L 11 KR 857/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 2478/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 857/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Rente wegen dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit nach
§ 2 Abs 4 des Tarifvertrages Übergangsversogung für
Flugbegleiter (TV ÜV) ist als Leistung der betrieblichen
Altersversorgung ein Versorgungsbezug iSd
§ 226 Abs 1 Nr 3 SGB V.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.02.2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus einer dem Kläger gewährten Firmenrente für die Zeit ab 15.09.2017.

Der 1967 geborene Kläger ist seit dem 15.09.2017 bei der beklagten Krankenkasse versichert (zunächst bis 02.05.2018 als Bezieher von Arbeitslosengeld, seither als Bezieher von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben). Bis zum 31.03.2016 war er bei der L. als Flugbegleiter beschäftigt. Wegen einer dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit erhält er seit dem 01.04.2016 eine Firmenrente gemäß § 2 Abs 4 des Tarifvertrages Übergangsversorgung für Flugbegleiter (TV ÜV). § 2 TV ÜV lautet wie folgt: § 2 Firmenrente (1) Flugbegleiter haben Anspruch auf Zahlung der Firmenrente, wenn sie wegen Erreichen der tarifvertraglichen Altersgrenze (§ 19 MTV Kabine) mit dem 55. oder ggf einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne dass sie bereits Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Tarifvertrag L.-Betriebsrente haben. (2) Die Zahlung der Firmenrente beginnt in dem Monat nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente, spätestens mit dem vollendeten 63. Lebensjahr. ( ...) (3) Die Firmenrente besteht aus einem Grundbetrag und aus einem Zusatzbetrag. Der Grundbetrag beträgt nach einer Gesamtbeschäftigungszeit von 23 Jahren 60% der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt bezogenen und mit dem Umstellungsfaktor 0,9717 (100: 95: 13 x 12) multiplizierten Gesamtvergütung (Grundvergütung, Purserzulage, Schichtzulage). ( ...) Der Zusatzbeitrag entspricht der Hälfte des jeweiligen Krankenversicherungsbeitrages (ohne Versicherung eines Krankengeldanspruchs) an die A. H. auf den Grundbetrag. (4) Der Anspruch auf Firmenrente entsteht bereits vorzeitig, wenn der/die Flugbegleiter(in) nach dem vollendeten 45. Lebensjahr dauernd flugdienstuntauglich im Sinne von § 20 MTV Kabine geworden ist. Die Zahlung der Firmenrente beginnt am 1. des Monats nach Beendigung des fliegerischen Arbeitsverhältnisses. (5) Im Falle der Flugdienstuntauglichkeit erfolgt auf Wunsch des Flugbegleiters/der Flugbegleiterin eine Weiterbeschäftigung am Boden, wenn die Weiterbeschäftigung unter geänderten, angemessenen Vertragsbedingungen auf einem freien, zumutbaren Arbeitsplatz möglich ist. Gleiches gilt auch im Fall der Flugdienstuntauglichkeit nach § 17.

Die dem Kläger gewährte Firmenrente belief sich ab dem 15.09.2017 auf 2.798,61 EUR brutto pro Monat. Mit Bescheid vom 18.01.2018 setzte die beklagte Krankenkasse, zugleich im Namen der Pflegekasse, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus der Firmenrente wie folgt fest: Für den Zeitraum 15.09. bis 30.09.2017 insgesamt 83,47 EUR, für den Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.2017 monatlich insgesamt 156,51 EUR und für den Zeitraum ab 01.01.2018 monatlich insgesamt 159,21 EUR.

Hiergegen erhob der Kläger am 30.01.2018 Widerspruch. Die Firmenrente erfülle keinen Alterssicherungszweck, sie ende in jedem Fall mit der Vollendung des 63. Lebensjahres und stelle daher keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung dar. Die Zahlung erfolge weder wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit noch zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung, sondern wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Bestimmungen im Manteltarifvertrag — MTV L. Kabine. Die Zahlung erfülle lediglich einen Überbrückungszweck.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2018 wies die beklagte Krankenkasse, zugleich im Namen der Pflegekasse, den Widerspruch zurück. Renten der betrieblichen Altersversorgung würden gemäß § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung erzielt würden. Gleiches gelte für die Pflegeversicherung gemäß § 57 Abs 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Die Firmenrente stelle nicht auf das Erreichen einer Lebensaltersgrenze ab, sondern sei abhängig von dem individuellen Eintritt des Versorgungsfalles der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Aus diesem Grund stelle die gezahlte Firmenrente einen Versorgungsbezug dar, der in der Kranken- und Pflegeversicherung beitragspflichtig sei.

