L 2 SO 677/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 1221/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 677/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger zur Erteilung von Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet ist.

Der Kläger ist der Sohn der P. M., die seit dem 1.6.2010 Leistungen der Eingliederungshilfe von der Beklagten erhält.

Mit Schreiben vom 24.11.2010 unterrichtete die Beklagte den Kläger von der Leistungsgewährung an seine Mutter und bat ihn, seiner Unterhaltspflicht im Umfange der erbrachten Leistungen nachzukommen. Sofern er seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommen könne, sei es zur Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit erforderlich, dass er Auskunft über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse, insbesondere über Vermögen und Einkommen erteile. Nachdem der Kläger nicht reagierte, verpflichtete die Beklagte ihn schließlich mit Bescheid vom 17.5.2011 zur Vorlage genauer bezeichneter Unterlagen. Nachdem der Kläger die geforderten Unterlagen nur unvollständig eingereicht hatte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 14.2.2012 ein Zwangsgeld i.H.v. 150 EUR fest. Der Bescheid wurde nach erfolglosem Widerspruch bestandskräftig.

Nachdem der Kläger schließlich weitere Unterlagen vorgelegt hatte, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 22.1.2015 mit, dass anhand der vorgelegten Unterlagen er in der Lage gewesen sei, in den Monaten November und Dezember 2010 monatlich 163 EUR und in den Monaten Januar 2011 bis Dezember 2012 monatlich 113 EUR an Unterhalt zu leisten. Daraus ergebe sich ein Unterhaltsrückstand i.H.v. 3.038 EUR, welcher auf das angegebene Konto zu überweisen sei. Weiter wurde er zur Vorlage der Gehaltsabrechnungen der Jahre 2013 und 2014 aufgefordert (Bl. 113 VA). Der von dem nun eingeschalteten Prozessbevollmächtigten erhobene Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 20.3.2015, Bl. 129 VA) und die Klage dagegen (Sozialgericht Karlsruhe (SG) - S 11 SO 1403/15 -) blieben erfolglos. Der Klägerbevollmächtigte nahm die Klage nach Hinweis des Gerichts, es handele sich lediglich um eine Zahlungsaufforderung und nicht um einen Verwaltungsakt, zurück.

Mit Schreiben vom 3.2.2016 mahnte die Beklagte - adressiert an den Prozessbevollmächtigten - die Unterhaltszahlung i.H.v. 3.038 EUR an und erinnerte an die Vorlage der Einkommensnachweise ab Januar 2013 bis einschließlich Januar 2016. Der dagegen erhobene Widerspruch und die Klage (S 2 SO 946/16) blieben ebenfalls erfolglos. Der Kläger erklärte den Rechtsstreit für erledigt, nachdem das SG auf die fehlende Rechtsqualität als Verwaltungsakt hingewiesen hatte und die Beklagte den Widerspruchsbescheid (vom 10.2.2016) abgeändert hatte.

Am 17.3.2016 beantragte die Beklagte wegen der ausstehenden 3.038 EUR den Erlass eines Mahnbescheids beim Amtsgericht - Familiengericht Karlsruhe. Nachdem der Kläger dort Widerspruch eingelegt hatte, hat die Beklagte den Anspruch bisher nicht weiterverfolgt.

