L 6 AS 27/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 15 AS 804/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 27/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 21/18 BH
Datum
Kategorie
Urteil
I Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. November 2016 wird zurückgewiesen.

II Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2013 zu gewährenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Umstritten ist dabei insbesondere, ob über die bereits gewährten bzw. dem Kläger in I. Instanz bereits zugesprochenen Leistungen hinausgehend ein weiterer Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung sowie für Medikamente zu berücksichtigen ist.

Der 1957 geborene Kläger steht seit 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Er hat seitdem vor dem Sozialgericht Wiesbaden und vor dem Hessischen Landessozialgericht zahlreiche Rechtsstreite gegen die Beklagte geführt. Für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger entsprechend einer Verurteilung durch das Sozialgericht Wiesbaden (Urteil vom 8. April 2008 - S 12 AS 614/07) wegen einer Fettstoffwechselstörung durch Ausführungsbescheid vom 13. Dezember 2011 (Bl. 334 Verwaltungsakten) Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs. Durch Weitergewährungsbescheide vom 5. Juni 2012 (Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012) sowie vom 17. Dezember 2012 (Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2013) bewilligte die Beklagte dem Kläger entsprechende SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung desselben Mehrbedarfs.

Mit Schreiben vom 31. Januar 2012 (Bl. 348 Verwaltungsakten) stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Berücksichtigung eines weitergehenden Mehrbedarfs und legte ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin C. vom 2. März 2012 sowie vom 11. Juni 2012 vor. Die Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme des Arztes Dr. med. D. (Gesundheitsamt A-Stadt) vom 5. November 2012 ein und lehnte hierauf gestützt durch Bescheid vom 19. November 2012 und Widerspruchsbescheid vom 8. August 2013 (Bl. 5 Gerichtsakten) eine Erhöhung des Mehrbedarfs ab.

Der Kläger hat daraufhin am 10. September 2013 erneut Klage bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben und geltend gemacht, dass der ihm bereits zugebilligte Mehrbedarf in Höhe von 10 % des Regelbedarfs aufgrund neu hinzugetretener Erkrankungen und einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands nicht mehr ausreichend sei. Er müsse insbesondere in erhöhten Mengen kalziumhaltige Lebensmittel, insbesondere Milch und Milchprodukte, Fisch und Meeresfrüchte, Obst und Gemüse, Mehl, Soja und Vollwertbrot, sowie eine das Immunsystem stärkende schadstoffarme Ernährung mit hohem Vitaminanteil zu sich nehmen. Außerdem benötige er Nahrungsergänzungsmittel und Zusatzpräparate (Vitamin D3 Hevert®, Neurodoron® und Care Immun Basic®), welche nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen würden. Insoweit hat der Kläger bezüglich des im vorliegenden Verfahren streitigen Zeitraums Apothekenquittungen über die nachfolgend aufgeführten Aufwendungen vorgelegt:

Datum Präparat Kaufpreis
12. Juni 2012 Vitamin D3 Hevert® 6,37 EUR
24. Dezember 2012 Vitamin D3 Hevert® 6,22 EUR
28. Dezember 2012 Care Immun Basic® 83,07 EUR
6. Februar 2013 Neurodoron® 20,76 EUR
12. April 2013 Vitamin D3 Hevert® 6,22 EUR

Die Beklagte hat die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Auffassung wiederholt und darauf hingewiesen, dass insbesondere der vom Kläger geltend gemachte weitere Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht nachgewiesen sei.

Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 28. November 2016 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 18,81 EUR für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2013 zu gewähren. Hinsichtlich des Präparats Vitamin D3 Hevert® sei die Klage in Höhe der durch die vorliegenden Apothekenquittungen nachgewiesenen Aufwendungen begründet, weil im Falle des Klägers ausweislich der vorliegenden ärztlichen Unterlagen eine entsprechende Substitutionstherapie erforderlich sei. Bezüglich der Präparate Care Immun Basic® und Neurodoron® fehle es demgegenüber an einem entsprechenden Nachweis; der Kläger habe insoweit auch keine ärztlichen Verordnungen vorgelegt. Es sei im Übrigen auch nicht nachgewiesen, dass im Falle des Klägers über den ihm bereits zugebilligten Mehrbedarf in Höhe von 10 % des Regelbedarfs hinausgehend ein weiterer Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe. Dass der Kläger eine hohe Anzahl von Milch und Milchprodukten, Fisch und Meeresfrüchten, Obst und Gemüse sowie Mehl, Soja und Vollwertbrot zu sich nehmen müsse, sei nicht mit höheren Kosten als bei einer Ernährung mit einer den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entsprechenden ausgewogenen Vollkost verbunden, weil alle diese Produkte auch in Bio-Qualität mittlerweile in Discountern erhältlich seien.

