L 1 BA 34/18

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 8 R 956/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 BA 34/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. Januar 2016 wird aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31. August 2015 abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 7. April 2015 nicht beschäftigt gewesen ist.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 1. für beide Rechtszüge. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. nach dem Vierten Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) für die Zeit vom 22. August 2011 bis zum 7. April 2015 (Statusfeststellung).

Der am ... 1970 geborene Kläger war nach seinen Angaben von 1998 bis Dezember 2011 Inhaber des Einzelunternehmens "Elektromeister M. F.".

J. R. (im Folgenden: Zeugin) gründete am 22. August 2011 die Beigeladene zu 1., deren Gegenstand die Elektroinstallation ist. Sie übernahm einen Geschäftsanteil in Höhe von 25.000 EUR (entspricht 100 % des Stammkapitals). Der Kläger wurde im Rahmen der am selben Tag stattfindenden ersten Gesellschafterversammlung zum - stets alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten - Geschäftsführer bestellt.

Der Kläger als Treugeber und die Zeugin als Treuhänder schlossen darüber hinaus am 22. August 2011 einen notariell beglaubigten Treuhandvertrag. Darin vereinbarten sie, dass die Zeugin ihren zukünftigen Geschäftsanteil an der Beigeladenen zu 1. in Höhe von 25.000 EUR treuhänderisch für den Kläger hält (§ 1). Ferner enthielt der Vertrag folgende Regelungen: Der Treugeber vergütet dem Treuhänder für seine Treuhandtätigkeit jährlich 1.000 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer (§ 2 Abs. 1). Der Treuhänder darf den treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil während des Bestehens des Treuhandverhältnisses nicht ohne vorherige Zustimmung des Treugebers veräußern, verpfänden oder in sonstiger Weise belasten (§ 3 Abs. 1). Der Treuhänder ist verpflichtet, die ihm als Gesellschafter im Außenverhältnis zustehenden Rechte, insbesondere das Stimmrecht aus der Beteiligung, nur gemäß der Weisung des Treugebers auszuüben, er hat vor jeder Stimmabgabe diese Weisung einzuholen (§ 3 Abs. 2a). Er ist verpflichtet, über den Geschäftsanteil nur nach vorheriger Zustimmung des Treugebers zu verfügen (§ 3 Abs. 2d). Der Treugeber kann jederzeit die Abtretung des für ihn treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteils verlangen (§ 4 Abs. 2 Satz 1). Der Treuhänder erteilt hiermit, soweit zulässig, dem Treugeber weiterhin Vollmacht zur Ausübung der Stimmrechte aus dem von ihm treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil (§ 6 Satz 1). Der Vertrag kann von dem Treugeber jederzeit, vom Treuhänder nur mit einer Frist von einem Monat durch schriftliche Erklärung gekündigt werden (§ 7 Abs.1). Der Treuhänder tritt bereits jetzt mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung den treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil an den dies annehmenden Treugeber ab (§ 7 Abs. 2).

Der Kläger schloss zudem mit der Beigeladenen zu 1. am 8. Dezember 2011 einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. Darin war geregelt, dass der Geschäftsführer die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vertritt (§ 2 Abs. 1). Er darf bestimmte Geschäfte nur nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung ausführen, u.a. Anschaffungen mit einem Wert von mehr als 5.000 EUR (§ 2 Abs. 2g). Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (Abs. 3). Er ist an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Die Arbeitszeit richtet sich vielmehr nach den betrieblichen Erfordernissen und ist vom Geschäftsführer frei und eigenverantwortlich zu gestalten (§ 4). Unentgeltliche oder entgeldliche Nebentätigkeit sowie die Übernahme von Ehrenämtern bedürfen der vorherigen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung (§ 5 Abs. 1). Der Geschäftsführer erhält ein festes Jahresgehalt in Höhe von 1.500 EUR brutto, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen (§ 6 Abs. 1). Eine Vergütung von Überstunden, Sonn- und Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit erfolgt nicht (§ 6 Abs. 2). Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers [ ] werden die Bezüge nach § 6 Abs. 1 drei Monate, längstens aber bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses fortgezahlt (§ 7 Satz 1). Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen bezahlten Erholungsurlaub von 24 Arbeitstagen im Kalenderjahr (§ 10 Abs. 1).

Der Kläger beantragte am 2. August 2012 bei der Beklagten die Feststellung seines Status nach § 7a SGB IV (Anfrageverfahren). Er gab auf dem Fragebogen an, eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.500 EUR zu erhalten.