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 17.3.2016 verpflichtete die Beklagte den Kläger gemäß § 117 SGB XII innerhalb eines Monats über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben. Andernfalls wurde die Festsetzung eines Zwangsgeldes i.H.v. 150 EUR angedroht. Unterhaltspflichtige und ihre nicht getrenntlebenden Ehegatten seien gemäß § 117 SGB XII verpflichtet, dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung des SGB XII es erfordere. Der Umfang der Auskunftspflicht ergebe sich aus dem bereits übersandten Prüfbogen zur Beurteilung der Unterhaltsfähigkeit (Bl. 211 VA). Dagegen ließ der Kläger mit Fax vom 29.3.2016 erneut Widerspruch einlegen, kündigte die Begründung in einem weiteren Schriftsatz an und bat um erneute Übersendung des im Bescheid genannten Prüfbogens, der nicht beigelegen habe (Bl. 219 VA). Mit Schreiben vom 31.3.2016 übersandte die Beklagte den Prüfbogen und forderte zur Übersendung bis spätestens 29.4.2016 auf. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.3.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der Kläger sei nach § 117 Abs. 1 S. 1 SGB XII im Rahmen der Verwandtschaft in gerader Linie mit seiner Mutter verpflichtet, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Unmaßgeblich sei, ob eine Unterhaltspflicht unter Berücksichtigung der Bedürftigkeit und der Leistungsfähigkeit tatsächlich bestehe und ob diese auch durchgesetzt werden könne. Diese bürgerlich-rechtlichen Fragen seien in einem sozialgerichtlichen Streitverfahren bezüglich der Wirksamkeit der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht zu erörtern. Diese Fragen würden erst akut, wenn der Träger der Sozialhilfe aufgrund der zu erteilenden Auskünfte eine Leistungsfähigkeit festgestellt habe und tatsächlich Unterhaltsleistungen fordere. Dann wären diese Fragen in einem familiengerichtlichen Verfahren zu diskutieren. Der Kläger habe in der Vergangenheit auch auf Nachfragen nur unvollständig Auskünfte erteilt, weshalb die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs erforderlich sei und dieser durch Bescheid ausdrücklich festzustellen und ein Zwangsgeld anzudrohen gewesen sei.