Der Kläger hat gegen das ihm am 23. Dezember 2016 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 13. Januar 2017 Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und macht insbesondere geltend, dass er zusätzlich zum bereits bewilligten Mehrbedarf von 10 % des Regelsatzes einen weiteren ernährungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von ca. 70,00 EUR pro Monat habe. Mit Ausnahme der bereits in I. Instanz zu den Gerichtsakten gereichten Apothekenquittungen könne er keine Nachweise für die ihm entstehenden Mehrkosten vorlegen.

Die Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. November 2016 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 13. Dezember 2011, vom 5. Juni 2012 und vom 17. Dezember 2012 sowie des Bescheides vom 19. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2013 zu verpflichten, hinsichtlich der Bewilligungszeiträume vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2013 einen weiteren Mehrbedarf für Medikamente und Ernährung in gesetzlicher Höhe zu berücksichtigen, der über die bereits bewilligten Leistungen hinausgeht.

Die Beklagte, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2018 nicht vertreten gewesen ist, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat dem Kläger mit Schreiben vom 27. Juni 2017 und vom 27. Oktober 2017 unter Hinweis auf die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vorbingens eine bis zum 15. September 2017 bzw. bis zum 30. November 2017 bemessene Frist zum abschließenden Sachvortrag und zur Bezeichnung von Beweismitteln gesetzt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2018 in der Sache verhandeln und eine Entscheidung treffen, obwohl die Beklagte nicht vertreten gewesen ist. Denn alle Beteiligten sind rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen und dabei nach Maßgabe von § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne.

Die Berufung ist zulässig.

Streitgegenstand ist nach dem im Rahmen der Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) gestellten Sachantrag die in den Bescheiden der Beklagten vom 13. Dezember 2011, vom 5. Juni 2012 und vom 17. Dezember 2012 sowie im Bescheid vom 19. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2013 hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2013 in Bezug auf die Regelleistung einschließlich etwaiger Mehrbedarfe getroffene Regelung. Die Beschränkung des Streitgegenstands ist insoweit zulässig, als es sich bei der diesbezüglichen Beklagtenentscheidung um eine abtrennbare Verfügung des jeweiligen Gesamtbescheides handelt (vgl. BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R; BSG vom 2. April 2015 - B 14 AS 42/13 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 78). Bereits der mit der Klage und der Berufung hinsichtlich des streitigen 18-Monats-Zeitraums geltend gemachte Ernährungs-Mehrbedarf in Höhe von monatlich jeweils 70,00 EUR übersteigt ganz offenkundig den in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in Bezug auf die Statthaftigkeit der Berufung genannten Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR.

Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. November 2016 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Bescheide der Beklagten vom 13. Dezember 2011, vom 5. Juni 2012 und vom 17. Dezember 2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2013 über das erstinstanzliche Urteil hinausgehend abgeändert werden. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, hinsichtlich der Bewilligungszeiträume vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2013 einen weiteren Mehrbedarf des Klägers für Medikamente und Ernährung zu berücksichtigen.

Die nach Maßgabe von § 7 SGB II leistungsberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben gemäß § 21 SGB II in der hier maßgeblichen, vom April 2011 bis zum 31. Juli 2016 gelten alten Fassung (a.F.) vom 13. Mai 2011 einen Anspruch auf Berücksichtigung der in dieser Vorschrift im Einzelnen aufgeführten und nicht durch den Regelbedarf im Sinne von § 20 SGB II abgedeckten weitergehenden Bedarfe. Gemäß § 21 Abs. 5 SGB II (a.F.) wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II wird ein Mehrbedarf bei Leistungsberechtigten außerdem anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist gemäß § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II in diesem Sinne unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Der Vorschrift des § 21 Abs. 8 SGB II zufolge darf die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 2 bis Abs. 5 SGB II die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

In Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen hat die Beklagte im Falle des Klägers zu Recht die Berücksichtigung eines über den bereits anerkannten 10 %igen Mehrbedarfs hinausgehenden Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung im Sinne von § 21 Abs. 5 SGB II a.F. abgelehnt. Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist "kostenaufwändiger" im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt wird (vgl. BSG vom 20. Februar 2014 - B 14 AS 65/12 R = SozR 4-4200 § 21 Nr. 17, jeweils Rdnr. 19 m.w.N.). Voraussetzung für diesen Mehrbedarf ist ein medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis (BSG vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 48/12 R = SozR 4-4200 § 21 Nr. 15, jeweils Rdnr. 12). Ein solches liegt vor, wenn mit der Regelernährung bestimmte Inhaltsstoffe nicht vermieden werden können, sodass aus physiologischen Gründen ein objektiver Bedarf an einer besonderen Ernährung bedingt ist, die auf einer spezifischen Ernährungsempfehlung beruht. Das objektive Erfordernis einer besonderen Kostform aus physiologischen Gründen ist zu unterscheiden von einem bestimmten Ernährungsverhalten oder einem Umgang mit Lebensmitteln, dem keine spezifische, physiologisch bestimmte Kostform zugrunde liegt (vgl. BSG vom 20. Januar 2016 B 14 AS 8/15 R = SozR 4-4200 § 21 Nr. 25, jeweils Rdnr. 15).

Ein in diesem Sinne medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis, welches nicht bereits von dem ihm ohnehin zugebilligten 10 %igen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung abgedeckt wird, ist im Falle des Klägers auch bei besonders wohlwollender Würdigung aller Einzelumstände nicht erkennbar.

Wie sich aus dem in einem der Vorprozesse gleichen Rubrums ergangenen Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8. April 2008 (S 12 AS 614/07) ergibt, ist dem Kläger seinerzeit ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zugesprochen worden im Hinblick auf dessen Fettstoffwechselstörung mit erhöhten Cholesterinwerten (Typ II-Hyperlipoproteinämie bzw. -Hypercholesterinämie), welche einen Risikofaktor für das Auftreten von atherosklerotischen Gefäßveränderungen mit der Folge von Herzinfarkt, Schlaganfall und arterieller Verschlusskrankheit darstellt. Hinsichtlich der Höhe des Mehrbedarfs hat sich das Sozialgericht Wiesbaden seinerzeit an den Empfehlungen des Deutschen Vereins orientiert.

Sein Begehren auf Zubilligung eines weitergehenden Mehrbedarfs stützt der Kläger neben der vorbekannten Fettstoffwechselstörung auf die folgenden, in den Attesten des Arztes für Allgemeinmedizin C. vom 2. März 2012 sowie vom 11. Juni 2012 aufgeführten Diagnosen:

- Zustand nach Morbus Hodgkin mit Chemotherapie und Bestrahlung,
- Diabetes mellitus mit Polyneuropathie,
- Fatigue-Syndrom,
- Cushing-Syndrom.

Insoweit hat das Sozialgericht im erstinstanzlichen Urteil vom 28. November 2016 zu Recht darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der im Jahre 2004 aufgetretenen Krebserkrankung (Morbus Hodgkin) eine anhaltende Vollremission eingetreten und dass insoweit auch die Krebs-Nachsorgephase längst beendet ist. Ebenso wie hinsichtlich des Diabetes mellitus hat deshalb bereits das Sozialgericht Wiesbaden im Urteil vom 8. April 2008 (S 12 AS 614/07) mit überzeugender Begründung die Notwendigkeit zur Einhaltung einer besonderen Krankenkost verneint. Neue Gesichtspunkte, die insoweit eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Hinsichtlich des vom Kläger nun als weitere Diagnosen aufgeführten Cushing-Syndroms (eine insbesondere durch die längerfristige Einnahme von Cortison hervorgerufene Erhöhung des Cortisolspiegels im Blut im Sinne von ICD-10-Kode E24.-) und des Fatigue-Syndroms (Chronisches Müdigkeitssyndrom im Sinne von ICD-10-Kode G93.3 mit anhaltender Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit) hat der Arzt für Allgemeinmedizin C. im Attest vom 11. Juni 2012 die Auffassung vertreten, dass sich hieraus ein Mehrbedarf für schadstoffarme calciumhaltige Nahrungsmittel (z.B. Milch, Milchprodukte, Fisch, Meeresfrüchte, Obst und Gemüse, Vitaminpräparate, Mehl, Soja, Vollwertbrot) ergebe. Es handelt sich insoweit zu großen Teilen freilich ganz offenkundig um genau jene Nahrungsmittel, deren Verzehr auch bei Vorliegen einer Fettstoffwechselstörung als sinnvoll erachtet wird. Das hat der Kläger selbst durch die in der an seinen Prozessbevollmächtigten gerichteten E-Mail vom 15. August 2017 enthaltenen Aufstellungen über die bei verschiedenen Krankheitsbildern gemachten Verzehrempfehlungen unter Beweis gestellt. Wie sich unmissverständlich aus der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Arztes Dr. med. D. (Gesundheitsamt A Stadt) vom 5. November 2012 ergibt, ist angesichts dessen über den wegen der Fettstoffwechselstörung anerkannten 10 %igen Mehrbedarf hinausgehend kein weitergehender ernährungsbedingter Mehrbedarf begründbar.

