaden, insbesondere die von der Beklagten bestrittene HWS-Distorsion eintrat und ob sich daraus weitere Unfallfolgen, insbesondere die Rotationsfehlstellung zwischen dem ersten und zweiten Halswirbelkörper auf Grund der ausweislich des radiologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. F. bereits vorbestehende Stellungsanomalie zwischen dem ersten und zweiten Halswirbelkörper (Bl. 233 SG-Akte und Bl. 179 LSG-Akte) entwickelten. Denn jedenfalls lagen beim Kläger zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt - nämlich am 05.06.2007 - keine Funktionsbeeinträchtigungen vor, die zu einer MdE in rentenberechtigendem Ausmaß geführt haben. Allein diese Frage - Bestehen eines Anspruchs auf Verletztenrente und damit Bestehen einer rentenberechtigenden MdE, im Falle des Klägers mangels eines sog. Stützrententatbestandes also in Höhe von 20 v.H. - war der einem Begehren nach § 44 SGB X zugängliche Verfügungssatz des Bescheides vom 05.01.2007. Dem entsprechend ist - entgegen den Ausführungen des SG - der Bescheid vom 05.01.2007 auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte in diesem Bescheid eine beginnende Rotationsfehlstellung als weitere Folge des Unfalls nicht anerkannte. Zu Unfallfolgen enthält dieser Bescheid keinen Verfügungssatz.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Im Rahmen seiner MdE-Bewertung, die auf der Untersuchung des Klägers im April 2016 basiert, ist Prof. Dr. C. von dem ihm erhobenen Befund, nämlich einer Schiefhaltung der HWS nach rechts mit einer Neigung von ca. 30°, die in dieser Stellung völlig aufgehobene Beweglichkeit hinsichtlich der Seitneigung und Seitdrehung sowie der mehr als hälftig eingeschränkten Beweglichkeit hinsichtlich der Vor- und Rückneigung ausgegangen (Bl. 219 SG-Akte). Der Kinn-Jugulum-Abstand hat bei Vorneigung 9 cm, bei Rückneigung 13 cm betragen (Bl. 209 SG-Akte). Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. M. im März 2014 (Bl. 87 SG-Akte) hat der Kopf des Klägers in einer 20°-Seitneigung nach rechts gestanden (Bl. 91 SG-Akte), Vor- und Rückneigung waren bis 20/0/25°, die Seitneigung rechts/links bis 10/20/25° und eine Drehung rechts/links bis 15/0/10° möglich. Während Prof. Dr. C. im April 2016 also eine völlig aufgehobene Bewegungsfähigkeit hinsichtlich der Seitneigung und Seitdrehung und eine hälftig eingeschränkte Beweglichkeit hinsichtlich der Vor- und Rückneigung bei einer Schiefhaltung der HWS nach rechts mit einer Neigung von ca. 30° festgestellt hat, ist die Bewegungsfähigkeit der klägerischen HWS zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. M. in Bezug auf Seitneigung und Seitdrehung und auch der Schiefhaltung der HWS nach rechts von nur 20° besser gewesen. Bereits aus dem Vergleich der von Prof. Dr. C. erhobenen Befunde mit denjenigen von Dr. M. zeigt sich, dass sich die Bewegungsfähigkeit im Bereich der klägerischen HWS langsam verschlechtert hat. Dass eine dauerhafte Schiefhaltung der HWS mit massiven Bewegungseinschränkungen bereits im Juni 2007 vorlag, ist hingegen nicht anzunehmen. Aus den von Dr. K. in den Jahren 2006 und 2007 erstellten Berichten lässt sich zwar entnehmen, dass der Kläger an anhaltenden Kopfschmerzen, Verspannungen der paravertebralen Nackenmuskulatur und der Schultergürtelmuskulatur beidseits sowie einer schmerzbedingten Bewegungseinschränkung der HWS (Bl. 62, Bl. 87, Bl. 102 VwA) litt. Dr. K. dokumentierte jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Schiefhaltung der HWS nach rechts oder gar den Grad der Bewegungseinschränkung. Gleiches gilt für die von dem den Kläger behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. in den Jahren 2006 und 2007 erhobenen Befunde. Sowohl in seinem Befundbericht vom Mai 2006 (Bl. 8 VwA) als auch in dem für die Beklagte erstellten nervenärztlichen Gutachten (Bl. 30 VwA) erhob Dr. W. einen regelrechten neurologischen Befund und beschrieb keinerlei Bewegungseinschränkungen oder eine Dauerschiefhaltung der HWS. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. W. im September 2006 gab der Kläger sogar an, dass sich die Schmerzsymptomatik insgesamt etwas gebessert habe (Bl. 33 VwA). In seinen Berichten vom Februar 2007 (Bl. 115 VwA) und April 2007 (Bl. 125 VwA) teilte Dr. W. gar keinen Befund mit, während er in seinem Bericht vom Juli 2007 (Untersuchung vom 19.06.2007, Bl. 142 VwA) angab, dass keine wesentlichen Auffälligkeiten, keine Halbseitenzeichen, keine koordinativen oder extrapyramidalen Störungen, jedoch Myogelosen im Nackenbereich bestanden hätten. Bei der Untersuchung des Klägers in der BG-Unfallklinik L. im November 2006 (Bl. 93 VwA) - zu diesem Zeitpunkt war der Kläger arbeitsunfähig - wurden starke Schmerzen im Bereich der oberen HWS ausstrahlend nach Occipital, ohne Sehstörungen, ohne Sensibilitätsausfälle im Bereich der Extremitäten, ohne Kraftminderung in den oberen Extremitäten, eine muskuläre Verspannung im Bereich der oberen HWS paravertebral, eine muskuläre Verspannung im Bereich des lateralen linken Trapezius, ein Kinn-Jugulum-Abstand von drei cm sowie eine nach rechts schmerzhaft und auf 45° limitierte Rotation der HWS, links "weniger schmerzhaft" - nach der Neutral-Null-Methode liegt die normale Drehfähigkeit bei 60-80/0/60-80° - bei Angaben von intermittierendem Schwindel ohne Übelkeit dokumentiert. Auch in diesem Bericht wird lediglich eine Schonhaltungsstellung des Klägers, jedoch keine Dauerschiefhaltung der HWS nach rechts festgestellt. Obwohl im Rahmen der zweiten Untersuchung durch die BG-Unfallklinik L. am 05.12.2006 derselbe Befund erhoben wurde, hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt seine Arbeit als Feinmechaniker bei der Firma A. S. -Kontakt GmbH wieder aufgenommen (Bl. 96 VwA und Bl. 90 LSG-Akte). Arbeitsunfähigkeit bestand dann wieder vom 16.01.2007 bis zum 12.02.2007 und vom 11.06.2007 bis zum 22.06.2007.