Hiergegen richtet sich die am 02.06.2018 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. In einem parallel dazu geführten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides hatten die Beklagten der Aussetzung bis zu einer abschließenden Bewertung der Firmenrente durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zugestimmt; das SG lehnte daraufhin den Antrag als unzulässig wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ab (Beschluss vom 18.06.2018, S 2 KR 2477/18 ER). Nachdem die Beklagten mit Schreiben vom 27.07.2018 die Aussetzung der Vollziehung aufgehoben hatten, beantragte der Kläger erneut die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Der ablehnende Beschluss des SG vom 07.08.2018 (S 2 KR 3414/18 ER) wurde mit Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 18.10.2018 (L 5 KR 3379/18 ER-B) aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger vor, es handle sich um Übergangszahlungen, die bei der Beitragsbemessung nicht zu berücksichtigen seien, da es sich weder um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung, noch um eine Leistung wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit handle. Seine Erwerbsfähigkeit sei nicht eingeschränkt, lediglich bestehe wegen der Flugdienstuntauglichkeit keine Einsatzmöglichkeit als Flugbegleiter mehr. Es handele sich um eine Übergangszahlung mit Entschädigungscharakter für den Verlust des Arbeitsverhältnisses, wobei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 20 MTV Kabine vergleichbar mit einer krankheitsbedingten Kündigung sei. Der Kläger beruft sich unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.07.2015 (B 12 KR 4/14 R und B 12 KR 18/14 R).

Die Beklagten sind dem entgegengetreten und haben ausgeführt, dass die Zahlungen als Rente der betrieblichen Altersvorsorge zu qualifizieren seien. Sie beruhten im Wesentlichen auf der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit durch die dauernde Flugdienstuntauglichkeit und erfüllten damit nicht primär eine Überbrückungsfunktion. Die Rechtsprechung des BSG sei nicht übertragbar, da es sich hierbei um Leistungen gehandelt habe, deren Beginn maßgebend vom Erreichen einer bestimmten Altersgrenze abhängig gewesen sei und die hauptsächlich zur Überbrückung erwarteter Arbeitslosigkeit und Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gedient hätten. Die Beklagten berufen sich zudem auf die beitragsrechtliche Bewertung von Leistungen an das Cockpit- und Kabinenpersonal im L. Konzern des GKV-Spitzenverbandes vom 13.09.2018 (Rundschreiben 2018/491), wonach einmalige oder laufende Leistungen, die aufgrund dauernder Flugdienstuntauglichkeit gewährt werden, als Versorgungsbezüge iSd § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V zu qualifizieren seien.

Mit Urteil vom 27.02.2019 hat das SG den angefochtenen Bescheid vom 18.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.05.2018 aufgehoben, da die von der L. gewährte Firmenrente keine Rente der betrieblichen Altersversorgung und damit kein beitragspflichtiger Versorgungsbezug sei. Es fehle bei der dem Kläger gewährten Zahlung bereits an dem Zweck, die Versorgung von Arbeitnehmern im Alter zu gewährleisten. Das BSG habe die Eigenschaft als Versorgungsbezug dann verneint, wenn bei Zusage von Übergangsbezügen, Überbrückungsgeldern usw nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses für den Leistungsbeginn auf ein Lebensalter abgestellt werde, dass nach der Verkehrsanschauung typischerweise nicht schon als Beginn des Ruhestands geltend könne und wenn diese Zuwendung bis zum Eintritt des Ruhestands befristet sei. Nach § 2 Abs 4 TV ÜV knüpfe die Zahlung an ein Lebensalter an – die Vollendung des 45. Lebensjahres – das typischerweise nicht schon als Beginn des Ruhestands gelten könne und sichere nur Zeiten bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres ab, also Zeiten vor dem Ruhestand. Zweck der Zahlung sei daher nicht Alterssicherung, sondern die Überbrückung der Zeit bis zum Ruhestand. Nichts anderes ergebe sich aus dem Umstand der besonderen Belastungen der Berufsgruppe, welcher der Kläger angehöre, denn es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffenen nach Vollendung des 45. Lebensjahres keine Anstellung mehr finden könnten und damit der Übergang in den Ruhestand durch diese Altersgrenze markiert werde. Die vorgezogene Firmenrente nach § 2 Abs 4 TV ÜV solle vermeiden, dass Mitarbeitende wegen Flugdienstuntauglichkeit des Anspruchs auf die Überbrückungsrente nach § 2 Abs 1 TV ÜV verlustig gingen, weil sie das entsprechende Lebensalter (55 Jahre) im aktiven Dienst nicht mehr erreichen könnten. Das Vorziehen des Anspruchsbeginns ändere jedoch am Charakter der Zahlung nichts. Im Übrigen dürfte auch keine Rente wegen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit vorliegen, da Flugdienstuntauglichkeit lediglich fehlende Einsatzmöglichkeiten im fliegerischen Dienst bedeute, jedoch nicht zwingend eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit.