Mit Schreiben vom 26. April 2013 hörte die Beklagte den Kläger und die Beigeladene zu 1. an.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 8. Mai 2013 mit, die Tätigkeit als Geschäftsführer trete hinter der mehr als zehn Jahre ausgeübten zusätzlichen selbstständigen Tätigkeit als Elektromeister vom Umfang der Arbeitszeit und auch vom erzielten Einkommen her derart in den Hintergrund, dass sie unerheblich sei. Er sei u.a. privat krankenversichert und verfüge zudem über eine private Altersvorsorge.

Mit Bescheiden vom 8. Juli 2013 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. jeweils fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer und Treugeber bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 22. August 2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe jedoch in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit, da eine geringfügig entlohnte Beschäftigung (Arbeitsentgelt nicht mehr als 400 EUR/Monat) vorliege.

Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2013 zurück. Der Kläger könne kein Stimmrecht ausüben, da sämtliche Geschäftsanteile von der Zeugin treuhänderisch gehalten würden. Somit könne er keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen. Die vorgetragene Abhängigkeit der Treuhänderin zum Treugeber sei rein schuldrechtlicher Natur. Die alleinige Rechtsmacht liege bei der Alleingesellschafterin der Beigeladenen zu 1. Auch wenn die Rechtsmachtinhaberin wegen der guten Leistungen des Klägers keine Notwendigkeit habe, ihre Rechtsmacht auszuüben, verzichte sie jedoch nicht wirksam darauf.

Hiergegen hat der Kläger an 12. November 2013 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Er sei Geschäftsführer und faktischer Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. Der Treuhandvertrag sei aus steuerlichen Gründen geschlossen worden. Die Zeugin habe bei der Beigeladenen zu 1. keinerlei Funktion; ihr komme die Rolle einer "Strohfrau" zu. Er sei der wirtschaftliche Eigentümer der Gesellschaft. Die Stimmrechte lägen weiterhin bei ihm als Treugeber. Er könne jederzeit das Treuhandverhältnis kündigen und dann die Geschäftsanteile auch offiziell selbst halten. Er habe ein festes Monatsgehalt in Höhe von 1.500 EUR brutto bezogen. Bei der Angabe des Arbeitsentgelts im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 8. Dezember 2011 handele es sich um einen Schreibfehler. Das Recht auf Gewinnausschüttungen bzw. Gewinnbezug der Gesellschaft bleibe ausschließlich bei ihm. Er könne ferner durch eigene Leistung die Geschicke seines Unternehmens wie auch die erzielten Einkünfte beeinflussen.

Der Kläger und die Zeugin haben in dem weiteren notariell beglaubigten Vertrag vom 8. April 2015 vereinbart, dass die Zeugin vorsorglich ihren Geschäftsanteil in Höhe von 25.000 EUR an den Kläger zum Alleineigentum verkauft und überträgt. Zugleich ist festgehalten worden, dass dieser den Treuhandvertrag zum März 2013 gemäß § 7 des Treuhandvertrages gekündigt habe.

In dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 12. Mai 2015 hat die Zeugin angegeben, die Unterschriftsleistung unter den Treuhandvertrag sei ein Freundschaftsdienst gegenüber dem Kläger gewesen. Dieser habe ihr erklärt, alles Weitere ginge sie nichts an. Sie habe keine Vergütung in Höhe von 1000 EUR jährlich bekommen.

Das Teilanerkenntnis der Beklagten, dass seit dem 8. April 2015 keine persönliche Abhängigkeit des Klägers bestehe, hat dieser am 6. Juli 2015 angenommen. Mit Bescheid vom 31. August 2015 hat die Beklagte den Bescheid vom 8. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2013 abgeändert und festgestellt, dass für den Kläger vom 22. August 2011 bis zum 7. April 2015 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Ab dem 8. April 2015 liege kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und damit keine Versicherungspflicht mehr vor.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. Januar 2016 abgewiesen. Der Kläger sei in dem rechtlich noch streitigen Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 7. April 2015 aufgrund des GmbH-Gründungsvertrages nicht an der Beigeladenen zu 1. beteiligt gewesen. Formal habe die Zeugin 100 % des Stammkapitals und damit 100 % der Geschäftsanteile gehalten. Die vertraglichen Vereinbarungen seien nicht nur zum Schein getroffen worden. Der Kläger sei, ohne auch nur Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1. gewesen zu sein, als deren Fremdgeschäftsführer tätig gewesen. Auch wenn er im Alltag faktisch bei seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterlegen habe, würden die von ihm ausgeübten weitreichenden Befugnisse die Annahme von Beschäftigung nicht von vornherein ausschließen. Denn er habe über keine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht verfügt, die ihn in die Lage versetzt hätte, ihm unangenehme Weisungen zu verhindern. Auch die Feststellung, dass der Kläger in seiner Tätigkeit keinen tatsächlichen Weisungen oder einer Überwachung durch die Alleingesellschafterin unterlegen habe, führe nicht zur Annahme von Selbstständigkeit. Aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts könne schon nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden. Eine Rechtsmacht des Klägers sei auch nicht durch den Treuhandvertrag vom 22. August 2011 gegeben gewesen, der einer Stimmrechtsbindung der Gesellschafterin gleichgekommen sei. Dieser hätte von ihr jederzeit gekündigt werden können. Mangels einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigten auch weder das besondere Fachwissen noch die langjährige Erfahrung des Klägers ein anderes Ergebnis.