Wie sich die Bewegungsfähigkeit der klägerischen HWS in der Folgezeit genau entwickelte, vermag der Senat mangels Vorliegen aussagekräftiger Befundberichte nicht festzustellen. Erstmals nach Juni 2007 liegen mit dem Gutachten des Prof. Dr. M. (Bl. 19 SG-Akte S 14 U 483/09), das auf einer Untersuchung vom Januar 2009 basiert (Bl. 22 SG-Akte S 14 U 483/09), wieder Befunde der HWS vor. Danach war zu diesem Zeitpunkt die aktive Flexion der HWS nur bis 5°, die Reklination bis etwa 30/35°, die Rotation nach links etwa bis 25°, nach rechts fast überhaupt nicht und die Seitneigungsfähigkeit nach links etwa bis 15° und nach rechts bis 10° möglich (Bl. 24 der SG-Akte S 14 U 483/09). Prof. Dr. M. beschrieb einen massiven Druckschmerz über dem Dornfortsatz des siebten Halswirbelkörpers sowie auch links davon. Die Halsnackenmuskulatur zeigte sich relativ schmächtig, die Kopfwendemuskulatur war entsprechend dem Körpergewicht gut ausgeprägt. Prof. Dr. M. stellte eine leichte Schiefhaltung des Kopfhalsverbandes nach links fest, wobei der rechte Halswendermuskel stärker ausgeprägt war als der linke (Bl. 24/RS SG-Akte S 14 U 483/09). Bewegungsbeeinträchtigungen im Bereich der HWS wurden schließlich auch von dem im Rahmen des Verfahrens S 14 U 483/09 beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. F. beschrieben (nach links mehr als nach rechts eingeschränkte Kopfdrehung: Nach links bis etwa 15°, nach rechts bis etwa 30° bei beidseits unauffälliger Kraftentwicklung während der Kopfdrehung; eingeschränkte Kopfbeugung und Kopfreklination bei unauffälliger Kraftentwicklung; Bl. 72 SG-Akte S 14 U 483/09). Auch die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. stellte in ihrem gleichfalls in dem Verfahren S 14 U 483/09 erstellten Gutachten eine demonstrierte Einschränkung der HWS-Beweglichkeit fest, wobei sich diese bei Ablenkung des Klägers als wesentlich weniger stark und ähnlich dem Befund der BG-Unfallklinik L. zeigte (rechts 45°, links 40°, keine Einschränkung der Beugung), als bei dessen bewusster Demonstration (Bl. 105 SG-Akte S 14 U 483/09).