Gegen das ihnen am 04.03.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.03.2019 eingelegte Berufung der Beklagten. Das SG sei zu Unrecht der Auffassung, dass die Zahlung nur den Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis erleichtern solle und somit der Überbrückung diene. Die Firmenrente nach dem TV ÜV kenne zwei unterschiedliche Auslösetatbestände. Beim Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis mit dem 55. Lebensjahr handele es sich um eine Übergangsversorgung bis zum Bezug der gesetzlichen Altersrente. Im Falle der Fluguntauglichkeit stehe im Vordergrund jedoch die dauerhafte Sicherung des Lebensstandards, da der flugdienstuntaugliche Mitarbeiter aufgrund dieser Beeinträchtigung ggf weniger aktives Einkommen beziehen könne. Dies stelle eine klassische Invaliditätsleistung dar; es handele sich um eine mit einer Rente vergleichbare Einnahme, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit gezahlt werde. Objektive Zwecksetzung sei hier nicht die Überbrückung bis zum Ruhestand. Die Leistung verliere ihren Versorgungscharakter auch nicht dadurch, dass eine Beschäftigung bei der L. am Boden oder bei einem anderen Arbeitgeber begründet werden könne. Die Leistung ende bei Aufnahme einer Tätigkeit nicht automatisch, sondern es werde nur eine Anrechnung der Bezüge vorgenommen wie auch in der gesetzlichen Rentenversicherung. Es erfolge zudem keine Kürzung um das volle Entgelt (§ 3 Abs 2 TV ÜV), was eine Überbrückungsfunktion ebenfalls ausschließe. Dass die Leistung nur vor Erreichen des Renteneintrittsalters bezogen werden könne, lasse den Versorgungscharakter nicht entfallen, denn diese Eigenschaft falle insbesondere auch den Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung zu und tauge daher nicht als Abgrenzungskriterium. Die Beklagten hätten sich zudem an die Vorgaben des GKV-Spitzenverbandes zu halten. Auf Nachfrage haben die Beklagten mitgeteilt, dass keine weiteren Beitragsbescheide erlassen worden seien.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.02.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Vorliegend handele es sich um eine Übergangszahlung mit Entschädigungscharakter für den Verlust des Beschäftigungsverhältnisses. Das SG und das LSG Baden-Württemberg (L 5 KR 3379/18 ER-B) hätten sich dieser Auffassung angeschlossen. Bei Anwendung der Kriterien des BSG sei eindeutig davon auszugehen, dass die Firmenrente keine beitragspflichtige Altersversorgung sei. Der von den Beklagten behauptete Zweck der lebenslangen Existenzsicherung bzw Sicherung des Lebensstandards werde schon dadurch widerlegt, dass die Zahlung jedenfalls mit dem Alter von 63 ende, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch kein Anspruch auf vorgezogene Altersrente bestehe. Im Übrigen sei der Kläger auch nicht invalide, sondern fluguntauglich. Die Tatbestandsmerkmale der §§ 43, 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien nicht erfüllt, da er Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt uneingeschränkt erwerbsfähig sei und als Flugbegleiter eine ungelernte, allenfalls angelernte Tätigkeit iSd Mehrstufenschemas ausgeübt habe. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 20 MTV Kabine sei einer krankheitsbedingten Kündigung vergleichbar, die Zahlung der Firmenrente erfolge wegen dieser Beendigung - ohne Weiteres hätte die L. für eine Beschäftigung am Boden sorgen können. Bei der Beurteilung des GKV-Spitzenverbandes handele es sich lediglich um interne Verwaltungsanweisungen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der beklagten Krankenkasse Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und in der Sache auch begründet. Zu Unrecht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.05.2018 aufgehoben, denn dieser ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Heranziehung der Firmenrente des Klägers zu Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung im hier streitigen Zeitraum ab 17.09.2017 ist – nach Grund und Höhe - zutreffend erfolgt.