Dagegen hat der Kläger am 13.4.2016 Klage zum SG erhoben und geltend gemacht, er sei nicht bei der Hilfeempfängerin aufgewachsen. Diese habe sich vor dem Hintergrund einer Alkoholabhängigkeit weder in seiner Kindheit noch in seiner Jugend um ihn gekümmert. Er sei im Wesentlichen bei Verwandten aufgewachsen. Zwischen ihm und seiner Mutter bestehe seit vielen Jahren keinerlei Kontakt. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 117 SGB XII müsse in Abrede gestellt werden. Der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, da der Kläger vor seinem Erlass nicht angehört worden sei. Im Übrigen habe es auch der Anhörung der Mutter des Klägers bedurft, da deren Rechte betroffen seien. Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig, da ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gemäß § 1611 BGB sowie nach § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII ausgeschlossen sei und deshalb ein Auskunftsanspruch auch nicht bestehe. Die Beklagte habe die Hilfebedürftigkeit der Hilfeempfängerin, die in Abrede gestellt werde, nicht nachgewiesen. Im Übrigen sei bei Existenz mehrerer Abkömmlinge nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB eine anteilige Haftung entsprechend der jeweiligen Erwerbs- und Vermögensverhältnisse zu beachten. Zudem sei der Anspruch auf Auskunftserteilung verwirkt, nachdem die Unterhaltsansprüche für die Zeit ab dem 1.1.2013 erst mit Bescheid vom 9.2.2016 geltend gemacht worden seien.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Eine Reduzierung des Unterhaltsanspruchs nach § 1611 Abs. 1 BGB, komme ausschließlich in besonders krassen Ausnahmefällen in Betracht, der bei Alkoholsucht, die eine wesentliche seelische Behinderung darstelle, nicht vorliege. Selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen könne von einem automatisierten Wegfall des Unterhaltsanspruchs nicht ausgegangen werden. Dies müsse zivilrechtlich im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens geklärt werden. Ob die Voraussetzungen des § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB vorlägen, lasse sich erst beantworten, wenn der Kläger seiner Auskunftsverpflichtung nachgekommen sei. Verwirkung liege nicht vor, da der Kläger wiederholt um Auskunftserteilung ersucht worden sei und er die Verzögerung letztlich selbst zu vertreten habe. Die Anhörung sei nicht versäumt worden, nachdem in den Jahren 2013 und 2014 umfangreich schriftlich korrespondiert worden sei. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren S 11 SO 1403/15 habe durchgehend die Möglichkeit bestanden, zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen. Im Übrigen sei auch im Schreiben vom 22.1.2015 eine Anhörung zu sehen. Einer zusätzlichen Anhörung der Mutter habe es nicht bedurft, da ihr gegenüber kein Verwaltungsakt ergangen und nicht in ihre Rechte eingegriffen worden sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.1.2018 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Bescheid vom 17.3.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.3.2016, gegen den der Kläger statthaft mit der reinen Anfechtungsklage vorgehe, rechtmäßig sei. Das Unterbleiben der nach § 24 SGB X erforderlichen förmlichen Anhörung sei durch das Widerspruchsverfahren geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Rechtsgrundlage für die Auskunftsverpflichtung sei § 117 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Danach haben unterhaltspflichtige, ihre nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartner und die Kostenersatzpflichtigen dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung des SGB XII es erfordere. Als Unterhaltspflichtige seien alle Personen anzusehen, die als Unterhaltsschuldner abstrakt in Betracht kommen bzw. als solche nicht offensichtlich ausscheiden (so genannte Negativevidenz). Evident sei das Nichtbestehen des Unterhaltsanspruches nur dann, wenn dies ohne Beweiserhebung und ohne eingehendere rechtliche Überlegungen ersichtlich sei. Alle sonstigen Fragen nach Existenz oder Art und Umfang der Unterhaltspflicht sowie nach eventuellen Ausschlussgründen blieben dem später vor dem Zivilgericht zu führenden Unterhaltsprozess vorbehalten. Es sei nicht Aufgabe der Sozialgerichte, unterhaltsrechtlichen Fragen nachzugehen. Da ein Anspruchsübergang nach §§ 93 f. SGB XII nicht von der Rechtmäßigkeit der Sozialhilfeleistung abhängig sei, müsse dieser Umstand auch für das vorgelagerte Auskunftsverlangen nach § 117 SGB XII unerheblich sein. Der Kläger gehöre als Sohn der leistungsberechtigten Person zu den grundsätzlich unterhaltspflichtigen Personen, ohne dass es auf das Rangverhältnis im Sinne von § 1606 Abs. 3 BGB ankäme. Auch habe die Beklagte zu Recht ein Auskunftsbegehren gegen ihn gerichtet, denn ein möglicher Unterhaltsanspruch der Mutter gegen ihn wäre nach § 94 SGB XII auf die Beklagte übergegangen. Darauf, ob es neben dem Kläger möglicherweise weitere Unterhaltsverpflichtete gebe, komme es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die Leistungen an die Mutter des Klägers zu Recht erbracht worden seien. Ein Unterhaltsanspruch sei zudem nicht offenkundig ausgeschlossen. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1611 BGB könne nicht ohne weitere Beweiserhebung zweifelsfrei festgestellt werden. Eine Verwirkung - wenn überhaupt im sozialgerichtlichen Verfahren beachtlich - liege nicht vor, nachdem die Beklagte sich fortlaufend um die Erlangung von Unterlagen bemüht und damit keine objektiven Anhaltspunkte dafür gesetzt habe, dass der Anspruch auf Auskunft nicht mehr geltend gemacht werden solle. Die Hilfebedürftigkeit der leistungsberechtigten Person habe die Beklagte im vorliegenden Verfahren auf Auskunft nicht nachzuweisen, sondern sei erst im zivilgerichtlichen Verfahren zu stellen. Die Zwangsgeldandrohung sei ebenfalls rechtmäßig. Zur Begründung hat sich das SG hierzu auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid berufen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 24.1.2018 zugestellte Urteil hat er am 20.2.2018 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und vorgetragen, dass der angegriffene Bescheid bereits mangels Anhörung rechtswidrig sei. Das SG habe zwar erkannt, dass vorliegend eine Anhörung nach § 24 SGB X erforderlich gewesen sei und eine solche unterblieben sei. Eine Heilung sei im Widerspruchsverfahren nicht erfolgt, da aufgrund des zeitlichen Ablaufs keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei. Eine Heilung sei auch nicht durch das Klageverfahren vor dem SG eingetreten. Im Übrigen sei der Bescheid auch materiell-rechtlich rechtswidrig. Hierzu hat der Klägerbevollmächtigte die bereits im erstinstanzlichen Verfahren vertretene Rechtsauffassung wiederholt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Januar 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit dem Kläger im Beisein seines Bevollmächtigten am 15.10.2018 erörtert. Der Kläger hat seine persönliche Situation und wie er seine Kindheit empfunden hat dargelegt. Er ist der festen Überzeugung, dass aufgrund der Umstände in der Kindheit ein Unterhaltsanspruch seiner Eltern nicht gegen ihn besteht.

Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, dass er beabsichtige die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt.

Mit Beschluss vom 8.11.2018 hat der Senat das Verfahren zur Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren ausgesetzt. Die Beklagte hat dem Klägervertreter Gelegenheit zur Stellungnahme bis 9.1.2019 eingeräumt. Am 22.3.2019 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen, nachdem eine Stellungnahme bis 30.1.2019 nicht erfolgt war. Mit Schreiben vom 25.3.2019 hat der Senat angekündigt, demnächst wie vereinbart durch Beschluss zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Rente und Reha) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs.1 und Abs. 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 17.3.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.3.2016, gegen den der Kläger zulässig mit der reinen Anfechtungsklage vorgeht, ist - nachdem die erforderliche Anhörung nach Aussetzung des Rechtsstreits als nachgeholt gilt - nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Bescheid vom 17.3.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.3.2016 ist formell rechtmäßig. Die Beklagte, die der Mutter des Klägers Leistungen der Eingliederungshilfe nach den Bestimmungen des SGB XII seit 1.6.2010 erbringt, ist als tatsächlicher und sachlich zuständiger Leistungserbringer auch für das Auskunftsersuchen zuständig. Der Bescheid ist auch nicht formell wegen fehlender Anhörung rechtswidrig. Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine Anhörungspflicht der Behörde besteht nur vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts. Zwar fehlt eine Legaldefinition des belastenden Verwaltungsaktes im SGB X, dessen Wesensmerkmal besteht aber darin, dass er "in Rechte eines Beteiligten eingreift" (Absatz 1) und damit dessen Rechtsposition schmälert. Dies ist der Fall, wenn durch die Verwaltungsentscheidung "der vorhandene Rechtskreis des Betroffenen beeinträchtigt wird" (vgl. Gesetzesbegründung zu Art. I § 34 E-Sozialgesetzbuch - Allg. Teil, BT-Drucks. 7/ 868), die Rechtsstellung des Betroffenen also zu seinem Nachteil verändert wird (BSG, Urteil vom 9.11.1990 - 7 Ar 2/01 R, SozR 3-4 100 § 139a AFG Nr. 1; H. Lang in LPK SGB X, 5. Aufl. 2019, § 24 Rn. 8; Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 24 Rn. 3 ff.) und ihm eine rechtliche Verpflichtung auferlegt wird, insbesondere ein Tun oder Unterlassen gefordert wird (Vogelgesang in: Hauck/Noftz, SGB, 04/12, § 24 SGB X, Rn. 9). Anhörungspflichtig ist das Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.5.2013 - L 9 SO 212/12 - juris Rn. 33; H. Lang in LPK § 24 SGB X, Rn. 9; Vogelgesang in: Hauck/Noftz, SGB, 04/12, § 24 SGB X, Rn. 11; zur Vorgängervorschrift § 116 BSHG: BayVGH v. 10.3.2003 - 12 ZB 02.2679, juris). Der Kläger ist zwar vor Erlass des Bescheids vom 17.3.2016 nicht angehört worden. Der darin liegende Verstoß gegen § 24 Abs. 1 SGB X ist auch zunächst nicht durch Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X), da das Widerspruchsverfahren auch an einem Anhörungsmangel litt. Gegen den Bescheid vom 17.3.2016 hat der Kläger mit Anwaltsschreiben am 29.3.2016 Widerspruch einlegen lassen und eine Begründung in einem weiteren Schriftsatz angekündigt sowie auf den fehlenden Prüfbogen hingewiesen. Daraufhin hat die Beklagte den Prüfbogen mit Schreiben vom 31.3.2016 erneut versandt und für die Rücksendung eine Frist bis 29.4.2016 gesetzt. Dennoch hat sie am gleichen Tag den Widerspruchsbescheid erlassen. Damit wurde dem Kläger keine Gelegenheit eingeräumt, zu den von der Behörde für entscheidungserheblich gehaltenen Tatsachen Stellung zu nehmen. Der Mangel ist jedoch durch die Aussetzung des Verfahrens in der letzten Tatsacheninstanz mit der Nachholung der Anhörung - auch wenn sie der Klägervertreter nicht wahrgenommen hat -geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X).