Vergleicht man sämtliche vorliegenden medizinischen Unterlagen aus den Jahren 2006 und 2007 mit den Gutachten von Prof. Dr. M. aus dem Jahr 2009, von Prof. Dr. Foerster, das auf einer Untersuchung vom Dezember 2009 basiert, von Dr. S. aus dem Jahr 2010, von Dr. M. , das auf einer Untersuchung vom März 2014 basiert und von Prof. Dr. C. , der den Kläger im April 2016 untersucht hat, so zeigt sich, dass sich die Bewegungsfähigkeit der klägerischen HWS im Laufe der Jahre verschlechterte, was jedoch nichts daran ändert, dass eben zum maßgeblichen Zeitpunkt - Juni 2007 - eine erhebliche Bewegungseinschränkung im Bereich der HWS noch nicht vorlag. Dies sieht der Senat dadurch bestätigt, dass der Kläger seine Tätigkeit als Feinmechaniker bei der Firma A. S. -Kontakt GmbH - hier übte er überwiegend eine Tätigkeit im Bereich der Produktion von elektronischen Sicherungen aus (Bl. 65 SG-Akte S 14 U 483/09) - wieder vollschichtig aufnahm und er nach dem Unfall im Mai 2006 sogar noch Motorrad (Bl. 68 SG-Akte S 14 U 483/09, oder, so der Kläger in der mündlichen Verhandlung, Roller) fuhr. Schließlich hat der Kläger im Rahmen seiner Begutachtung durch Dr. M. selbst geäußert, dass es im Februar 2012 verstärkt zu Problemen gekommen sei, weshalb er u.a. Prof. Dr. H. aufgesucht habe (Bl. 89 SG-Akte). Schließlich hat der Kläger sowohl in seiner Klagebegründung als auch in seiner Berufungserwiderung wiederholt vorgetragen, nach den Bescheiden sei es zu einer Verschlechterung gekommen.

Für den maßgeblichen Beurteilungszeitraum - Juni 2007 - ist auch nicht von einer MdE um 20 v.H. auszugehen.

Nach den Bewertungsempfehlungen bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 498 resultiert selbst bei mono- bis bisegmentalen Versteifungen keineswegs zwingend eine MdE von mindestens 20 v.H. Als Maßstab für die MdE-Einschätzung soll die nur theoretisch vorstellbare Vollversteifung der gesamten HWS mit einer MdE von 30 v.H. dienen. Da beim Kläger im Juni 2007 lediglich endgradige Bewegungseinschränkungen nachgewiesen waren, die weder einer mono- noch einer bisegmentalen Versteifung, die eine MdE von mindestens 20 v.H. rechtfertigen würde, gleichkommen, lag beim Kläger im Juni 2007 auch keine MdE in Höhe von mindestens 20 v.H. vor. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem nervenärztlichen Gutachten des Dr. W. vom September 2006, den Berichten der BG-Unfallklinik L. vom Dezember 2006, den Befundberichten der Dres. K. und W. aus dem Jahr 2007 sowie dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. J. vom Februar 2008.