Die Beklagte zu 1) war berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2) auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen. Nach § 46 Abs 2 Satz 4 SGB XI können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die – wie vorliegend – ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs 2 Satz 5 SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1) in ihrem Bescheid gegeben.

Nach § 220 Abs 1 SGB V sind die Mittel der GKV durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufzubringen. Die Beiträge sind gemäß § 223 Abs 1 SGB V für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit das SGB V nichts anderes bestimmt. Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen (§ 223 Abs 2 Satz 1 SGB V). Der Umfang der Beitragspflicht zur Krankenversicherung beurteilt sich nach dem Versichertenstatus in dem Zeitpunkt, für den Beiträge erhoben werden. Der Kläger war ab 17.09.2017 zunächst als Bezieher von Arbeitslosengeld versicherungspflichtig (§ 5 Abs 1 Nr 2 SGB V); seit 03.05.2018 besteht Versicherungspflicht als Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Abs 1 Nr 6 SGB V). Nach § 232a Abs 3 SGB V bzw § 235 Abs 4 SGB V jeweils iVm § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V wird der Beitragsbemessung zugrunde gelegt auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge). Als Versorgungsbezüge gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Renten der betrieblichen Altersversorgung (vgl § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V).

Der Kläger bezieht auf der Grundlage von § 2 Abs 4 TV ÜV eine monatliche Firmenrente wegen dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit. Diese Leistung stellt eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung dar. Im Hinblick auf den objektiv zu bestimmenden Charakter der Leistung hat es keinen Einfluss auf die Bewertung, wie die an der tarifvertraglichen Regelung Beteiligten und die frühere Arbeitgeberin des Klägers ihrerseits die Leistung rechtlich eingeordnet haben; auch die arbeitgeberseitigen Motive für die Einführung dieser Leistung spielen keine Rolle (BSG 29.07.2015, B 12 KR 4/14 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 19).

Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt, liegt ein Fall der betrieblichen Altersversorgung vor (§ 1 Abs 1 S 1 BetrAVG). Wesentliche Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung (als einer mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbaren Einnahme) im Sinne des Beitragsrechts der GKV sind, wenn ihr Bezug - wie hier - nicht schon institutionell (Versicherungseinrichtung, Versicherungstyp) vom Betriebsrentenrecht erfasst wird, ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung sowie ihre Einkommens-(Lohn- bzw Entgelt-) Ersatzfunktion als - weiteres - Merkmal der Vergleichbarkeit mit der gesetzlichen Rente (vgl BSG 29.07.2015, B 12 KR 4/14 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 19 mwN). Leistungen sind dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen sollen (vgl BSG 29.07.2015 aaO unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 4 Rn 11 mwN). Durch diese Zwecksetzung unterscheidet sich die betriebliche Altersversorgung von sonstigen Zuwendungen des Arbeitgebers, etwa solchen zur Überbrückung von erwarteter Arbeitslosigkeit oder Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes (vgl BSG 29.07.2015 aaO unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 229 Nr 13 S 66 f; BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 16 Rn 32).

Zur Überzeugung des Senats liegt mit der Gewährung der Firmenrente nach § 2 Abs 4 TV ÜV zwar keine Leistung zum Zweck der Sicherung der Versorgung im Alter vor, jedoch entgegen der Auffassung des SG eine Leistung, die wegen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit gewährt wird und damit zur betrieblichen Altersversorgung iSv § 229 Abs 1 Nr 5 SGB V zu zählen ist. Der Zusammenhang zwischen der Firmenrente und dem früheren Arbeitsverhältnis bei der L. besteht, denn die Firmenrente wird dem Kläger aufgrund des TV ÜV anlässlich des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis als Flugbegleiter gewährt; die Leistung hat auch Einkommensersatzfunktion, wie sich schon an der Höhe der Leistung (im streitigen Zeitraum monatlich 2.798,61 EUR brutto) erkennen lässt.