Der Anhörung der Hilfeempfängerin bedarf es entgegen der Auffassung des Klägers nicht, da anders als bei der Überleitung von Ansprüchen nach § 93 SGB XII beim Auskunftsersuchen nicht in ihre Rechte eingegriffen wird (Hohm in Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII, 19. Aufl. § 117 Rn.11.2; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.5.2013 – L 9 SO 212/12 –, Rn. 36, juris m.w.Nw.).

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat den Kläger zu Recht gem. § 117 SGB XII zur Auskunft verpflichtet. Das SG hat die zutreffenden Rechtsnormen sowie die einschlägige Rechtsprechung und Literatur zutreffend benannt. Unter zutreffender Anwendung dessen hat es dargelegt, dass es nicht Aufgabe der Sozialgerichte ist, zivilrechtliche Fragen zu klären und ein Fall der Negativevidenz vorliegend nicht gegeben ist, sondern das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1611 BGB (§ 1611 Abs. 1 BGB - Beschränkung der Unterhaltspflicht in der Höhe, die der Billigkeit entspricht bzw. gänzlicher Wegfall bei grober Unbilligkeit) nicht ohne weitere Beweiserhebung zweifelsfrei festgestellt werden kann. Weiter zutreffend hat das SG ausgeführt, dass eine Verwirkung des Auskunftsanspruchs nicht vorliegt, nachdem sich die Beklagte laufend um die Erlangung der Unterlagen bemüht hat. Letztlich hat das SG auch rechtlich zutreffend ausgeführt, dass die Hilfebedürftigkeit der Hilfeempfängerin im Auskunftsverfahren nicht nachzuweisen ist. Hierauf wird Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger im Erörterungstermin am 15.10.2018 zu seiner Kindheit ausgeführt hat, dass seine Mutter psychische Probleme gehabt habe. Sollte die behauptete Vernachlässigung darauf beruhen, bestehen bereits Zweifel, dass die Unterhaltspflicht gem. § 1611 Abs. 1 BGB entfallen sein könnte. Denn eine schwere Verfehlung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden. Als Begehungsformen kommen aktives Tun und Unterlassen in Betracht, letzteres allerdings nur, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt (BGH, Beschluss vom 12.2.2014 – XII ZB 607/12 –, Rn. 14, juris), was Entschlussfähigkeit voraussetzt. Ob von einer schweren Verfehlung auszugehen ist, bemisst sich nach Abwägung aller Umstände (BGH, Urteil vom 19.5.2004 – XII ZR 304/02 –, Rn. 13, juris). Dass ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch nach objektivem, materiellen Recht offensichtlich ausgeschlossen ist - nur dann ist ein gleichwohl erlassenes, erkennbar sinnloses Auskunftsersuchen aufzuheben - ergibt sich bei bestehenden psychischen Problemen gerade nicht. Ohne weitere Ermittlungen und eingehende rechtliche Überlegungen ist nicht ersichtlich, dass der Unterhaltsanspruch nicht besteht.

Aus diesen Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt neben dem Unterliegen des Klägers, dass dieser in seiner Eigenschaft als Auskunftsverpflichteter nicht dem Personenkreis des § 183 SGG angehört.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a SGG iVm § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
Saved