In diesem Sinne hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil vom 28. November 2016 überzeugend dargelegt, dass die Kosten für eine ausgewogene, den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entsprechende Vollkost ohnehin bereits vom Regelbedarf umfasst sind und dass die vom Arzt für Allgemeinmedizin C. im Einzelnen empfohlenen Produkte auch in Bio Qualität mittlerweile in Discountern erhältlich sind. Der Kläger hat in der vorgelegten E-Mail an seinen Prozessbevollmächtigten vom 15. August 2017 auch selbst eingeräumt, dass er keine Nachweise für die ihm durch den Kauf spezieller Nahrungsmittel entstandenen Mehrkosten habe. Die vom Kläger anhand von allgemeinen statistischen Unterlagen zur Höhe seiner ernährungsbedingten Aufwendungen vorgenommenen Schätzungen sind nicht geeignet, den Nachweis als geführt anzusehen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe diesbezüglich tatsächlich Mehraufwendungen entstanden sind.

Hinsichtlich der noch streitigen Aufwendungen des Klägers für die Präparate Care Immun Basic® und Neurodoron® hat das Sozialgericht mit zutreffender Begründung das Vorliegen eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs im Sinne von § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II verneint. Bei dem Präparat Care Immun Basic® handelt es sich um ein rezeptfreies und nicht apothekenpflichtiges Nahrungsergänzungsmittel, welches im Wesentlichen verschiedene Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente enthält; bei dem Präparat Neurodoron® handelt es sich um eine rezeptfreie apothekenpflichtige homöopathische Arzneispezialität der anthroposophischen Therapierichtung, welche sich im Wesentlichen aus Gold, Kaliumsphosphat und Eisen in besonderer Zubereitung zusammensetzt. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 26 Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R = BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 13, jeweils Rdnr. 23 ff.) die Kosten einer Krankenbehandlung bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten entweder durch die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) oder aber (ergänzend) durch die Regelleistung nach dem SGB II abgedeckt sind und dass aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II entstehen. Sofern die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Präparate nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, kann eine Übernahme der Kosten nach § 21 Abs. 6 SGB II aber zumindest ausnahmsweise möglich sein, wenn die betreffenden Produkte bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten und außerdem feststeht, dass der SGB II-Leistungsberechtigte hierauf dringend angewiesen ist.

Dass der Kläger in diesem Sinne auf die Einnahme der in Rede stehenden beiden Präparate aus medizinischen Gründen tatsächlich angewiesen sein könnte, ist von ihm freilich weder durch die Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung noch auf andere Weise nachgewiesen worden. Aus dem vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht vom 29. September 2014 ergibt sich im Gegenteil gerade, dass dem behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin C. hinsichtlich der genannten Präparate keine Erfahrungsberichte vorliegen. Entgegen der Auffassung des Klägers brauchte der Senat sich insoweit auch nicht zu weiteren Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts gedrängt zu fühlen. Denn es sind vorliegend insoweit nur Aufwendungen für den jeweils einmaligen Kauf einer 200er Packung des Präparats "Care Immun Basic®" sowie einer 200er Packung des Präparats "Neurodoron®" durch Vorlage entsprechender Apothekenquittungen belegt, so dass gerade kein "laufender, nicht nur einmaliger" besonderer Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II erkennbar ist.

Hinsichtlich der vom Kläger getätigten und durch entsprechende Apothekenquittungen belegten nachgewiesenen Aufwendungen für den Erwerb des Präparats "Vitamin D3 Hervert®" war die Klage in I. Instanz erfolgreich. Weitergehende Aufwendungen sind insoweit nicht nachgewiesen.