Für den Zweck der Alterssicherung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG darauf abzustellen, ob nach dem objektiven Inhalt der Leistung insbesondere mit Blick auf den Leistungsbeginn auf ein Lebensalter abgestellt wird, das nach der Verkehrsanschauung als Beginn des Ruhestandes gilt, bei dem also typischerweise mit einem Ausscheiden aus dem Erwerbs- oder Berufsleben gerechnet werden muss mit der Folge, dass die Wahl einer niedrigeren Altersgrenze auf sachlichen, nicht außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegenden Gründen beruht (vgl BSG 29.07.2015, B 12 KR 4/14 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 19 unter Hinweis auf BAGE 128, 199 Rn 24 f; BAGE 90, 120, 123). Als Lebensalter, das nach der Verkehrsanschauung nicht schon typischerweise als Beginn des Ruhestands gelten kann, hat das BSG ein Alter von 55 bzw 50 Jahren gesehen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 4/14 R und B 12 KR 18/14 R). Ob bei fliegerischem Personal wegen der besonderen Belastungen der Berufsgruppe und damit aus sachlichen Gründen von einer niedrigeren Altersgrenze von 55 Jahren auszugehen ist (vgl BAG 10.03.1992, 3 AZR 153/91, NZA 1993, 25; LSG Berlin-Brandenburg 22.10.2003, L 9 KR 410/01), kann hier dahinstehen. Streitig ist nicht die Firmenrente nach § 2 Abs 1 TV ÜV, die bei Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ab der Vollendung des 55. Lebensjahres gewährt wird, sondern allein die Firmenrente nach § 2 Abs 4 TV ÜV, die auf eine Altersgrenze von 45 Jahren abgestellt. Dieses Alter ist vom gesetzlichen Ruhestand (beim Geburtsjahrgang des Klägers Regelaltersrente mit 67 Jahren - § 35 Satz 2 SGB VI; vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte nach Vollendung des 63. Lebensjahres - § 36 Satz 2 SGB VI; vorzeitige Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach Vollendung des 62. Lebensjahres - § 37 Satz 2 SGB VI) derart weit entfernt, dass es nach der Verkehrsanschauung auch unter den besonderen Belastungen der fliegerischen Tätigkeit keinesfalls als Beginn des Ruhestands gesehen kann. Bei diesem Lebensalter ist nicht davon auszugehen, dass Betroffene typischerweise aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wie sich auch am Fall des Klägers zeigt, der aktuell eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben durchführt. Auf das konkrete Alter des Klägers bei Inanspruchnahme der Leistung nach § 2 Abs 4 TV ÜV kommt es nicht an, da eine typisierende Betrachtung bei Versorgungssystemen nicht zu beanstanden, sondern sachgerecht ist; auf die Verhältnisse des Einzelfalls muss nicht abgestellt werden.

Allerdings handelt es sich bei der Firmenrente für dauernd flugdienstuntaugliche Mitarbeiter ab dem 45. Lebensjahr nach der Rechtsauffassung des Senats um eine Invaliditätsleistung, dh eine Einnahme, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit geleistet wird (§ 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Als rentenähnliche Einnahme muss der Versorgungszweck gerichtet sein auf einen Ausgleich für eine eingetretene Einschränkung der Erwerbsfähigkeit, ohne dass jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI erfüllt sein müssten. Ausreichend ist, dass die wesentlichen Merkmale der Leistung einer gesetzlichen Rente vergleichbar sind, der leistungsauslösende Faktor (hier Erwerbsminderung) also vergleichbar mit den Versicherungsfällen der gesetzlichen Rentenversicherung ist und die Einnahme wie eine gesetzliche Rente Arbeitsentgelt oder –einkommen ersetzt (vgl BSG 25.05.2011, B 12 P 1/09 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 14 Rn 14; BT-Drs 9/458 S 34; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, § 229 Rn 7). Nicht anders wird auch hinsichtlich des Zwecks der Alterssicherung verfahren, denn dort ist unstreitig, dass Leistungen ab Vollendung des 60. Lebensjahres idR zur Alterssicherung dienen, ohne dass die gesetzliche Altersrente nach dem SGB VI (vom Ausnahmefall des § 37 Satz 2 SGB VI idF bis 31.12.2007 abgesehen) entsprechende Leistungen bietet (vgl BSG 12.11.2008, B 12 KR 6/08 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 7).

