S 16 U 468/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 468/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der am 00.00.1950 geborene Kläger arbeitete im Uranerzbergbau der DDR (T1E1BH T2 E2 Aktiengesellschaft X). Er führt die bei ihm bestehende Augenerkrankung auf berufli-che Einwirkungen ionisierender Strahlen zurück und hat deshalb bei der BBG (Bergbau – Berufsgenossenschaft) einer Rechtsvorgängerin der Beklagten die Anerkennung als BK (Berufskrankheit) nach der Nr. 51 der Anlage 1 zu § 1 der Ersten Durchführungsbe-stimmung vom 21.4.1981 zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutach-tung von Berufskrankheiten der DDR vom 26.2.1981 (Gesetzblatt der Deutschen Demo-kratischen Republik Nr. 12 vom 6.Mai 1981 (BK durch ionisierende Strahlen (im Folgen-den: BK 51 DDR) beantragt. Zur Begründung des Antrags trug er vor, ihm sei am 4.11.1981 radioaktiv kontaminiertes Grubenwasser ins rechte Auge getropft.

Der Vorfall ist auch Gegenstand eines Vorprozesses (SG Düsseldorf S 16 (24) KN 113/04) gewesen, dort sah der Kläger die Augenerkrankung als Folge eines Arbeitsun-falls an und verlangte deswegen die Zahlung einer Rente. Das SG hat die Klage abge-wiesen (Urteil vom 9.3.2007). Die Berufung (LSG NRW L 2 KN 76/07 U hat der Kläger zu-rückgenommen.

Im Laufe dieses Vorprozesses wurde der Antrag gestellt, das Vorliegen einer BK 51 DDR anzuerkennen. Die BBG leitete ein entsprechendes Feststellungsverfahren ein und zog Unterlagen aus den weiteren Verfahren des Klägers bei (Bl. 8 ff der Verwakte) und holte eine Auskunft der X GmbH zu den Tätigkeiten des Klägers in der Zeit vom 2.5.1978 bis zum 24.8.1990 ein.

Nach erfolgter Auswertung durch den Betriebsarzt sowie Einholung einer Stellungnah-me des TAD und Beteiligung des staatlichen Gewerbearztes lehnte die BBG die BK ab (Bescheid vom 6.7.2007). Der Widerspruch des Klägers wurde von der BBG zurückge-wiesen (Widerspruchbescheid vom 20.9.2007).

Die hiergegen vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhobene Klage (S 6 U 110/07) wurde mit Urteil vom 16.11.2010 zurückgewiesen. Im Zuge des vor dem LSG NRW am 16.1.2015 (L 2 KN 27/11 U) abgeschlossenen Vergleichs war sodann vereinbart worden, dass es erneut zu prüfen sei, ob bei dem Kläger die Voraussetzung zur Anerkennung einer Be-rufskrankheit BK 51 DDR vorliegen würde. Im Rahmen der neuen Entscheidung sollte ein Gutachten beigezogen werden.

Die Beteiligten verständigten sich auf die Einholung eines Gutachtens von dem Strah-lenbiologen des Universitätsklinikums F T3.

T3 führt in seinem Gutachten aus, dass er der Frage nachgegangen sei, ob die beim Kläger vorliegende Erkrankung am rechten Auge (Iridozyklitis und Katerakt) auf die Strahlenexposition zurückzuführen sei, der der Kläger während seiner Tätigkeit im Uran-bergbau bei der T1E1BH X ausgesetzt gewesen sei.

Es stehe außer Zweifel, dass der Kläger während seiner Tätigkeit untertage als Spreng-Hauer in der Zeit vom 2.5.1978 bis 24.8.1990 bei der T1E1BH X ionisierender Strahlung ausgesetzt gewesen sei. Diese Strahlenexpositionen vor allem der Hauer bei der T1E1BH X sei intensiv untersucht worden und in einem Gutachten von K und S"Risiko und Verursachungswahrscheinlichkeit von extrapulmonalen Krebserkrankungen durch die berufliche Strahlenexposition von Beschäftigten der ehemaligen X AG (1995)" sowie in dem Abschlussbericht zu einem Forschungsvorhaben "Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR" von Lehmann et. Al. (1998) zusam-mengefasst worden.

Die Strahlenexposition, der der Kläger ausgesetzt war, ist nach den Ermittlungen des TAD (Technischen Aufsichtsdienstes) konkret für die Augen wie folgt ermittelt worden: - bis zum 13.11.1980: etwa 19,57 mSv - bis zum 17.4.1985: etwa 46, 32 mSv - bis zum 24.8.1990 etwa 78,62 mSv Diese Zahlen und Werte sind nach Ansicht des Strahlenbiologen zu erhöhen, da der Kläger am 4.11.1981 einen Arbeitsunfall erlitten habe, bei denen es zu Verletzungen am und im rechten Auge gekommen sei. Der Kläger hat in der Uranerzgrube "Tropfwasser ins Auge bekommen." In der Zeit von 1982 bis 1985 hätte es Entzündungen im Auge ge-geben.

T3 teilt mit, dass es zu diesen möglichen Expositionen keinerlei Messungen gebe. Daten seien lediglich zu den Konzentrationen von radioaktiven Stoffen in den Grubenwassern vorhanden. Wenn man für das Bestehen der Wunden und Entzündungen im rechten Auge einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren annehme, dann resultiere über diesen Expositionspfad eine Strahlendosis von 400 mSv.

T3 erhöht daher die Strahlendosis wie folgt entsprechend:

- bis zum 13.11.1980: etwa 19,57 mSv - bis zum 17.4.1985: etwa 446, 32 mSv - bis zum 24.8.1990 etwa 478,62 mSv

Sodann wendet T3 sich der Frage zu, ob es zutreffend sei für die Entstehung eines Ka-terakt der rechten Augenlinse eine Schwellendosis zu verlangen oder nicht. Aus Unter-suchungen in Hiroshima und Nagasaki sei bekannt, dass bei einer Dosis von 4-6 Gy ei-ne Erkrankung an Katerakten in Hiroshima bei 42,3 % liege. Aus dem Reaktorunfall in Tschernobyl habe man den Nachweis führen können, dass geringere Strahlendosen zu Katerakten der Augenlinse führen können. Worgul et al (2007) seien nach Untersu-chungen zu dem Ergebnis gekommen, dass bereits eine Schwellendosis von 350 mGy (für die Augen 190 – 660 mGy) zu einer Kataraktbildung in der Augenlinse führen könne. Trotz Hinweisen auf eine früherer erstmalige Feststellung des Katerakt im rechten Auge sei dieser so T3 erst 1991 richtig offensichtlich geworden.

Gehe man beim Kläger von einer Strahlenexposition von 478 mSv aus könne die Er-krankung an der Katerakt in der rechten Augenlinse auf die Expositionen der ionisieren-den Strahlen zurückzuführen sein. Diese Schlußfolgerung zieht auf der Basis neuerer Untersuchungen, die besagen, dass es auch richtig sein könne, für die Verursachung von Katerakten der Augenlinse keine Schwellendosis anzusetzen. Sehr kleine Strahlen-dosen seien möglicherweise in der Lage, Katerakte auszulösen, wenn auch nur in sehr geringem Maße.

Diese neuen Studien und Untersuchungen würden in der neuen Fassung der "Wissen-schaftlichen Stellungnahme zu der Berufskrankheit 2402 der Anlage 1 zur Berufskrank-heiten-Verordnung Erkrankungen durch ionisierende Strahlen" vom 24.10.2011 ange-sprochen. Es werde aber noch keine Bewertung abgegeben, da die wissenschaftliche Diskussion zu dieser Frage noch nicht abgeschlossen sei.

Beim Kläger sei zu berücksichtigen, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem deutli-chen Hervortreten des Katerakts 1991 auch der beim Kläger festgestellte Diabetes eine Ursache für den Katerakt darstellen könne.

Trotz dieser alternativen Möglichkeit geht T3 davon aus, dass ernsthafte Anhaltspunkte vorliegen würden, das der Katerakt durch die ionisierende Strahlung verursacht sein könne.

T3 empfiehlt die Anerkennung der BK.

Mit Bescheid vom 25.5.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.8.2016 lehnt die Beklagte die Anerkennung der BK 51 DDR ab.

Die Beklagte begründet die Ablehnung im Wesentlichen mit der folgenden Argumentati-on:

"Die Frage, welcher Einwirkung es mindestens bedarf, um eine BK zu verursachen bzw. die Anerkennung einer BK unter Einbeziehung weiterer Kriterien zu rechtfertigen, ist un-ter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnene Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens be-steht (vgl. Bundessozialgericht – BSG – vom 27.6.2006, Az.: B 2 U 20/04 R – juris).

Nach der aktuellen wissenschaftlichen Stellungnahme zur BK 2402 (GMBl. 2011, 983 ff) zählen zu den Strahlenspätschäden auch Katerakte, von denen man bis vor kurzem an-nahm, dass sie zu den deterministischen Effekten gehören und dementsprechend mit Schwellendosen einhergehen. Dies wird inzwischen in Frage gestellt, da mehrere um-fangreiche Daten-sätze darauf hindeuten, dass überhaupt Schwellendosen existieren, diese deutlich niedriger liegen als früher angenommen, also deutlich niedriger als etwa 2 Gy (entspricht 2 Sievert-Sv, bzw. 2000 Milisievert mSv) nach akuter und etwa 6 Gy (6 Sie-vert bzw. 6000 Millisievert) nach chronischer Exposition. Die wissenschaftliche Expositi-on auf diesem Gebiet ist zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Das bedeutet, dass es hin-sichtlich der Frage, ob es eine Schwellendosis gibt und wie hoch diese ggfs. ist, derzeit (noch) keinen wissenschaftlichen Konsens gibt."

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 13.9.2016 vor dem Sozialgericht Düs-seldorf erhobenen Klage.

Er ist davon überzeugt, dass die bei ihm vorliegende Katerakt Erkrankung auf die ionsie-rende Strahlung, der er ausgesetzt war, zurückzuführen ist und nicht auf die bei ihm vor-liegende Diabetes Erkrankung, die ebenfalls ein hohes Risiko, an Katerakt zu erkranken, beinhaltet. Zudem könne er nicht verstehen, dass man sich darauf verständige im Rah-men eines Vergleichs vor dem LSG NRW, man werde in einem neuen Verwaltungsver-fahren ein Gutachten einholen, um die Frage der BK 51 DDR erneut zu prüfen und dann entscheide die Beklagte einfach, dass sie diesem Gutachten nicht folge. T3 habe doch nachvollziehbar dargelegt, dass die BK anzuerkennen sei.

Der Kläger beantragt,

der Bescheid der Beklagten vom 25.5.2016 in Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 17.8.2016 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, anzuerken-nen, dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 51 der Anlage zur Be-rufskrankheitenverordnung DDR BKVO/DDR vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, ihre im Verwaltungsverfahren mitgeteilte Auffassung sei rechtmäßig.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Ver-waltungsakte und der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, das Vorliegen eine Berufskrankheit nach Nr. 51 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung DDR BKVO/DDR beim Kläger festzustel-len.

Rechtliche Grundlage für die zu treffende Entscheidung ist § 9 Abs. 1 Satz 1 des Sozial-gesetzbuchs – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII). Danach sind Berufskrankhei-ten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheit bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Ver-sicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2, erster Halbsatz SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Hierzu zählt auch die Berufskrankheit nach Nr. 51 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung DDR BKVO/DDR (Erkrankungen durch ionisierende Strahlung mit Ausnahme bösartiger Neu-bildungen).

Die beim Kläger vorliegende Katerakt-Erkrankung könnte eine Erkrankung sein, die durch ionisierende Strahlung entstanden ist.

Die Katerakt-Erkrankung könnte jedoch auch Folge des beim Kläger vorliegenden Diabe-tes oder der Bluthochdruckerkrankung sein. Diese Frage kann jedoch vorliegend dahin-stehen, da der Kläger jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 51 DDR erfüllt.

Denn der Kläger erfüllt aktuell nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen der hier streitigen BK 51 DDR, so dass es auf die Frage, ob die medizinischen Voraussetzungen erfüllt sind, zur Überzeugung der Kammer nicht ankommt. Zwar war der Kläger in seiner Tätigkeit für die X AG in der Zeit vom 2.5.1978 bis 24.8.1990 ionisierender Strahlung ausgesetzt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig, soweit T3 von den nach-folgenden Werten ausgeht: Die Strahlenexposition der der Kläger ausgesetzt war, ist nach den Ermittlungen des TAD (Technischen Aufsichtsdienstes) konkret für die Augen wie folgt ermittelt worden: - bis zum 13.11.1980: etwa 19,57 mSv - bis zum 17.4.1985: etwa 46, 32 mSv - bis zum 24.8.1990 etwa 78,62 mSv

Streitig ist, ob Prof. Dr. Streffer von den nachfolgenden Werten ausgehen durfte.

- bis zum 13.11.1980: etwa 19,57 mSv - bis zum 17.4.1985: etwa 446, 32 mSv - bis zum 24.8.1990 etwa 478,62 mSv Aber auch diese Frage kann dahinstehen.

Denn selbst wenn man die von T3 zugrunde gelegten höheren Werte annimmt, erfüllt der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Überzeugung der Kammer nicht.

Hierbei stützt sich die Kammer auf die Entscheidung des BSG vom 27.6.2006, Az.: B 2 U 20/04 R (juris). Denn die Frage, welcher Einwirkung es mindestens bedarf, um eine BK zu verursachen bzw. die Anerkennung einer BK unter Einbeziehung weiterer Kriterien zu rechtfertigen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftli-chen Erkenntnisstand zu beantworten. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnene Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler aner-kannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstim-men abgesehen, Konsens besteht (BSG aaO).

Nach der aktuellen wissenschaftlichen Stellungnahme zur BK 2402 (GMBl. 2011, 983 ff), die auf die hier streitige BK 51 DDR zu übertragen ist, zählen zu den Strahlenspätschä-den auch Katerakte, von denen man bis vor kurzem annahm, dass sie zu den determinis-tischen Effekten gehören und dementsprechend mit Schwellendosen einhergehen. Dies wird inzwischen in Frage gestellt, da mehrere umfangreiche Datensätze darauf hindeu-ten, dass überhaupt Schwellendosen existieren, diese deutlich niedriger liegen als frü-her angenommen, also deutlich niedriger als etwa 2 Gy (entspricht 2 Sievert-Sv, bzw. 2000 Milisievert mSv) nach akuter und etwa 6 Gy (6 Sievert bzw. 6000 Millisievert) nach chronischer Exposition. Die wissenschaftliche Diskussion auf diesem Gebiet ist zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Das bedeutet, dass es hinsichtlich der Frage, ob es eine Schwellendosis gibt und wie hoch diese ggfs. ist, derzeit (noch) keinen wissenschaftli-chen Konsens gibt."

Genau dies beschreibt auch T3, wenn er in seinem Gutachten ausführt, dass auf der Ba-sis neuerer Untersuchungen eine Diskussion geführt wird, dass auch für die Verursa-chung von Katerakten der Augenlinse die Dosiswirkungsbeziehung keine Schwellendo-sis hat. Die Formulierung "eine Diskussion geführt wird" zeigt ebenso deutlich wie die Formulierung in dem Gutachten von T3 auf Seite 20 seines Gutachtens "Auch in der neuen Fassung der "Wissenschaftlichen Stellungnahme zu der Berufskrankheit 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung Erkrankungen durch ionisierende Strahlen" vom 24.10.2011 wird diese Problematik angesprochen. Es wird allerdings keine abschließende Bewertung abgegeben, "da die wissenschaftliche Diskussion auf diesem Gebiet zur Zeit noch nicht abgeschlossen" sei.

T3 zeigt damit in seinem Gutachten die wissenschaftliche Diskussion auf und legt auch dar, dass es ernsthafte Zweifel gibt, ob es bei der Entstehung von Katerakten in Zukunft noch eine Schwellendosis geben darf oder nicht. Wenn eine Schwellendosis bleibt, stellt sich die Frage nach der Höhe dieser Schwellendosis. Indem T3 selbst umfassend an den Beispielen von Hiroshima und Nagasaki und Tschernobyl darlegt, dass man in der Ver-gangenheit von sehr hohen Strahlenmengen 2-4 Gy ausgegangen ist, wird deutlich, dass insbesondere die Frage, welche Schwellendosis ggfs. festzusetzen ist, noch be-stimmt werden muss. Wenn keine Schwellendosis mehr festgesetzt wird, gibt T3 den deutlichen Hinweis, dass sehr kleine Strahlendosen Katerakte nur in sehr geringem Ma-ße hervorrufen können (Seite 19 des Gutachtens).

Diese Zusammenfassung der wissenschaftlichen Diskussion war die Aufgabe des Gut-achtens von T3. Dieser ist der Strahlenbiologe auch vollumfänglich nachgekommen.

Wie mit den Aussagen und Inhalten des Gutachtens umzugehen ist, bemisst sich jedoch an den rechtlichen Grundlagen des Unfallversicherungsrechts.

Hierzu hat das Bundessozialgericht (aaO) unmissverständlich deutlich gemacht, dass es eines wissenschaftlichen Konsenses bedarf, wenn man die arbeitstechnischen Voraus-setzungen einheitlich und für alle Versicherten gleich beurteilen will. Dieser wissen-schaftliche Konsens ist noch nicht erzielt worden, so dass bis zu einer Überarbeitung der Wissenschaftlichen Stellungnahme zu der Berufskrankheit 2402 der Anlage 1 zur Be-rufskrankheiten-Verordnung Erkrankungen durch ionisierende Strahlen" vom 24.10.2011 die bisher angenommenen Schwellendosen von 2-6 Gy die Grundlage der Beurteilung bilden. Erst wenn dieser "alte" wissenschaftliche Konsens durch einen "neuen" wissenschaftlichen Konsens ersetzt wird, kann dieser die Grundlage der Ent-scheidung bilden.

Es war daher seitens der Beklagten rechtmäßig, der Empfehlung von T3, die BK anzuer-kennen, nicht zu folgen.

Mag dies für den Kläger, der schon lange um die Anerkennung der BK bemüht ist, schwer verständlich sein, so kann die Kammer abschließend nur darauf hinweisen, dass der Kläger gehalten ist, den Ausgang der wissenschaftlichen Diskussion abzuwarten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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