Gegen das ihm am 26. Januar 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am selben Tag Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat vorgetragen, er sei Alleingesellschafter "seiner" GmbH über die Zeugin als Treuhänderin gewesen. Die Rechtsmacht über die Beigeladene zu 1. habe ausweislich des Treuhandvertrages vollständig und ausschließlich bei ihm gelegen. Ihm hätte niemand Weisungen erteilen können. Die einzig in Betracht kommende Zeugin habe schon nicht gewusst, dass sie ein Weisungsrecht hätte haben können. Sie hätte im Übrigen nicht über seinen Willen hinweg mit der Beigeladenen zu 1. verfahren können. Er hätte zudem ihn betreffende Einzelfallanweisungen jederzeit verhindern und notfalls das Treuhandverhältnis beenden können. Es habe auch keinerlei Abhängigkeit von der Beigeladenen zu 1. bestanden. Vielmehr sei diese von ihm wirtschaftlich abhängig gewesen. Er allein habe das wirtschaftliche Risiko der Beigeladenen zu 1. in Form des Totalverlustes des von ihm selbst aufgebrachten Stammkapitals getragen. Die Beigeladene zu 1. habe zudem nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt. Bei dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag habe es sich um ein Vertragsmuster ohne Berücksichtigung der konkreten Besonderheiten des Einzelfalles gehandelt. Lediglich die persönlichen Daten seien eingefügt worden. Die Tatsache des Schreibfehlers beim Geschäftsführergehalt sei ein Indiz dafür, dass der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag nur für die Akte erstellt worden sei. Er habe im Übrigen den Vertrag mit sich selbst abgeschlossen und ihn jederzeit ändern oder aufheben können. Eine Gesellschafterversammlung habe jährlich stattgefunden, bei der er und sein Steuerberater anwesend gewesen seien. Er habe sämtliche Gesellschafterbeschlüsse selbst gefasst und unterzeichnet, ohne sich der Hilfe der Treuhänderin bedient zu haben. Das Sozialgericht habe die tatsächlichen Verhältnisse völlig unberücksichtigt gelassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. Januar 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31. August 2015 aufzuheben und festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 7. April 2015 selbstständig tätig gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. In Ermangelung einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht sei von einem Beschäftigungsverhältnis auszugehen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31. August 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Der Kläger ist in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. in dem Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 7. April 2015 nicht bei der Beigeladenen zu 1. im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt gewesen.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten über die Feststellung, dass eine Beschäftigung bestanden hat, ist § 7a SGB IV. Danach hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Beschäftigung zu entscheiden.

Der Begriff der Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die abhängige Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dem gegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles (ständige Rechtsprechung: BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R; Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R; juris). Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben oder nicht. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen wird. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist nach Auffassung des Senats nicht von einer Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum auszugehen.

Zwar sind Geschäftsführer einer GmbH regelmäßig als deren Beschäftigte anzusehen. Ein Geschäftsführer, der zugleich Gesellschafter der GmbH ist, ist nur dann nicht abhängig beschäftigt, wenn er die Rechtsmacht besitzt, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn er mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hat (Mehrheitsgesellschafter). Ist er ein Minderheitsgesellschafter, weil er weniger als 50 % bzw. exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält, und verfügt er nicht kraft ausdrücklicher Regelungen im Gesellschaftsvertrag über eine umfassende Sperrminorität, ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen (BSG, Urteile vom 14. März 2018, B 12 KR 13/17 R und B 12 R 5/16 R; Urteil vom 11. November 2015, B 12 KR 10/14 R; Urteil vom 4. Juli 2007 - B 11a AL 5/06 R).

Diese Rechtsprechung des BSG ist auf den vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar. Der Kläger war rein formal als Fremdgeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. weder Mehrheits- noch Minderheitsgesellschafter. Auf die Frage der Rechtsmacht kraft ausdrücklicher Regelung im Gesellschaftsvertrag kommt es deshalb nicht an. Zugleich verfügte die Zeugin zwar über 100 % der Geschäftsanteile und war alleinige Gesellschafterin. Der Kläger besaß jedoch aufgrund des rechtlich wirksamen Treuhandvertrages vom 22. August 2011 die Rechtsmacht, durch Einflussnahme auf die Zeugin die Geschicke der Beigeladenen zu 1. zu bestimmen, und war hinsichtlich seiner Tätigkeit einem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1. nicht unterworfen.

Bei dem Vertrag vom 22. August 2011 handelte es sich um einen zivil- (vgl. Bundesgerichtshof (BGH) Urteil vom 19. April 1999, II ZR 365/97, BGHZ 141, 208;) wie steuerrechtlich (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 20. Januar 1999, I R 69/97, BFHE 188, 254, 258) grundsätzlich zulässigen Treuhandvertrag. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in Ausübung der sich aus dem Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht (des Treuhänders zu Dritten) im Innenverhältnis (Treuhänder zum Treugeber) nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 78. Aufl., 2019, § 903 Rdnr. 33, und BFH, Urteil vom 20. Januar 1999, a.a.O., m.w.N.). Durch den Treuhandvertrag wurde die Zeugin umfassend einer schuldrechtlichen Beschränkung ihrer Gesellschafterrechte im Innenverhältnis unterworfen. Umgekehrt hatte der Kläger, obgleich der Geschäfts- und damit der Stimmanteil zu 100 % von der Zeugin gehalten wurden, letztlich eine Stellung als faktischer Alleingesellschafter inne. Er beherrschte das Treuhandverhältnis vollumfänglich (vgl. BFH, Urteil vom 20. Januar 1999, a.a.O.; BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R). Die Zeugin durfte über die Geschäftsanteile nicht frei und ohne Zustimmung des Klägers verfügen (§ 3 Abs. 1, Abs. 2d des Treuhandvertrages). Sie war bei der Ausübung des Stimmrechts stets den Weisungen des Klägers unterworfen (§ 3 Abs. 2a). Dieser konnte jederzeit die Abtretung des von der Zeugin treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteils verlangen (§ 4 Abs. 2 Satz 1) und war im Übrigen bevollmächtigt, die sich daraus ergebenden Stimmrechte selbst auszuüben (§ 6 Satz 1).

Der Treuhandvertrag vom 22. August 2011 war - da notariell beglaubigt - auch wirksam geschlossen worden. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) bedarf der notariellen Form auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Dieses Beurkundungserfordernis gilt bereits für eine nach Gründung, aber vor Eintragung der GmbH geschlossene, auf den künftig erst entstehenden Geschäftsanteil abzielende Treuhandabrede (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 1999, II ZR 365/97, BGHZ 141, 208, ebenso BFH, Beschluss vom 2. März 2004, III B 114/03, BFH/NV 2004,1109).

Aufgrund der Wirksamkeit des Treuhandvertrages war dem Kläger das wirtschaftliche Eigentum an den von der Zeugin zu 100 % gehaltenen Gesellschaftsanteilen zuzurechnen. Der Kläger und die Zeugin hatten zudem wirksam für den Fall der Kündigung die Abtretung der Geschäftsanteile an den Kläger vereinbart (§ 7 Abs. 2).

Die Tatsache, dass der Kläger faktischer Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. war und bereits bei deren Gründung zum Alleingeschäftsführer berufen wurde, stützt dessen Angaben, dass es sich bei dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 8. Dezember 2011 um ein Vertragsmuster ohne Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten gehandelt hat. Der Kläger konnte von Beginn an frei nach seinem Willen für die Beigeladene zu 1. tätig sein.

Die überwiegend arbeitnehmertypischen Regelungen im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag (festes, später der Höhe nach korrigiertes Monatsgehalt, Fortzahlung im Krankheitsfall, Anspruch auf Jahresurlaub, Zustimmungspflicht bei der Ausübung von Nebentätigkeit und Ehrenämtern etc.) änderten nichts an einer fehlenden abhängigen Beschäftigung des Klägers. Die Bedeutungslosigkeit des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages zeigt insbesondere die Regelung des § 2 Abs. 2g. Danach durfte der Kläger Geschäfte mit einem Wert von mehr als 5.000 EUR nur nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung ausführen. Er selbst stellte aber die Gesellschafterversammlung dar und traf alleine die Gesellschafterbeschlüsse - nach seinen Angaben mit Unterstützung seines damaligen Steuerberaters.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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