So teilte Dr. W. in seinem nervenärztlichen Gutachten mit (Bl. 30 VwA), dass der Kläger über starke Schmerzen im rechten Stirnbereich sowie Kopfschmerzen geklagt habe, erhob einen völlig regelrechten neurologischen Befund ohne einschränkende Bewegungsmaße und benannte als Unfallfolgen Spannungskopfschmerzen und eine somatoforme Schmerzstörung. Die MdE schätzte er auf 10 v.H. ein. Bei der erstmaligen Vorstellung des Klägers in der BG-Klinik L. am 30.11.2006 wurde eine auf 45° schmerzhaft eingeschränkte Rotation der HWS nach rechts bei einem Kinn-Jugulum-Abstand von 3 cm ohne Sensibilitätsausfälle oder Kraftminderung im Bereich der Extremitäten und muskulärer Verspannung im Bereich der oberen HWS sowie eine Schonhaltungsstellung dokumentiert (Bl. 93 VwA). Dieser Befund wurde bei seiner zweiten Vorstellung in der BG-Klinik L. am 05.12.2006 bestätigt, weshalb seitens der dort behandelnden Ärzte das Bestehen einer rentenberechtigenden unfallbedingten MdE verneint wurde (Bl. 95 VwA). Auch den von Dr. W. und K. im Jahr 2007 gefertigten Befundberichten (Bl. 102, 1105, 125, 142 VwA) lassen sich keine die Funktionsfähigkeit der klägerischen HWS einschränkenden Bewegungsmaße entnehmen. Hierin wurden in erster Linie chronisch rezidivierende Spannungskopfschmerzen mit Verspannung der paravertebralen Nackenmuskulatur und der Schultergürtelmuskulatur bds. (so Dr. K. , Bl. 102 VwA) und ausgeprägte Schmerzen im Stirn-, Cervikal- und Schädelbereich (so Dr. W. , Bl. 115, 125, 142 VwA) beschrieben. Im Rahmen der von Dr. J. durchgeführten Untersuchung im Dezember 2007 (Datum des Gutachtens 02.02.2008, Bl. 210 VwA) beschrieb der Kläger Kopfschmerzen, die vom Nacken in den Hinterkopf aufsteigen. Dr. J. stellte einen muskulären cervikalen Spannungskopfschmerz mit Druckschmerzhaftigkeit der HWS und schmerzreflektorischer Bewegungseinschränkung der HWS fest und schätzte die MdE auf 10 v.H.

Nach Auswertung dieser medizinischen Unterlagen steht für den Senat fest, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt - Juni 2007 - beim Kläger keine Bewegungseinschränkungen im Bereich der HWS vorgelegen haben, die eine MdE von 20 v.H. rechtfertigen würden. Ein Rentenanspruch des Klägers ist deshalb zum damaligen Zeitpunkt von der Beklagten zu Recht verneint worden.

Den vom Kläger gestellten Hilfsantrag lehnt der Senat ab. Die unter Beweis gestellte Tatsache, "dass sich die Rotationsfehlstellung C1/C2 unmittelbar nach dem Unfallereignis am 08.05.2006 bis zum 05.06.2007 entwickelt hat und bereits auf der Röntgenaufnahme vom 09.05.2006 sichtbar ist", ist durch die erfolgten Ermittlungen bereits geklärt, allerdings nicht im Sinne des Klägers. So hat Prof. Dr. F. - worauf das SG zutreffend hingewiesen hat - die von Prof. Dr. H. anhand dieser Röntgenaufnahmen schon damals wegen nicht seitengleicher Darstellung der Massa lateralis vermutete beginnende Rotationssubluxation gerade nicht bestätigt, sondern diese Annahme widerlegt. Nach seiner fachradiologischen Auswertung der Röntgenaufnahmen ist die von Prof. Dr. H. angeführte Unschärfe der Gelenkkontur des ersten Halswirbels ein Projektionsphänomen. An dieser Beurteilung hat Prof. Dr. F. in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat festgehalten und bekräftigt, dass Befunde, die auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könnten, auf den Röntgenaufnahmen nicht zu erkennen sind, die Rotationsfehlstellung also erst mit zeitlicher Latenz nach dem Unfall eintrat. Damit steht das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache - dass die Röntgenaufnahmen vom 09.05.2006 diese Rotationsfehlstellung belegen und diese Störung daher im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides schon vorgelegen habe - fest. Eine weitere Beweisaufnahme ist daher nicht erforderlich. Ohnehin erschließt sich nicht, welchen Erkenntnisgewinn eine ergänzende Befragung von Prof. Dr. H., Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie, angesichts des Gutachtens von Prof. Dr. F. mit dessen höherqualifizierter fachradiologischen Kompetenz bringen könnte. Gleiches gilt in Bezug auf Prof. Dr. C. , der von vornherein auf die größere Kompetenz von Prof. Dr. F. bei der Auswertung der bildgebenden Materialien abgestellt hat. Schließlich ist die unter Beweis gestellte Frage auch nicht entscheidungserheblich. Wie ausgeführt, enthält der Bescheid vom 05.01.2007 keine Regelung zu Unfallfolgen. Seine Rechtswidrigkeit kann deshalb auch nicht damit begründet werden, damals habe eine - unerkannte - Unfallfolge vorgelegen. Für die im Rahmen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X allein relevante Frage, ob damals - spätestens im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 - eine MdE um wenigstens 20 v.H. vorlag, kommt es aber allein auf funktionelle Einschränkungen und nicht auf bloße Diagnosen auf Grund bildgebender Verfahren an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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