Nach diesen Grundsätzen ist der Anknüpfungspunkt der Firmenrente nach § 2 Abs 4 TV ÜV, die dauernde Flugdienstuntauglichkeit, als Fall der Erwerbsminderung zu sehen (aA SG Berlin 15.12.2017, S 166 KR 569/17; LSG Baden-Württemberg 18.10.2018, L 5 KR 3379/18 ER-B, nv). Die Flugdienstuntauglichkeit führt dazu, dass der Kläger in seinem ursprünglichen Beruf als Flugbegleiter nicht mehr arbeiten kann. Vergleichbar ist die Struktur der Leistungen nach § 2 TV ÜV insoweit der Rente für Bergleute nach § 45 SGB VI (LSG Berlin-Brandenburg 01.03.2019, L 9 KR 13/19 B ER). Aufgrund der besonderen Anforderungen unter Tage haben Bergleute nach Abs 3 der Vorschrift einen Anspruch auf Rente für Bergleute ab dem 50. Lebensjahr bis zum Erreichen der Regelaltersrente, wenn sie im Vergleich zur bisher ausgeübten knappschaftlichen Beschäftigung eine wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit nicht mehr ausüben; nach Abs 1 besteht der Anspruch auch bereits zuvor, wenn die Versicherten im Bergbau vermindert berufsfähig sind. Die Tatsache, dass bei Flugbegleitern eine Versetzung zum Bodenpersonal grundsätzlich möglich ist, steht der Annahme einer eingetretenen Erwerbsminderung im Hinblick auf den ausgeübten Beruf daher nicht entgegen. Ebenso spricht die Begrenzung der Leistung bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres nicht gegen den Versorgungszweck des Ausgleichs einer Erwerbsminderung, denn auch den Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung ist zu eigen, dass sie nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze und damit befristet geleistet werden (§§ 43 Abs 1 und 2, 45 Abs 1 und 3, 240 Abs 1 SGB VI). Im Übrigen steht die Befristung einer Leistung dem Versorgungszweck ohnehin grundsätzlich nicht entgegen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 4/14 R, aaO Rn 21 mwN). Wie bei gesetzlichen Erwerbsminderungsrenten wird das erzielte Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis (teilweise) angerechnet (§ 96a SGB VI, § 3 Abs 2 TV ÜV), auch insoweit besteht Vergleichbarkeit.

Schließlich steht der Einordnung der Firmenrente nach § 2 Abs 4 TV ÜV als betriebliche Altersversorgung nicht entgegen, dass es sich um eine vorzeitige Inanspruchnahme der Firmenrente nach § 2 Abs 1 TV ÜV (für die Zeit von der Vollendung des 55. Lebensjahres bis längstens zur Vollendung des 63. Lebensjahres) handelt, die nach inzwischen allgemeiner Auffassung als beitragsfreie Überbrückungsleistung gesehen wird (so auch Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 13.09.2018 zur beitragsrechtlichen Beurteilung von Übergangsleistungen an das Cockpit- und Kabinenpersonal im L.-Konzern im Kontext zu § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Die Leistung nach § 2 Abs 4 TV ÜV knüpft nicht allein an den Verlust des Arbeitsplatzes an, sondern setzt den Eintritt der Flugdienstuntauglichkeit voraus als Minderung der Fähigkeit, den ursprünglichen Beruf auszuüben, was einem Leistungsfall der Erwerbsminderung entspricht. Damit hat sie einen anderen Versorgungszweck und eine andere Zielrichtung als die rein altersbedingte Firmenrente, welche die Übergangszeit bis zur Altersrente absichern soll. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die altersbedingte Übergangszeit ab der Vollendung des 55. Lebensjahres bis zum 63. Lebensjahr bei Bezug einer Firmenrente nach § 2 Abs 4 TV ÜV zusätzlich abgesichert wird durch eine monatliche Zusatzrente der Versorgungskasse Kabine eV gemäß § 8 Abs 3 TV ÜV; bei dieser Zusatzleistung handelt es sich wiederum um eine Überbrückungsleistung.

Bemessungsgrundlage für die Beiträge aus den Versorgungsbezügen ist deren Zahlbetrag, wie von den Beklagten zutreffend zugrunde gelegt. Einwände gegen die Berechnung der Beiträge werden nicht erhoben, Unrichtigkeiten sind nicht ersichtlich. Unter Ansatz des jeweiligen Beitragssatzes (§§ 241, 248 SGB V, § 55 SGB XI) sowie des Zusatzbeitrags (§ 242 SGB V) errechnet sich der vom Kläger zu zahlende Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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