Zu weiteren Ermittlungen musste der Senat sich insoweit nicht gedrängt fühlen. Zwar hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Januar 2018 weiter zur Sache vorgetragen und diverse Anregungen für weitergehende Beweiserhebungen gegeben. Es handelt sich insoweit jedoch nicht um prozessordnungsgemäße Beweisanträge, mittels derer unter Angabe eines hinreichend deutlich bezeichneten Beweisthemas und eines bestimmten Beweismittels eine konkrete Tatsachenbehauptung unter Beweis gestellt wird, sondern vielmehr um bloße Beweisermittlungsanträge im Sinne eines sog. Ausforschungsbeweises (zur Begrifflichkeit vgl. Greger in Zöller, ZPO, 28 Aufl., Rdnr. 5 vor § 284). Nach den im Zivilprozess entwickelten Grundsätzen zum Ausforschungsbeweis zielt dieser darauf ab, bisher unbekannte Tatsachen zwecks genaueren Vorbringens in Erfahrung zu bringen (vgl. BGH vom 5. April 2001 - IX ZR 276/98 = NJW 2001, 2327; BGH vom 2. April 2007 - II ZR 325/05 = BB 2007, 1185 m.w.N.). Im sozialgerichtlichen Verfahren liegt ein "Ausforschungsbeweis" vor, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (vgl. BSG vom 19. September 1979 - 11 RA 84/78).

Der Senat musste dem entsprechenden Sachvortrag und den Beweisermittlungsanträgen des Klägers im Übrigen auch schon bereits deshalb nicht weiter nachgehen, weil es sich insoweit um verspätetes Vorbringen im Sinne des § 106a SGG handelt.

Nach § 106a Abs. 1 SGG kann der Vorsitzende dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Er kann gemäß § 106a Abs. 2 SGG ferner einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1. Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2. Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

Der Vorschrift des § 106a Abs. 3 Satz 1 SGG zufolge kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach § 106a Abs. 1 und 2 SGG gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1. ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2. der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3. der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt: Die Erklärungen und Beweismittel aus dem Schriftsatz vom 27. Januar 2018 sind zurückzuweisen, weil zur Überzeugung des Senats durch deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und weil es sich insoweit um Vorbringen handelt, welches ohne hinreichenden Grund nicht früher vorgebracht worden ist. Dem Kläger ist mit Schreiben des Vorsitzenden vom 27. Juni 2017 und vom 27. Oktober 2017 unter Hinweis auf die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vorbingens eine bis zum 15. September 2017 bzw. bis zum 30. November 2017 bemessene Frist zum abschließenden Sachvortrag und zur Bezeichnung von Beweismitteln gesetzt worden. Sein erst nach erfolgter Terminsladung mit Schriftsatz vom 27. Januar 2018 bei Gericht eingegangenes Vorbringen erweist sich damit als verspätet.

Einen nachvollziehbaren Entschuldigungsgrund für die Verspätung seines Vorbringens vermochte der Kläger trotz entsprechender Anfrage des Gerichts nicht glaubhaft zu machen. Er hat lediglich unter Vorlage eines Attests des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. E. vom 5. Februar 2018 darauf verwiesen, dass er am 27. Dezember 2017 wegen eines Akutereignisses mit erheblichen Bauchschmerzen notfallmäßig im Krankenhaus aufgenommen und dort wegen einer Cholezystolithiasis bis zum 8. Januar 2018 stationär behandelt worden sei. Die dem Kläger gesetzte letzte Frist zum abschließenden Sachvortrag und zur Bezeichnung von Beweismitteln war bei Beginn des stationären Krankenhausaufenthalts allerdings bereits längst abgelaufen.

Wer – wie der Kläger – trotz entsprechender Belehrung durch das Gericht ohne hinreichenden Grund einen Zeitraum von annähernd drei Monaten tatenlos verstreichen lässt, bevor er dann schließlich nach erfolgter Terminsladung weiter zur Sache vorträgt, der muss sich zur Überzeugung des Senats ein grob nachlässiges Prozessverhalten vorhalten lassen und kann nicht erwarten, dass dieses Vorbringen zugelassen und die hierdurch zwangsläufig eintretende (weitere) Verzögerung des entscheidungsreifen Rechtsstreits hingenommen wird.

Den zutreffenden Darlegungen des Sozialgerichts ist im Übrigen nichts hinzuzufügen. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist entsprechend der für einen solchen Fall in § 153 Abs. 2 SGG vorgesehenen Möglichkeit auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Die Berufung konnte deshalb im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved